Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2014, RV/7100237/2013

Gewährung von Familienbeihilfe im ersten Studienjahr nur von Aufnahme als ordentlicher Hörer abhängig

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch


die Richterin
R

in der Beschwerdesache Bf., W, gegen den Bescheid des  Finanzamtes 4/5/10 vom betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Sohn S im Zeitraum November 2011 bis September 2012 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ersatzlos aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) gab mit E-Mail vom bekannt, dass ihr Sohn, S, für den sie Familienbeihilfe bezogen habe, seit dem "beschäftigt" sei.

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe für den genannten Sohn kam hervor, dass dieser im Zeitraum bis keine Prüfungen im Bachelor-Studium X abgelegt hat.

Mit Bescheid vom wurde von der Bf. die für ihren Sohn S bezogene Familienbeihilfe für die Monate November 2011 bis September 2012 in Höhe von insgesamt 1.679,70 € sowie die ebenfalls für diesen Zeitraum bezogenen Kinderabsetzbeträge in Höhe von 642,40 €, insgesamt somit 2.322,10 € zurückgefordert. In der Begründung wurden die Bestimmungen des § 2 Abs.1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung sowie § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl.Nr. 305/1992, zitiert, wobei insbesondere darauf hingewiesen wird, dass ab dem 2. Studienjahr kein Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe besteht, wenn ein Leistungsnachweis für das 1. Studienjahr nicht erbracht werde.

In der fristgerecht eingebrachten Berufung erklärte die Bf., dass ihr Sohn, S, nach Abschluss des Y an der HTL im Oktober 2011 an der TU Wien das Studium X begonnen habe. Im Rahmen der ersten Vorlesungen habe er aber feststellen müssen, dass dieses Studium in seine Gesamtausrichtung zu umfangreich sei, da er sich auf den Bereich Z hätte beschränken wollen. Begleitende Recherchen hätten ergeben, dass es in Österreich kein entsprechendes Studium gebe. Ähnliche Angebote gäbe es in Rosenheim/Bayern und im Rahmen eines Lehrgangs an der T.

Der Sohn der Bf. habe sich daher entschieden, sich für den Lehrgang in T anzumelden. Parallel dazu habe er immer wieder Bewerbungsschreiben an unterschiedliche Unternehmen im Großraum Wien gesendet. An der T sei er zu einem Präsentationsgespräch ([...]) im September 2012 eingeladen worden. Im Juli 2012 habe er dann einen Praktikumsplatz bei der Firma, erhalten. Seit sei er dort auch fix beschäftigt. Seine Ambitionen hinsichtlich seines Studiums habe er hintangestellt.

Aufgrund der Entwicklung und der Erkenntnis, dass das Studium an der TU Wien nicht seinen Vorstellungen entspreche, habe er auch keine Prüfungen absolviert, obwohl er Vorlesungen besucht habe. Hätte der Vorsatz bestanden, unrechtmäßig Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu beziehen, wäre ihr Sohn auch pro forma zu einer Prüfung angetreten. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Die Bf. habe lediglich als alleinerziehende Mutter versucht, ihrem Sohn die besten Voraussetzungen für sein zukünftiges Leben zu schaffen. Sie bitte daher um Verständnis und Nachsicht.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde nach Wiedergabe des § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 sowie des § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl.Nr. 305/1992, ausgeführt, der Besuch einer Universität allein sei nicht ausreichend, um das Vorliegen einer Berufsausbildung anzunehmen. Hiezu müsse das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen treten, Prüfungen abzulegen. Da keine Prüfungen absolviert worden seien, sei kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag erklärt die Bf., sie könne der Berufungsvorentscheidung wohl rechtlich folgen, verweise aber auf ihre Ausführungen in ihrer Berufung. Sie bitte daher um neuerliche Bearbeitung des Falles und um entsprechende Nachsicht.

Gemäß § 323 Abs. 38 erster und zweiter Satz BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Finanzamtsakt, in die Informationen des Finanzamtes im Abgabeninformationssystem des Bundes und die von der Bf. vorgelegte Bestätigung der Technischen Universität Wien vom .

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Bf. bezog in den Monaten November 2011 bis September 2012 für ihren Sohn S Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 2.322,10 €. Dieser hatte nach dem erfolgreichen Abschluss des Y an der HTL im Oktober 2011 das Bachelor-Studium X begonnen. Er war sowohl im Wintersemester 2011/12 als auch im Sommersemester 2012 als ordentlicher Student an der TU Wien inskribiert. Er hat in diesem Zeitraum zwar Vorlesungen besucht, ist aber zu keiner Prüfung angetreten.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Ausführungen der Bf., der Bestätigung der TU Wien, sowie den Informationen des Finanzamtes im Abgabeninformationssystem des Bundes. Er ist nicht strittig.

Der festgestellte Sachverhalt ist in folgender Weise rechtlich zu würdigen:

Gemäß § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn Ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl.Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.... Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Bei Besuch einer im § 3 Studienförderungsgesetz 1992 genannten Einrichtung ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn die im zweiten bis letzten Satz des § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 näher festgelegten Voraussetzungen vorliegen. Als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr gilt die Aufnahme als ordentlicher Hörer. Weitere Voraussetzungen sind dem FLAG nicht zu entnehmen. Bei Abbruch des Studiums nach dem ersten Studienjahr ist demnach kein Prüfungsnachweis erforderlich (vgl. Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 RZ 59 sowie ; , RV/1147-W/13).

Da der Sohn der Bf. im September 2012 das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und im Rückforderungszeitraum das erste Studienjahr als ordentlicher Hörer an der TU Wien absolvierte, hat er die in § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Im Gesetz wird ausdrücklich festgelegt, dass die Aufnahme als ordentlicher Hörer an einer im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtung, wozu auch die TU Wien zählt, die einzige Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Familienbeihilfe für das erste Studienjahr darstellt. Da diese Anspruchsvoraussetzung vom Sohn der Bf. erfüllt wurde, hat die Bf. im genannten Zeitraum die Familienbeihilfe zu Recht erhalten.

Gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 in der Fassung des BGBl.Nr. 112/2011, steht Steuerpflichtigen, denen aufgrund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 € für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen.

Da die Bf. die Familienbeihilfe und damit auch die Kinderabsetzbeträge für ihren Sohn S zu Recht bezogen hat, sind die von ihr erhaltenen Beträge auch nicht zurückzuzahlen.

Der Bescheid vom über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge war daher ersatzlos aufzuheben.

Eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133 Abs 4 B-VG ist zulässig, da sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlich Bedeutung zukommt, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 im ersten Studienjahr fehlt, und die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates nicht einheitlich beantwortet wurde (vgl. beispielsweise sowie im Sinne dieses Erkenntnisses; UFSG , RV/0717-G/10, sowie UFSI , RV/0171-I/13, im Gegensatz hiezu).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7100237.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at