Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.01.2020, RV/7100616/2017

Dienstbarkeit - Einbeziehung der Umsatzsteuer und Nebenleistungen in die Bemessungsgrundlage der Gebühr

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache BF GmbH & Co KG, ADR, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr*** Team 13 betreffend Gebühren zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert wie folgt:

Die Gebühr wird festgesetzt mit € 1.761,97
(2 % einer Bemessungsgrundlage von € 88.098,30).

Soweit durch dieses Erkenntnis ein Mehrbetrag der Abgabe festgesetzt wird, ist dieser Betrag (€ 33,97) gemäß § 93a BAO iVm 210 Abs. 1 BAO mit Ablauf eines Monats nach Zustellung des Erkenntnisses fällig.

Der Ausspruch, dass die Festsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erfolgt, entfällt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf 

Gebührenanzeige - Urkundeninhalt 

Am / schlossen AB und CD als „Nutzungsgeber“ (kurz NG) und die BF GmbH & Co KG als „Nutzungsberechtigte“ (die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf. oder NB) einen sog. „Nutzungs- und Dienstbarkeitsvertrag“ ab, der beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (kurz FA) unter der ErfNr*** zur Vergebührung angezeigt wurde.

Die Vertragsurkunde hat auszugsweise folgenden Inhalt:

„1. Vertragsgegenstand  

Die NG sind grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ***, Grundbuch ****, … Gegenstand dieses Vertrages ist die Einräumung der in den Punkte 2. bis 12. dieses Vertrages geregelten Nutzungsrechte sowie des dinglichen Rechts der Dienstbarkeit an den im beiliegenden Lageplan (Beilage 1) markierten Teilflächen (...) der vertragsgegenständlichen Liegenschaft durch die NG für sich und ihre Rechtsnachfolger zugunsten der NB und ihrer Rechtsnachfolger 

...

3. Dauer der Vereinbarung  

3.1. Dieser Vertrag tritt mit seiner Unterfertigung durch beide Vertragsparteien in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. 

….

4. Nutzungsentgelt, Beginn der Zahlungen, Wertsicherung  

4.1 Für die mit diesem Vertrag erfolgte Einräumung von Nutzungsrechten und Dienstbarkeiten hat die NB dem NG für den Zeitraum ab dem Baubeginn ein Nutzungsentgelt in der Höhe von jährlich € 8.000,- (...) allenfalls zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer zu bezahlen. Sollte auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft eine Windkraftanlage mit einer installierten Nennleistung von mehr als 3,4 MW errichtet werden, so erhöht sich das jährliche Nutzungsentgelt für jedes die Leistung von 3,4 MW übersteigende MW um € 1.000,-- (…)  allenfalls zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer (z.B. installierte Leistung von 6 MW, ergibt jährliches Nutzungsentgelt von € 8.000,- + (6-3,4) x 1.000,- = € 10.600,--). Mit diesem Nutzungsentgelt sind sämtliche Ansprüche der NG im Zusammenhang mit der Einräumung und Ausübung der Nutzungsrechte und der Dienstbarkeit abgegolten.

...

8. Pflichten der Nutzungsberechtigten  

Die NB ist verpflichtet,.

...

8.3 den NG hinsichtlich aller Ansprüche, die sich aus Errichtung und Betrieb der Anlage gegen sie ergeben, schad- und klaglos zu halten, sowie anfallende Verfahrenskosten und Abgaben, welcher Art auch immer, zu tragen, etwaige Flurschäden außerhalb der vertragsgegenständlichen Liegenschaft sind nach den Richtwerten der NÖ Landwirtschaftskammer abzugelten.... 

8.4 eine getrennte Verrechnung der Energieversorgungskosten der Windkraftanlage sicherzustellen und alle Anschluss-, Leitungs- und Energiekosten zu tragen und direkt mit dem jeweiligen Energieversorgungsunternehmen zu verrechnen; 

8.5 für die Laufzeit dieses Vertrages eine angemessene Betriebshaftpflichtversicherung abzuschließen die gewährleistet, dass alle Schäden, die durch den Ein- und Ausbau oder den Betrieb der Anlage – aus wessen Verschulden (außer dem des NG und der diesem zuzurechnenden Personen) auch immer – entstehen, dem NG ersetzt werden und die Polizze dem NG vor Beginn der Bauarbeiten auf dessen Verlangen vorzuweisen; 

11. Dienstbarkeit-Aufsandungserklärung  

...

11.2. Die NG räumen hiermit für sich und ihre allfälligen Rechtsnachfolger im Eigentum der vertragsgegenständlichen Liegenschaft der NB und ihren allfälligen Rechtsnachfolger im Eigentum der elektrischen Leitungsanlage und Telekomanlage sowie der Windkraftanlage samt Nebenanlagen das dingliche Recht der Dienstbarkeit ein, auf dem dienenden Grundstück gemäß den angeschlossenem Lagenplan (Beilage ./1) eine Windkraftanlage samt den erforderlichen Schalt-, Mess-, und Transformatorstationen und sonstigen notwendigen und nützlichen Nebenanlagen wie z.B. Eiswarntafeln zu errichen sowie auf der vertragsgenständlichen Liegenschaft die für den Betrieb des Windparks erforderlichen  elektrischen Leitungsanlagen sowie Telekomanlagen zu verlegen. ….

... 

11.5 Die NB nimmt die mit diesem Vertrag eingeräumten Rechte ("Dienstbarkeit") an. 

..."

2. vorläufiger Gebührenbescheid vom

Mit Bescheid vom setzte das FA gegenüber der Bf. für den o.a. Vertrag Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG 1957 iVm § 200 BAO vorläufig mit € 1.728,00 (2 % vom Wert des bedungenen Entgelts in Höhe von € 86.400,00) fest.

Zur Begründung führte das FA Folgendes aus:

“Da nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist, erfolgt die Vorschreibung vorläufig. 

Bemessungsgrundlage = jährl. Entgelt + USt € 9.600,00 x 9 fach (unbestimmte Dauer)“

3. Beschwerde 

Die dagegen eingebrachte Beschwerde richtet sich gegen die Einbeziehung der Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage.

Das FA sei bei der Berechnung der festgesetzten Gebühr davon ausgegangen, dass das Entgelt für die Einräumung des Nutzungsrechtes zuzüglich Umsatzsteuer an die Nutzungsgeberin entrichtet werde. Tatsächlich erfolge die Abrechnung ohne Umsatzsteuer (siehe beiliegende Rechnung vom , Rechnungsnummer 01/2016).

Die Bf. ersuche daher um Festsetzung der Gebühr in Höhe von 2 % von € 72.000,00 = € 1.440,00.

4. Beschwerdevorentscheidung 

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet ab:

„Gemäß § 33 TP 9 GebG unterliegen Dienstbarkeitsverträge einer Gebühr von 2% vom Wert der Bemessungsgrundlage (= der Wert des bedungenen Entgelts).
Entgelt ist alles, was der Dienstbarkeitsberechtigte aufwenden muss, um in den Genuss der Sache zu kommen. Das Entgelt kann in Einmalleistungen, als auch in wiederkehrenden Leistungen bestehen.
Zur Auslegung des Begriffes des Wertes des Entgelts gelten die Ausführungen zum § 33 TP 5 Abs.1 GebG (Bestandverträge) sinngemäß, mit dem Unterschied, dass bei
einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrag nicht, wie beim Bestandvertrag gemäß § 33 TP 5 GebG nur das auf drei Jahre entfallende Entgelt die Bemessungsgrundlage bildet, vielmehr ist - vorbehaltlich § 16 BewG 1955 - das Neunfache des Jahreswertes maßgeblich.
Auch die Umsatzsteuer ist in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn sie laut Vertragsinhalt neben dem Entgelt, das dem Liegenschaftseigentümer bzw. dem die Dienstbarkeit Einräumenden verbleibt, ausgewiesen ist.
In § 17 Abs.1 GebG ist das Urkundenprinzip festgelegt, welches besagt, dass für die Beurteilung der Gebührenschuld der schriftlich festgelegte Inhalt der Urkunde maßgebend ist (vgl , , v. , 92/16/0159, v. , 94/16/0112, und v. , 2006/16/0112).“

5. Vorlageantrag 

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundefinanzgericht brachte die Bf. ergänzend vor, dass das FA in seiner Beschwerdevorentscheidung in zutreffender Weise ausführe, dass für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist. Weiters werde in zutreffender Weise ausgeführt, dass für den Fall, dass neben dem vereinbarten Entgelt auch die darauf entfallende Umsatzsteuer zu entrichten ist, die Umsatzsteuer der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen ist. Im gegenständlichen Vertrag sei ein jährliches Entgelt in Höhe von EUR 8.000,00 allenfalls zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Umsatzsteuer vereinbart worden.

Soweit könne die Bf. den Sachverhalt bestätigen und teile sie die Rechtsansicht des Finanzamts für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel. In der Folge verkenne das Finanzamt aber die Rechtslage. Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken sei nämlich gemäß § 6 (1) Z 16 UStG steuerbefreit. Die gesetzliche Umsatzsteuer für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken betrage EUR 0,- und nicht 20%.

Im vorliegenden Sachverhalt liege eine umsatzsteuerlich steuerfreie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vor.

Im Bereich der Umsatzsteuer sei für die Abgrenzung zwischen steuerpflichtiger Dienstbarkeit und steuerfreier Vermietung und Verpachtung die Rechtsprechung des EuGH zu beachten. Danach liege eine Vermietung von Grundstücken vor, wenn der Vermieter des Grundstücks dem Vermieter gegen Zahlung des Mietzinses für eine bestimmte Dauer das Recht überträgt, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen ( C-275-01). Diese Begriffsdefinition sei nach der Rechtsprechung des EuGH weit auszulegen. Nach liege eine Vermietung von Grundstücken beispielsweise auch vor, wenn eine Gesellschaft den ihr verbundenen Gesellschaften gegen ein von der Nutzfläche abhängiges Entgelt ein widerrufliches Nutzungsrecht an ein und demselben Gebäude überträgt, das Objekt also nur gemeinsam mit anderen zu nutzen ist und der Vermieter sich ein Nachschaurecht vorbehält. Im Übrigen umfasse der Begriff der Vermietung von Grundstücken auch die Vermietung von Liegeplätzen für Boote im Wasser oder für die Lagerung von Booten an Land () oder die befristete Bestellung eines Fruchtgenussrechts an einem Grundstück (). Ausschließlichkeit des Gebrauches sei nicht erforderlich. Mitbenutzung oder zeitweilige Benützung genüge (vgl. Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz § 6, Tz 359).

Im Sinne dieser durch die Rechtsprechung des EuGH geprägten weiten Begriffsdefinition der steuerfreien Vermietung und Verpachtung, seien Dienstbarkeitsverträge umsatzsteuerlich danach zu beurteilen, ob das Nutzungsverhältnis wirtschaftlich mit einer Vermietung vergleichbar ist (in diesem Fall liege umsatzsteuerlich eine steuerfreie Grundstücksvermietung vor) oder eben nicht. Die Kernfrage sei, ob es aufgrund des Vertrags zu einer Inbesitznahme des Grundstücks wie durch einen Eigentümer kommt. Die Überlassung von Grundstücken zwecks Errichtung von Handy- oder Strommasten, von Windkraftanlagen oder sonstigen Betriebsanlagen (wie zB Transformatorenstationen) werde sowohl von der Finanzverwaltung (vgl. AÖF 2007/18; Rz 2884 iVm Rz 2882 UStR) als auch in Fachkreisen (vgl. zB Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz, § 22 R2 39) als steuerfreie Vermietung und Verpachtung angesehen. Die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung des § 6 (1) Z 16 UStG auf bloße Leitungs- und Wegerechte werde hingegen allgemein verneint.

Der vorliegende Nutzungs- und Dienstbarkeitsvertrag räume der Nutzungsberechtigten das Recht ein, auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft eine Windkraftanlage samt allen erforderlichen oder nützlichen (elektrischen, Telekommunikations-, technischen und sonstigen Nebenanlagen (zB Transformatorenstationen) sowie allen für den Windpark erforderlichen Zuleitungen, Anschlüssen und Zuwegungen zu errichten und zu betreiben und zu diesen Zwecken die vertragsgegenständliche Liegenschaft jederzeit zu betreten und zu befahren. Der Vertrag umfasse somit neben der Einräumung des Rechts auf Errichtung einer Windkraftanlage samt Nebenanlagen auch Leitungs- und Wegerechte. Gemäß dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung seien diese Leitungs- und Wegerechte unselbständige Nebenleistungen zur Hauptleistung Grundstücksüberlassung zum Zweck der Errichtung und des Betriebs einer Windkraftanlage und würde deren umsatzsteuerliches Schicksal teilen. Sie würden keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern seien lediglich Mittel zum Zweck, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (zB ). Diesbezüglich sei auf ein Urteil des BFH (BFH , V R 30/04, BStBI 2005, 802) zu verweisen, der die Überlassung von Grundstücksteilen zur Errichtung von Strommasten und die Einräumung des Rechts zur Überspannung der Grundstücke als einheitliche sonstige Leistung ansieht, die umsatzsteuerfrei sei.

Beim gegenständlichen Umsatz handle es sich um einen gemäß § 6 (1) Z 16 UStG steuerfreien Umsatz aus Vermietung und Verpachtung. Der Umstand, dass jeder Unternehmer das Recht habe, einen Umsatz, der nach § 6 (1) Z 16 UStG steuerfrei ist, gemäß § 6 (2) UStG als steuerpflichtig zu behandeln, ändere nichts daran, dass die gesetzliche Umsatzsteuer im vorliegenden Sachverhalt Null und nicht 20% des im Vertrag angeführten jährlichen Entgelts in Höhe von EUR 2.500,- betrage.

6. Vorlage der Beschwerde an das BFG 

Mit Vorlagebericht vom - der auch der Bf. übermittelt wurde - legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab dabei folgende Stellungnahme zu den Argumenten der Bf. ab:

"Dem beschwerdegegenständlichen Fall liegt ein Nutzungs- und Dienstbarkeitsvertrag zu Grunde. Im Vertrag wurde das Entgelt zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen USt vereinbart. § 6 Abs. 1 Z 16 UStG sieht eine Befreiung für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vor. Eine Befreiung von der USt für Dienstbarkeiten ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die vertraglich vereinbarte Übernahme der gesetzlichen USt stellt eine bedingte Leistung dar, die gemäß § 26 GebG als sofort fällige Leistung zu behandeln ist. Zudem besteht gemäß § 6 Abs. 2 UStG die Option zur Steuerpflicht. Bei Ziehung der Option ist Steuerpflicht zum Normalsatz von 20% gegeben. Die Option als einseitige Erklärung ist eine Bedingung, bei deren Eintritt die Steuerpflicht gegeben ist. Das grundlegende Merkmal der Vermietung von Grundstücken im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie besteht nach der Rechtsprechung des EuGH darin, dass dem Betreffenden auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Der EuGH argumentiert mit der Vergleichbarkeit der Nutzungsverhältnisse, woraus wohl abgeleitet werden kann, dass die Einräumung von Dienstbarkeiten, die wirtschaftlich nicht mit der Vermietung vergleichbar sind, bei denen es insbesondere nicht zu einer Inbesitznahme des Grundstückes wie durch einen Eigentümer kommt, nicht unter diesen Begriff und damit nicht unter die Befreiung fallen. Dies würde wohl dafür sprechen, bei Leitungs- oder Wegservituten und dgl die Steuerbefreiung zu verneinen (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz Kommentar, § 6 Tz 370). Mit gegenständlichem Nutzungs- und Dienstbarkeitsvertrag wird der Bf das Recht eingeräumt, Teile einer bestimmten Liegenschaft für ihre Zwecke zu nutzen und nur die für ihre Zwecke tatsächlich erforderlichen Flächen in Anspruch zu nehmen und unter größtmöglicher Schonung der Interessen des Grundeigentümers zu behandeln. Von einer eigentümerähnlichen Stellung des Nutzungsberechtigten kann nicht gesprochen werden, so dass die Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG nicht anwendbar ist."

7. Übergang der Zuständigkeit auf die Gerichtsabteilung 1062 

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom nahm der Geschäftsverteilungsausschuss (ua) die gegenständliche Rechtssache gemäß § 9 Abs. 9 BFGG der unbesetzten Gerichtsabteilung 1034 ab und wurde diese der Gerichtsabteilung 1062 zur Erledigung zugewiesen. 

8. Beweisaufnahme durch das BFG 

Die nunmehr zuständige Richterin nahm Einsicht in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Aktenteile des Bemessungsaktes ErfNr*** und durch Recherchen im Internet über die Fertigstellung des Windparks.

9. Vorhalteverfahren

Mit Vorhalt vom wurde der Bf. mitgeteilt, wie sich die Sach- und Rechtslage für das BFG darstellt und die Bf. aufgefordert, eine Aufstellung über die Höhe des durchschnittlichen jährlichen Nutzungsentgelts samt Nebenleistungen iSd Punkte 8.3. – 8.5 (Entschädigung für Flurschäden, Anschluss-, Leitungs- und Energiekosten sowie Versicherungsprämien der Betriebshaftpflichtversicherung) bis zum an das BFG zu übermitteln.

Dazu teilte die Bf. mit Schriftsatz vom mit, dass das Nutzungsentgelt für eine Windkraftanlage 2016 € 1.049,18 (aliquot ab Baubeginn) und 2017 € 8.000,00 (0% USt) betragen habe. Der Vertrag sei durch einen neuen Nutzungs- und Dienstbarkeitsvertrag ersetzt worden, daher sei 2017 die letzte Zahlung gewesen. Die jährliche Versicherungsprämie betrage € 188,70 (inklusive 11 % Versicherungssteuer). Entschädigung für Flurschäden sei keine geleistet worden.

II. entscheidungswesentlicher Sachverhalt 

Am unterzeichneten Norbert und CD als Nutzungsgeber (kurz NG) und am der Vertreter der Bf. die über den „Nutzungs- und Dienstbarkeitsvertrag“ errichtete Urkunde und wurde dadurch der Bf. eine Dienstbarkeit an Teilflächen einer Liegenschaft eingeräumt. Die Vertragsurkunde hat auszugsweise jenen Inhalt wie unter Punkt I. zitiert. Der schriftliche Vertragstext entspricht den Willenserklärungen der Vertragsparteien bei Vertragsabschluss.

Die bauliche Fertigstellung des Windparks ORT ist bereits erfolgt und beträgt die Nennleistung der WKA 3.3 MW.

Die NG haben nicht zur Umsatzsteuer optiert und stellten die NG der Bf. für das Jahr 2016 einen aliquoten Betrag iHv 1.049,18 ohne Umsatzsteuer in Rechnung. Auch im Jahr 2017 erfolgte die Rechnungslegung mit € 8.000,00 ohne Umsatzsteuer.

An den NG wurde keine Entschädigung für Flurschäden geleistet.

Die jährlichen Kosten der Betriebshaftpflichtversicherung betragen € 188,70 inklusive Versicherungssteuer. 

III. Beweiswürdigung 

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die vom Bundesfinanzgericht eingesehenen Teile des Bemessungsaktes ErfNr*** (wie insbesondere die Vertragsurkunde) sowie das damit im Einklang stehende Vorbringen der Bf. in ihren schriftlichen Eingaben gegenüber dem FA und dem BFG. Es besteht kein Anlass, die Angabe der Bf, wonach von den NG tatsächlich keine USt in Rechnung gestellt wurde, oder die Höhe der bekanntgegebenen Nebenkosten anzuzweifeln.

IV. rechtliche Beurteilung 

Rechtslage

Gemäß § 33 TP 9 GebG unterliegen Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird, einer Gebühr von 2 v.H. von dem Werte des bedungenen Entgeltes.

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird gemäß § 17 Abs. 2 GebG bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

Gemäß § 17 Abs. 4 GebG ist es auf die Entstehung der Gebührenschuld ohne Einfluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung oder von der Genehmigung eines der Beteiligten abhängt.

Nach § 17 Abs. 5 GebG heben die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben der Ausführung die entstandene Gebührenschuld nicht auf.

§ 19 Abs. 1 GebG 1957 normiert:

"Hat eine der Gebühr nach der Größe des Geldwertes unterliegende Schrift (Urkunde) mehrere einzelne Leistungen zum Inhalt oder werden in einem und demselben Rechtsgeschäfte verschiedene Leistungen oder eine Hauptleistung und Nebenleistungen bedungen, so ist die Gebühr in dem Betrage zu entrichten, der sich aus der Summe der Gebühren für alle einzelnen Leistungen ergibt. Als Nebenleistungen sind jene zusätzlichen Leistungen anzusehen, zu deren Gewährung ohne ausdrückliche Vereinbarung nach den allgemeinen Rechtsvorschriften keine Verpflichtung besteht." 

Gemäß § 26 GebG 1957 gelten für die Bewertung der gebührenpflichtigen Gegenstände, insoweit nicht in den Tarifbestimmungen abweichende Bestimmungen getroffen sind, die Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148, mit der Maßgabe, dass bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind und dass bei wiederkehrenden Leistungen die Anwendung der Bestimmungen des § 15 Abs. 1 über den Abzug der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen und des § 16 Abs. 3 des vorerwähnten Gesetzes ausgeschlossen ist.

Gemäß § 15 Abs. 2 BewG sind Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich des § 16 mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten.

Gemäß § 17 Abs. 3 BewG ist bei Nutzungen und Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird.

Gemäß § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabenpflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist.

Ist die Ungewissheit (gemäß Abs. 1) beseitigt, so ist auf Grund des § 200 Abs. 2 BAO die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt.

Erwägungen

Im gegenständlichen Beschwerdefall steht außer Streit, dass das in Rede stehende Rechtsgeschäft der Rechtsgeschäftsgebühr nach § 33 TP 9 GebG unterliegt. Strittig ist allein die Höhe der Bemessungsgrundlage.

Zur Auslegung des Begriffs des Wertes des Entgeltes können grundsätzlich dieselben Überlegungen wie für den „Wert“ im Sinne des § 33 TP 5 Abs 1 GebG gelten (vgl ), ohne dass aber die Sonderbestimmungen insbesondere der Abs 2 und 3 des § 33 TP 5 GebG zur Anwendung gelangen könnten (; So sind insbesondere Leistungen von unbestimmter Dauer gemäß § 15 Abs 2 BewG mit dem Neunfachen des Jahreswertes, also nicht etwa mit dem Dreifachen des Jahreswertes, anzusetzen).

Zur Einbeziehung der Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage

Für die Gebührenbemessung ist der Wert der Gegenleistung, die für die Einräumung der Dienstbarkeit versprochen wird, maßgebend. Ist für die Einräumung von Dienstbarkeiten an bestimmten Grundstücken neben bestimmten Beträgen auch die darauf entfallende Umsatzsteuer an den Liegenschaftseigentümer zu bezahlen, so bildet die Umsatzsteuer einen Teil der Gegenleistung, sodass sie bei der Gebührenbemessung nicht außer Ansatz bleiben kann. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob die Umsatzsteuer eine echte Nebenleistung im Sinne des § 19 Abs 1 zweiter Satz GebG darstellt oder ob davon auszugehen ist, dass ungeachtet der gesonderten Anführung der Umsatzsteuer neben dem Entgelt, das dem Liegenschaftseigentümer verbleibt, für den Gesamtbetrag eine einheitliche Geldleistungsverpflichtung der Berechtigten vorliegt (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz 15 zu § 33 TP 9 GebG unter Hinweis auf 1339, 1340/75, und 1559-1563/75).

Im Hinblick auf die Bestimmung des § 17 Abs 1 GebG ist die Umsatzsteuer im Sinne des UStG bei der Ermittlung der Gebührenbemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn die Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Bestandnehmer beurkundet ist (vgl Fellner, aaO, Rz 107 zu § 33 TP 5 GebG unter Hinweis auf ; , und ).

Wird im Bestandvertrag grundsätzlich die Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer durch die Mieterin vereinbart, den Vertragspartnern jedoch die Möglichkeit eingeräumt, nach Vertragsabschluss die Miete nicht umsatzsteuerpflichtig zu behandeln, so ist die Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer auflösend bedingt. Gemäß § 26 GebG sind aber bedingte Leistungen als unbedingt zu behandeln, woraus sich ergibt, dass in diesem Fall die Bewertung so zu erfolgen hat, als ob die Mieterin zur Zahlung des Mietentgeltes inklusive Umsatzsteuer unbedingt verhalten worden wäre (vgl. ).

Jeder Unternehmer hat das Recht, einen Umsatz, der nach § 6 Abs. 1 Z 16 UStG steuerfrei ist, gemäß § 6 Abs. 2 UStG als steuerpflichtig zu behandeln. Auf Grund der im gegenständlichen Fall getroffenen vertraglichen Vereinbarung ist der NG berechtigt, falls er für die Steuerpflicht optiert, die Umsatzsteuerbeträge der Bf. in Rechnung zu stellen.

Da nach der Bestimmung des § 26 GebG auch unter einer aufschiebenden Bedingung versprochene Leistungen als unbedingt vereinbart zu behandeln sind, hat das FA zu Recht die Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage einbezogen (vgl. dazu auch ).

Bei der Gebührenbemessung spielt es auf Grund der Bestimmungen des § 17 Abs. 4 GebG und § 17 Abs. 5 GebG keine Rolle, dass der Vertrag zwischenzeitlich ersetzt wurde und auf Grund des gegenständlichen Vertrages von der Bf. tatsächlich keine Umsatzsteuerbeträge zu leisten sind.

Endgültige Bemessungsgrundlage

Gemäß § 279 Abs. 2, 2. Satz BAO ist das Verwaltungsgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Es ist daher durch das Verwaltungsgericht zu überprüfen, ob nach wie vor eine Ungewissheit vorliegt oder ob die vorläufige Festsetzung auf eine endgültige Festsetzung abzuändern ist.

Eine Recherche im Internet hat ergeben, dass der Windpark ORT bereits 2017 in Betrieb genommen wurde. Es wird daher davon ausgegangen, dass mittlerweile feststellbar ist, wie hoch das jährliche Nutzungsentgelt ist.

Überdies hat das Bundesfinanzgericht zu vergleichbaren Verträgen ausgesprochen, dass auch die von der Bf. in den Punkten 8.3 -8.5 der gegenständlichen Verträge übernommenen Verpflichtungen (Entschädigung für Flurschäden, Anschluss-, Leitungs- und Energiekosten sowie Versicherungsprämien der Betriebshaftpflichtversicherung) in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind (vgl. ua ).

Über Vorhalt des BFG hat die Bf. mit Schriftsatz vom die Höhe der jährlichen Nebenkosten mit € 188,70 bekanntgegeben.

Im gegenständlichen Fall stand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht fest, ob es zu Flurschäden außerhalb der vertragsgegenschändlichen Liegenschaften kommen wird und wurde daher nicht von vorneherein eine der Höhe nach bestimmte Entschädigungszahlung festgelegt. Durch den im Vertragspunkt 8.3 enthaltenen Verweis auf die "Richtwerte der NÖ Landwirtschaftskammer" wurde allerdings für "etwaige Flurschäden" ein bestimmter Bewertungsmaßstab festgelegt. Damit wurde von der Bf. eine - von gesetzlichen Schadenersatzansprüchen  unabhängige - Leistung versprochen. Da die Gefahr einer Beeinträchtigung der an die vertragsgegenständlichen Liegenschaften anschließenden Grundstücke speziell in der Bauphase gegeben ist, ist nicht davon auszugehen, dass noch eine Entschädigungszahlung aus dem Titel Flurschäden geleistet wird.

Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß 279 Abs. 2, 2. Satz BAO insofern abzuändern, als der Ausspruch, dass die Festsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erfolgt, entfällt und die Gebühr ausgehend von folgender Bemessungsgrundlage festgesetzt wird:


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Jährliches Entgelt lt. Punkt 4.1
€ 8.000,00
 
20% Umsatzsteuer
€ 1.600,00
 
Versicherungskosten
€ 188,70
 
Summe = Bemessungsgrundlage
9.788,70
x 9 = € 88.098,30

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

V. Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ist die ordentliche Revision nicht zulässig, weil durch die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, dass die Umsatzsteuer bei der Ermittlung der Gebührenbemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn die Überwälzung der Umsatzsteuer beurkundet ist. Ebenso konnte die Frage der Einbeziehung von Nebenleistungen an Hand der ständigen Judikatur des VwGH erfolgen (vgl. ua. und mit weiteren Nachweisen).

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at