Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.01.2020, RV/5101707/2019

Keine außergewöhnliche Belastung bei auswärtigem Studium

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. NN in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt XYZ vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt/ Verfahren

Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2018.

Der Beschwerdeführer erzielte im beschwerdegegenständlichen Jahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seiner elektronisch am eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 beantragte er, Kosten für die auswärtige Berufsausbildung seines Sohnes für einen Zeitraum von neun Monaten steuermindernd als außergewöhnliche Belastung (Freibetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988) zu berücksichtigen. Die Veranlagung erfolgte ohne Überprüfung der Erklärungsangaben und hatte eine Gutschrift von 919 € zur Folge (Bescheid vom ).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am auf elektronischem Wege Beschwerde und begehrte die Berücksichtigung des Freibetrages für auswärtige Berufsausbildung für einen Zeitraum von zwölf Monaten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und anerkannte den Freibetrag für auswärtige Berufsausbildung zur Gänze nicht (Steuergutschrift nunmehr 572 €). Auf die Bescheidbegründung wird verwiesen.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Weiterleitung seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung. Begründend führte er aus, es sei – wie in der Bescheidbegründung angegeben – zwar richtig, dass die Entfernung vom Wohnort zum Studienort weniger als 80 km, sowie die Fahrtzeit durch öffentliche Verkehrsmittel vom Bahnhof E bis zum HBF Linz weniger als eine Stunde betrage, seiner Ansicht nach müsse jedoch auch die Straßenbahnfahrt vom HBF Linz zur JKU in der Berechnung mitberücksichtigt werden.

In weiterer Folge legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Festgestellter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wohnt mit seinem Sohn am Familienwohnsitz in der Gemeinde E. Der Sohn studiert an der JKU in Linz. Der Wohnort E liegt vom Studienort Linz rd. 32 km entfernt. Das günstigste öffentliche Verkehrsmittel ist die Bahn. Die Fahrzeit zwischen der Einstiegshaltestelle E und dem HBF Linz beträgt 38 Minuten.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus der Aktenlage und den vom Beschwerdeführer eingebrachten Schriftsätzen. Die Bestimmung der Bahnfahrt von 38 Minuten erfolgte aufgrund der vom Beschwerdeführer vorgelegten ÖBB-Fahrplanauskunft.

Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

  • Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

  • Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von höchstens 7.300 Euro 6 %, mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro 8 %, mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro 10 %, mehr als 36.400 Euro 12 % (Abs. 4).

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können die Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8 ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Gemäß § 1 der zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes (VO Berufsausbildung – Kinder), BGBl 624/1995 idF BGBl II 449/2001, liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

Gemäß § 2 Abs. 1 VO Berufsausbildung – Kinder gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs. 2 VO Berufsausbildung – Kinder gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 605/1993, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrtzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 605/1993, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 605/1993, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.

Rechtliche Erwägungen

Strittig ist, ob die geltend gemachten Kosten für die auswärtige Berufsausbildung für den Sohn des Beschwerdeführers als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können.

Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnorts werden aus dem Titel der Unterhaltsverpflichtung getragen ().

Ein Pauschbetrag steht nur zu, wenn im Einzugsbereich des Wohnorts keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht, unabhängig davon, ob eine auswärtige Wohnung bezogen oder die Strecke Wohnort – Ausbildungsort täglich zurückgelegt wird. Unter dem Einzugsbereich (des Wohnorts) ist jener Bereich zu verstehen, in dem die tägliche Hin- und Rückfahrt zum Ausbildungsort zeitlich noch als zumutbar anzusehen ist (; Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 34 Rz 77).

Die VO Berufsausbildung – Kinder trifft ergänzende Regelungen:

(1) Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, liegen nicht mehr innerhalb des Einzugsbereichs des Wohnorts (§ 1 VO).

(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km vom Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereichs gelegen, wenn die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort von diesen Gemeinden nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 zeitlich noch zumutbar sind (§ 2 Abs. 2 VO). Der Gegenbeweis ist zulässig; es kann nachgewiesen werden, dass die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel (dh. die schnellstmögliche Verbindung, ) mehr als je eine Stunde beträgt. Gelingt der Gegenbeweis, gilt die tägliche Fahrt an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung als nicht mehr zumutbar.

(3) Ist die jeweilige Gemeinde in den genannten Verordnungen nicht angeführt (keine sog. „Verordnungsgemeinde“), gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als nicht innerhalb des Einzugsbereichs des Wohnorts gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und retour unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels in beiden Richtungen (“je“) mehr als eine Stunde beträgt (§ 2 Abs. 1 VO) (Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 34 Rz 78).

§ 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, auf dessen Grundsätze in der VO Berufsausbildung – Kinder verwiesen wird, lautet: „Von welchen Gemeinden diese tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich noch zumutbar ist, hat die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft durch Verordnung festzulegen. Eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum oder vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel ist keinesfalls mehr zumutbar.“

In der gemäß § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 erlassenen Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl Nr. 605/1993 idgF, sind in § 4 jene Gemeinden angeführt, bei denen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Linz zeitlich noch zumutbar ist. Der Wohnort E ist hier dezidiert angeführt. Damit wird lediglich festgestellt, dass eine Zumutbarkeitsvermutung nach § 2 Abs. 2 VO Berufsausbildung – Kinder besteht.

Es ist daher zu prüfen, ob gemäß § 2 Abs. 1 VO Berufsausbildung – Kinder aufgrund der Fahrzeit für die tägliche Hin- und Rückfahrt die Ausbildungsstätte als im Einzugsbereich der Wohngemeinde gelegen gilt. Nicht innerhalb des Einzugsbereichs des Wohnorts gelegen gilt eine Ausbildungsstätte – wie oben ausgeführt – wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und retour unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels in beiden Richtungen (“je“) mehr als eine Stunde beträgt. Dabei kommt es nur auf die Dauer der Fahrten zwischen zwei Orten an. Hiebei ist die Fahrzeit zwischen jenen Punkten der jeweiligen Gemeinden heranzuziehen, an denen die Fahrt mit dem jeweiligen öffentlichen Verkehrsmittel üblicherweise angetreten bzw. beendet wird (die Erreichbarkeit des Bahnhofs der Abfahrtsgemeinde ist bedeutungslos, ).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – bei der Berechnung der Wegzeit sei auch die Straßenbahnfahrt zwischen dem HBF Linz und der JKU zu berücksichtigen – werden Fußwege, Fahrten am Wohnort und am Studienort sowie Wartezeiten vor Beginn und nach Ende des Unterrichts nicht veranschlagt (; ), wohl aber allfällige Wartezeiten bei Umsteigevorgängen außerhalb des Heimat- oder Studienorts (Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 34 Rz 79).

Es handelt sich bei § 34 Abs. 8 EStG 1988 nämlich um eine typisierende Betrachtungsweise (). Der Gesetzgeber ist auch gar nicht verpflichtet, den Aufwand der Berufsausbildung der Kinder in seinem individuellen Ausmaß zu berücksichtigen (Ablehnungsbeschluss des ).

Nach obigen Feststellungen beträgt die Wegzeit vom Wohnort E zum Ausbildungsort Linz und retour bei Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels jeweils nicht mehr als eine Stunde. Die Wegzeit ist damit noch zumutbar iSd § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz und die vom Sohn des Beschwerdeführers besuchte Ausbildungsstätte ist gemäß § 2 Abs. 2  VO Berufsausbildung – Kinder noch dem Einzugsbereich des Wohnortes der Familie des Beschwerdeführers zuzurechnen.

Dem Beschwerdeführer steht deshalb der für seinen Sohn geltend gemachte Pauschalbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 nicht zu.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über außergewöhnliche Belastungen (Kosten für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes) abgesprochen. Zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ; ) vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab, die im Wege der freien Beweiswürdigung beurteilt wurden. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

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