Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.01.2019, RV/7104558/2018

Zurückweisung einer Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid wegen fehlender Geschäftsfähigkeit

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104558/2018-RS1
Ist der Bescheidadressat im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht geschäftsfähig, so können die Bescheide des Finanzamtes nicht wirksam an diesen ergehen, denn Bescheidzustellungen an Prozessunfähige sind unwirksam (vgl. Ritz, BAO6, § 79 Tz. 19).

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache XY, über die Beschwerde gegen die Bescheide der belangten Behörde A vom , Steuernummer betreffend 1. Gebühren und 2. Gebührenerhöhung beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a der Bundesabgabenordnung (BAO) als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

Das Finanzamt A hat gegenständliche Beschwerde mit folgender Stellungnahme vorgelegt:

"Sachverhalt:

Am langte beim Verfassungsgerichtshof der Antrag und Rekurs des Herrn XY für Z mit darin inkludiertem Antrag nach Artikel 140 Absatz 1 litera d) B-VG bzgl. Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom , Zahl ein und wurde diese Eingabe beim VfGH unter der Aktenzahl Nummer erfasst. Da die Entrichtung der Gebühr gemäß § 17a VfGG dem VfGH nicht nachgewiesen wurde, wurde gemäß § 34 GebG ein Befund aufgenommen und dem Finanzamt A übermittelt.

Mit Bescheiden vom wurde die Gebühr in Höhe von € 240,00 sowie eine Erhöhung im Ausmaß von 50% der verkürzten Gebühr, sohin im Betrag von € 120,00 festgesetzt.

Gegen die Bescheide wurde Beschwerde erhoben. Da der Bescheid erst nach Haftentlassung am übernommen wurde und ein Zustellnachweis nicht vorliegt, kann die Beschwerde als rechtzeitig eingebracht angesehen werden.

In dieser Beschwerde wird auf ein Gutachten verwiesen, nach dem der Beschwerdeführer an a leide. Zumindest in dem im dortigen Strafverfahren relevanten Zeitraum ab hätte er sich in einem Zustand befunden, weshalb er nach § 11 StGB für nicht schuldfähig befunden worden wäre. Da nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass er sich auch schon im Dezember 2016 in diesem Zustand befunden hätte, wäre er während der Einbringung der den beiden bekämpften Bescheiden zugrundeliegenden Beschwerdeschriften nicht geschäftsfähig gewesen. Die Einbringung der Beschwerde sei daher rechtsunwirksam gewesen und es könne keine Gebühr nach dem VfGG angefallen sein.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung abgewiesen, dass die in der Beschwerde angeführten Gründe an der im Zeitpunkt der Überreichung der Eingabe beim VfGH entstandenen Gebührenschuld nichts ändern könnten. Das beigelegte Gutachten zur Feststellung der Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 11 StGB im Zeitraum bis bzw. zur Stellung einer Gefährlichkeitsprognose würde keinen Nachweis der fehlenden Geschäftsfähigkeit im Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Eingabe vom , eingelangt am , darstellen.

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag wird ausgeführt, dass die gegenständlichen Gebühren auf verfassungswidrigen Gesetzen fußen würden und nicht hätten bestimmt werden dürfen. Dem Vorlageantrag wurde ein USB-Stick beigelegt und wird im Vorlageantrag auf die auf diesem gespeicherten Daten und Beilagen verwiesen. Auf Grund des Umfanges der auf dem USB-Stick gespeicherten Daten und Beilagen wird im elektronischen Weg das Inhaltsverzeichnis dieser Daten übermittelt. Der USB-Stick wird dem BFG körperlich zur Einsichtnahme nachgereicht.

Beweismittel: Bemessungsakt

Stellungnahme:

Im Vorlageantrag vertritt der Bf die Rechtsansicht, dass die gegenständlichen Gebühren auf verfassungswidrigen Gesetzen fußen und nicht bestimmt hätten werden dürfen.

Diesbezüglich darf zum Einen auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen werden, zum Anderen ist festzuhalten, dass die Abgabenbehörde die geltenden Gesetze vollzieht. Eine Überprüfung auf Verfassungswidrigkeit einzelner Gesetze steht der Abgabenbehörde nicht zu.

Gemäß Artikel 18 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Das Finanzamt als Abgabenbehörde hat nicht über die Verfassungsmäßigkeit gehörig kundgemachter und in Geltung stehender Gesetzesbestimmungen abzusprechen. Das Finanzamt ist als Verwaltungsbehörde bei der Vollziehung an die geltenden Gesetze gebunden.

Die Finanzbehörden sind daher an die geltenden Gesetze gebunden. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes liegt in der ausschließlichen Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes. Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Bestimmung steht nicht dem Finanzamt zu, sondern ist dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines "Gesetzesprüfungsverfahrens" vorbehalten.

Antrag des Finanzamtes: Das Finanzamt beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die elektronisch vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes.

3. Rechtslage und Erwägungen

Der Beschwerdeführer (Bf) wendet in seiner Beschwerde ein, laut Gutachten Arzt vom (Beilage ./3) leide er an a und habe sich zumindest in dem, im dortigen Strafverfahren relevanten Zeitraum ab , in einem Zustand befunden, weshalb er nach § 11 StGB für nicht schuldfähig befunden worden sei.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass er sich auch schon im Dezember 2016 in diesem Zustand befunden habe, weshalb er während der Einbringung der den beiden bekämpften Bescheiden zugrundeliegenden Beschwerdeschriften nicht geschäftsfähig gewesen sei.

Demzufolge könne auch eine Gebühr nach dem VfGG nicht angefallen sein, weil die Einbringung der Beschwerden rechtsunwirksam gewesen sei.

In dem verwiesenen Gutachten vom stellt die Fachärztin u.a. auch auf Grund der eigenen Untersuchung des Bf. zusammenfassend fest:

[...]

Auf Grund des a Gutachtens muss davon ausgegangen werden, dass die Dispositionsfähigkeit daher sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung beim VfGH am als auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht gegeben war.

Der Bf befand sich entsprechend vom bis zum in Gewahrsam der J (Haftbestätigung vom ).

Die Bescheide des Finanzamtes A vom konnten daher nicht wirksam an den Bf ergehen, da dieser zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht geschäftsfähig war. Bescheidzustellungen an Prozessunfähige sind unwirksam (vgl. Ritz, BAO6, § 79 Tz. 19).

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a der Bundesabgabenordnung (BAO) ist eine Beschwerde zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (vgl. Ritz, BAO6, § 260, Tz 8, ; ; ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da dem Erkenntnis keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104558.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at