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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.01.2020, RV/7102451/2015

Keine außergewöhnliche Belastung bei Hochwasser im Hochwasserabflussgebiet

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache Bf., Adr._Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vom , betreffend Einkommensteuer 2013 zu Recht: 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

Der Bf. hat seinen Hauptwohnsitz in Hauptwohnsitz. Der Bf. ist zusammen mit seiner Ehefrau jeweils zur Hälfte Eigentümer dieser Liegenschaft.

Das Hauptgebäude der Liegenschaft ist ein Stelzenbau. Im Obergeschoss, das über Holztreppen erreichbar ist, sind die Wohnräume gelegen. Im Erdgeschoss befinden sich Lagerräume, ein Stüberl und eine Werkstatt.

Das Grundstück war in der Zeit von bis durch Hochwasser überflutet. Dabei stand das Wasser im Erdgeschoss des Hauptgebäudes circa 60cm hoch. Die Wohnräume des Obergeschosses waren durch das Hochwasser nicht betroffen.

Die Liegenschaft befindet sich im Hochwasserabflussgebiet der Donau und ist als „Bauland-Sondergebiet-Badehütten“ gewidmet.

2. Beweiswürdigung

Der Hauptwohnsitz ist aktenkundig und ergibt sich aus einer Abfrage des Zentralen Melderegisters. Dass der Bf. zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft ist, ergibt sich aus dem Grundbuch (KG XXX Ort, Grundstücksnummer GStNr.) und dem Kaufvertrag vom .

Dass die Liegenschaft im Zeitraum von bis überflutet war, ergibt sich aus der aktenkundigen und vom Bf. im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens beigebrachten Bestätigung der Marktgemeinde Gemeinde vom .

Die Bauweise des Hauptgebäudes (Stelzenbau) sowie die Höhe des Hochwassers ergibt sich durch den niederschriftlich festgehaltenen Augenschein am Grundstück am .

Die Lage der Liegenschaft im Hochwasserabflussgebiet der Donau sowie die Widmung als Bauland-Sondergebiet-Badehütten ergibt sich ebenso aus der bereits oben erwähnten Bestätigung der Marktgemeinde Gemeinde vom .

3. Erwägungen

   3.1. Zu Spruchpunkt I: Abweisung

Der Bf. begehrt außergewöhnliche Belastungen aufgrund Katastrophenschäden ohne Selbstbehalt.

Gemäß § 34 Abs. 1  EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen [...] nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 6 1.Teilstrich EStG 1988 können A ufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden.

Die Berücksichtigung von Katastrophenschäden ohne Selbstbehalt kommt aber nur dann in Betracht, wenn auch die allgemeinen Merkmale der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit verwirklicht sind (vgl. ).

Dem Konzept der außergewöhnlichen Belastung liegt der Gedanke zu Grunde, dass die inländischen Steuerpflichtigen eine Gemeinschaft bilden, die in Ausnahmefällen die Belastung Einzelner mitträgt. Im Wesentlichen sollen durch die Vorschriften der außergewöhnlichen Belastung den einzelnen Steuerpflichtigen betreffende Sachverhaltskonstellationen berücksichtigt werden, die es rechtfertigen, den durch die Steuerermäßigung eintretenden Steuerausfall auf die Allgemeinheit abzuwälzen (vgl. etwa ; Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (54. Lfg 2013) zu § 34 Abs 1 EStG Rz 2).

Die belangte Behörde argumentiert, dass dem Bf. die Aufwendungen nicht zwangsläufig erwachsen sind, weil er sich freiwillig im Hochwasserabflussgebiet der Donau angesiedelt habe. Das bewusste Eingehen eines Risikos schließe die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung aus. Dem ist im Lichte der Rechtsprechung des VwGH allgemein zu entgegnen, dass Aufwendungen bei zerstörten Wirtschaftsgütern des Privatvermögens dann zwangsläufig erwachsen, wenn dem Steuerpflichtigen die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung des zerstörten Wirtschaftsgutes nicht zuzumuten ist (vgl. mit weiteren Nachweisen) .

Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch die Frage, ob die Belastung außergewöhnlich ist. Nach dem Wortlaut des § 34 Abs 2 EStG 1988 bedeutet „außergewöhnlich“, dass dem Steuerpflichtigen eine höhere Belastung als jene der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen muss. Die Bestimmung der Außergewöhnlichkeit ist nicht so zu verstehen, dass etwa auf Grund statistischer oder demographischer Untersuchungen geklärt werden müsste, ob tatsächlich eine Belastung nicht auch der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- oder Vermögensverhältnisse erwächst. Vielmehr ist die Definition der Außergewöhnlichkeit typisierend dahin zu verstehen, dass es sich nicht um eine im täglichen Leben übliche Erscheinung handeln darf ( ; ). Das Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit dient somit der Abgrenzung atypischer, außerhalb der normalen Lebensführung gelegener Belastungen von den typischerweise wiederkehrenden Kosten der Lebenshaltung (vgl. Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (54. Lfg 2013) zu § 34 Abs 2 bis 5 EStG Rz 4).

Diese Abgrenzung erfordert einen Vergleich mit den üblichen Belastungen eines Steuerpflichtigen (vgl. ). Außergewöhnlich können nur Aufwendungen sein, die der Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen; sie dürfen nicht gewöhnlich sein, d.h. unter gleichen Umständen alle Steuerpflichtigen treffen (vgl. ; Peyerl, in Jakom12 (2019) § 34 Rn 37). Liegt eine Ausgabe in einer bestimmten Einkommenskategorie an sich im Bereich der normalen Lebensführung, liegt auch dann keine außergewöhnliche Belastung vor, wenn tatsächlich nicht die Mehrheit dieser Einkommenskategorie dieselben Ausgaben tätigt (vgl. ; Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (54. Lfg 2013) zu § 34 Abs 2 bis 5 EStG Rz 4).

Vor diesem Hintergrund ist das Merkmal der Außergewöhnlichkeit nicht erfüllt: Vergleicht man Steuerpflichtige, die in Hochwassergebieten leben, so ist eine Überschwemmung im Rahmen eines Hochwassers grundsätzlich nicht außergewöhnlich (vgl. idS auch Pülzl, Wann ist eine Belastung außergewöhnlich? ÖStZ 2001, 223). Die Liegenschaft in Hauptwohnsitz liegt im Hochwasserabflussgebiet der Donau. Die vorgeschriebene (und auch tatsächlich so durchgeführte) Bebauung des Grundstückes (Stelzenbau) lässt den Rückschluss darauf zu, dass im Wohngebiet des Bf. mit Überflutungen zu rechnen ist. Während des Hochwassers war insbesondere der Teil des Grundstückes überflutet, der nicht zu Wohnzwecken genutzt werden darf. Das Obergeschoss des Hauptgebäudes, in dem sich die Wohnräume befinden, war durch den vorgeschriebenen Stelzenbau des Hauses vom Hochwasser nicht betroffen.

Dabei soll nicht verkannt werden, dass es auch in Hochwassergebieten durch Überflutungen zu außergewöhnlichen Belastungen kommen könnte. Wäre das Hochwasser - im vorliegenden Fall - derart massiv gewesen, dass auch die Wohnräume im Obergeschoss davon betroffen gewesen wären, käme auch die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen in Betracht. Gegenständlich traf das Hochwasser aber lediglich jenen Teil des Grundstücks, der im Rahmen der Bebauungsvorschriften nicht zu Wohnzwecken genutzt werden darf. Damit handelt es sich im Fall des Bf. um solche Aufwendungen, die ihn üblicherweise belasten.

Damit eine außergewöhnliche Belastung vorliegt, müssen die Tatbestandsmerkmale des § 34 EStG 1988 kumulativ vorliegen. Im vorliegenden Fall mangelt es an der Außergewöhnlichkeit der Belastung. Die Aufwendungen, die dem Bf. erwachsen sind, sind daher keine außergewöhnlichen Belastungen.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

   3.2. Zu Spruchpunkt II: Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der Rechtsprechung des VwGH zur Außergewöhnlichkeit von Aufwendungen ( , ). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102451.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at