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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.12.2019, RV/1100429/2017

Berücksichtigung der Aufwendungen eines frühpensionierten Beamten im Zusammenhang mit dem Studium der Rechtswissenschaften als Umschulungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK  

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R in der Beschwerdesache XY gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1.  Der Beschwerdeführer machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 unter der Kennziffer 722 (Fortbildungs-, Ausbildungs- und Umschulungskosten) einen Betrag in Höhe von 10.528,52 € als Werbungskosten geltend. 

2.  Auf Vorhalte des Finanzamtes vom und vom legte der Beschwerdeführer zahlreiche Unterlagen vor und teilte auf das Wesentlichste zusammengefasst mit, dass er infolge der Auflösung seiner Dienststelle bei der Z AG in den Ruhestand versetzt worden sei und nunmehr das Studium der Rechtswissenschaften an der T Privatuniversität in A betreibe.

3.  Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2016 fest, wobei die geltend gemachten Werbungskosten aufgrund des ausschließlichen Bezuges von Pensionseinkünften keine Berücksichtigung fanden.

4.  Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Beschwerde und beantragte, die in Rede stehenden Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen als Werbungskosten anzuerkennen. Begründend führte er zusammengefasst aus, das Gesetz stelle auf Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielten, ab. Es sei nachvollziehbar, dass er nach dem Studium bei einem Anwalt die weitere Ausbildung machen werde und damit auch ein Einkommen generieren könne. Dass bei einem Pensionsbezieher die Berücksichtigung von Werbungskosten nicht möglich sei, gehe aus dem Gesetz nicht hervor. Die diesbezügliche Aussage des Finanzamtes sei diskriminierend, da die Regelungen der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf auf nationale Steuerregelungen grundsätzlich anwendbar seien (Hinweis auf , de Lange). Dass Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf die Ausübung eines anderen bzw. neuen Berufes abzielten, bei einem Pensionisten - anders als bei einem aktiv Erwerbstätigen - nicht als  Werbungskosten abzugsfähig sein sollten, sei sachlich nicht gerechtfertigt und widerspreche dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Zudem sei nicht garantiert, dass die Pension in Zukunft ausreichend sei. Seine statistische Lebenserwartung liege bei 81,5 Jahren, sodass er noch genug Zeit habe, nochmals eine Ausbildung in Angriff zu nehmen und anschließend eine Tätigkeit auszuüben.

5.  Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Die Pensionseinkünfte des Beschwerdeführers hingen nicht davon ab, ob er sich weiterbilde und könnten die strittigen Aufwendungen daher nicht als Werbungskosten im Zusammenhang mit den Pensionseinkünften berücksichtigt werden. Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung als Umschulungskosten und damit als vorweggenommene Werbungskosten sei, dass die Bildungsmaßnahmen auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielten; ein bloß hobbymäßiges bzw. ehrenamtliches Tätigwerden genüge ebenso wie eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung nicht. Der Abgabepflichtige müsse nachweisen oder zumindest hinreichend glaubhaft machen, dass die Umschulung tatsächlich auf die Ausübung eines anderen Berufes abziele und damit auch seine Verdienstmöglichkeiten verbessere. Die vom Beschwerdeführer dargelegten Ausbildungsschritte ließen zwar darauf schließen, dass eine neue Tätigkeit angestrebt werde, es lasse sich aber nicht voraussagen, ob er seine Absicht auch tatsächlich umsetzen werde. Im Beschwerdefall lägen keine Umstände vor, die objektiv auf die ernsthafte und konkrete Absicht zur Einkünfteerzielung schließen ließen. Zudem müsse aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Beschwerdeführers in Zweifel gezogen werden, ob jemals ein Gesamtüberschuss erzielt werden könne.

6.  Mit Vorlageantrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. In der Begründung verwies er zusammengefasst wiederum auf das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot sowie darauf, dass die Richtlinie 2000/78/EG von der Republik Österreich im Bereich des Steuerrechts nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Weiters hat er anhand entsprechender Berechnungen dargelegt, dass ein Gesamtüberschuss in einem "erträglichen und erlebbaren" Zeitraum durchaus möglich sei.

7.  Auf Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes hat der Beschwerdeführer unter Vorlage weiterer Unterlagen (Bestätigung des Studienerfolges, Bescheinigung über die Erlangung eines akademischen Grades, Gutachten über die Abschlussarbeit, Antrag auf Anrechnung des Praktikums, Rechnung betreffend die Studiengebühr erstes Semester Masterstudium, lnskriptionsbestätigungen, aktuelles Jus-Curriculum, Studienvertrag samt Zusatz) mit Schriftsatz vom nähere Angaben zu seiner Tätigkeit im gehobenen technischen Dienst bei der Z AG und den abgelegten Dienstprüfungen gemacht. Hinsichtlich des Studienfortganges gab er bekannt, dass er alle Prüfungen innerhalb der Mindest-Regelstudienzeit mit Erfolg abgelegt habe (Notenschnitt: 2,1). Auch die Abschlussarbeit sei mit "Sehr gut" beurteilt worden. Am sei ihm der akademische Grad "Bakkalaureus der Rechtswissenschaften (LL.B.)" verliehen worden. Am habe er das Masterstudium an der T Universität begonnen. Für ein Semester müsse er eine Studiengebühr von 4.000,00 € bezahlen. Das Masterstudium dauere vier Semester, das Studium ende somit mit dem Sommersemester 2021. Die durchschnittliche Studiendauer bei einem ordentlichen Universitätsstudium sei wesentlich länger.

Voraussetzung für die Ablegung der Abschlussprüfung sei weiters die Absolvierung eines Praktikums gewesen. Dieses Praktikum im Ausmaß von 150 Arbeitsstunden habe er bei einem Rechtsanwalt in Vorarlberg absolviert. 

Im Anschluss an das Studium sei die Absolvierung des "Gerichtsjahres" vorgesehen. Anschließend stehe die Rechtsanwaltsprüfung auf dem Programm. Rechtspraktikanten erhielten einen Ausbildungsbeitrag in Höhe von 1.319,00 € pro Monat. Das Einstiegsgehalt für Rechtsanwaltsanwärter liege zwischen 2.000,00 € und 4.000,00 € pro Monat. Als "selbständiger" Rechtsanwalt könne er erst nach Ablegung der Anwaltsprüfung auftreten.

Sein Studium koste den Steuerzahler nichts, wohingegen ein ordentlicher Student an einer öffentlichen Universität im Jahr 2016 12.275,00 € gekostet habe. Auch sei es keineswegs außergewöhnlich sei, dass ältere Personen ein Studium absolvierten. Eine vom Alter abhängige steuerliche Berücksichtigung von Ausbildungskosten stelle dabei eine Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG dar. Um einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung vor Gericht geltend zu machen, genüge es nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, wenn er Tatsachen glaubhaft mache, die eine Diskriminierung vermuten ließen. Es obliege daher dem Finanzamt, zu beweisen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliege.

Da es um die Beantwortung der Frage der persönlichen Glaubwürdigkeit gehe, beantrage er die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta habe "jede Person [...] ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird." Die Verfahrensgarantien des Art. 47 der Grundrechtecharta seien insbesondere auch auf Abgabenverfahren auf Grundlage der BAO anwendbar. Der Vorlageantrag sei bereits im September 2017 gestellt worden. Es könne nicht die Zielsetzung sein, das Verfahren solange zu verzögern, bis er das Studium abgeschlossen habe.
 

II. Sachverhalt

Der im Jahr jjjj geborene Beschwerdeführer war bei der Z AG im gehobenen technischen Dienst tätig. Per 31. Juli jj01 wurde er infolge Auflösung seiner bisherigen Dienststelle pensioniert. Nach dem erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung zum Facharbeiter in der Landwirtschaft im Jahr jj02 und einem (vergeblichen) Versuch, eine Landwirtschaft zu betreiben sowie der Ablegung der Berufsreifeprüfung im Jahr jj03, gründete er im April jj04 die YZ GmbH in Deutschland. Ein Geschäftsführergehalt bezog er nach eigenen Angaben nicht. Nachdem er in weiterer Folge zunächst an der S Universität in B das Studium der Rechtswissenschaften begonnen hatte (siehe E-Mail vom ), nahm er nach erfolgreicher Absolvierung des Aufnahmeverfahrens im Oktober 2016 das Studium der Rechtswissenschaften an der T Privatuniversität in A auf.

Die Veranstaltungen an der Universität fanden dem vorgelegten Studienkalender zufolge in der Regel jeweils von Montag bis Freitag statt, wobei er jeweils mit dem Nachtzug nach A fuhr, dort zumeist in einem Hotel nächtigte und mit dem Nachtzug wieder nach Hause fuhr.

Die damit im Zusammenhang stehenden und anhand entsprechender Nachweise belegten Ausgaben (Studiengebühren, Fahrt- und Nächtigungskosten, mobiler Internetzugang, Schreib- und Büromaterial, Druckkosten, Fachliteratur) hat der Beschwerdeführer in einer dem Finanzamt vorgelegten Auflistung mit 10.690,44 € beziffert. 
 

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind Werbungskosten auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.

Nicht abgezogen werden dürfen bei den einzelnen Einkünften demgegenüber gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die im Zusammenhang mit dem Studium der Rechtswissenschaften angefallenen Aufwendungen solche für "umfassende Umschulungsmaßnahmen" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind.

Der Begriff der "Umschulung" setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat; Kosten der Erstausbildung ohne gleichzeitige oder früher bestehende Berufstätigkeit sind hingegen nicht abzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung (vgl. , und , mwN).

Als Umschulungsmaßnahme begünstigt sind nur umfassende Bildungsmaßnahmen, die den Einstieg in einen anderen Beruf ermöglichen, wobei das Gesetz verlangt, dass die Umschulungsmaßnahme auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes "abzielt". Daraus ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzuleiten, dass ein konkreter Zusammenhang der Bildungsmaßnahmen mit geplanten nachfolgenden (Betriebs-)Einnahmen erforderlich ist und somit Umstände vorliegen müssen, die über eine allgemeine Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen (vgl. , und , mwN). Abzugsfähig sind Aufwendungen, die zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen. Ob der Wille des Steuerpflichtigen darauf gerichtet ist, sich eine neue Einkunftsquelle durch die Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen, ist im Einzelfall anhand objektiver Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (vgl. , und , mwN).

Für eine erwerbsorientierte Umschulung spricht es, wenn der Steuerpflichtige seine bisherige Tätigkeit aufgibt oder wesentlich einschränkt. Dass die steuerliche Berücksichtigung von Umschulungskosten auf diesen Fall beschränkt wäre, ergibt sich aber, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, weder aus dem Wortlaut der Bestimmung noch führt eine am Zweck der Bestimmung orientierte Auslegung zu diesem Verständnis (vgl. , und , mwN).

In Bezug auf Umschulungsmaßnahmen eines Pensionisten und deren Abzugsfähigkeit kann daher grundsätzlich nichts anderes gelten. Erforderlich ist schließlich nur, dass bereits eine Berufstätigkeit ausgeübt wurde, nicht aber, dass der Abgabepflichtige zum Zeitpunkt der Bildungsmaßnahme berufstätig ist (vgl. Jakom/Lenneis, EStG, 12. Aufl., 2019, § 16 Rz 50, mwN). Zwar wird bei einem Pensionisten die Nachweisführung, dass er tatsächlich die Aufnahme einer neuen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit anstrebt, zumindest schwieriger sein [nach der Lehre werden im Falle eines Seniorenstudiums idR die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit nicht gegeben sein (vgl. Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, 65. Lfg., § 16 Abs. 1 Z 10 Rz 23, und Jakom/Lenneis, EStG, 12. Aufl., 2019, § 16 Rz 51], ausschlaggebend kann aber auch in diesem Fall nur sein, ob die Umschulungsmaßnahmen auf die Ausübung eines anderen Berufes und damit auf die Schaffung einer (zusätzlichen) Einkunftsquelle abzielen oder nicht. In diesem Sinne kann nach der Verwaltungspraxis ein Frühpensionist, der nachweist oder glaubhaft machen kann, dass er die Bildungsmaßnahme zum beruflichen Wiedereinstieg absolviert und diese somit tatsächlich auf die Ausübung eines anderen Berufes abzielt, die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Werbungskosten absetzen [LStR 2002 Rz 358a; darauf verweisend Jakom/Lenneis, EStG, 12. Aufl., 2019, § 16 Rz 51, sowie Schubert in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 16 Anm. 142 (Stand , rdb.at)].

Gegenteiliges kann auch nicht aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/15/0050, abgeleitet werden, ist dieses doch zu der vor der mit BGBl. I Nr. 106/1999 erfolgten Einfügung der Z 10 in § 16 Abs. 1 EStG 1988 und damit einer nicht vergleichbaren Rechtslage ergangen.

Dass das vom Beschwerdeführer betriebene Studium der Rechtswissenschaften eine umfassende Umschulungsmaßnahme darstellt und ihm dadurch ein breites Spektrum an erwerbswirtschaftlichen Betätigungen offensteht, die sich von der bis zu seiner Pensionierung ausgeübten Tätigkeit jedenfalls unterscheiden, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Ausschlaggebend ist somit, ob der Wille des Beschwerdeführers im Streitjahr darauf gerichtet war, sich tatsächlich eine neue Einkunftsquelle zu verschaffen. Dies kann im Beschwerdefall nach Überzeugung des Bundesfinanzgerichtes bejaht werden. Dafür sprechen neben der Zielstrebigkeit, mit der das Studium von Beginn an betrieben wurde (diese wurde zwischenzeitlich durch den Abschluss des Bakkalaureats in der Regelstudienzeit bestätigt) und den dargelegten Vorstellungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der weiteren Schritte (konkret hat er angegeben, zunächst das Gerichtsjahr zu absolvieren und in der Folge als Rechtsanwalt arbeiten zu wollen) vor allem auch die von ihm im Zusammenhang mit dem Studium in Kauf genommenen Strapazen (lange Fahrten mit dem Nachtzug, Nächtigungen im Hotel) sowie das Ausmaß der von ihm (auch im Fall einer steuerlichen Berücksichtigung) selbst zu tragenden Kosten. Dem steht das Alter des Beschwerdeführers nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht entgegen, stand er zum Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums doch im 59. Lebensjahr und wird das Mastersstudium sohin (voraussichtlich) vor Erreichen des regulären Pensionsalters beenden. Es erscheint daher durchaus plausibel und glaubhaft, dass er das Studium in der konkreten Absicht aufgenommen hat, aus einer aufgrund des Studiums möglichen Tätigkeit künftig Einkünfte zu erzielen und sich damit eine (zusätzliche) Einkunftsquelle zu verschaffen, zumal auch keine private (Mit)Veranlassung für das betriebene Studium der Rechtswissenschaften erkennbar ist.

Liegen somit aber als Werbungskosten abzugsfähige Umschulungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 vor, erübrigt sich an dieser Stelle eine weitere Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Beschwerdeführers betreffend eine durch den angefochtenen Bescheid des Finanzamtes bewirkte Diskriminierung im Sinne der  Richtlinie 2000/78/EG. 

Hinsichtlich des im Schriftsatz vom gestellten Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist darauf hinzuweisen, dass über eine Beschwerde gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO - abgesehen von hier nicht interessierenden Fällen einer Beitrittserklärung oder eines Bescheides, der an die Stelle eines anderen Bescheides tritt - eine mündliche Verhandlung stattzufinden hat, wenn es in der Beschwerde (lit. a) oder im Vorlageantrag (lit. b) beantragt wird. Anträge, die erst in einem die Beschwerde ergänzenden Schreiben bzw. wie im Beschwerdefall in einer Vorhaltsbeantwortung gestellt werden, begründen somit keinen Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. , mwN, und , mwN) und konnte eine solche im Beschwerdefall daher unterbleiben.

Mit der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Bestimmung des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000/C 364/01) ist in diesem Zusammenhang nichts zu gewinnen. Die Grundrechtecharta gilt für die Mitgliedstaaten nach ihrem Art. 51 "ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union". Sie kommt demnach nur zur Anwendung, wenn die in Rede stehende nationale Regelung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt (vgl. , mwN, und ). Zum Anwendungsbereich des Unionsrechts gehört daher jedenfalls in innerstaatliches Recht umgesetztes Richtlinienrecht, wie dies etwa im Bereich der Umsatzsteuer der Fall ist [vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, 3. Aufl., § 274 Anm. 13 (Stand , rdb.at), mwN, sowie , und , mwN]. Soweit ein solcher unmittelbarer Bezug des innerstaatlichen Abgabenrechts zum Unionsrecht nicht gegeben ist, kommt die Grundrechtecharta hingegen nicht zur Anwendung (vgl. , betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen) und kann sich der Beschwerdeführer daher auch nicht mit Erfolg auf den unionsrechtlichen Grundrechteschutz stützen.

Die als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen hat der Beschwerdeführer anhand entsprechender Belege nachgewiesen. Dass diese gegebenfalls nicht oder nur eingeschränkt zu berücksichtigen wären, hat das Finanzamt weder aufgezeigt noch beantragt und sah sich das Bundesfinanzgericht zu einer diesbezüglichen Überprüfung im Einzelnen daher nicht veranlasst, zumal anhand der Aktenlage auch nicht erkennbar war, dass sie nicht oder nur teilweise im Zusammenhang mit der Umschulungsmaßnahme gestanden wären.

Der Beschwerde war somit Folge zu geben.
 

IV. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der im Beschwerdefall strittigen Frage, ob Aufwendungen eines (Früh)Pensionisten im Zusammenhang mit einem Studium als Werbungskosten abzugsfähige Umschulungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 darstellen, hat sich der Verwaltungsgerichtshof - soweit erkennbar - noch nicht befasst. Eine ordentliche Revision ist daher zulässig. 
 

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100429.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at