§ 97 Abs. 1 BAO: Zurückweisung eines Vorlageantrages mangels rechtswirksam zugestellter Beschwerdevorentscheidung (keine Zustellung an den Vertreter der Verlassenschaft)
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache X.X. als Erbin nach N.N., Adresse1, vertreten durch Y Steuerberatung GmbH, Adresse2, gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend Einkommensteuer 2013 beschlossen:
Der Vorlageantrag wird gemäß gem. § 278 Abs. 1 lit. a BAO in Verbindung mit § 264 Abs. 4 lit. e und § 260 Abs. 1 lit. a Bundesabgabenordnung (BAO) als unzulässig zurückgewiesen .
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Streitjahr 2013 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Im Zuge der am eingebrachten Einkommensteuererklärung 2013 erklärte der Bf. hinsichtlich der Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Verlust iHv 6.870,94 Euro.
Die belangte Behörde setzte im Einkommensteuerbescheid 2013 vom die Einkommensteuer mit -752,00 Euro fest.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 brachte der Bf. durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom Beschwerde ein und wurde beantragt den Bescheid entsprechend der einzureichenden, berichtigten Einkommensteuererklärungen 2013 abzuändern.
Nachdem von der belangte Behörde am ein Mängelbehebungsauftrag erlassen wurde, reichte der Bf. durch seine steuerliche Vertretung mit Schreiben vom die Beschwerdebegründung und die berichtigte Einkommensteuererklärung 2013 inkl. Beilagen ein. Darin wurde bzgl. der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein Kursverlust iHv 55.320,42 Euro, resultierend aus der Konvertierung eines Fremdwährungskredites (2013 erfolgte eine Konvertierung des Kredits von japanischen Yen in Euro), geltend gemacht. Zusätzlich wurde dieser Verlust nunmehr bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ausgewiesen.
Während des laufenden Rechtsmittelverfahrens verstarb der Bf. am .
Die belangte Behörde erließ am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und führte zur Begründung aus: Die Betriebsaufgabe betreffend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sei im Jahr 2009 erfolgt. Das betriebliche Vermögen sei in das Privatvermögen übernommen worden und daraus wurde bzw. werde ab dem Jahr 2009 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt.
In Folge wurde zu den geltend gemachten Kursverlusten u. a. ausgeführt, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung solche Aufwendungen Werbungskosten darstellen, die durch die Vermietung im Sinne des § 28 EStG 1988 veranlasst sind. Da Kursverluste aus Fremdwährungsdarlehen weder als Werbungskosten absetzbar seien, noch die Anschaffungskosten erhöhen, würden sie kein Entgelt für die Nutzung oder Beschaffung des Kapitals darstellen, sondern dienten diese der Tilgung des Darlehens. Diese Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen bei der Tilgung der
Fremdwährungskredite infolge der ungünstigen Wechselkursentwicklungen entstanden seien, würden auch bei weitester Auslegung des Begriffes Schuldzinsen kein Entgelt für die Nutzung oder Beschaffung des Kapitals darstellen.
Da die Betriebsaufgabe betreffend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2009 erfolgt sei und das betriebliche Vermögen in das Privatvermögen überführt worden sei, liegen ab diesem Zeitpunkt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vor. Im Jahr 2013 würden daher keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen. Der beantragte Kursverlust iHv. 55.320,42 könne daher weder als Betriebsausgabe noch als Werbungskosten steuerlich anerkannt werden.
Die Beschwerdevorentscheidung weist folgende Adressierung auf:
"Verl.n.N.N.
Adresse1"
Mit Schreiben vom beantragte die steuerlichen Vertretung innerhalb der verlängerten Frist die Entscheidung über die Bescheidbeschwerden durch das Bundesfinanzgericht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde dargelegt, dass es sich bei der Betriebsaufgabe im Jahr 2009 nur um eine Teilbetriebsaufgabe gehandelt habe. Nachdem der Gewerbebetrieb vollständig nicht beendet worden sei - 2010 und 2011 seien in den Einkommensteuerbescheiden noch Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgewiesen worden - und nachdem der gegenständliche Kursverlust eindeutig dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sei, würden im Jahr 2013 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Form eines Verlusts vorliegen. Die Realisierung des gegenständlichen Kursverlusts sei mit der Konvertierung des Fremdwährungskredits im Jahr 2013 erfolgt und stelle daher eine Betriebsausgabe im Jahr 2013 dar.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor und verwies betreffend der Argumentation, dass es sich im Jahr 2009 nur um eine Teilbetriebsaufgabe gehandelt habe und dass die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 noch Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgewiesen hätten darauf, dass im Jahr 2009 die Betriebsaufgabe erklärt worden sei und stattgefunden habe. In den Jahren 2010 und 2011 seien zwar bedingt durch die 3-Jahres-Verteilung des Aufgabegewinnes noch gewerbliche Einkünfte ausgewiesen worden, es habe aber ab dem Jahr 2010 kein aufrechter Betrieb mehr vorgelegen, sondern nur mehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Kredit stünde somit im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und führe somit mit diesem Kredit in Zusammenhang stehende Aufwendungen zu keinen nachträglichen Betriebsausgaben.
Aufgrund einer Rückfrage des Bundesfinanzgerichts teilte die belangte Behörde mit, dass das Verlassenschaftsverfahren bereits beendet wurde. Weiters wurde der Einantwortungsbeschluss vom übermittelt. Nach dem Beschluss wurde die Verlassenschaft der erblichen Witwe X.X., geb. xxx, zur Gänze eingeantwortet, welche aus dem Titel des Gesetzes zum ganzen Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung abgegeben hatte.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Nach § 93 Abs 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt idR durch Zustellung.
Nach der Judikatur ist der Adressat namentlich zu nennen (vgl. ) und gehört das Adressfeld zum Bescheidspruch (vgl. zB ).
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Nach § 264 Abs. 4 BAO sind § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) und § 274 Abs. 3 Z 1 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung) BAO für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.
Dem Gebot des § 93 Abs. 2 BAO wird nur entsprochen, wenn die im Spruch bezeichneten Adressaten, jene Person(en), an die der Bescheid gerichtet ist, gesetzmäßig bezeichnet wird/werden. Die mit der Personenumschreibung eines Bescheides getroffene Wahl des Normadressaten ist konstituierendes Merkmal des individuellen Verwaltungsaktes (zB ). Die Behörde hat deutlich und klar zum Ausdruck zu bringen, welchen Personen gegenüber sie die in Betracht kommende Verwaltungsangelegenheit in förmlicher Weise gestalten will. Die Personenbeschreibung ist notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruchs mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch, zu dem auch das Adressfeld zählt, kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl. , mwH). Bei einer physischen Person ist idR der Vor- und Zuname anzuführen (Ritz, BAO 6, § 93 Tz 6).
Die Rechtsfähigkeit eines Abgabepflichtigen erlischt mit seinem Tode, sodass er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Träger von Rechten und Pflichten anzusehen ist. Nach dem Tod des Abgabepflichtigen ist ein Bescheid über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft, die nach herrschender Lehre in der Zeit zwischen dem Erbfall und der Einantwortung als juristische Person und damit als Träger der vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten des Erblassers und insofern als parteifähiges Rechtssubjekt anzusehen ist (, mwH; vgl. auch Koziol-Welser, Bürgerlichen Rechts Band II13, S. 566), zu richten. Nach der Einantwortung hingegen an den Erben bzw. die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Abgabepflichtigen (vgl. )
Gemäß § 810 Abs. 1 ABGB wird die Verlassenschaft durch den oder die erbserklärten Erben vertreten. Erforderlichenfalls hat das Verlassenschaftsgericht - zB bei Uneinigkeit der Erben oder widersprechende Erbantrittserklärungen - einen Verlassenschaftskurator zu bestellen (siehe Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02, Stand , § 810, Rz 9).
Mit Rechtskraft der Einantwortung gehen gemäß § 19 Abs. 1 BAO alle sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers (Erblasser) auf den Erbe (die Erbengemeinschaft) als Rechtsnachfolger des Abgabepflichtigen über.
Nach dieser Rechtslage bestimmt der Verfahrensstand in der Verlassenschaftssache, wer Bescheidadressat ist:
Ist der erbserklärte Erbe bzw. sind die erbserklärten Erben der gesetzliche Vertreter bzw. die gesetzlichen Vertreter des Nachlasses, ist der erbserklärte Erbe oder die erbserklärten Erben Bescheidadressat(en) der für den Nachlass bestimmten Bescheide.
Die erbserklärten Erben können aber auch einen Erbenmachthaber als gewillkürten Vertreter der Verlassenschaft bestellen. In diesem Fall sind die für den Nachlass bestimmten Bescheide an diesen Vertreter zu richten.
Bestellt das Verlassenschaftsgericht zur Vertretung des Nachlasses einen Verlassenschaftskurator, sind die für den Nachlass bestimmten Bescheide an den Verlassenschaftskurator zu richten.
Da die Verlassenschaft als juristische Person zu beurteilen ist, kann diese nur durch Vertreter handeln und können somit Bescheide nur einem Vertreter rechtswirksam zugestellt werden.
Hat eine Verlassenschaft keinen gesetzlichen, vom Gericht bestellten oder gewillkürten Vertreter, ist sie nicht handlungs- und prozessfähig; für die Verlassenschaft bestimmte Bescheide können nicht rechtswirksam zugestellt werden (Langheinrich/Ryda, FJ 9/2010, S. 261, "Bescheidadressat und Zustellung im Abgabenverfahren", vgl. auch Althuber/
Tanzer/Unger, BAO: Handbuch, § 80, S. 231f).
Entsprechend hat der Bescheid vor der Einantwortung des Nachlasses an die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen, zu Handen des erbserklärten Erben, dem mit Gerichtsbeschluss die Nachlassverwaltung übertragen wurde (bei mehreren solchen Erben gegebenenfalls zu Handen des gemeinsamen Erbenmachthabers) oder allenfalls zu Handen eines Verlassenschaftskurators, nach der Einantwortung an den (oder die) Erben zu ergehen (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/ Sutter/Urtz, BAO3 § 97 Anm 12).
Im Beschwerdefall wurde den Vorgaben der erforderlichen Identifizierbarkeit
des Vertreters der Verlassenschaft nicht entsprochen, da aus dem Adressfeld der Beschwerdevorentscheidung lediglich der Bescheidadressat "Verl.n.N.N." und die Adresse "Adresse1" ersichtlich ist, nicht jedoch der Vertreter der juristische Person (ersichtlich durch eine Bescheidadressierung wie etwa "Verlassenschaft nach N.N. zH des Vertreters QQ") genannt wurde.
Mangels Zustellung des Bescheids zu Handen einer vertretungsbefugten Person kann die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung vom keine Rechtswirkung entfalten.
Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrages ist, dass eine Beschwerdevorentscheidung erlassen wurde (vgl. Ritz, aaO, § 264 Tz 6 unter Hinweis und ). Ist dies nicht der Fall und der Vorlageantrag wird dennoch gestellt, ist er vom Verwaltungsgericht als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Althuber/Tanzer/Unger, aaO, § 264, Seite 741f).
Der Vorlageantrag war somit gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO in Verbindung mit § 260 Abs. 1 BAO als unzulässig zurückzuweisen.
Mangels wirksamer Beschwerdevorentscheidung gilt die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 nach wie vor als unerledigt.
Von der Durchführung der beantragten (§ 274 Abs. 1 Z 1 lit. a BAO) mündlichen Verhandlung kann gemäß § 274 Abs. 5 BAO iVm § 274 Abs. 3 Z 1 BAO abgesehen werden, wenn der Vorlageantrag als unzulässig zurückzuweisen ist. Im Hinblick auf die gebotene Ermessensübung spricht für eine Abstandnahme von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung im Sinne der Zweckmäßigkeit vor allem die Verwaltungsökonomie bei formalrechtlichen Erledigungen, weshalb die Zurückweisung des Vorlageantrag daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgen konnte.
Da mit Beschluss vom die Verlassenschaft der erblichen Witwe X.X. eingeantwortet wurde, war die gegenständliche Entscheidung an die Erbin als Rechtsnachfolgerin nach dem verstorbenen Abgabepflichtigen zu richten und zuzustellen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Rechtsfolge der Zurückweisung eines unzulässigen Vorlageantrags unmittelbar aus dem Gesetzestext und die Beurteilung der Zulässigkeit eines Vorlageantrages der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war auszusprechen, dass eine Revision gegen diesen Beschluss nicht zulässig ist.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 810 Abs. 1 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101418.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at