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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.01.2020, RV/6100631/2019

Liebhaberei und Wiederaufnahme des Verfahrens

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 691-692/2020 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.; Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0023-0024. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. GSW in der Beschwerdesache XX, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Stadt vom , betreffend Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 2008 bis 2012 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Bf erklärte in den Streitjahren 2008 bis 2012 neben seinen Einkünften als pensionierter Beamter (Bundesdienstpension) negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Erklärungen langten jeweils elektronisch beim Finanzamt ein. Die Veranlagungen erfolgten erklärungsgemäß.

Nach einer Außenprüfung im Juli 2014 nahm das Finanzamt die gegenständlichen Einkommensteuerverfahren wieder auf. Begründend wies es darauf hin, dass im Zuge der Außenprüfung festgestellt worden sei, dass der Bf in den streitgegenständlichen Jahren nicht nur einer Sachverständigen/Gutachtertätigkeit (für Wohnhäuser und Baugründe) nachgegangen, sondern auch als Immobilienvermittler und Buchhalter aufgetreten sei, er jedoch in den streitgegenständlichen Jahren nur eine (gemeinsame) Einnahmen/Ausgaben-Rechnung für einen Gewerbebetrieb erstellt und dem Finanzamt als Veranlagungsgrundlage vorgelegt habe. Die vom Bf erstellten Einnahmen/Ausgaben-Rechnungen beinhalteten sämtliche Einnahmen und Ausgaben eines Veranlagungsjahres. Damit lägen Einnahmen und Ausgaben vor, welche nicht nur der bisher bekannt gewesenen gewerblichen Tätigkeit als Gutachter/Sachverständiger zuzuordnen seien, sondern den zusätzlich ausgeübten Tätigkeiten der Immobilienvermittlung bzw der Buchhaltertätigkeit, wobei die Tätigkeit als Immobilienvermittler und die Tätigkeit als Immobiliengutachter/Sachverständiger einander ergänzten und damit - neben dem Gewerbebetrieb als Buchhalter - als ein Gewerbebetrieb anzusehen seien.

Die Außenprüfung habe auch festgestellt, dass der Bf Ausgaben geltend gemacht habe, bei welchen sich anlässlich der Außenprüfung erstmals gezeigt habe, dass diese entweder privat veranlasst seien oder Mischaufwand darstellten. Im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide sei nicht bekannt gewesen, dass private Fahrten vorlägen.

Die Außenprüfung sei im Übrigen schließlich zum Ergebnis gekommen, dass die beiden gewerblichen Tätigkeiten als Liebhaberei zu beurteilen und die daraus erzielten Verluste (Immobiliengutachter-Sachverständiger/Immobilienvermittler) bzw. Gewinne (Buchhaltung) nicht anzuerkennen seien, weshalb letztlich sowohl die Einkünfte als Immobiliengutachter-Sachverständiger/Immobilienvermittler als auch jene aus Buchhaltung unter den Einkünften aus Gewerbebetrieb mit Null festzusetzen seien.

Die von der Außenprüfung getroffenen Feststellungen (Liebhaberei; zwei voneinander unabhängige Gewerbebetriebe; mangelnde betriebliche Veranlassung bei Ausgabenpositionen) würden ausreichen, um die Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 bis 2012 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufzunehmen.

Der Bf erhob sowohl gegen die Wiederaufnahmebescheide als auch gegen die Sachbescheide Beschwerde.

Mit Erkenntnis vom gab das BFG der Beschwerde betreffend Wiederaufnahme Folge und hob die Sachbescheide ersatzlos auf. Begründend führte das BFG aus, dass die vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegründe eine Wiederaufnahme nach dem Neuerungstatbestand nicht tragen würden.

Betreffend Liebhabereifeststellung der Außenprüfung habe der Bf im Erstverfahren bereits alle für eine richtige rechtliche Subsumtion maßgeblichen Umstände des Sachverhaltes und zwar durch Offenlegung der (aus den Verwaltungsakten auch unstrittig ersichtlichen) Verluste bekanntgegeben und damit der Abgabenbehörde nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild der für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umstände verschafft. Neben der erfolgten Offenlegung der Verluste sei auch aktenmäßig erkennbar gewesen, dass der Bf neben seinen laufenden Einkünften aus dem Bundesdienst seit 1993 überwiegend negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt habe, die zu entsprechenden Abgabengutschriften geführt hätten. Der Umstand, dass der Bf einer steuerlich unbeachtlichen Liebhabereibetätigung nachgehen könne, sei daher nicht erst durch die abgabenbehördliche Prüfung bekannt geworden.

Die vom Finanzamt weiter herangezogenen Wiederaufnahmegründe gingen insofern ins Leere, als sie Feststellungen beträfen, die zwar der Behörde erst im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung zur Kenntnis gelangt seien, aber im hier zu beurteilenden Verfahren zu keinem anderen Ergebnis - als, dass der Bf einer steuerlich unbeachtlichen Liebhabereibetätigung nachgehe - geführt hätten.

So sei die Abgabenbehörde aus der Kenntnis heraus, dass der Bf eigentlich zwei voneinander unabhängige Gewerbebetriebe geführt habe, zu keinem anderen Schluss gekommen, als dass diese beide steuerlich unbeachtliche Liebhabereibetätigungen darstellten. Die Abgabenbehörde sei aufgrund der Außenprüfung zwar zur Ansicht gelangt, dass die (ausschließlich für Tochter und Schwiegersohn erbrachte) Buchhaltertätigkeit einen eigenständigen Betrieb darstelle, sie habe diese aber als Leistung im Familienverband rechtlich eingeordnet und damit ohnehin wiederum der "Liebhaberei" und somit jenem Sachverhaltselement, das nicht erst durch die Außenprüfung bekannt geworden sei, zugeordnet.

Den Feststellungen der Außenprüfung in Bezug auf die mangelnde betriebliche Veranlassung diverser Ausgabenpositionen fehle schließlich die Entscheidungswesentlichkeit, weil sich deren Auswirkungen lediglich auf die Höhe der schon im Erstverfahren bekannten negativen Einkünfte beschränkten.

Das Finanzamt habe daher lediglich einen ihm bereits aus dem Erstverfahren bekannten Sachverhalt im Rahmen einer Außenprüfung rechtlich neu gewürdigt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens diene jedoch nicht dazu, die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung zu beseitigen.

Gegen dieses Erkenntnis brachte das Finanzamt am die (außerordentliche) Amtsrevision ein. Zur Zulässigkeit der Revision macht das Finanzamt geltend, das Erkenntnis des BFG weiche in zweierlei Hinsicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab. Zum einen widerspreche die Sichtweise des BFG, wonach es für die Liebhabereibeurteilung ausreiche, dass der Verlust offengelegt werde, der ständigen Rechtsprechung des VwGH, wonach maßgebend sei, dass der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (Hinweis auf ; , 2009/15/0135).

Zum anderen sehe das BFG in den als Betriebsausgabe geltend gemachten Privataufwendungen neue Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 lit b BAO, spreche ihnen jedoch die Entscheidungswesentlichkeit ab, weil sich deren Auswirkungen lediglich auf die Höhe der schon im Erstverfahren bekannten negativen Einkünfte beschränkten. Diese Ansicht widerspreche der ständigen Rechtsprechung des VwGH, wonach eine Wiederaufnahme von Amts wegen in allen Fällen zulässig sei, in denen Tatsachen und Beweismittel neu hervorkämen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten (Hinweis auf ; , 2009/15/0161). Dass die Nichtanerkennung von Privatausgaben als Betriebsausgaben schon für sich allein zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid führe, sei evident.

Der Bf erstattete eine Revisionsbeantwortung, wonach sich bei richtiger Berechnung der gesamten Gewinne und Verluste seines Gewerbebetriebs seit 1993 ein Gesamtgewinn zum Zeitpunkt der Schlussbesprechung der Außenprüfung ergeben hätte.

Der VwGH hob das Erkenntnis des wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf ().

Mit der Aufhebung des Erkenntnisses des BFG durch den VwGH tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Erkenntnisses befunden hat. Die Beschwerde des Bf vom gilt somit wieder als unerledigt.

Demzufolge ist nunmehr im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens neuerlich über die vom Bf erhobene Beschwerde zu entscheiden.

II. Rechtsausführungen:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen u. a. zulässig, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl. , mwN).

Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. , mwN).

Das bedeutet für den streitgegenständlichen Fall:

Die Abgabenbehörde stellte im Rahmen der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung fest, dass sich ungeachtet der anhaltenden Verluste des Bf "ein Bemühen durch Verbesserungsmaßnahmen und ein Ertragsstreben ... aus den Feststellungen der Betriebsprüfung" nicht ergab. Aus der Sachverständigen/Gutachtertätigkeit des Bf ergaben sich im Prüfzeitraum nur Verluste, wobei mit Ablauf des Jahres 2008 auch die Eintragung des Bf als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger endete. Den Aufwendungen aus seiner Tätigkeit als Immobilienvermittler (für Akquirierungen, Besichtigungen, Lageerkundungen, Fotos, Behördenfahrten, Besprechungen,...) standen im gesamten Prüfungszeitraum überhaupt keinerlei Erlöse gegenüber. Mit der Art und Weise, wie der Bf seine Tätigkeit betrieb, stand jedenfalls bereits im Prüfzeitraum fest, dass die Erwirtschaftung eines künftigen Gesamterfolgs in einem angemessenen Zeitraum nicht möglich ist. Die unterschiedlich ausgeübten Tätigkeiten des Bf wurden der Behörde im Einzelnen erst durch die abgabenbehördliche Prüfung bekannt und berechtigten sie zur Wiederaufnahme.

Die Bekanntgabe von Verlusten in der Einkommensteuererklärung bzw. der Einnahmen/Ausgaben-Rechnung des Bf steht einer amtswegigen Wiederaufnahme durch das Finanzamt nicht entgegen, weil die im Rahmen der Beurteilung der Liebhaberei anzuwendende Kriterienprüfung der Liebhabereiverordnung (§ 2 Abs. 1 LVO) sich nicht auf das Feststellen des Vorliegens von Verlusten beschränkt, sondern eine umfassendere Prüfung der Betätigung voraussetzt.

Da dem Finanzamt erst durch die durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung die näheren Umstände der Betätigung des Mitbeteiligten, seine unterschiedlichen Tätigkeitsfelder und die damit jeweils in Zusammenhang stehenden Aufwendungen bekannt wurden, stellen diese Umstände einen Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar.

Im Hinblick auf die gebotene Ermessensübung spricht für die Wiederaufnahme das Prinzip der Rechtsrichtigkeit, dem grundsätzlich der Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen ist. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.

Der Judikatur des folgend, die zum hier dargestellten Sachverhalt erging, war die Beschwerde abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Revision ist nicht zulässig, zumal die hier vorliegende Rechtsfrage durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt ist.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100631.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at