Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.01.2020, RV/2100314/2017

Infolge eines Verkehrsunfalles auf einer "Familienheimfahrt" entstandene Pkw-Reparaturkosten als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Umgebung vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

In seiner am bei der belangten Behörde auf elektronischem Wege eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 machte der Beschwerdeführer (Bf.) neben Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten auch ihm anlässlich eines Verkehrsunfalles entstandene Pkw-Reparaturkosten als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Mit Vorhalt vom  ersuchte die belangte Behörde den Bf. um eine belegmäßig untermauerte Aufstellung sämtlicher Kosten sowie um Beantwortung einer Reihe von Fragen betreffend die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten. Mit weiterem Vorhalt vom wurde der Bf. im Hinblick auf die von ihm als Werbungskosten geltend gemachten Unfallkosten aufgefordert, einschlägige Unterlagen, wie etwa eine Unfallmeldung oder eine Bestätigung seines Arbeitgebers über die berufliche Veranlassung der Fahrt, beizubringen. Der Bf. kam dem vollumfänglich nach.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2015 fest. Dabei wurde der beantragte Werbungskostenabzug für die Kosten der doppelten Haushaltsführung zur Gänze und für die Kosten der Familienheimfahrten in Höhe des höchsten Pendlerpauschales anerkannt. Den Unfallkosten wurde die Anerkennung als Werbungskosten versagt. Die diesbezügliche Begründung lautet wörtlich wie folgt: "Die Ausgaben für KFZ-Reparatur in Summe von 12.238,75 Euro können nicht berücksichtigt werden, da Sie Verkehrsvorschriften nicht nur leicht fahrlässig missachtet haben und daher ein Werbungskostenabzug nicht zulässig ist."

Dem hielt der Bf. in seiner Beschwerde vom im Wesentlichen entgegen, er habe am  im Rahmen einer seiner regelmäßigen Familienheimfahrten einen Verkehrsunfall verursacht. Im Gemeindegebiet von 8794 Vordernberg sei er mit seinem Pkw auf einer Schneefahrbahn in einer Rechtskurve auf die linke Fahrbahnseite gerutscht und mit einem entgegenkommenden Pkw kollidiert. Beide Fahrzeuge seien stark beschädigt worden. Zum Unfallzeitpunkt hätten winterliche Bedingungen geherrscht. Aus den polizeilichen Vernehmungsprotokollen gehe hervor, dass die Fahrbahn zum Unfallzeitpunkt durch den Einsatz von Räumfahrzeugen schneeglatt gewesen sei. Der Bf. habe daher eine Fahrgeschwindigkeit von 35 bis 40 km/h gewählt. Auf Höhe des Unfallortes habe eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h gegolten. Die Lohnsteuerrichtlinien 2002 würden in Rz 373 vorsehen, dass Schäden, die sich im Rahmen der beruflichen Verwendung von Fahrzeugen ereignen, als Werbungskosten geltend gemacht werden können. Eine berufliche Verwendung liege auch bei Unfällen im Rahmen von Familienheimfahrten vor. Im vorliegenden Fall sei zwar von einem selbstverschuldeten Unfallhergang auszugehen. Grobe Fahrlässigkeit bzw. Tatsachen, die sich zu einer groben Fahrlässigkeit summieren würden (Übertretung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, Sommerreifen, Alkoholisierung), seien jedoch nicht gegeben. Derartiges habe auch die Polizei nicht festgestellt. Die Verhängung der Geldstrafe durch die Bezirkshauptmannschaft XY sei gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wegen nicht richtig gewählter Fahrgeschwindigkeit und nicht wegen Überschreitung der erlaubten Fahrgeschwindigkeit (§ 99 Abs. 2d bzw. 2e StVO) erfolgt.

In ihrer abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte die belangte Behörde wörtlich wie folgt aus: "Gemäß § 16 EStG 1988 können zusätzlich zu den Sätzen des § 26 Z 4 lit a EStG 1988 Schäden auf Grund höherer Gewalt (insbesondere Reparaturaufwand nach Unfall oder Steinschlag), die sich im Rahmen der beruflichen Verwendung des Fahrzeuges ereignen, als Werbungskosten geltend gemacht werden, soweit der Schaden nicht durch eine Versicherung (Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, eigene Kaskoversicherung) gedeckt ist. Eine berufliche Verwendung ist auch bei Unfällen im Rahmen von Familienheimfahrten sowie auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gegeben. Ein Werbungskostenabzug kommt aber nur dann in Betracht, wenn der berufliche Zusammenhang nicht durch auf privaten Umständen beruhende Ursachen überlagert wird. Dies ist unter anderem insbesondere anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige zum Unfallzeitpunkt Verkehrsvorschriften nicht nur leicht fahrlässig missachtet hat (; ). In der Beschwerdebegründung begehren Sie KFZ-Reparaturkosten in Höhe von 12.238,75 Euro, die während einer Familienheimfahrt entstanden sind. Mit Strafverfügung vom wurden Sie von der BH XY gemäß § 20 Abs. 1 StVO bestraft, da Sie infolge nicht richtig gewählter Fahrgeschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursacht haben. Auf Grund der genannten Strafverfügung geht das Finanzamt davon aus, dass Sie zum Unfallzeitpunkt die Verkehrsvorschriften fahrlässig missachtet haben und daher der berufliche Zusammenhang durch auf privaten Umständen beruhende Ursachen überlagert wurde. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen."

Im Vorlageantrag vom führte der Bf. in Ergänzung zu seinem bisherigen Vorbringen aus, der Unfall habe sich in seinem zweiten Dienstmonat im Rahmen einer Familienheimfahrt ereignet. Aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse und der Tatsache, dass die Fahrtstrecke für ihn noch neu gewesen sei, habe er eine sehr vorsichtige Fahrweise gewählt. Seine Fahrgeschwindigkeit habe die erlaubte Höchstgeschwindigkeit weit unterschritten. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes würden Sachverhalte betreffen, die mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar seien. Nach Rz 374 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 komme ein Werbungskostenabzug nur dann in Betracht, wenn der berufliche Zusammenhang nicht durch auf privaten Umständen beruhende Ursachen überlagert werde. Eine solche Überlagerung sei dann anzunehmen, wenn die Verkehrsvorschriften nicht nur leicht fahrlässig missachtet würden. Da der Bf. die Verkehrsvorschriften - wenn überhaupt - nur leicht fahrlässig missachtet habe, stehe dem Werbungskostenabzug nichts entgegen. Faktum sei, dass der Unfall auf die eisigen Fahrbahnverhältnisse zurückzuführen sei und keine Geschwindigkeitsbeschränkungen übertreten worden seien.

In der Folge legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde und verwies auf die der Beschwerdevorentscheidung zugrundeliegende Begründung.

Im Zuge eines Vorhalteverfahrens ließ der Bf. dem Bundesfinanzgericht unter anderem ein Schreiben der X-Versicherungs-AG zukommen. Darin wurde von dieser bestätigt, dass bei ihr lediglich eine Kfz-Haftpflichtversicherung für den unfallverfangenen Pkw des Bf. bestanden habe und von ihr keine Leistung betreffend den unfallverfangenen Pkw des Bf. zu dem am eingetretenen Schadensfall erbracht worden sei.          

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt:

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Der Bf. stand ab dem  in einem Dienstverhältnis zur XYZ GmbH mit Sitz in Gemeinde, Niederösterreich, wo er die Position des Leiters der Bereiche "Central Purchasing und Strategic Procurement" bekleidete. Sein Arbeitsplatz befand sich an der Adresse Adresse1, Niederösterreich.

Die XYZ GmbH stellte dem Bf. in unmittelbarer Nähe zu dessen Arbeitsplatz eine etwa 60 qm große Dienstwohnung an der Adresse Adresse2, Niederösterreich, zur Verfügung.

Der Familienwohnsitz an der Adresse Adresse3, Steiermark, an welchem der Bf. mit seiner Familie lebte, wurde aufrechterhalten. Die Ehegattin des Bf. war weiterhin als Lehrerin in einem Gymnasium in unmittelbarer Nähe zum Familienwohnsitz tätig.

Der Bf. pendelte zwischen seiner Dienstwohnung am Beschäftigungsort in Niederösterreich und dem Familienwohnsitz in der Steiermark. Die einfache Fahrtstrecke betrug rund 187,5 Kilometer. Im Streitjahr legte der Bf. diese Strecke 112 mal zurück.  

Am frühen Morgen des  machte sich der Bf. mit seinem privaten Pkw, einem VW Touareg, Baujahr 2010, ausgehend vom Familienwohnsitz in der Steiermark auf den Weg zur Arbeitsstätte in Niederösterreich. Gegen 6:00 Uhr erreichte der Bf. den Präbichl. Es herrschte starker Schneefall und war die Fahrbahn mit Schnee bedeckt. Der Bf., dessen Pkw mit Winterreifen ausgestattet war, überholte auf einem geraden Streckenabschnitt ein Schneeräumfahrzeug und ordnete sich vor diesem ein. Er sah in einiger Entfernung ein weiteres Schneeräumfahrzeug. Durch die Schneeräumung herrschte Schneeglätte. Der Bf., der weder unter Alkoholeinfluss stand noch sonst in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt war, näherte sich einer sehr starken Rechtskurve und verringerte dazu die Fahrgeschwindigkeit auf etwa 35 bis 40 km/h (zulässige Höchstgeschwindigkeit in diesem Streckenabschnitt: 60 km/h). Beim Einfahren in diese Kurve rutschte der Bf. mit seinem Pkw geradeaus auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit einem entgegenkommenden Pkw. Die beiden Pkw prallten mit ihrer jeweiligen rechten Vorderseite aufeinander und waren in der Folge nicht mehr fahrbereit. Kurze Zeit später trafen die Straßenverwaltung, die Feuerwehr, die Rettung und die Polizei am Unfallort ein. Der Bf. und dessen Unfallgegner gaben am Unfallort an, unverletzt geblieben zu sein. Noch am selben Tag unterzog sich der Unfallgegner infolge aufgetretener Schmerzen im Nackenbereich einer ärztlichen Untersuchung, im Zuge derer das Tragen einer Halskrause für etwa 10 Tage verordnet wurde.

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft XY vom wurde über den Bf. eine auf § 99 Abs. 3 lit. a StVO gestützte Geldstrafe von 80,00 Euro verhängt. Die Begründung lautet wörtlich wie folgt: "Sie haben infolge nicht richtig gewählter Fahrgeschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursacht. Sie sind an angeführter Örtlichkeit auf der Schneefahrbahn in der dortigen 180-Grad-Kurve geradeaus auf die linke Fahrbahnseite gerutscht, wo Sie mit dem entgegenkommenden PKW [...] kollidierten. Dadurch wurden folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 20 Abs. 1 StVO".  

Der Bf. ließ den unfallverfangenen Pkw reparieren. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 12.238,75 Euro und wurden zur Gänze im Streitjahr beglichen.

Für den unfallverfangenen Pkw des Bf. bestand weder eine Vollkasko- noch eine Teilkaskoversicherung. Ein Ersatz der Reparaturkosten von dritter Seite erfolgte nicht.

2. Beweiswürdigung:

Dass sich der Bf. am frühen Morgen des  mit seinem privaten Pkw ausgehend vom Familienwohnsitz in der Steiermark auf den Weg zur Arbeitsstätte in Niederösterreich machte, ergibt sich aus den von der belangten Behörde unwidersprochen gebliebenen plausiblen Ausführungen des Bf. in der Beschwerde, und ist überdies durch eine aktenkundige Bestätigung des Arbeitgebers des Bf. belegt. 

Die Feststellungen zum Unfallhergang gründen sich auf die insoweit übereinstimmenden aktenkundigen Aussagen des Bf. und des Unfallgegners im Zuge ihrer polizeilichen Einvernahmen vom und , sowie auf den ebenfalls aktenkundigen polizeilichen Abschlussbericht gemäß § 100 Abs. 2 Z 4 StPO vom  bzw. . Diesen Aktenteilen sind keinerlei Hinweise darauf zu entnehmen, dass der Bf. unter Alkoholeinfluss gestanden oder sonst in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt gewesen wäre. Gegenteiliges wurde auch von der belangten Behörde nicht behauptet. 

Die Höhe der Reparaturkosten ergibt sich unzweifelhaft aus den im Zuge des abgabenbehördlichen Vorhalteverfahrens abverlangten Rechnungen, die allesamt aktenkundig sind. Auch der konkrete Entrichtungszeitpunkt konnte durch entsprechende E-Banking-Auszüge, die ebenfalls im Akt aufliegen, belegt werden.

Zum Nichtbestehen einer Kaskoversicherung für den unfallverfangenen Pkw des Bf. ist anzumerken, dass der Bf. im Zuge einer Vorhaltsbeantwortung an das Bundesfinanzgericht ein Schreiben der X-Versicherungs-AG beigebracht hat. Darin wurde von dieser bestätigt, dass bei ihr lediglich eine Kfz-Haftpflichtversicherung für den unfallverfangenen Pkw des Bf. bestanden habe und von ihr keine Leistung betreffend den unfallverfangenen Pkw des Bf. zu dem am eingetretenen Schadensfall erbracht worden sei. Das Nichtbestehen einer Kaskoversicherung wurde von der belangten Behörde ebenso wenig in Zweifel gezogen wie der Umstand, dass kein Kostenersatz von dritter Seite erfolgte.

Die übrigen Feststellungen sind allesamt aktenkundig bzw. ergeben sich aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des Bf..

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

    

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I (Stattgabe):

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall können unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten darstellen (vgl. etwa , mwN; ).

Bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt es sich um beruflich veranlasste Fahrten (vgl. ; ; ). Auch "Familienheimfahrten" im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur doppelten Haushaltsführung sind als beruflich veranlasst anzusehen (vgl. Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 16 Tz 302 [62. Lfg. 2016]; dies entspricht auch der in Rz 373 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 dargelegten Verwaltungsmeinung).

Dass sich der Bf. zum Unfallzeitpunkt auf einer solchen "Familienheimfahrt" befand, ist unstrittig der Fall, zumal die Arbeitsstätte des Bf. vom Familienwohnsitz so weit entfernt ist, dass eine tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist (vgl. etwa , mwN), und auch eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort des Bf. schon aufgrund der steuerlich relevanten Erwerbseinkünfte der Ehegattin des Bf. als Lehrerin in einem Gymnasium in unmittelbarer Nähe zum Familienwohnsitz als unzumutbar anzusehen ist (zum Kriterium der steuerlich relevanten Erwerbseinkünfte des Ehepartners am Familienwohnsitz vgl. etwa Lenneis in Jakom, 12. Auflage 2019, § 16 Rz 56, Schlagwort "doppelte Haushaltsführung", mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des VwGH).        

Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall sind, sofern sie nicht durch eine Versicherung gedeckt sind (vgl. Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 16 Tz 303 [62. Lfg. 2016]), jedenfalls dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn es sich um einen unverschuldeten Unfall handelt. Tritt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers hinzu, kann dadurch der berufliche Veranlassungszusammenhang unterbrochen werden. Ob ein Verkehrsunfall beruflich oder privat veranlasst ist, hängt unter anderem vom Grad des Verschuldens des Lenkers ab. Zwar handelt es sich bei einem selbst verschuldeten Unfall um ein Fehlverhalten, das nicht durch die berufliche Tätigkeit veranlasst ist. Dieses Fehlverhalten tritt aber als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem angestrebten beruflichen Zweck dann in den Hintergrund, wenn der Verkehrsunfall nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers verursacht worden ist (vgl. etwa ; ; ).

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, auf welche in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen wird (vgl. etwa ), erfordert grobe Fahrlässigkeit, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falles auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Sie setzt eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus, die sich über die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich heraushebt, wobei der Schaden als wahrscheinlich voraussehbar ist. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass der Verstoß gegen das normale Handeln auffallend und der Vorwurf in höherem Maß gerechtfertigt ist (vgl. , mwN).

Grobe Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig bei Alkoholisierung anzunehmen (vgl. , mwN). Von einem grob fahrlässigen Verhalten ist der Verwaltungsgerichtshof auch im Falle von den Straßenverhältnissen nicht angepasster Geschwindigkeit und herabgesetzter Fahrtüchtigkeit ausgegangen (vgl. ). Auch das Überholen in einer unübersichtlichen Kurve bei unklaren Straßenverhältnissen hat der Verwaltungsgerichtshof als Inkaufnahme eines hohen Unfallrisikos beurteilt, das der Berücksichtigung von unfallbedingten Werbungskosten entgegensteht (vgl. ). Das Bedienen eines Autoradios im Bereich einer Autobahnabfahrt, somit in einer Situation, die dem Autolenker besondere Aufmerksamkeit abverlangt, hat der Verwaltungsgerichtshof als ein gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufendes Fehlverhalten eingestuft, welches nur bei Hinzutreten weiterer Fehlhandlungen den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründen könnte (vgl. ). Haben vor allem außerordentliche Straßen­verhältnisse, wie etwa das Vorhandensein von Schlaglöchern und ein stark geschotterter Straßenrand, unfallverursachend gewirkt, sind dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ursachen, welche die Berufs­bedingtheit der Fahrt nicht ausschließen (vgl. ).

Im Lichte dieser Rechtsprechung kann dem Bf. ein grob fahrlässiges Verhalten nicht angelastet werden. Der Bf. stand zum Unfallzeitpunkt weder unter Alkoholeinfluss noch war er sonst in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Sein Pkw war mit Winterreifen ausgestattet. Eine riskante bzw. rücksichtslose Fahrweise kann dem Bf. auch nicht im Hinblick auf die von ihm gewählte Fahrgeschwindigkeit unterstellt werden, betrug diese beim Einfahren in die Rechtskurve doch lediglich 35 bis 40 km/h.

Die belangte Behörde stützt ihren Standpunkt in der Beschwerdevorentscheidung ausschließlich darauf, dass in der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft XY vom begründend ausgeführt werde, der Bf. habe infolge nicht richtig gewählter Fahrgeschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursacht. Inwiefern sich daraus Rückschlüsse auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Bf. im Sinne der oben referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes ziehen lassen, legt die belangte Behörde jedoch nicht dar. Aus dem Umstand, dass sich die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft XY vom (lediglich) auf den Straftatbestand des § 99 Abs. 3 lit. a StVO stützt, ist vielmehr der Schluss zu ziehen, dass auch die Bezirkshauptmannschaft XY ein grob fahrlässiges Verhalten des Bf. nicht angenommen hat. § 99 Abs. 3 lit. a StVO lautet wörtlich wie folgt: "Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro [...] zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges [...] gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist". Die Strafbestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO ist demnach nur dann anzuwenden, wenn keine der Strafbestimmungen des § 99 Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 StVO einschlägig ist. Diese Strafbestimmungen pönalisieren schwerwiegendere Verstöße gegen die StVO und der auf Grund der StVO erlassenen Verordnungen, wie etwa das Fahren unter Alkoholeinfluss (§ 99 Abs. 1, 1a und 1b StVO), das Fahren unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern (§ 99 Abs. 2 lit. c StVO), das Nichteinhalten des erforderlichen Sicherheitsabstandes (§ 99 Abs. 2c Z 4 StVO), das Nichtanhalten bei rotem Licht und ein dadurch ausgelöstes unvermitteltes Bremsen oder Ablenken anderer Fahrzeuglenker (§ 99 Abs. 2c Z 6 StVO), das Befahren des Pannenstreifens auf der Autobahn und eine daraus resultierende Behinderung von Einsatzfahrzeugen (§ 99 Abs. 2c Z 7 und 8 StVO) sowie das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (§ 99 Abs. 2d und 2e StVO). Die Bezirkshauptmannschaft XY hat die Strafverfügung vom  auf keine dieser Strafbestimmungen gestützt, sondern lediglich die subsidiär anzuwendende Strafbestimmung des § 99 Abs. 3 lit. a StVO herangezogen. Hinzu kommt, dass der sich aus § 99 Abs. 3 lit. a StVO ergebende Strafrahmen nicht annähernd ausgeschöpft wurde. Aus all diesen Umständen ist zu erschließen, dass auch die Bezirkshauptmannschaft XY ein grob fahrlässiges Verhalten des Bf. im Zuge des Unfallherganges nicht angenommen hat.          

Im Erkenntnis vom , 94/15/0193, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Fall einer nicht den Straßenverhältnissen angepassten Fahrgeschwindigkeit zu befassen. Die einschlägige Passage dieses Erkenntnisses lautet wörtlich wie folgt: "Der Beschwerdeführer hat sich im Zeitpunkt des Unfalles grob fahrlässig verhalten, weil er in der Nacht auf einer feuchten, kurvenreichen Landesstraße den PKW mit einer den Straßenverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit (vgl. die von der Gendarmerie mit dem Beschwerdeführer und JM aufgenommenen Niederschriften sowie die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Berufung, wonach er im Zeitpunkt des Unfalles den PKW mit rund 70 bis 80 km/h gelenkt habe) in eine scharfe S-Kurve (rechts/links) gelenkt hat, was kausal für den Unfall gewesen ist. Hiezu kommt, dass der Beschwerdeführer durch seinen aus privaten Gründen verlängerten Aufenthalt im Gasthaus in K bis um etwa 02.00 Uhr ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet war, seine Fahrtüchtigkeit weiter herabzusetzen. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund des grob fahrlässigen Verhaltens des Beschwerdeführers beim Lenken des PKW zu dem Schluss gelangt ist, die infolge des Unfalles erforderliche außergewöhnliche technische Abnutzung (Buchwertabgang) des PKW sei steuerlich nicht zu berücksichtigen." Der diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugrundeliegende Sachverhalt lässt sich nicht mit dem hier gegenständlichen Unfallverlauf vergleichen, zumal die Fahrtüchtigkeit des Bf. nicht herabgesetzt und die vom Bf. gewählte Fahrgeschwindigkeit gerade einmal halb so hoch war.   

Der Bf. setzte auch sonst keine Fehlhandlungen, welche die Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens rechtfertigen würden. Unfallverursachend war primär die infolge des Einsatzes von Schneeräumfahrzeugen eingetretene Schneeglätte, von welcher der Bf. überrascht wurde. Haben jedoch, wie dies gegenständlich der Fall ist, vor allem außerordentliche Straßen­verhältnisse unfallverursachend gewirkt, sind dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ursachen, welche die Berufs­bedingtheit der Fahrt nicht ausschließen (vgl. ).

Da sich der Bf. zum Unfallzeitpunkt auf einer beruflich veranlassten Fahrt befand, ein grob fahrlässiges Verhalten, durch welches der berufliche Veranlassungszusammenhang unterbrochen werden würde, nicht erkennbar ist, und der Bf. die ihm aufgrund des Unfalles entstandenen Pkw-Reparaturkosten nicht von dritter Seite ersetzt erhielt, stand der begehrte Werbungskostenabzug von 12.238,75 Euro zu und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

       

3.2. Zu Spruchpunkt II (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der obig zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.

Graz, am

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