Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.04.2019, RV/5100648/2013

Teilweise Abstandnahme von Abgabenfestsetzung bei Direktvorschreibung KEST.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., ehemals Adr., nunmehr Adr.2,St.Nr. 1111,       ehemals vertreten durch C, Adr.3 , über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt A vom betreffend Kapitalertragsteuer für die Jahre 2007 und 2008 zu Recht erkannt: 

  • Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 BAO abgeändert.

  • Von der Festsetzung der Kapitalertragsteuer wird gemäß § 206 lit. b BAO in nachstehendem Umfang Abstand genommen (Beträge in ):                                                                          


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2007
2008
Kapitalertragsteuer
Betrag1
Betrag2

   3.  Gegen dieses  Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahren

Im Vorlagebericht des Finanzamtes finden sich zum Beschwerdepunkt (Direktvorschreibung Kapitalertragsteuer) folgende Ausführungen des Finanzamtes:

Bei der B GmbH fand eine Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer sowie Kapitalertragsteuer für die Jahre 2007 und 2008 statt (BP-Bericht v. zu ABNr. 124091/09). Für den Zeitraum 01/2009 bis 10/2009 wurde eine Nachschau durchgeführt. Die Firma war zu FB-Nr. 000 im Firmenbuch eingetragen. Aus den vom Bundesfinanzgericht angeforderten Akten zur  C GmbH, St.Nr.111 -BV 24 war ersichtlich, dass der Veranlagungsakt bereits gelöscht wurde (s. Schriftsatz vom des ehemaligen Veranlagungsmitarbeiters an das BV Team 24 beim Finanzamt).

Der Beschwerdeführer, im Folgenden abgekürzt „der Bf.“, war im Beschwerdezeitraum handelsrechtlicher und gewerberechtlicher Geschäftsführer sowie 100% beteiligter Gesellschafter. Das Unternehmen beschäftigte sich ausschließlich mit Personalüberlassung im Metallgewerbe. Die Aufgaben des Bfs. war die Suche nach Personal, Weitervermittlung und Kundenaquirierung.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Vorschreibung von verdeckten Ausschüttungen der Firma C GmbH an deren Gesellschafter-Geschäftsführer (Bf.)

Das Finanzamt vertrat die Rechtsansicht, dass die Zahlungen oder Subunternehmen zumindest zum Teil ohne Erbringung einer Gegenleistung erfolgt wären. Soweit die Zahlungen für Fremdleistungen an Subunternehmer nicht für Lohnzahlungen verwendet worden wären, geht das Finanzamt davon aus, dass Beträge an den Gesellschaftergeschäftsführer geflossen wären, somit als verdeckte Ausschüttungen anzusehen wären.

Die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer erfolgte direkt an den Empfänger der Kapitalerträge, weil die zum Abzug verpflichtete Gesellschaft C-GmbH die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat.

Der Bf. bestreitet das Vorliegen von verdeckten Ausschüttungen, weil die an die Subunternehmer für erbrachte Fremdleistungen weitergeleiteten Beträge tatsächlich für erbrachte Arbeitsleistungen gezahlt worden wären und diese nicht (auch nicht teilweise) an die C GmbH bzw. deren Gesellschafter zurückgeflossen wären.

Die Kapitalertragsteuer für die Jahre 2007 und 2008 wurden jeweils am in eigenständigen KEST-Bescheiden gemäß § 95 Absatz. 5 Z 1 EStG 1988 direkt an den Beschwerdeführer vorgeschrieben. In einem gesonderten Beiblatt wurde die Begründung für die Direktvorschreibung näher vom Finanzamt ausgeführt. Die Direktvorschreibung begründete sich im Übrigen darauf, dass die C-GmbH über keinen bekannten Geschäftssitz verfügt habe (die im Firmenbuch eingetragene Adresse war nicht der Sitz dieser Firma) , der im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer sei  nicht stellig zu machen und die C GmbH habe über kein eigenes Vermögen mehr verfügt. Das Ermessen für die Direktvorschreibung wurde ausführlich vom FA begründet.

Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bfs. (E-mail- Antwort des FA A-Wels/Fachbereich u. Abgabensicherung v.):

Laut Abfrage (EKIS) besitzt der Bf. kein Kfz .Weiters sei kein Liegenschaftsbesitz vorhanden(Grundbuchsabfrage). Ein verwertbares Vermögen sei daher nicht vorhanden. Er beziehe eine österreichische Pension im Ausmaß von Euro 1.936 im Jahre 2017.An Sorgepflichten sei jene für die Gattin Frau D, geboren am 000, zu erwähnen. Es ergebe sich ein mtl. pfändbarer Betrag von €  514. Ob andere Gläubiger vorhanden sind,  konnte das Finanzamt im Erhebungsbericht zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nichts anmerken. Ob eine Exekution auf die Pension des Bfs. erfolgte, sei unbekannt. Vom FA 222 (nunmehr 3333) sei im Oktober 2009 im Zuge einer Amtshandlung der Finanzpolizei ein Sparbuch mit einer Einlage von Euro 479,33 gepfändet. Dieses sei am Standort beim FA A in Verwahrung genommen worden.

Mit Schriftsatz vom  wurde das Finanzamt eingeladen, zur beabsichtigten gänzlichen Abstandnahme der Abgabenfestsetzung gemäß § 206 lit b BAO (siehe auch den Erhebungsbericht über die wirtschaftlichen Verhältnisse im E-Mail v.) nochmals Stellung zu nehmen. Dem Schreiben war der Schriftsatz der ehemaligen rechtsanwaltlichen Vertretung vom mit dem Hinweis auf den im Verfahren bestellten Sachverständigen auf dem Gebiete der Bilanzierung angeschlossen, wonach Zuflüsse (bzw. Rückflüsse) an den Bf. ausgeschlossen werden konnten.

Mit E-Mail vom teilte das Finanzamt Folgendes mit:

Die Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen (siehe E-Mail an R vom ) hat ergeben, dass ein monatlich pfändbarer Betrag von € 514 zur Verfügung steht. Daher bestehen seitens des Finanzamtes A Bedenken hinsichtlich der gänzlichen Abstandnahme der Abgabenfestsetzung gem. § 206 Abs 1 lit b BAO. Auf Grund der Höhe der Abgabennachforderung (€ 189.965,52), bestehen seitens des Finanzamtes aber keine Bedenken hinsichtlich einer teilweisen Abstandnahme der Abgabenfestsetzung im Ausmaß von 84 % (pfändbarer Betrag iHv 500,00 x 60 Monate Insolvenzeitraum = 30.000 € =entspricht ca. 16 %).

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der dem Bundesfinanzgericht bekannten Aktenlage (Löschung der C GmbH, Direktvorschreibung KEST an Bf., insbesondere Erhebungsergebnissen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bfs. v. und v.)

Über die Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht erwogen:

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO  hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden.

Sachentscheidungen des Verwaltungsgerichtes dürfen eine Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung nach § 206 BAO vornehmen (Ritz, BAO, 5. Auflage, § 279, TZ 14).

Die Abgabenbehörde kann gemäß § 206 Abs. 1 lit. b BAO von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird.

Maßnahmen gemäß § 206 BAO verdrängen die aus § 114 Abs. 1 BAO ableitbare grundsätzliche Verpflichtung der Abgabenbehörde, in allen abgabenpflichtigen Fällen dem entstandenen Abgabenanspruch im Sinne des § 4 BAO entsprechende Abgabenfestsetzungen vorzunehmen. Sie erfolgen gemäß § 206 BAO von Amts wegen. ().

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass die Abstandnahme von der Festsetzung von Abgaben zur Voraussetzung hat, dass die Abgabenbehörde Erhebungen durchführt und diese eindeutig ergeben, dass die Abgaben uneinbringlich sind, wobei die Uneinbringlichkeit nicht nur beim Abgabenschuldner selbst, sondern auch bei allenfalls als Mitschuldner oder Haftende in Betracht kommenden Personen gegeben sein muss ().

Aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen der Abgabenbehörde, die unter Punkt B. dargestellt wurden, und der zu würdigenden Ansicht des Finanzamtes steht fest, dass die Einbringung der strittigen Abgabenforderung nur teilweise durchsetzbar sein wird. Verwertbares Vermögen ist beim Bf. nicht feststellbar. Überdies weist der Bf. einen hohen Schuldenstand aus Bankverbindlichkeiten und bereits exekutierbare Abgabenschulden auf.

Die Maßnahmen nach § 206 BAO liegen im Ermessen der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde bzw. der Verwaltungsgerichte (vgl. hiezu Ritz, BAO, 5. Auflage, § 206 Tz.1).

Nach § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung. Angesichts der fehlenden Einbringungsmöglichkeiten war es dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltungsführung entsprechend geboten, mit der Abstandnahme von der Festsetzung vorzugehen, da der mit dem Umfang des durchzuführenden Beschwerdeverfahrens verbundene Verwaltungsaufwand nicht mehr verhältnismäßig ist. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung steht dem nicht entgegen. Durch die Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung wird der gesetzliche Abgabenanspruch als solches nicht "vernichtet", sondern es wird lediglich - wegen Uneinbringlichkeit - auf seine Durchsetzung gegenüber dem Bf. verzichtet (vgl. ).

Aus den dargelegten Gründen ist von der teilweisen Uneinbringlichkeit der beschwerdegegenständlichen Abgabe auszugehen, sodass von einer Festsetzung derselben im Umfange des Erkenntnisspruches gemäß § 206 Abs. 1 lit. b BAO Abstand zu nehmen ist.   

Nichtzulässigkeit einer (ordentlichen)  Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde in keiner Rechtsfrage entschieden, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Eine Revision ist daher unzulässig. 

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 206 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100648.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at