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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.01.2020, RV/2100643/2018

Anschaffung eines marktgängigen Trainingsgerätes und (alternativmedizinischen) Magnetfeldtherapiegerätes - keine außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Frühwirt Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, Messestraße 8, 3100 St. Pölten, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Leoben Mürzzuschlag vom betreffend Einkommensteuer 2016 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I.

Der Beschwerdeführer (Bf.) machte in der Einkommensteuererklärung 2016 unter der KZ 476 einen Betrag in Höhe von 13.457,16 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend.

II.

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde den Bf., die beantragten zusätzlichen Kosten für die Behinderung (KZ 476) in Höhe von 13.457,16 Euro nachzuweisen.

III.

Aus den mit bei der belangten Behörde am eingegangener Vorhaltsbeantwortung vom „“ [!] nachgereichten Unterlagen geht im Wesentlichen Folgendes hervor:

-> Rechnungen:

  • Fa. X, Rechnung Nr. 111 vom y.y.yyyy:
    1 Stück Wellengang ambition Vibrationstrainingsgerät, 9.216,90 Euro

  • Fa. Y, Rechnung Nr. 222 vom z.z.zzzz:
    1 Stück BEMER Classic und 1 Stück B. Body, 3.430 Euro

Laut Bf. habe er die gesamten Kosten getragen (kein Zuschuss der Gebietskrankenkasse).

-> Schreiben der Hausärztin des Bf. (undatiert) an die Steiermärkische Gebietskrankenkasse:

… Betreff: Therapiegerät WellenGang Ambition MED
Bei [Bf.] … besteht eine Multiple Sklerose sowie eine Polyneuropathie. Neben dem Kraftverlust kommt es zu einer veränderten Wahrnehmung des Körpers. Bewegungen und Bewegungshintergrund (Tonus) sind gestört. Aufgrund dieser Muskelschwäche und der damit verbundene[n] Sturzneigung bedarf [Bf.] eigentlich einer regelmäßigen Physiotherapie und einem jährlichen Rehabilitationsaufenthalt. Diese Aufenthalte bringen jedoch nur einen sehr kurzen Therapieerfolg, daher wäre die Anschaffung eines Heimtherapiegerätes wesentlich effizienter und auch kostengünstiger vor allem im Hinblick auf die Reduktion des Pflegeaufwandes. In zahlreichen Studien hat sich gezeigt, dass ein regelmäßiges -vor allem tägliches - Vibrationstraining auf einem medizinischen Therapiegerät, wie dem WellenGang Ambition MED, zur Leistungssteigerung der Muskulatur und zur Verbesserung von Koordination und des Gleichgewichtes führt.
Daher befürworte ich als Hausarzt die Anschaffung dieses medizinischen Therapiegerätes WellenGang Ambition MED und ersuche die Krankenkasse sich an den Kosten zu beteiligen…

-> div. Informationsmaterial / BEMER und Wellengang:

- Y , BEMER Partner:

… Anwendungsgebiete:
Die Physikalische Gefässtherapie wird heute in sehr unterschiedlichen Bereichen eingesetzt. Denn eine effektive Verbesserung der Mikrozirkulation, der Durchblutung der kleinsten Blutgefässe also, wirkt sich in vielerlei Hinsicht positiv auf ihre Gesundheit, ihre Immunabwehr sowie insgesamt auf ihr Wohlbefinden aus. Auf Basis jahrelanger Erfahrung hat BEMER die Physikalische Gefässtherapie permanent weiterentwickelt - mit zum Teil bahnbrechenden Erkenntnisse[n] zur Biorhythmik lokaler und übergeordneter Regulationsvorgänge. Eine wirkungsvolle Stimulierung der Mikrozirkulation unterstützt die wichtigsten körperlichen Regelmechanismen für Heilungs-, Genesungs- und Regenerationsprozesse und ist komplementär einsetzbar für zahlreiche Behandlungen und Indikationen.
Behandlung:
Behandlung im Krankheitsfall, Unterstützung der Immunreaktion, Aktivierung der Selbstheilungskräfte durch Stimulierung der Mikrozirkulation…

Ganzkörperbehandlung B-BODY Classic:
Probieren Sie es einfach aus: Das Standard-Applikationsmodul B.Body Classic lässt sich bequem auf die Couch oder in einen Sessel legen. Mithilfe des Fixierbandes kann es aber auch fest im Bett installiert werden, um zum Beispiel das Schlafprogramm der Physikalischen Gefässtherapie BEMER zu nutzen. B.Body Classic ist im Lieferumfang vom BEMER-Classic-Set enthalten.
TIPP: Das Steuergerat B.BOX Classic kann zwei B.BODY-Applikationsmodule auf einmal steuern. Wenn also auch Ihr Lebens- oder Ehepartner das Schlafprogramm mitnutzen möchte, können Sie einfach ein zweites B.BODY Classic anschliessen
“.

- Wellengang:

ambition – wellengang schwingungstraining:
„a mbition
Das Basisgerät. Ideal für alle Fitness- und Therapieanwender
Mit der innovativen AMT Schwingungstechnologie, robustem Haltegestell und zahlreichen zielgruppenspezifischen Übungen im Touchscreen-Trainingscomputer, bietet der wellengang ambition maßgeschneiderte Trainingsvielfalt für Freizeit, Sport und Firmenfitness.
Durch den breiten Frequenzbereich von 1-20 Hz und der großen Trittfläche ist ein individuelles und äußerst komfortables Training für Jung und Alt möglich. Die Bedienung erfolgt bequem über das Touchscreen Display

Med/Therapie – wellengang Schwingungstraining:
„… Osteoporose & Sturzprophylaxe
Neurologische Erkrankungen
Durch das wellengang-Schwingungstraining kommt es beim reaktiven Training (Frequenzen von 1-12 Hz) durch die Möglichkeit der stochastischen Frequenzmodulationen nicht zu einer Adaption an die Frequenz. Im reflektorischen Frequenzbereich (ab 12 Hz) kommt es durch die hohen Wiederholungszahlen und dem neuromuskulären Reiz zu einer Verbesserung sämtlicher Muskelqualitäten und gleichzeitig zu einem Spannungsausgleich (nur bis 20 Hz) in der Muskulatur.
Beckenbodentraining
Rücken- und Schulterprobleme
Durchblutung und Lymphabfluss…

IV.

Im hier angefochtenen Bescheid wurde unter dem Titel: „nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen“ lediglich ein Betrag in Höhe von 810,26 Euro anerkannt (= erklärt 13.457,16 Euro minus o.a. Rechnungsbeträge in Höhe von 12.646,90 Euro); dies mit folgender Begründung:

… Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigung zu beseitigen (zB Badelifte, Rollstühle, Hörgeräte, Krücken, Prothesen).
Die BEMER Classic und der Wellengang ambition Vibrationsgerät können nicht unter den Begriff Hilfsmittel subsumiert werden. Diese stellen keine spezifische, ausschließlich auf die Bedürfnisse beeinträchtigter oder behinderter Personen abgestimmte Beschaffenheit dar. Diese Geräte werden auch von gesunden Menschen zur Unterstützung ihrer Gesundheit, Immunabwehr und zum allgemeinen Wohlbefinden verwendet.
Weiters geht hervor, dass vom Sozialversicherungsträger keinerlei Ersatz geleistet wurde. Auch das ist ein Indiz dafür, dass es sich nicht um einen Heilbehelf im geforderten Sinne handelt. Daher wurden die zusätzlichen Kosten für Behinderung um € 12.646,90 gekürzt
“.

V.

In der Beschwerde vom wurde dagegen im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

In der Steuererklärung ist … ein [!] Gerät als außergewöhnliche Belastung angesetzt, das in der Begründung zum Bescheid nicht anerkannt wurde, sondern eine Kürzung der außergewöhnlichen Belastung für die Kosten der Behinderung von Euro 12.646,90 vorgenommen wurde. In Bezug auf das steuerpflichtige Einkommens für das Jahr 2016 stellt dieser Betrag 32,02 Prozent des Gesamteinkommens dar. Mein Mandant hat daher dieses teure Gerät nur deshalb angeschafft, da er hier eine wesentliche Erleichterung für seine schwere Krankheit erfahren kann. Die Krankheit ist durch einen Arztbrief dokumentiert, die Notwendigkeit dieses Hilfsmittel für die Linderung der Krankheit ebenfalls. Mein Mandant lebt im WOHNGEBIET , eine vergleichbare Behandlung ist von seinem Wohnort aus nur in Z mit einer Entfernung von 60 km … möglich. Dies ist auf Grund der Fahrzeit und des Gesundheitszustandes nicht zumutbar ...
Subjektive Zwangsläufigkeit:
Mein Mandant ist Jahrgang xxxx, Erkrankung an Multipler Sklerose, sowie an Polyneuropathie, schwerst gehbehindert und wie der Arztbrief bereits darlegt, hinsichtlich der bestehenden Muskelschwäche stets in jährlichen Rehabilitationsaufenthalten.
Diese Aufenthalte bringen nur einen kurzen Therapieerfolg, der durch dieses Gerät dauerhaft verstärkt wird. Es kommt durch die Anwendung des eigenen Gerätes zu einer Leistungssteigerung der Muskulatur, Verbesserung von Koordination und Gleichgewicht. Trotzdem hat die gewerbliche Sozialversicherung keinen Kostenbeitrag zur Anschaffung dieses Gerätes bezahlt, jedoch nicht, weil dieses Gerät zwangsläufig zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes verhilft, sondern wie wir alle wissen, die Situation der Steiermärkischen Krankenkasse hier eine äußerst restriktive Vorgangsweise auf Grund von budgetären Vorgaben erzwingt. Dies kann jedoch nicht ein Maßstab für die steuerliche Nichtanerkennung herangezogen werden, wie dies in der Begründung zum Bescheid angeführt wird.
Objektive Zwangsläufigkeit:
Ein Gerät anzuschaffen ist auf Grund des Alters und des Gesundheitszustandes meines Mandanten nicht dadurch erfolgt, da hier eine Leistungssteigerung zu einer sportlichen Ertüchtigung führt, wie das bei Hobby- oder Leistungssportlern gegeben sein könnte.
Hier handelt sich um einen schwerstbehinderten Steuerpflichten mit einem Behinderungsausmaß von 70%, der versucht, Schmerzen zu lindern, einen Muskelaufbau zur Abwendung der Sturzgefahr vorzunehmen, einfach den gesamten Bewegungshintergrund in einem erträglichen Ausmaß zu erhalten.
Man muss verstehen, das ein betroffener, Steuerpflichtiger hier besondere Sensibilität verfügt, auch wenn in der Begründung eines abweisenden Bescheides angeführt wird „diese Geräte werden auch von gesunden Menschen zur Unterstützung ihrer Gesundheit, Immunabwehr und zum allgemeinen Wohlbefinden verwendet".
Gesamtbetrachtung:
Bei der Beurteilung einer Zwangsläufigkeit eines Hilfsmittels für die außergewöhnlichen Belastung ist bezogen auf den tatsächlichen Gesundheitszustand meines Mandanten in einem wesentlich anderen Licht zu sehen. Es wird daher beantragt, dieses Hilfsmittel als außergewöhnliche Belastung im vollen Ausmaße im Jahre 2016 anzuerkennen
“.

VI.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen; dies mit folgender Begründung:

 „… Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in seiner Judikatur nur die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten als zwangsläufig an. Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, sind davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann (). Ebenfalls wird auf die Bescheidbegründung vom verwiesen“.

VII.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in welchem ua. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht beantragt wurde, „um die Zwangsläufigkeit der in der Steuererklärung geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen vor dem Hintergrund des spezifischen Krankheitsbildes Multiple Sklerose (MS) erläutern zu können“.

Darüber hinaus wurde ergänzend im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

… Die krankheitsbedingten Anschaffungen sind jedenfalls im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG außergewöhnlich, weil diese bei [Bf.] krankheitsbedingt höher sind ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwachsen: In Bezug auf das steuerpflichtige Einkommen für das Jahr 2016 stellt diese Anschaffung 32,02 Prozent des Gesamteinkommens dar …
Die Belastung ist darüber hinaus im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG zwangsläufig entstanden, weil sich der Bf. aus tatsächlichen, sich aus seiner Gesundheit ergebenden Gründen nicht entziehen kann …
Die Aufwendungen beeinträchtigen darüber hinaus nach § 34 Abs. 4 EStG wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, weil sie über die Höhe des Selbstbehalts wie gem. Einkommensteuerklärung ersichtlich hinausgeht.
Heilmittel im Sinne einer außergewöhnlichen Belastung: Die Finanzverwaltung versagt die Abzugsfähigkeit der Ausgaben im Wesentlichen mit dem Argument, die Aufwendungen betreffen nicht berücksichtigungswürdige Heilmittel, was meines Erachtens einer fehlerhaften Subsumption des Sachverhalts geschuldet ist: Im Gegensatz zur Auffassung der Finanzverwaltung handelt es sich bei den Anschaffungen des Bf. tatsächlich um Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen, die als nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.
Zitiert die Finanzverwaltung , so stellt dieser im zitierten Urteil gerade auf die Typizität der außergewöhnlichen Belastungen (Krankheitskosten, die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbunden sind) ab: Die in der Beschwerdevorentscheidung geäußerte Rechtsansicht des bloßen Abstellens auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes kann hier nicht greifen, weil der VwGH diese Rechtsansicht nicht für Aufwendungen zu Heilmitteln, sondern für Zahlungen zur Beseitigung einer finanziellen Belastungssituation äußert und im konkreten Fall nicht anwendbar sein kann (denkunmögliche Anwendung von VwGH 95/15/0018). Die weiters von der Finanzverwaltung im Hinblick auf § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen einschränkende Heilmitteldefinition auf die Eignung die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile [zu erhalten] oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigung zu beseitigen kann so aus § 4 nicht abgeleitet werden, der lautet „Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen." Der verwendete Heilmittelbegriff ist gem. Judikatur des Verfassungsgerichtshofs () auch im Anwendungsbereich der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen weit auszulegen und sei begrifflich der Definition für Hilfsmittel gem. § 154 ASVG entnommen. Als Hilfsmittel gilt gem. § 154 Abs. 1 lit b ASVG jedoch auch, was geeignet ist, die mit einem Gebrechen verbundene körperliche oder psychische Beeinträchtigung zu mildern oder zu beseitigen.
Zusammenfassend lässt sich darstellen, dass die Berücksichtigung der Anschaffungsaufwendungen nicht an der unmöglichen Subsumption unter den Heilmittelbegriff scheitern kann, sondern vielmehr laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen ist, dass die Aufwendungen für Gefäßtherapiegeräts BEMER classic und Wellengang Ambition Vibrationsgerät typische Heilmittel im Sinne von § 154 ASVG und § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen sind. Dabei steht es auch nicht im Wege, dass diese Heilmittel theoretisch auch von anderen Personen genutzt werden könnten, die nicht am Krankheitsbild des Bf. leiden (vgl. etwa , zur Subsumption eines Elektromobils als Heilmittel).
Zusammenfassung: Darüber hinaus ist das Krankheitsbild des Bf. und die damit verbundene Behinderung unstrittig und ist weiters unstrittig, dass die Nutzung von Gefäßtherapiegerät BEMER classic und Wellengang Ambition Vibrationsgerät geeignet ist, die mit dem Gebrechen verbundene körperliche (und psychische) Beeinträchtigung zu mildern. Aufgrund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen beantragen wir daher die Berücksichtigung der Anschaffung eines Gefäßtherapiegeräts BEMER classic und eines Wellengang Ambition Vibrationsgerät, sohin der gesamten erklärten außergewöhnlichen Belastungen ...

VIII.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor. Laut Stellungnahme der belangten Behörde handle es sich im vorliegenden Fall um kein Heilmittel im Sinne des § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen.

IX.

Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichts vom wurde der Bf. um die Übermittlung eines - allfälligen - ergänzenden Beschwerdevorbringens gebeten. Weiters wurde um Mitteilung ersucht, ob der Antrag auf mündliche Verhandlung noch aufrechterhalten wird.

X.

In der Vorhaltsbeantwortung vom teilte die steuerliche Vertreterin Folgendes mit:

… dass wir den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückziehen.
Wir gehen davon aus, dass der Sachverhalt insoweit unstrittig und geklärt ist, als dass die Zwangsläufigkeit der in der Steuererklärung geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen vor dem Hintergrund des spezifischen Krankheitsbildes Multiple Sklerose (MS) transparent im Vorlageantrag dargelegt wurde…

XI.

Mit Auskunftsersuchen des Bundesfinanzgerichts vom wurde die Hausärztin des Bf. befragt, wann sie das vom Bf. im Abgabenverfahren vorgelegte (undatierte) Schreiben „Betreff: Therapiegerät WellenGang …“ erstellt habe.

XII.

Laut Antwortschreiben der Hausärztin vom sei dieses Schreiben von ihr „im Dezember 2015 verfasst, ausgedruckt und weitergegeben“ worden.

XIII.

Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichts vom wurde dem Bf. Folgendes vorgehalten:

… Im Zuge der Vorhaltsbeantwortung durch die steuerliche Vertreterin des Bf. vom wurde zwar ein (undatiertes) Schreiben der Hausärztin des Bf. (…) an die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (…) ("Betreff: Therapiegerät WellenGang Ambition MED") vorgelegt. Nicht vorgelegt wurde im bisherigen Verfahren allerdings eine ärztliche Verordnung (im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes vor Beginn der Anwendung erstellt) betreffend die streitgegenständlichen Geräte: Vibrationstrainingsgerät Wellengang Ambition und Magnetfeldtherapiegerät BEMER Classic/B. Body. Um dbzgl. Nachreichung wird ersucht“.

XIV.

Die dbzgl. Vorhaltsbeantwortung der steuerlichen Vertreterin des Bf. vom lautet wie folgt:

…eine kurze persönliche Stellungnahme zum Verfahren:
[Bf.] befindet sich im xx. Lebensjahr und ist seit vielen Jahren sehr schwer erkrankt. Er versucht, die Folgen seiner Krankheit durch verschiedene Therapien unterstützt durch sein Ärzteteam möglichst in den Griff zu bekommen und geht zwangsläufig seinen persönlichen Weg, durch möglichst effiziente Nutzung von Therapien und Geräten, die negativen Folgen seiner Krankheit möglichst hinauszuschieben. Das[s] hier eine Zwangsläufigkeit und eine Außerordentlichkeit der Aufwendungen gegeben ist, ist aus Sicht des Steuerpflichtigen, aus Sicht der behandelnden Ärzte und von jeder Person, die [Bf.] kennt, klar ersichtlich. In einem Verfahren hinsichtlich der Absetzung von verschiedenen Investitionen im Zusammenhang mit der Krankheit insbesondere auch bezogen auf das gegenständliche Verfahren der Vorhaltsbeantwortung ist ein Nachweis, in der Form wie gefordert, von meinem Mandanten in seinem besonderen Zustand nicht möglich - gestatten sie mir auch meine persönliche Einschätzung - auch nicht zumutbar. Inwiefern sie nun dieses Verfahren entscheiden mögen, unterliegt natürlich ihrer Würdigung. Aus meiner Sicht kann ich diesem Verfahren im Namen meines Mandanten leider nicht tiefer persönlich unterstützen. Mein Mandant hat mich daher gebeten, seine persönlichen Zeilen, die ich nachfolgend anfüge, ihnen weiterzugegeben. Der Wortlaut stammt aus einem Mail, das mir [Bf.] übermittelt hat, dies bezogen auf ein aktuelles Verfahren im Jahr 2018, wo ebenfalls wieder weitere Nachweise gefordert sind:

„Sehr geehrte Damen und Herren!
Zur Frage, warum der OP-Eingriff nicht in einem öffentlichen Krankenhaus durchgeführt wurde, möchte ich folgende Erklärung abgeben. Das gegenständliche Problem lag in einer sehr schmerzhaften und gefährlichen Harnsperre. Meine Multiple-Sklerose-Erkrankung verschlimmerte die Situation zusätzlich. Durch die akute Verschlechterung meines Gesundheitszustandes hat der behandelnde Urologe, welcher mit meinem Krankheitsbild bestens vertraut ist, die rascheste Durchführung einer Operation empfohlen. Der Arzt war in der Lage diese selbst kurzfristig in der Privatklinik durchzuführen. Das war der einzige, aber für mich wesentliche Grund diese Klinik aufzusuchen …“

XV.

Mit Schreiben vom brachte das Bundesfinanzgericht der belangten Behörde die o.a. BFG-Schreiben an den Bf. und die dbzgl. o.a. Antwortschreiben des Bf. zur Kenntnis.

XVI.

Die belangte Behörde gab dazu keine Stellungnahme mehr ab.

Über die Beschwerde wurde Folgendes erwogen:

1. Rechtliche Grundlagen

§ 34 EStG 1988 lautet:

(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

(...)

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
(…)
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

§ 35 EStG 1988 lautet:

§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung (…)
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu

(…)

(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

(…)

(7) Der Bundesminister für Finanzen kann nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.

§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (VO) lautet:

(1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung
(…)
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 4 VO lautet:

Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 lautet:

Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden (…) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen .

2. Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem - entscheidungswesentlichen - Sachverhalt aus (vgl. Bestätigung / Hausärztin; Beschwerde; Vorlageantrag; Vorhalte des Bundesfinanzgerichts an den Bf.; Vorhaltsbeantwortungen des Bf.; Internetrecherchen betreffend Wellengang und BEMER; Wikipedia):

Der Bf. leidet an Multipler Sklerose sowie Polyneuropathie und ist gehbehindert (Grad der Behinderung: 70%). Er hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zur Leistungssteigerung der Muskulatur und Verbesserung von Koordination und Gleichgewicht

  • ein Vibrationstrainingsgerät (Wellengang ambition) und

  • ein Gefäßtherapiegerät (BEMER-Set bestehend aus BEMER Classic und B. Body) [Anm.: Die BEMER-Therapie, auch physikalische Gefäßtherapie BEMER, ist eine alternativmedizinische Behandlungsmethode und zählt zu den Magnetfeldtherapien (vgl. Wikipedia)]

um einen Gesamtpreis in Höhe von 12.646,90 Euro erworben.

Der Anwendungsbereich dieser Geräte ist folgender:

-> Vibrationstrainingsgerät (Wellengang ambition) (vgl. Eigenwerbung / Wellengang):

  • als „Basisgerät. Ideal für alle Fitness- und Therapieanwender“ („maßgeschneiderte Trainingsvielfalt für Freizeit, Sport und Firmenfitness“) mit folgenden Wirkungen / Anwendungsmöglichkeiten:
    - „gezielte und schnelle Hilfe bei Rücken-, Schulter- und Nackenschmerzen
    - „Erhaltung, Verbesserung und Steigerung der allgemeinen Leistungsfähigkeit
    - „Kräftigung der Bein-und Rumpfmuskulatur
    - „Stressabbau durch Entspannung
    - „Verbesserung von Kraft, Balance und Dehnfähigkeit
    - „Lockerung des gesamten Muskelapparates
    - „Verringerung der Sturzgefahr durch höhere Muskelkraft und Stabilität
    - „effizientes Beckenbodentraining
    - Therapieeinsatz bei „Osteoporose & Sturzprophylaxe“, „neurologischen Erkrankungen“, „Rücken- und Schulterproblemen
    - „Beckenbodentraining
    - Förderung von „Durchblutung und Lymphabfluss

-> Gefäßtherapiegerät (BEMER-Set bestehend aus BEMER Classic und B. Body) (vgl. Eigenwerbung / BEMER):

  • als „optimale[r] Einstieg in die Physikalische Gefässtherapie“ („eine komplementäre Behandlung … als wichtige Grundlage für Heilungsprozesse bei degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates“) mit folgenden Wirkungen  / Anwendungsmöglichkeiten:
    - „wirksame Therapie-Option bei vielen Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen“ („Behandlung im Krankheitsfalle, Unterstützung der Immunreaktion, Aktivierung der Selbstheilungskräfte durch Stimulierung der Mikrozirkulation“; „positiver Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden, die Gesundheit und den Schlaf“; „Möglichkeit … geistig beweglich zu bleiben“)
    - bei „Arthrose“, „Rückenschmerzen“, „Verspannungen“, „Diabetes“, „Fatigue“, „Verschlusskrankheit“, „Poyneuropathie“, „Bänderriss“, „Knochenbrüchen“, „Zerrungen“, „Rheuma“, „Schlafstörungen“, „Stress“ und „Erkältung“, aber auch im „Amateur- und Profisport (kürzere Auf- und Abwärmphasen … schnellere Regeneration … effektivere Trainingseinheiten“)

3. Rechtliche Würdigung

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die beschwerdegegenständlichen Geräte (Wellengang und BEMER) unter den Begriff der Hilfsmittel iSd § 4 VO zu subsumieren sind.

Ein Blick auf die Judikatur ergibt folgendes Bild:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , mwN) sind unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 nur vermögensmindernde Ausgaben also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt. § 4 VO betrifft Hilfsmittel, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben.

Das Bundesfinanzgericht hat in einer Entscheidung betreffend ua. ein Wellengang-Trainingsgerät folgende Auffassung vertreten (vgl. ):

(…) Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sind unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 nur vermögensmindernde Ausgaben zu verstehen, also solche, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigem Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind daher in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Dem getätigten Aufwand steht in diesen Fällen der Wert des erworbenen Wirtschaftsgutes gegenüber, sodass es zu keinem Vermögensabfluss und damit auch zu keiner Belastung im Sinne der o.a. Bestimmung kommt. Diese "Gegenwerttheorie" findet dort ihre Grenze, wo Wirtschaftsgüter beschafft werden, die infolge Verwendbarkeit nur für bestimmte, individuelle Personen (z.B. deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben.

Werden langlebige Wirtschaftsgüter mit allgemeinem Verkehrswert erworben, wird ein der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung entgegenstehender Gegenwert auch dann angenommen, wenn die Anschaffung auf Grund einer Krankheit oder Behinderung erfolgt ( 817/73; ; ) (…)

Für die mitunter schwierige Trennung der Krankheitskosten von Aufwendungen, die ihrer Natur nach sowohl von Kranken als auch von Gesunden getätigt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt zu gestalten, ist in schwer zu beurteilenden Einzelfällen die Vorlage eines zeitlich vor den Aufwendungen erstellten ärztlichen Gutachtens erforderlich, dem sich zweifelsfrei entnehmen lässt, dass die den Aufwendungen zu Grunde liegende Maßnahme medizinisch indiziert ist (…)

Hilfsmittel im Sinne des § 4 der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen bzw. zu mildern.

Neben den in der VO nur beispielhaft genannten Hilfsmitteln sind zB auch eine Hebebühne oder Rampe für einen Rollstuhl bzw. eine Rollstuhlhalterung, für Behinderte konzipierte sanitäre Einrichtungsgegenstände, orthopädische Behelfe, ein den speziellen Bedürfnissen von Rollstuhlfahrern gerecht werdendes Therapiefahrrad (Jakom/Vock EStG, 2017, § 35 Rz 25 und 26; RV/0307-F/04; nicht jedoch die Anschaffung eines handelsüblichen Fahrradergometers durch einen Herzinfarktpatienten: ), ein Elektromobil () oder behinderungsbedingte medizinische Geräte [zB Blutzuckermessgeräte, Sauerstoffspender, Insulinpumpen; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG, § 35 Tz 17, 15. Lfg (Jänner 2011)] als Hilfsmittel im Sinne der VO anzusehen.

Normale Gebrauchsgegenstände, die für jedermann nutzbar sind, sind in der Regel keine „Hilfsmittel“ (vgl ); lediglich behindertenspefizische Adaptierungen und Zusatzfunktionen können „Hilfsmittel“ darstellen.

Eine andere Meinung vertritt Doralt in RdW 2009/396: Bei Behinderten habe es für die außergewöhnliche Belastung keine Bedeutung, ob der wegen einer Behinderung notwendige Gegenstand auch sonst Verwendung finden könne; entscheidend sei vielmehr, ob die Aufwendungen im Hinblick auf die Behinderung zwangsläufig entstehen und damit das für den notwendigen Lebensunterhalt verfügbare Einkommen belasten würden.

Diese Diskrepanz ergibt sich dadurch, dass außergewöhnliche Belastungen teilweise nach einem objektiven und teilweise nach einem subjektiven Verständnis ausgelegt werden. Nach einem objektiven Verständnis schließt der Erwerb eines normalen Wirtschaftsgutes eine außergewöhnliche Belastung aus. Nach einem subjektiven Verständnis reicht es für die Abzugsfähigkeit, wenn sich der Betroffene der Ausgabe nicht entziehen kann (Endfellner in SWK 22/2013, 974).

Erkenntnisse des VwGH lassen darauf schließen, dass dieser außergewöhnliche Belastungen nach einem objektiven Verständnis auslegt (zB 817/73, zum Anbau eines Hallenbades für den an Kinderlähmung erkrankten Sohn, den der VwGH als Vermögensumschichtung und daher nicht als außergewöhnliche Belastung ansah; , zur Qualifizierung eines Elektromobils als außergewöhnliche Belastung, weil ein solches als Fortbewegungsmittel für gehbehinderte Personen konzipiert ist; , zum Erwerb eines Pkw für den Transport der behinderten Tochter, der nicht spezifisch für Behinderte beschaffen war und dessen Erwerb daher nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung führte) (…)

Aufwendungen für die Ausübung von Sport sind nur dann als Kosten einer Heilbehandlung abzugsfähig, wenn der Sport nach Einzelverordnung und unter der Verantwortung eines Arztes betrieben wird (Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 34 Anm 78, ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Stichwort „Sportausübung“ (Stand , rdb.at), mit Verweis auf das Sächsische FG , 8 K 1403/09, zur Teilnahme an einer Rückenschule, Gymnastik „50+“ und „Krankenkassen-Aktivwoche“).

Das Sächsische Finanzgericht vertrat in diesem Urteil die Ansicht, dass alleine der Umstand, dass die Sportausübung für einen Steuerpflichtigen infolge eines körperlichen Leidens besonders dringend notwendig und ratsam sei, um seine Beschwerden zu lindern oder einer Verschlimmerung seines Leidens vorzubeugen, die Ausübung des Sports nicht zu einer Heilbehandlung und die mit ihr verbundenen Kosten nicht zu außergewöhnlichen Belastungen machen würden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz komme nur dann in Betracht, wenn der Sport betrieben werde, um eine Krankheit oder ein Gebrechen zu heilen oder zu seiner Linderung oder Besserung beizutragen. Dies sei aber nur der Fall, wenn der Sport nach genauer Einzelverordnung und unter Verantwortung eines Arztes oder einer sonst zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person betrieben werde. Im vorliegenden Fall (Rückenschule und Gymnastik bei einem LWS-Syndrom) fehle es bereits an der genauen Einzelverordnung des behandelnden Arztes, der den Sport lediglich allgemein empfohlen habe. Eine konkrete Vorgabe, welche spezifischen Übungen in welchen zeitlichen Intervallen durchgeführt werden sollten, sei nicht vorgelegen (vgl. dazu auch Entscheidungen zum Besuch eines Fitnessstudios: ; BFH , III R 67/96; ; ) (…).

Trainingsgerät „Wellengang start (…)

An Hand von Internetrecherchen konnte (…) festgestellt werden, dass es sich beim Trainingsgerät „Wellengang start“ (…) um keine speziell für bestimmte Behinderungen konzipierte Geräte, sondern um marktgängige, für jedermann nutzbare und für unterschiedlichste Zielsetzungen einsetzbare Produkte handelte.

Das Gerät „Wellengang“ wurde zB in den auf der Homepage (www.wellengang.com) abrufbaren Broschüren in verschiedenen Ausführungen angeboten und als Innovation für den Therapie- und Trainingserfolg angepriesen, passend für Anwender aller Alters-, Fitness- und Mobilitätsstufen und geeignet für Fitnessstudios, Therapieeinrichtungen, für Firmenfitness und Leistungssport.

Das Gerät soll durch Vibrationen und Schwingungen die Muskulatur kräftigen und wird – laut Homepage – erfolgreich in unterschiedlichsten Bereichen wie Therapie und Rehabilitation, Gesundheits- und Fitnessstudios, Unternehmen für betriebliche Gesundheitsprophylaxe oder von Privatpersonen eingesetzt.

Als Beispiel wurde auf der genannten Homepage ein 28-jähriger Anwender namens Jörg L vorgestellt, der in seiner Freizeit passionierter Kite-Surfer ist und sich die nötige Muskel-Power auf dem "Wellengang start" holt (…)

Keines der Geräte wies eine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit auf und war speziell auf die Bedürfnisse behinderter Personen bzw. an die individuellen körperlichen Bedürfnisse des Bf. angepasst, weshalb sie nicht als „Hilfsmittel“ im Sinne obiger VO zu qualifizieren waren. Die Anschaffung dieser marktgängigen Produkte, die gleichermaßen von Personen ohne Behinderung benutzt werden können, bedeutete eine bloße Vermögensumschichtung und war daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Selbst wenn man, wie der Bf. in seiner Eingabe vom , dem o.a. subjektiven Verständnis von Doralt folgen würde, könnte dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil für die Zwangsläufigkeit dieser Anschaffungen eine im Vorhinein ausgestellte ärztliche Verordnung erforderlich gewesen wäre (…)

Darüber hinaus hätte es auch einer vor dem Kauf der Geräte ausgestellten ärztlichen Bescheinigung an konkreten Vorgaben gefehlt, welche spezifischen Übungen in welchem Umfang und in welchen zeitlichen Intervallen durchzuführen gewesen wären (…)“

Zusammenfassend wies laut o.a. Entscheidung das Wellengang-Gerät für das Bundesfinanzgericht also keine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit auf und war auch nicht speziell auf die Bedürfnisse behinderter Personen bzw. an die individuellen körperlichen Bedürfnisse des Bf. angepasst, weshalb es auch nicht als „Hilfsmittel“ im Sinne der VO zu qualifizieren war. Die Anschaffung eines derartigen marktgängigen Produktes, das gleichermaßen von Personen ohne Behinderung benutzt werden kann, bedeutete eine bloße Vermögensumschichtung und war daher nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig.

Der Unabhängige Finanzsenat hat in einer Entscheidung betreffend ua. ein Magnetfeldtherapiegerät folgende Auffassung vertreten (vgl. RV/0671-G/10 ):

(…) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in seiner Judikatur nur die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten als zwangsläufig an. Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, sind davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann (). Bloße Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen über medizinische Auswirkungen bilden keine ausreichende Grundlage für den Nachweis der Zwangsläufigkeit eines Aufwandes ().

Auch Kosten für Mittel bzw. Behandlungsformen aus dem Bereich der Alternativ- oder Naturmedizin können Kosten der Heilbehandlung und damit eine außergewöhnliche Belastung darstellen, wenn diese Aufwendungen medizinisch indiziert sind, also solche, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit vorgenommen wurden (vgl. ).

Vom Anwendungsbereich des § 34 EStG nicht erfasst sind jedoch Aufwendungen für die Erhaltung der Gesundheit bzw. für Stärkungsmittel, es sei denn, sie wären ärztlich verordnet, sowie Aufwendungen zur medizinischen Vorbeugung (s. zB Jakom/Baldauf, aaO, § 34 Rz 90, mwH).

§ 34 EStG gibt für die Form der Nachweisführung der medizinischen Notwendigkeit keine Beweisregeln vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.

Im Allgemeinen erweist sich eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes (vor Beginn der Anwendung) erstellte ärztliche Verordnung als geeigneter Nachweis für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme ( RV/0956-G/07, RV/0511-G/10). Mit einer außerhalb eines ärztlichen Behandlungsplanes stehenden, bloßen ärztlichen Empfehlung - umso mehr, wenn sie erst nachträglich gegeben wird - wird den o.a. Anforderungen an die Nachweisführung bei Krankheits- oder Behinderungskosten für gewöhnlich jedoch nicht entsprochen. Dies gilt insbesondere bei von der allgemeinen Lebensführung schwer abgrenzbaren Kosten (vgl. nochmals RV/0956-G/07) (…)

Anschaffung eines Magnetfeldtherapiegerätes:

(…) Gemäß § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. 1996/303) sind bei Vorliegen einer Behinderung nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung (ua. auch Therapiekosten) im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Die in § 34 EStG 1988 geforderte Zwangsläufigkeit von außergewöhnlichen Belastungen setzt in Bezug auf derartige Kosten das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für den betreffenden Aufwand voraus. Es ist allgemein bekannt, dass Magnetfeldtherapien nicht immer im Zusammenhang mit einem speziellen Krankheitsbild erfolgen, sondern oft auch ganz allgemein der Entspannung, Steigerung des Wohlbefindens, Regeneration sowie Stärkung des Immunsystems uä. dienen. Die Anschaffung eines derartigen "Hilfsmittels" (hier: eines Therapiegerätes) erfordert daher nach Lehre und Rechtsprechung für die steuerliche Anerkennung jedenfalls eine ärztliche Verordnung, aus der sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme ergibt (so zB ) (…)

Dass für die Anerkennung der Kosten einer Magnetfeldbehandlung als Nachweis jedenfalls eine ärztliche Verordnung erforderlich ist, aus der sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergibt und die vor Beginn der Behandlung zu erfolgen hat, hat der Unabhängige Finanzsenat wiederholt festgestellt (vgl. zB ).

Das Bundesfinanzgericht sieht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall von der o.a. Rechtsprechung abzugehen:

Zwar bezweifelt das Bundesfinanzgericht nicht, dass, wie vom Bf. glaubwürdig geschildert, sich die Verwendung der streitgegenständlichen Geräte auf dessen Allgemeinzustand positiv ausgewirkt hat.

Eine steuerliche Berücksichtigung der streitgegenständlichen Kosten kommt aber deshalb nicht in Betracht, weil dem vom Bf. getätigten Aufwand der Wert der erworbenen Wirtschaftsgüter: Vibrationsgerät Wellengang ambition und Gefäßtherapiegerät BEMER (BEMER Classic und B. Body) gegenübersteht, welche entsprechend dem oben Gesagten einen sehr wohl sehr weiten Anwendungsbereich und somit keine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit aufweisen, sodass es hier auch zu keinem Vermögensabfluss und damit auch zu keiner Belastung im Sinne der hier maßgeblichen steuerlichen Bestimmungen kommt („Gegenwerttheorie“).

Im Übrigen liegt hier auch keine - nach herrschender Rechtsauffassung jedoch grundsätzlich erforderliche - ärztliche Verordnung im o.a. Sinne vor.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (insbes. Abweichen der Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Fehlen einer solchen Rechtsprechung, uneinheitliche Beantwortung der zu lösenden Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) zukommt.

Somit war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100643.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at