Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens wegen neu hervorgekommener Tatsachen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch S, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für 2002 gemäß § 303 Abs. 4 BAO, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Beim gegenständlichen Verfahren handelt es sich um das fortgesetzte Verfahren nach Ergehen des VwGH- Erkenntnisses vom , 2011/13/0129.
Hinsichtlich des Sachverhaltes und der mit VwGH-Beschwerde angefochtenen Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2053-W/09, wird auf diese Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates verwiesen.
In der gegen die Berufungsentscheidung vom , RV/2053-W/09, erhobenen VwGH-Beschwerde wurde insbesondere Folgendes ausgeführt:
Als Wiederaufnahmegrund werde durch die Betriebsprüfung angeführt, dass erst aus dem „Veräußerungsvertrag“, welcher im Rahmen einer Betriebsprüfung beim Veräußerer als Kontrollmitteilung übermittelt wurde, die Anwendung des § 20 Abs. 5 UmgrStG ersichtlich gewesen sei. Dazu sei anzuführen, dass der einzige Vertrag im gegenständlichen Verfahren, der als Veräußerungsvertrag bezeichnet werden kann, der Kaufvertrag zwischen dem Beschwerdeführer (Bf.) und den restlichen Gesellschaftern der X GmbH vom ist. Aus diesem Vertrag sei aber kein Hinweis darauf erkennbar, dass die vertragsgegenständlichen Anteile mit einer Umgründung im Sinne des Art. III UmgrStG in Zusammenhang standen. Es sei daher zunächst festzuhalten, dass aus der Begründung des ursprünglichen Wiederaufnahmebescheids nicht ersichtlich ist, welches neue Sachverhaltselement dem Finanzamt durch das neue Beweismittel Veräußerungsvertrag bekannt geworden sein soll. Aus dem Kaufvertrag vom sei überhaupt kein neues Sachverhaltselement ersichtlich, so dass eine Wiederaufnahme auf Grund dieses Vertrags nicht gerechtfertigt sei.
Die belangte Behörde gehe in ihrer Entscheidung offensichtlich davon aus, dass mit dem Veräußerungsvertrag der Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom gemeint ist. Diese Vorgehensweise stelle eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, da die belangte Behörde ihrer Begründung einen aktenwidrigen Sachverhalt zugrunde lege. Unabhängig davon sei aber dazu Folgendes zu bemerken: Es sei zunächst festzuhalten, dass aus der Beilage zur ursprünglichen Einkommensteuererklärung für 2002 bereits der Hinweis auf den Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom enthalten war. Außerdem sei aus dieser Beilage erkennbar gewesen, dass die verfahrensgegenständlichen Anteile mit negativen Anschaffungskosten behaftet waren. Es sei daher bereits auf Grund dieser Beilage eindeutig erkennbar gewesen, dass die verfahrensgegenständlichen Anteile mit einer Umgründung im Sinne des Art. III UmgrStG in Zusammenhang standen, da kein anderer Fall von negativen Anschaffungskosten auf der Ebene der natürlichen Person in Zusammenhang mit Anteilen von Kapitalgesellschaften denkbar sei.
Weder von der belangten Behörde noch von der Betriebsprüfung sei dargelegt worden, welche neuen Sachverhaltselemente aus dem neuen Beweismittel „Veräußerungsvertrag“ gegenüber der Beilage zur Einkommensteuererklärung 2002 hervorgekommen sein sollen.
Von der belangten Behörde sei nicht dargelegt worden, welche neuen Sachverhaltselemente aus dem übermittelten Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom gegenüber der ursprünglichen Beilage zur Einkommensteuererklärung hervorgekommen sein sollen.
Da die Begründung von Wiederaufnahmen nicht nur die entsprechenden Wiederaufnahmegründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen habe, sei der Bescheid schon aus diesem Grunde rechtswidrig. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Rechtsmittelentscheidung nicht nachholbar ist.
Infolge der Aufhebung der Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2053-W/09, durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Rechtsmittelverfahren wieder offen. Es ist daher vom Bundesfinanzgericht über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) nochmals abzusprechen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs. 4 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht gemäß § 305 Abs. 1 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 Abs. 1 leg. cit. zuständige Behörde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung des gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmsgründe stützen. Sie hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmsgrund nicht vor, hat die Rechtsmittelbehörde den vor ihr angefochtenen Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos zu beheben (vgl. ; ; ; ).
Im vorliegenden Fall ist im Prüfungsbericht als (einziger) Wiederaufnahmsgrund angeführt, dass aus dem „Veräußerungsvertrag“, welcher im Rahmen einer Betriebsprüfung beim Veräußerer als Kontrollmitteilung übermittelt wurde, ersichtlich war, dass § 20 Abs. 5 UmgrStG zur Anwendung kommt und daher der Ansatz des gemeinen Wertes der Anteile nicht zulässig ist. Mit „Veräußerungsvertrag“ kann nach der Aktenlage nur der zwischen dem Bf. und den übrigen Gesellschaftern der X GmbH abgeschlossene Kaufvertrag vom gemeint sein. Aus diesem Vertrag ist jedoch in keiner Weise erkennbar, dass die vertragsgegenständlichen Anteile mit einer Umgründung im Sinne des Art. III UmgrStG in Zusammenhang standen.
Da somit der vom Finanzamt angeführte Wiederaufnahmsgrund nicht vorliegt, war die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtswidrig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102111.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at