Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.01.2020, RV/3100858/2019

Exekutivdienstliche Grundausbildung: Laut aktueller VwGH-Judikatur handelt es sich um "Berufsausübung"

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache A, Adr , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Landeck Reutte vom , SV-Nr, betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Juni 2019 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang:

Mit Eingabe vom hat A (= Beschwerdeführer, Bf) die Zuerkennung der Familienbeihilfe (FB) ua. für den Sohn B, geb. März 2001, ab Juni 2019 begehrt und als Grund "Polizeischule", voraussichtliches Ende Mai 2021, angeführt.

Vorgelegt wurde ein zwischen der Landespolizeidirektion X und dem Sohn abgeschlossener "Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung" mit Beginn ab , befristet auf 24 Monate.
Laut Vertrag ist der Sohn Vertragsbediensteter des Bundes im Ausmaß der "Vollbeschäftigung". Die Grundausbildung beinhaltet Präsenzausbildungen in einem Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive und wird durch Praktika auf Polizeidienststellen ergänzt. Er ist bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) als Angestellter sozialversichert. Es gebührt ein Entgelt in Höhe des Gehaltes eines Beamten des Exekutivdienstes der Verwendungsgruppe E2c, Gehaltsstufe 1. Die Bestimmungen hinsichtlich Sonderzahlung sind anzuwenden. Ab dem 13. Monat gebühren überdies die für Beamte der Verwendungsgruppe E2c exekutivspezifischen Zulagen und Nebengebühren.

Der FB-Antrag des Bf wurde mit Bescheid vom , SV-Nr, für den Zeitraum ab Juni 2019 abgewiesen. Nach Darlegung der Anspruchsgrundlage nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967, darunter "Zeiten einer Berufsausbildung", verweist das Finanzamt begründend auf das VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, demnach es sich bei der exekutivdienstlichen Grundausbildung um keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 handle.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird eingewendet, das angeführte VwGH-Erkenntnis beziehe sich auf die als "Berufsausübung" qualifizierte fremden- und grenzpolizeiliche exekutivdienstliche Ausbildung, die vom Sohn des Bf nicht absolviert werde, weshalb der Verweis auf diese Rechtsprechung ins Leere gehe. Der Sohn absolviere vielmehr eine durchgehende 24monatige exekutive Polizeigrundausbildung ohne Unterbrechung bzw. "Ausbildungsphase", die als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 anzusehen sei.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom begründete das Finanzamt – nach Darstellung der Rechtslage zur Frage, was als "Berufsausbildung" iSd FLAG 1967 anzusehen sei – im Wesentlichen unter Verweis auf die aktuelle VwGH-Judikatur dahin, dass mit Aufnahme in ein Dienstverhältnis zum Bund eine Berufsausübung und keine Berufsausbildung vorliege und damit die Tatbestandsvoraussetzungen für den FB-Anspruch nicht erfüllt seien.

Im Vorlageantrag wird ergänzend vorgebracht, das BFG habe nun in der Entscheidung vom , RV/6100175/2018, klargestellt, dass PolizeischülerInnen während der Dauer der tatsächlichen "Grundausbildung" Anspruch auf Familienbeihilfe hätten. Folglich sei nur die Dauer der praktischen Verwendung (als Grenzpolizist) im grenz- und fremdenpolizeilichen Bereich, dh. zwischen der Grund- und der Ergänzungsausbildung, als Berufsausübung zu qualifizieren. Genau zu dieser Fallkonstellation sei auch das VwGH-Erkenntnis Ra 2018/16/0203 ergangen.

Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde und den Verwaltungsakt zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung. 

2. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Der volljährige Sohn des Bf, der im März 2019 das 18. Lebensjahr vollendet hat, steht seit in einem Dienstverhältnis zum Bund und wird im Rahmen der 24monatigen Grundausbildung laut Sondervertrag an einem Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive (Polizeischule) sowie auch praktisch auf Polizeidienststellen im Ausmaß der Vollbeschäftigung exekutivdienstlich ausgebildet.
Dies ergibt sich unbestritten aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

3. Rechtslage:

Nach § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
lit b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

4. Erwägungen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Sohn des Bf durch die im Rahmen seines Dienstverhältnisses zu absolvierende exekutivdienstliche Grundausbildung in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 gestanden ist und damit eine der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe vorliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (; ).
Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung ( ).
Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis  , ausgesprochen.
Wie sich auch aus § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf ( ; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).

Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag (vgl  ). 
Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Absolvierung eines Unterrichtspraktikums auch ausgesprochen, dass dieses als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt ( ).

Im gegenständlichen Fall steht der Sohn des Beschwerdeführers jedoch beginnend mit in einem Dienstverhältnis zum Bund, in dessen Rahmen er eine arbeitsplatzspezifische Ausbildungsphase zu durchlaufen hat. Es kann also keine Rede davon sein, dass er eine Ausbildung ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz absolviert, sondern waren/sind Bildungsschritte zu unternehmen, in deren Rahmen die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen erfolgt, die erforderlich sind, um (bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz) den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen (vgl § 2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildung für den Exekutivdienst im Bundesministerium für Inneres, BGBl II 153/2017 idgF).

In konsequenter Fortsetzung seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203 , auch ausgesprochen, dass die erfolgreiche Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete (in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund nach § 1 Abs. 1 VBG) keine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge hat und dem öffentlich Bediensteten (lediglich) die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden soll (vgl. die zit. ErläutRV zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufes liegt (Rz. 16). 
Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufes (Rz. 17).

Es ist damit zweifelsfrei geklärt, dass auch der Sohn des Bf durch die Absolvierung der Grundausbildung in der Zeit ab nicht in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 steht, sondern bereits einen Beruf ausübt.

Nicht zutreffend ist, dass sich der Verwaltungsgerichtshof lediglich auf den Zeitraum der Unterbrechung der Ausbildung zum Zwecke der praktischen Verwendung (= Dienst als Grenzpolizist) bezogen hätte. Vielmehr waren laut dem zugrunde liegenden Sachverhalt die Zeiten der Grund- und der Ergänzungsausbildung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich gar nicht Gegenstand des dortigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Desgleichen verfehlt ist der Verweis des Bf auf das BFG-Erkenntnis vom , RV/6100175/2018, weil darin lediglich der Zeitraum der Rückforderung von FB ab Juli 2016, di. der Zeitraum der Verwendung als Grenzpolizist bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres, nicht aber die vorhergehende 6monatige Grundausbildung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich in Streit gezogen bzw. beschwerdegegenständlich war. Damit wurde – entgegen der Argumentation des Bf – in keinster Weise "klargestellt", dass für Zeiten der Polizei-Grundausbildung die Familienbeihilfe zustehe. Vielmehr wird unter Abschnitt D)1) dieses Erkenntnisses angemerkt, dass nach "bisheriger Rechtsansicht" des Bundesfinanzgerichtes die Grundausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich eine "Berufsausbildung" iSd FLAG 1967 sei, wozu auf BFG-Rechtsprechung aus 2018 verwiesen wird. Im Weiteren wird dann zur aktuellen Rechtslage zufolge des oben dargestellten VwGH-Erkenntnisses Ra 2018/16/0203 ausgeführt und im Ergebnis die Beschwerde abgewiesen.

Entgegen dem Dafürhalten des Bf, gegenständlicher Sachverhalt einer "durchgehenden 24monatigen exekutiven Polizeiausbildung" sei von der "unterbrochenen fremden- und grenzpolizeilichen Ausbildung" zu unterscheiden, insofern das obgenannte VwGH-Erkenntnis sozusagen hier nicht anwendbar wäre, handelt es sich aber bei den Ausführungen des VwGH in Rzn. 16 und 17 des Erkenntnisses um grundsätzliche und allgemeingültige Aussagen, die unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der "Ausbildung" allein Bezug nehmen auf die "Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete". Daraus ergibt sich für das BFG ganz klar, dass diese sich auf die gesamte Polizei-Ausbildung, nämlich Zeiten der Grundausbildung und sonstiger Ausbildungsphasen in jedweder Form beziehen, insbesondere auch im Hinblick auf deren zeitliche Abfolge (siehe dazu auch das abweisende Erkenntnis des , dem an Sachverhalt ebenso die "exekutivdienstliche Grundausbildung" wie in gegenständlichem Beschwerdefall zugrunde lag). Es erschiene dem BFG zudem wenig plausibel, teils zB durch dienstliche Tätigkeiten "unterbrochene" Ausbildungsphasen rechtlich anders zu beurteilen als solche, die "durchgehend" erfolgten.

Mangels Vorliegens eines Anspruchsgrundes hat der Beschwerdeführer somit ab Juni 2019 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für den Sohn B, weshalb wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden war. 

5. Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat im vorliegenden Fall in Einklang mit der geltenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, weshalb durch das Bundesfinanzgericht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Berufsausbildung
Berufsausübung
exekutivdienstliche Grundausbildung
Polizeigrundausbildung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100858.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at