Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.01.2020, RV/7500021/2019

Parkometer - Aufhebung der Vollstreckungsverfügung wegen Gefährdung des notwendigen Unterhalts

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde des U**** A****, geb.: **.**.****, [Adresse], vom betreffend die Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Rechnungs- und Abgabenwesen, Buchhaltungsabteilung 32, vom , Zahlungsreferenz: X (iZm dem Straferkenntnis MA 67-PA-X) zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 50 VwGVG aufgehoben.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG durch die vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde ist nicht zulässig.

Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Straferkenntnis vom wurde dem Beschwerdeführer eine Geldstrafe von EUR 92,- (20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) samt EUR 10,- Kosten auferlegt.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde nach Abweisung eines Verfahrenshilfeantrages keine Beschwerde erhoben.

Der Magistrat der Stadt Wien erließ eine Vollstreckungsverfügung zur Vollstreckung der mit diesem Straferkenntnis ausgesprochenen Strafe samt Kosten (angefochtener Bescheid).

Gegen diese Vollstreckungsverfügung wendet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer wendet darin zusammengefasst ein, er habe ein Einkommen von EUR 200,- und eine Allimentationsverpflichtung von EUR 157,- monatlich. Durch die Einbringung der Geldstrafe (samt Kosten) würde daher sein Unterhalt und der des Unterhaltsberechtigten gefährdet.
Weites wendet er Vollstreckungsverjährung ein.

Das Bundesfinanzgericht forderte den Beschwerdeführer auf, seine wirtschaftlichen Verhältnisse anhand eines üblicherweise für Verfahrenshilfeanträge verwendeten Vermögensbekenntnisses darzustellen.

Der Beschwerdeführer gab in diesem Vermögensbekenntnis an, er sei geringfügig beschäftigt und erziele daraus ein Einkommen von EUR 200,- monatlich, er sei Mitbewohner in der Mietwohnung seiner Mutter, wofür er nichts zu bezahlen brauche sowie, er verfüge über ein Barvermögen von EUR 200,-, sonst jedoch über kein weiteres Vermögen. Er schulde diversen Gläubigern EUR 60.000,- und habe aufgrund einer Herabsetzung nunmehr eine Unterhaltsverpflichtung von EUR 80,-.

Ein vom Bundesfinanzgericht eingeholter Versicherungsdatenauszug bestätigt die sein Einkommen betreffenden Angaben des Beschwerdeführers.

Der Magistrat der Stadt Wien gab zu diesen Angaben keine Äußerung ab.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Zum Einwand der Vollstreckungsverjährung:

Der Verfahrenshilfeantrag bzw der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers iZm dem Straferkenntnis vom wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom abgewiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt (Übernahme durch seinen Vater).

Mit Zustellung des abweisenden Beschlusses begann gemäß § 8a Abs 7 iVm § 40 Abs 2 VwGVG die Beschwerdefrist erneut zu laufen. Innerhalb dieser Frist wurde keine Beschwerde erhoben.

Das Straferkenntnis vom wurde damit rechtskräftig.

Die dreijährige Vollstreckungsverjährungsfrist iSd § 31 Abs 3 VStG ist damit noch nicht abgelaufen, es liegt daher keine Vollstreckungsverjährung vor.

Zum Einwand der Gefährdung des Unterhaltes:

Gemäß § 14 VStG dürfen Geldstrafen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notwendige Unterhalt des Bestraften und derjenigen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet, nicht gefährdet wird.

Diese Regelung ist nicht schon bei der Strafbemessung, sondern erst bei der Vollstreckung zu berücksichtigen. Ist die Vollstreckung danach unzulässig, ist die Ersatzfreiheitsstrafe in Vollzug zu setzen (Thienel, Verwaltungsverfahren4, 543).

Als notwendiger Unterhalt im Sinne des § 14 Abs 1 VStG ist nach § 63 ZPO derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt.
Der notwendige Unterhalt liegt dabei einerseits über dem Existenzminimum (dies wäre der notdürftige Unterhalt) und andererseits unter dem standesgemäßen Unterhalt. Der verbleibende Geldbetrag muss der Person eine ihre Bedürfnisse berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestatten (vgl Bydlinski in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze2 (2002), § 63 ZPO Rz. 2, mit Hinweis auf die ErläutRV 846 BlgNR 13. GP 12 zum Verfahrenshilfegesetz, BGBl Nr. 569/1973, sowie auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Gewährung von Verfahrenshilfe). Zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt ist jener Betrag an verfügbaren Mitteln anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem "Existenzminimum" liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz. 1301; Fucik in Rechberger, Kommentar zur ZPO4 (April 2014), § 63 ZPO Rz 3, der zur Orientierung einen Richtwert von etwa 1.000 Euro für einen alleinstehenden Verfahrenshilfewerber angibt) (vgl VwG Wien , VGW-251/082/28624/2014/VOR).

Die Einkommenssituation des Beschwerdeführers mit einem monatlichen Einkommen von EUR 200,- und einer monatlichen Unterhaltverpflichtung von EUR 80,- erlaubt es ihm nicht, eine einmalige Ausgabe von EUR 92,- Strafe plus EUR 10,- Kosten zu tätigen, ohne dass unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu besorgen ist, dass der Beschwerdeführer und sein Kind aufgrund dieser finanziellen Mehrbelastung an einer bescheidenen Lebensführung (auch nur kurzfristig) gehindert wären. Sein Einkommen unterschreitet das Existenzminimum deutlich, sodass die von ihm behauptete Gefährdung seiner Unterhaltspflichten durch die Zahlung dieser Strafe gegeben ist.

Die angefochtene Vollstreckungsverfügung erweist sich damit als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.

Zur  Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 14 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7500021.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at