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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.12.2019, RV/7104481/2019

Erhöhte Familienbeihilfe - Ist die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Viktoria Blaser in der Beschwerdesache Bf., Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für Bf., geb. xxx, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) Bf., geb. xxx, brachte am den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab Juni 2012 ein. Als Behinderung bzw. Erkrankung führte der Bf. "Persönlichkeitsstörung Perinataler Genese (585), GdB: 50%" an.

Das Finanzamt wies den Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab Juli 2012 mit Bescheid vom ab und führte begründend aus:

"Gemäß § 8 Abs. 5 ff Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung  muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, ist selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Bundeamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachten nachzuweisen.
Eine rückwirkende Gewährung der erhöhte Familienbeihilfe ist für max. fünf Jahre ab der Antragstellung möglich bzw. ab dem Monate, ab dem das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung festgestellt hat (§ 10 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der geltenden Fassung).

Da Sie der Einladung des Sozialministeriumsservices nicht nachgekommen sind, war eine obige Behinderung nicht feststellbar, und der Antrag ist daher abzuweisen."

Gegen den Bescheid erhob der Bf. Beschwerde und führte aus, dass eine Einladung zu der genannten Untersuchung ihm weder postalisch noch auf Finanzonline zugestellt worden sei. Es sei ihm weiters bis dato die im Abweisungsbescheid genannte Bescheinigung über das Ausmaß nicht zugestellt worden.
der Bf. ersuchte um einen neuen Untersuchungstermin.

Folgende Sachverständigengutachten wurden in den vorangegangenen Jahren erstellt:

- Fach/Ärztliches Sachverständigengutachen
Betr.: Bf. Vers.Nr. 000
Untersuchung am: 2003-07-09 Bundessozialamt Stadt3

In diesem Gutachten wird festgehalten, dass der GdB 50vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend ist, jedoch, dass der Bf. nicht dauernd außerstande ist, sich selbst Unterhalt zu verschaffen.
Bezuggenommen wurde auf den vorgelegte Befund vom , in dem der mittlere Rahmensatz (50%) damit begründet wurde, "da durchaus die Fähigkeit zum selbständigen Erwerb vorhanden ist sofern eine Therapie befolgt wird."

- Fach/Ärztliches Sachverständigengutachten:
Betr.: Bf., Vers.Nr.: 000
Untersuchung am: 2003-12-15 Ordination, Arzt für Allgemeinmedizin

"Anamnese:
Geburt im siebten Schwangerschaftsmonat mit 2100g, bei Steißlage und seit dem 3. Schwangerschaftsmonat bestehenden Frühgeburtsbestrebungen (Muttermundverschluss). Stationär bis zur 7. Lebenswoche, eine Grippe mit Sauerstoff und Penizillin versorgt, weitere Entwicklung verzögert: Sitzen mit 1 Jahr, selbständiges Gehen mit 2 Jahren, sprachliche Entwicklung bis VS-alterunauffällig, Betreuung im Kleinkindesalter von Mutter u. Großmutter, Vater war nur am Wochenende zu Hause, wenig Kontakte zu gleichaltrigen Kindern, ab dem 5. Lebensjahr wird eine motorische Ungeschicklichkeit immer auffälliger.(keine Purzelbäume, kein Zaunklettern, Schuhbandbinden erst ab dem ab 10. LJ möglich). Mit dem Schulbeginn wird die Linkshändigkeit auf rechts umgestellt, logopädische Förderung im Volksschulalter bei G, S, Sch Lauten bis zum 11. LJ, keine weiteren sprachlichen Handicaps, die soziale Ausgrenzung zeichnet sich bereits in diesem Alter ab, wird wegen seiner Ungeschicklichkeit gehänselt. Erhält sogar Turnbefreiung wegen Muskelschwäche, wegen Übersiedlung fand 1972 ein Schulwechsel statt, erneute Schwierigkeiten mit den Mitschülern, und Beginn einer psychologischen Betreuung bei Frau Dr. XY1 (nervöses Blinzeln und kein Augenkontakt). Herr Bf.s schulischer Werdegang schloss mit der Matura ab, eine Turnbefreiung bestand noch weiterhin. Anschließend verschiedene Studienversuche: Bergwesen in Stadt1 wegen körperlicher Anforderung unter Tage abgebrochen, Betriebsinformatik in Stadt2 mit 27 Jahren den ersten Studienabschnitt abgeschlossen, Tod des Vaters und Einstellung des Studienversuchs 1993 begann wie Herr Bf. berichtet eine Zeit der Krise.
Er zog wieder zu seiner Mutter nach Stadt3, Besuch der Fachhochschule für Telekommunikation diese wurde nach 4 Jahren nicht abgeschlossen. Anschließend wurden mehrere Wege sich im Arbeitsprozess einzugliedern versucht. 1993 3 Monate Arbeit bei I. in Stadt2, 1 Jahr Arbeitsrehabilitation in der Wäscherei in der XKlinik in Stadt3, 2003 2 Monate Arbeitsprojet über BALANCE Stadt4 im Werkverkauf, über Caritas Job Chance Versuch gescheitert, ebenso Versuch für 1 Woche über Arbeitsassistenz in Stadt5, die Versuche eine anspruchslose und körperlich nicht anstrengende Arbeit zu finden sind bisher gescheitert. Seit 1972 ist Herr Bf. laufend in psychologischen und psychiatrischen Behandlung. Wegen auffälliger Persönlichkeitsstruktur und Kommunikationsschwierigkeiten waren mehrmonatige Behandlungen und Therapien durchgeführt worden. Um seine Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen Menschen zu minimieren und seine Leistungsfähigkeit zu steigern wurde 2001/04 bis 2002/08 eine Langzeitbetreuug bei Dr. XY2 begonnnen, Problemstellung: konnte die Erwartungen seines Vaters aufgrund seiner motorischen Entwicklungsverzögerung nicht erfüllen, mit 12 Jahren erstmals gravierende Probleme mit sozialen Kontakten, isoliertes Dasein, Kontaktschwierigkeiten, kommt sich sehr unbeliebt vor, mit 15 Jahren bereits stationär auf der Jugendpsychiatrie, Entwicklung eines gesunden Selbstbildes und Selbstwertes blieben aus, gestörtes Verhältnis zu seinem Körper, Eßstörungen, Probleme im Umgang mit Mitmenschen da ihm das richtige Verhältnis Nähe und Distanz fremd ist. Versteht Distanz oft als Ablehnung seiner Person. Er ist der Überzeugung von den Mitmenschen als geistig und körperlich behindert abgestempelt zu werden, fühlt sich sozial unbeholfen, unattraktiv und minderwertig, von innerer Unruhe getrieben, Schwäche bei Entscheidungsfindung, Zusätzliche Erkrankungen: Mandeloperation, Lungenentzündung, Blinddarmdurchbruch, Grand Mal- Epilepsie (zwei Anfälle) Windpocken 1999, Röteln, Masern.
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):
Antidepressive Medikation 1990 Fluctine, 1996: Seropram und Tegretol, 2001:
Ennos, 2002 Trittico,Psychotherapien: 1972 kinderpsychologische Beratung Dr.XY1, 1976-1978 pschologische Betreuung DDr. XY3, 1978-1998:
Familientherapie Dr. XY4, 2001-2002 Verhaltenstherapie Dr. XY5, psychiatrische Betreuung: 1972 Prof. XY6 in Stadt6, 1978: Dr. XY7 {Sbg-Jugendpsychiatrie, 2001-2002, Tagesklinische Betreuung an der CDK bei Dr. XY2 2003: psychiatrische Ambulanz AKH Wien. Dr. XY8 Untersuchungsbefund:
39 jähriger Mann im guten Allgemein und schlankem Ernährungszustand, Kopf inspektorisch unauffällig, keine äußeren Auffälligkeiten, freibeweglich, Mund und Rachen infektfrei, Schleimhäute gut durchblutet, Hals: unauffälliger Tastbefund, Thorax: symmetrisch, Herz und Lunge zeigen keine krankhaften Auskultationsbefunde, Abdomen weich, die Gelenke frei beweglich, neurologischer Status: HKA frei, Pupillomotorik unauffällig, im Bereich der Hirnnerven keine Auffälligkeiten, obere Extremitäten: Dysdiadochokinese, untere Extremitäten: Muskulatur in Trophik unauffällig, Tonus leicht gesteigert, Muskeleigenreflexe gesteigert, Babinski seitengleich, Einbeinstand unsicher, Gangbild: etwas arrhythmisch.
Status psychicus / Entwicklungsstand: Antragsteller allseits orientiert, sprachlich kontaktfähig, jedoch kein Augenkontakt, nestelt mit den Händen, stottert, Antrieb leicht reduziert, Stimmungslage dysthym bis depressiv, keine akute Suicidalität, keine psychotischen Inhalte { Wahnideen oder Halluzinationen), ausgeprägte Probleme im zwischenmenschlichen Kontakt. Im Gespräch klebrig, Schwankungen zwischen distanzierter Berichterstattung und Erklärungen in der Art langjähriger Vertrautheit, zeitweise logorrhoisch, bei bester sprachlicher Ausdrucksweise, introvertiert, ausgeprägte Spezialinteressen vor allem im technischen Bereich. Bisher keine berufliche Etablierung möglich.

Relevante vorgelegte Befunde:
2003-11-07 MAGISTRAT D. STADT WIEN
Dauerinvalidität, bei Angststörung, Sozialphobie, Persönlichkeitsstörung
2003-07-04 MAG. XY9: KEIN. PSYCHODIAGNOSTIK UNIKLINIK FÜR PSY.WIEN
Intellekt: überdurchschnittlich, verbale Merkfähigkeit eingeschränkt, sehr
guter verbale Ausdruck, soziale Kontaktstörung Essstörung, depressive
Symptome, Angst, Selbstzweifel und Selbstabwertung
1996-04-25 LANDESNERVENKLINIK Stadt3 DR. XY10: STATIONÄRE BEHANDLUNG
Durchuntersuchung bei unklarer Anfallssymptomatik,Diagnosen: minimal brain
Dysfinktion, Grand-mal Epilepsie, depressive Episode, Schädl- CT und EEG
unauffällig, Klinik spricht für Grand mal daher Tegretolmed.
1990-08-30 Z-KH Stadt2: SCHÄDL CT CORTIKALE ATROPHIE, EPILEPSIE
Abklärung
1996-09-13 BUNDESSOZIALAMT. LAUT ÄRZTL. SACHVERSTÄNDIGEN GUTACHTEN
Einschätzung 50 vH, Perinatalschäden: Koordinationsunsicherheit,
spastishce Gangstörung, Persönlichkeitsstörung, Affekt, Leistungs und Kontaktfähigkeitstörung
2001- 03-08 DR. XY11
hirnorganisch bedingte Konzentrationsschwäche,nicht belastbar, sprachlich und technisch sehr begabt, Asperger- Syndrom mit Persönlichkeitsstörung,Explorationsbericht;
2002- 08-12 DR. XY2 CBR. XKLINIK, TAGESKLINIK: 2001/04-2002/08
soziale Kontaktschwierigkeiten, kombinierte u. andere Persönlichkeitstörungen, soziale Phobie,trotz Behandlungsvertrag Complianceschwierigkeiten.
2000-07-05 PROF. DR. XY12, NEUROPSYCHIATR. GUTACHTEN WEGEN WAISENRENTE ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung, Zustand nach mehreren psychotherapeutischen Behandlungen, Unvermögen für soziale Kontakte, Verdacht auf perinatale Hirnschädigung mit spastischer Paraparese der Beine
1993-04-15 DR. XY13: ÄRZTL. SACHVERSTÄNDIGENGUTACHTEN Behinderteneinstellungsgesetz,Perinataschaden mit körperlichen Folgen Koordinationsunsicherheit, Persönlichkeitsstörung, nicht erwerbsfähig, geschützter Arbeitsplatz oder Werkstätte und Einarbeitung nötig.

Diagnose:
Persönlichkeitsstörung, vermutl. perinataler Genese
Richtsatzposition: 585, Gdb: 050% ICD: F61
Rahmensatzbegründung:
Wahl d. Analogpos 585, mittlerer RS, da es sich um eine erhebliche Persönlichkeitsstörung im Kontakt- u. Leistungsbereich handelt, leichtgradige motorische Defizite den psychischen Zustand neg. beeinflussen.
Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre, anhaltend.
Eine Nachuntersuchung in 3 Jahren ist erforderlich.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung
ist ab 1993-04-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.

Der Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Trotz mehrmonatiger Therapien und wiederholter Versuche im Arbeitsprozeß ein gegliedert zu werden besteht in diesem Falle nicht die Möglichkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
erstellt am 2004-01-25 von XY14
Arzt für Allgemeinmedizin

- Fach/Ärztliches Sachverständigengutachten:
Betr.: Bf. Vers.Nr. 000
Untersuchung am: , Ordination, Facharzt für Neurologie

Gesamtgrad der Behinderung: 50% vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Keine Änderung zum Vorgutachten aus 12/2003.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung ist ab 1993-05-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst Unterhalt zu verschaffen.
Erwerbsunfähig ab 1993-05.

Am wurde folgendes Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien erstellt:

Sachverständigengutachten (mit Untersuchung) nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010):

Name des Untersuchten: Bf.,
Geschlecht: Männlich
Geburtsdatum: xxx
Verfahrensordnungsbegriff: 111
Wohnhaft in: Wien, Österreich
Identität nachgewiesen durch den Reisepass
Rechtsgebiet: FLAG
Verfahren: Familienlastenausgleichsgesetz
Begutachtung durchgeführt am , in der Zeit von
10:25 bis 10:40 Uhr
Untersuchung: In der Landesstelle des Sozialministeriumservice
Begleitperson anwesend: NEIN
Begleitperson erforderlich:nein
Name der Sachverständigen: Dr.in XY15
Fachgebiet der Sachverständigen: Neurologie

Anamnese:
Letztbegutachtung 09/2009 mit Zuerkennung eines GdB 50 v.H. für Diagnose Persönlichkeitsstörung, ängstlich, vermeidend.

Frühgeburt, 7. Monat, in der Frühgeburtenstation waren Antibiotika und Sauerstoffgaben
notwendig. Selbstständiges Sitzen erst mit einem Jahr, Gehen mit 2 Jahren. Ab 1972 bei
Kinderpsychologen, später bei FA für Psychiatrie wegen "Persönlichkeitsstörung, Verdacht auf Autismus" in Betreuung. Nach der Matura 1981 Versuch mehrerer Studien
(Betriebsinformatik, Fachhochschule für Telekommunikation, Italienisch), nicht
abgeschlossen. Beim Bundesheer 1981 untauglich (wegen Muskelschwäche,
"Cerebralparese"). Zwei Jahre in tagesklinischer Betreuung/Psychiatrie Stadt2-
Arbeitstraining 2001-03. Danach bei der Lebenshilfe-Multimediagruppe (Werkstatt für
Behinderte) für 6 Jahre (Fotobearbeitung, Gestaltung für Prospekt, etc.) bis 2009. Letzter psychiatrisch-stat. Aufenthalt TZ Ybbs 2011.
1993 wurde im Landesinvalidenamt Stadt2 ein GdB von 50% attestiert (perinataler Hirnschaden).
Derzeitige Beschwerden:
Der Antragsteller gibt an, dass er im Mai/Juni 2018 nicht zur Untersuchung erschienen wäre und ihm im Zuge dessen die erhöhte Familienbeihilfe aberkannt wurde. Herr Bf. beschreibt sich selbst als vermeidende Persönlichkeit, würde sich ausnutzen lassen und könne sich nicht durchsetzen. Es würden Schwierigkeiten im Bereich der Sozialkontakte bestehen, gerät immer wieder in Aussenseiterrolle.
Herr Bf. gibt Verdauungsprobleme an (Völlegefühl).
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: keine Medikation

Sozialanamnese: Einzelkind, Eltern bereits verstorben, keine Partnerschaft
VS, Gymnasium, Matura, mehrere Studien abgebrochen, Tagesstätte Lebenshilfe bis 2009, betreutes Wohnen 2003 bis 2006, lebt seither alleine in Mietwohnung, seit 2012 freiwillige Tätigkeit bei kathol. Kirche (Deutschunterricht, Kassa, Theratergruppe etc.), bezieht Invaliden bzw. Waisenpension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Therapiezentrum Stadt7/Psychiatrisches Krankenhaus 09/2011: Diagnose: Kombinierte Persönlichkeitsstörung auf hohem Borderline-Persönlichkeitsorganisationsniveau im introvertierten Bereich

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: 56-jähriger Antragsteller in gutem AZ, kommt alleine ohne Hilfsmittel zur Untersuchung.
Ernährungszustand: schlank, BMI: 19,7
Größe: 177,00 cm Gewicht: 62,00 kg Blutdruck:
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
HN frei, keine motorischen oder sensiblen Defizite, Gangbild unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
Psycho(patho)logischer Status:
wach, ausreichend orientiert, Konzentration, Aufmerksamkeit unauffällig, keine höhergradigen kognitiven Defizite fassbar, Antrieb unauffällig, Stimmung indifferent, Befindlichkeit ängstlich, unsicher, Affekt tendentiell flach, Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben, Ductus weitschweifig, vereinzelt sprunghaft, im Wesentlichen jedoch kohärent und zielführend, keine produktive Symptomatik, keine suizidale Einengung fassbar Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körp., geistigen und sinnesbed. Funktionsenschränkungen, welche voraussichtlich länger als 6 Monate andauern werden. Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB %
1
Entwicklungsstörung mittleren Grades, ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung
unterer Rahmensatz, da in Alltagsaktivitäten unabhängig
.
50

Gesamtgrad der Behinderung : 50%

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:
keine wesentlichen Änderungen im Vgl. zum VGA, keine Änderung des GdB.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja
GdB liegt vor seit: 05/1993
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: Herr Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeiten bzw. dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: EU seit 05/1993, Dauerzustand

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und führte aus:
"Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gütigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder wärend einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Im Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde der Grad der Behinderung mit Erwerbsunfäigkeit rückwirkend ab 05/1993 festgestellt. Nach Rückverfolgung der bereits ausgewiesenen Gutachten ergibt sich schlüssig, dass diese Feststellung auf Grund des zeitlich am frühesten ausgewiesenen Sachverstädigengutachten des Dr. XY13 vom als Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung relevant war.
Da Sie zu diesem Zeitpunkt bereits das 30. Lebensjahr üerschritten hatte, fehlen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe die gesetzlichen Voraussetzungen."

Der Bf. stellte den Antrag die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen:

Die am erlassene Beschwerdevorentscheidung beeinspruche ich und beantrage beim Bundesfinanzgericht
- eine Entscheidung zu meiner Bescheidbeschwerde vom ,
- die Herbeiholung der Krankenakten aus der Xklinik Stadt3 wo ich mich stationär vor meinem 18. Lebensjahr in der von Dr. XY16 geleiteten Jugendpsychiatrie "xxx" befand und therapeutisch von Dr. XY7 und Dr. XY4 weiter betreut wurde,
- die Herbeiholung der Krankenakten aus Stadt6, wo ich mich stationär vor meinem 10. Lebensjahr in der von Dr. XY6 geleiteten heilpädagogischen Abteilung befand,
- die Bestellung eines psychiatrischen Gutachtens, welches sich mit meiner Jugend hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit befasst.
Ich komme zur Begründung meines Vorlageantrags.
Nach den vorliegenden Gutachten besteht ab 2003 dauernde Erwerbsunfähigkeit und seit 1993 mehrfach belegt momentane Erwerbsunfähigkeit. Meine Beschwerde, wurde abgewiesen, weil kein Nachweis einer Erwerbsunfähigkeit im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt vorliegt oder anerkannt wurde. Im Zeitraum bis 1981 besuchte ich die Mittelschule und arbeitete in den Ferien nicht. Ich hatte in der Schule zwar keine Lernschwierigkeiten, aber vielerlei andere Schwierigkeiten.
Ich machte die Matura und den Führerschein. Das waren meine letzten Erfolgserlebnisse. Ich war in meiner Schulzeit nicht einmal Ministrant, obwohl ich eine kirchliche Schule besuchte. Also darf ich wohl behaupten, ich war in der Schulzeit nicht erwerbsfähig.
Bleibt der Zeitraum von 1981 bis 1993. Ich schickte 1982 mehr als 10 Bewerbungen um einen Ferialob ab. Nur von B. wurde ich zu einer Vorstellung eingeladen und auch nicht genommen. Später war es bei C. nicht anders.
1984 war ich Praktikant in einer Kohlengrube im Ruhrgebiet und ich konnte mich an den Arbeiten unter Tage nicht im Geringsten beteiligen.
Dann war ich kurz in der Marktforschung tätig. Ich war Interviewer und besuchte im Sommer täglich eine Firma in Oberitalien. Ich wertete dann auch Fragebögen aus. Beide Tätigkeiten waren nach ein paar Wochen zu Ende.
Also war ich auch in dieser Zeit von einer Erwerbstätigkeit weit entfernt.
Damit ist die Behauptung begründet, dass die Erwerbsunfähigkeit vor dem 22. Lebensjahr eingetreten ist.
Ergänzend zu meinem Lebenslauf ab 1993: Als in Stadt8 im neuen Einkaufszentrum der Xmarkt aufsperrte, war ich als Verkäufer dabei, allerdings nur an dem einen Tag. Wenig später, seit 1993, erhielt ich aus mangelnder Erwerbsfähigkeit eine Waisenpension. In diesen Jahren musste ich meiner verwitweten Mutter zur Seite stehen, und es kam dann erst 2001 auf Betreiben der PV zu einem Arbeitstraining. Das Ergebnis des Arbeitstrainings war kein Arbeitsplatz, sondern die Beschäftigungstherapie bei der Lebenshilfe Stadt4 ab 2003. 2011 geht der Gruppenleiter in Pension und ich erhalte kein Abgangszeugnis. In den letzten Jahren habe ich 10 bis 13 Wochenstunden ehrenamtliche Tätigkeit in einer Pfarre der katholischen Kirche. Ich bin also von den Behinderten zu den Pensionisten gekommen.
Das aktuelle Gutachten attestiert eine "Entwicklungsstörung mittleren Grades", und eine solche beginnt immer in der Jugend oder in der Kindheit, jedenfalls vor dem 22. Lebensjahr. Alle in den vorliegenden Gutachten angeführten Behinderungen, mit Ausnahme der Epilepsie*, sind vor dem 22. Lebensjahr aufgetreten. Diese Behinderungen waren der Grund für die beständige Erwerbsunfähigkeit.
1989 und 1996 hatte ich epileptische Anfälle. Da es bei diesen beiden blieb, hatte sie keine Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit."

Das Finanzamt legte den Vorlageantrag dem Bundesfinanzgericht vor und führte in der Stellungnahme aus, dass die Erwerbsfähigkeit nicht vor dem 21. LJ. eingetreten sei, die Erwerbsfähigkeit wurde rückwirkend ab 05/1993 festgestellt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bf. ist am xxx geboren.

Aus den eingangs ausgeführten Gutachten geht hervor, dass der Bf. 1981 maturiert hat und anschließend mehrere Studien angefangen aber nicht abgeschlossen hat.

Beim Bundesheer wurde der Bf. wegen Muskelschwäche als untauglich nicht aufgenommen.

Der Bf. war mehrmals in psychiatrischer Betreuung.

In den 4 vorliegenden Gutachten wurde der Grad der Behinderung mit 50% festgestellt.

In dem oa. Gutachten vom wird festgehalten, dass der Bf. seit 1993 nicht fähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Dieses Gutachten legte zahlreiche Befunde aus den Vorjahren zugrunde ua. das Gutachten vom von Dr. XY13:
"Behinderteneinstellungsgesetz, Perinataschaden mit körperlichen Folgen, Koordinationsunsicherheit, Persönlichkeitsstörung, nicht erwerbsfähig, geschützter Arbeitsplatz oder Werkstätte und Einarbeitung nötig."

Eine Änderung der folgenden Gutachten betreffend die Beschaffung des Unterhaltes erfolgte nicht.

Sachverhaltsfeststellungen

Als erwiesen wird angenommen, dass der 1963 geborene Bf. zwar derzeit voraussichtlich außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, dass dieser Zustand aber nicht vor dessen 21. Lebensjahr, sondern erst 1993 eingetreten ist. Keinen Hinweis gibt es darauf, dass er sich zu diesem Zeitpunkt noch in Berufsausbildung befunden hat.

Beweiswürdigung

Als Nachweise werden das oa. Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellte vom  und die fachärztlichen Gutachten vom , , , herangezogen.

Rechtsgrundlagen

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 gleichgestellte volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen. Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

In den Sachverständigengutachten getroffene Feststellungen:

Der Bf. wurde im Zuge des Antrags- bzw. Berufungsverfahrens einmal untersucht (Gutachten vom ). Die mit den Gutachten befassten Ärztin stellte eine Entwicklungsstörung mittleren Grades, ängstliche vermeidende Persönlichkeitsstörung, unterer Rahmensatz, da in Altagsaktivitäten unabhängig, und reihten die Erkrankung unter die Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung vom , BGBl. II Nr. 261/2010, ein.

Der Behinderungsgrad von 50 % und der Zeitpunkt des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit wurde im Gutachten vom rückwirkend ab Mai/1993 bescheinigt; dies mit der Anmerkung, dass auf Grund der vorliegenden Befunde der Gesamtgrad der Behinderung und die Erwerbsunfähigkeit unter Bezugnahme auf das Gutachten vom , in welchem auf Grund der eingangs angeführten Gutachten die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung möglich ist und der Bf. voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst Unterhalt zu verschaffen.

Der Bf. vollendete bereits im MonatX 1984 das 21. Lebensjahr. Die Erwerbsunfähigkeit wurde erst mit dem Gutachten vom - somit ab dem 30. Lebensjahr - bescheinigt.

3. Rechtliche Würdigung:

Entscheidend ist im Berufungsfall, ob der Bf. infolge seiner Erkrankung bereits vor Vollendung seines 21. Lebensjahres bzw. zum Zeitpunkt des Abschlusses seiner Berufsausbildung in einem Ausmaß behindert war, sodass er schon damals voraussichtlich dauernd außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Grad der Behinderung ist dagegen ohne Bedeutung (Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 21).

3.1. Dauernde Erwerbsunfähigkeit

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2007/15/0019, ausdrücklich auf den klaren Wortlaut des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2002 verwiesen. Die bisherige Judikatur, wonach eine mehrjährige berufliche Tätigkeit des Kindes die für den Anspruch auf Familienbeihilfe notwendige Annahme, das Kind sei infolge seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, widerlege, habe im Rahmen der durch das BGBl. I Nr. 105/2002 geschaffenen neuen Rechtslage (ab ) keinen Anwendungsbereich.

Der Gerichtshof (sh. auch ) bezieht sich dabei offensichtlich auf das Erkenntnis des , in dem der VfGH ausführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich somit der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen; daraus folgt, dass auch das Bundesfinanzgericht für seine Entscheidungsfindung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen hat, sofern diese als schlüssig anzusehen sind. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens zu überprüfen, ob die erstellten Sachverständigengutachten diesem Kriterium entsprechen.

3.2. Schlüssigkeit der Sachverständigengutachten

Der Begriff „Persönlichkeitsstörung“ umfasst ein weites Spektrum recht verschiedener Störungsbilder, die durch die besonders extreme Ausprägung gewisser Charakterzüge bzw. „Eigenheiten“ gekennzeichnet sind.

Persönlichkeitsstörungen treten meist in der Kindheit oder in der Adoleszenz in Erscheinung und bestehen während des Erwachsenenalters weiter.

Die Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen stellt komplexe Anforderungen an den Untersucher. Gründe dafür sind beispielsweise unterschiedliche Ausprägungen, unterschiedliche Krankheitsverläufe, verschiedene psychische Krankheitsbilder.

Die Festsetzung des Zeitpunktes, wann ein psychisch kranker Mensch erwerbsunfähig geworden ist, gestaltet sich daher schwierig.

Viele Personen sind nämlich trotz ihrer psychischen Erkrankung(en) mehr oder weniger lang berufstätig, auch wenn ihnen dadurch die Ausübung des Berufes schwer fällt. Typischerweise häufen sich bei psychisch kranken Menschen Krankenstände. Es wird erfahrungsgemäß auch der Dienstgeber meist häufiger gewechselt als dies bei nicht psychisch kranken Arbeitnehmern der Fall ist.

Damit aber eine Person die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe erfüllt, muss die Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten sein und dies durch das Bundessozialamt aufgrund der erstellten Sachverständigengutachten bescheinigt werden.

Die Sachverständigen im Bundessozialamt ziehen bei ihrer Diagnoseerstellung bzw. um den Zeitpunkt des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit feststellen zu können, neben den Untersuchungsergebnissen und ihrem Fachwissen regelmäßig die von den Antragstellern vorgelegten Befunde heran. Hilfreich sind dabei vor allem "alte" Befunde, Arztbriefe etc., die darauf schließen lassen, dass die Erkrankung bereits vor dem 21. Lebensjahr bzw. während einer schulischen Ausbildung aufgetreten ist; aber derartige Befunde stehen den Sachverständigen erfahrungsgemäß kaum zur Verfügung, vermutlich auch deswegen, weil sich viele Erkrankungen mit zunehmendem Alter verschlechtern und demgemäß ärztliche Hilfe erst später in Anspruch genommen wird. Vorgelegt werden daher häufig Befunde, die kaum älter als drei oder vier Jahre alt sind.

Die Ärzte haben somit medizinische Feststellungen über Zeiträume zu treffen, die oft dreißig Jahre und mehr zurückliegen.

Damit kann aber die vom Gesetzgeber geforderte Feststellung des tatsächlichen Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit eines Antragstellers immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes sind im vorliegenden Beschwerdefall die vorliegenden Gutachten ausführlich und schlüssig. Sie gehen bezüglich der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung von 50 % konform und es wird die Erwerbsunfähigkeit mit 1993 bescheinigt, dies mit der Begründung, dass keine Befunde vorliegen würden, die eine Erwerbsunfähigkeit vor Beendigung des 21. Lebensjahres bis zur Beendigung der Schul/Lehrausbildung belegen.

Dem Bf. wurde eine Erwerbsunfähigkeit erst im Alter von 30 Jahren attestiert.

Wenn der Bf. rügt, die Krankenakten aus der Xklinik Stadt3 und die Krankenakten aus Stadt6 hätten keine Berücksichtigung gefunden, so ist dieses Vorbringen unzutreffend. Im Gutachten vom  findet sich nämlich ausdrücklich der Hinweis auf die Untersuchungen psychologischer Betreuung im Jugendalter.

Die medizinische Beurteilung in Verbindung mit den von der höchstgerichtlichen Judikatur aufgestellten und im Berufungsfall beachteten Erfordernissen, wonach Gutachten eingehend die Art und das Ausmaß der Leiden und die konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbstätigkeit in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zu behandeln haben (vgl. zB ; , 2003/14/0105), lassen somit die in den vorliegenden Gutachten getroffene zeitliche Festlegung der dauernden Erwerbsunfähigkeit jedenfalls erst ab 5/1993 mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als richtig erscheinen.

Die Beschwerde musste daher abgewiesen werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da keine Rechtsfrage strittig ist, sondern der vorliegende Sachverhalt vom Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde. Gegen dieses Erkenntnis ist daher keine (ordentliche) Revision zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104481.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at