Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.02.2020, RV/3100474/2019

(keine) Festsetzung einer Zwangsstrafe ohne nachweislich vorangegangene Androhung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang/Sachverhalt

1. Mit dem an die A. Ges.m.b.H. (Beschwerdeführerin) ergangenen Bescheid des Finanzamtes FA vom wurde wegen Nichtabgabe der Körperschaftsteuererklärung 2017 eine Zwangsstrafe von 360 € festgesetzt.

In der (fristgerecht) erhobenen Beschwerde vom beantragte die Beschwerdeführerin die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides. Zur Begründung verwies sie auf anhängige Beschwerden betreffend Vorschreibung von Mindestkörperschaftsteuer, in denen ua. vorgebracht worden sei, dass die Beschwerdeführerin keine Einkünfte erziele. Entgegen der bisher üblichen Gepflogenheit habe das Finanzamt von der Beschwerdeführerin Steuererklärungen abverlangt, ohne eine rechtskräftige Entscheidung über ihre Beschwerden abzuwarten. 

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom (zugestellt durch Hinterlegung am ) als unbegründet ab. Der Beschwerdeführerin sei am ein Formular der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2017 zugesendet worden; mit dieser Zusendung sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, die Körperschaftsteuererklärung abzugeben. Einen Antrag auf Fristverlängerung habe die Beschwerdeführerin bis zur Festsetzung der Zwangsstrafe nicht eingebracht. 

Im Vorlageantrag vom (beim Finanzamt per Fax eingebracht am ) brachte die Beschwerdeführerin vor, das laut Beschwerdevorentscheidung am an sie versendete Formular für die Körperschaftsteuererklärung 2017 habe sie nie erhalten. Auch der im Bescheid vom angeführte Bescheid vom über die Androhung einer Zwangsstrafe sei bei ihr nie eingegangen, welcher Umstand in der Beschwerde versehentlich nicht angeführt worden sei.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

2. In den vom Finanzamt vorgelegten Akten sind - neben einem elektronischen Vermerk des Erklärungsversandes am - auch Ausdrucke von elektronisch ausgefertigten, an die Beschwerdeführerin adressierten Bescheiden vom und enthalten. Mit dem Bescheid vom wurde eine Frist zur Nachholung der Körperschaftsteuererklärung 2017 bis gesetzt. Mit dem Bescheid vom wurde eine weitere Nachfrist bis eingeräumt und ausgesprochen, dass eine Zwangsstrafe von 360 € festgesetzt werden könne, falls dem Ersuchen um Nachholung der Körperschaftsteuererklärung 2017 nicht Folge geleistet werde. Zustellnachweise sind nicht aktenkundig.

Über Anfrage des Bundesfinanzgerichtes teilte das Finanzamt am mit, der Versand der Körperschaftsteuererklärung 2017 sowie der beiden Bescheide vom und vom sei jeweils mit gewöhnlichem Fensterkuvert erfolgt. Einen Nachweis der Zustellung könne das Finanzamt nicht erbringen.

Seitens des Bundesfinanzgerichtes ist daher die Feststellung zu treffen, dass eine Zustellung der angeführten Schriftstücke (insbesondere des Bescheides vom betreffend Androhung der Zwangsstrafe) an die Beschwerdeführerin nicht als erwiesen angenommen werden kann.

   

II. Rechtslage

1. Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen einer Abgabenbehörde dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntge­geben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Gemäß § 5 des Zustell gesetzes (ZustG) in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 5/2008 ist die Zustellung von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.

Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird (§ 26 Abs. 1 ZustG).

Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

2. Gemäß § 111 Abs. 1 erster Satz BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.

Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muss der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr im Verzug ist (§ 111 Abs. 2 BAO).

Nach § 111 Abs. 3 BAO darf die einzelne Zwangsstrafe den Betrag von 5.000 Euro nicht übersteigen.

Nach § 111 Abs. 4 BAO ist gegen die Androhung einer Zwangsstrafe ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Zu den Leistungen, die von der Abgabenbehörde durch Verhängung einer Zwangsstrafe erzwungen werden können, gehört auch die Einreichung von Steuererklärungen (Ritz, BAO, 6. Auflage, Rz 2 zu § 111). 

III. Erwägungen

1. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. zuletzt etwa , mwN; im Anwendungsbereich der BAO: ).

2. Jede Zwangsstrafenfestsetzung setzt die vorherige (in der Regel schriftliche) Aufforderung zur Erbringung der verlangten Leistung und die Androhung der Zwangsstrafe voraus (Ritz, BAO, 6. Auflage 2017, Rz 7 zu § 111). Die Beschwerdeführerin hat, wenngleich erst im Vorlageantrag vom , die Zustellung ua. des Bescheides vom bestritten. Da die Abgabenbehörde den Nachweis der Zustellung nicht erbringen und der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe diesen Bescheid nie erhalten, somit nicht wirksam entgegentreten konnte, ist das gesetzliche Erfordernis der einer Festsetzung vorangehenden Androhung der Zwangsstrafe nicht erfüllt.

Der angefochtene Zwangsstrafenbescheid war daher vom Bundesfinanzgericht aufzuheben.

IV. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die oben (Punkt III) dargestellten Rechtsfolgen ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 111 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100474.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at