Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.12.2019, RV/3100856/2019

Polizei-Grundausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses ist keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967, sondern bereits Berufsausübung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache A, Adr , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Innsbruck vom , SV-Nr, betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab März 2017 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang:

Nach Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches der Frau A (= Beschwerdeführerin, Bf) ua. für deren Sohn B, geb. Juli 1996, demnach laut eigenen Angaben der Anspruch ab Beendigung der Schule mit Ende Februar 2017 nicht mehr bestehe, hat die Bf mit Eingabe vom die Zuerkennung der Familienbeihilfe (FB) für den Sohn ab März 2017 begehrt und als Grund "während der Ausbildungsphase" angeführt.

Vorgelegt wurde ein zwischen der Landespolizeidirektion XX und dem Sohn B am abgeschlossener "Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich" mit Beginn ab . Laut Vertrag wird der Sohn als Vertragsbediensteter des Bundes im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich sowie zur Unterstützung im sicherheitspolizeilichen Bereich im Ausmaß der "Vollbeschäftigung" eingesetzt. Er ist bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) als Angestellter sozialversichert. In den ersten sechs Monaten des Dienstverhältnisses erfolgt eine Grundausbildung; für diese Zeit gebührt ein Sonderentgelt von monatlich 50,29 % des Referenzbetrages (§ 3 Abs. 4 Gehaltsgesetz 1956), anschließend das "Normalentgelt". Nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von 2 Jahren, die als "Ausbildungsphase" (§ 66 VBG) gelte, hat sich der Dienstnehmer einer Ergänzungsausbildung zum Exekutivbeamten (E2b) zu unterziehen und mit dieser die Grundausbildung für den Exekutivdienst erfolgreich in Form einer Fachprüfung abzuschließen.

Mit weiters vorgelegten Unterlagen (ua. e-mail der XY v. , ESS-Stammdatenauswertung) wurde nachgewiesen, dass der Sohn gemäß Erlass des BMI zur 9-monatigen Ergänzungsausbildung vom bis einberufen wurde und diese absolviert.

Der FB-Antrag der Bf wurde mit Bescheid vom , SV-Nr, für den Zeitraum ab März 2017 abgewiesen. Nach Darlegung der Anspruchsgrundlagen nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967, darunter "Zeiten einer Berufsausbildung bzw. –fortbildung", verweist das Finanzamt begründend auf das VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, wonach es sich bei der Polizeigrundausbildung um keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 handle.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird eingewendet, das angeführte VwGH-Erkenntnis beziehe sich auf den Zeitraum zwischen der fremden- und grenzpolizeilichen Ausbildung und der Ergänzungsausbildung, dh. auf die Praxisphase unter Bezug des "Normalentgelts". Zugleich sei als unstrittig festgehalten, dass die Ergänzungsausbildung zur Grundausbildung für den Exekutivdienst zähle, weshalb die Familienbeihilfe für den Zeitraum bis zu gewähren sei.
Dazu beigebracht wurde eine Bestätigung der XY vom , dass der Sohn in dem betr. Zeitraum die Ergänzungsausbildung zur Grundausbildung für den Exekutivdienst absolviert.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom begründete das Finanzamt – nach Darstellung der Rechtslage zur Frage, was als "Berufsausbildung" iSd FLAG 1967 anzusehen ist – im Wesentlichen dahin, dass das genannte Erkenntnis zwar die Zeit der "Kursunterbrechung" betreffe, der VwGH aber die gesamte Grundausbildung bzw. Ausbildungsphase als Berufsausübung und nicht als Berufsausbildung qualifiziere.

Im Vorlageantrag wird im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht:

Das VwGH-Erkenntnis Ra 2018/16/0203 sei kein taugliches Mittel zur Verweigerung der FB in diesem Fall. Obwohl nur die Zeit der "Kursunterbrechung" betroffen gewesen sei, habe sich der VwGH bemüßigt gefühlt, allgemein Feststellungen zur rechtlichen Qualifikation der Ausbildung von öffentlich Bediensteten zu treffen. Aufgrund insgesamt verfehlter Argumentationskette komme der VwGH zum Ergebnis, dass öffentlich Bedienstete ab Dienstantritt ihren Beruf ausüben und es sohin keine Berufsausbildung  für diese gebe. Klargestellt werde, dass der Sohn der Bf zunächst eine 6-monatige Basisausbildung an einer Polizeischule zum Fremden- und Grenzpolizist gemacht habe, dann zwei Jahre als Grenzpolizist tätig gewesen sei (Praxisphase) und nun die 9-monatige Ergänzungsausbildung zum voll ausgebildeten Polizisten anstehe. Nur für den Ergänzungskurs werde die FB beantragt.
Es mangle dem VwGH an der gebotenen Differenzierung faktisch unterschiedlicher Ausbildungsmodelle wie folgt:
1. Das Anlernen direkt auf dem "eigenen"Arbeitsplatz, wobei der Auszubildende im Echtbetrieb laufend eingeschult werde (zB Akten ins Archiv trage etc.) und nach Beendigung der Ausbildung an seinem Arbeitsplatz als nun vollwertiger Mitarbeiter weiterarbeiten könne;
2. Das Anlernen im Schulbetrieb, dh. wie eben bei einem Polizeischüler fernab jeglicher echten Dienststelle an einer Polizeischule in einem anderen Bundesland. Die tatsächliche Erledigung polizeilicher Aufgaben/Unterstützung von Kollegen komme hier nicht in Betracht; die Berufsausbildungskomponente betrage daher 100 % und sei von der Berufsausübung strikt getrennt. Diese finde erstmalig nach Abschluss der Ausbildung mit Versetzung auf einen "echten" Arbeitsplatz auf einer Polizeiinspektion statt. Aus diesem Grund erweise sich auch die Argumentation des VwGH (Rz 15) bezüglich der in der Ausbildungsphase noch nicht zu erwartenden "vollwertigen Ausübung aller Aufgaben des Arbeitsplatzes" als nicht stichhältig.
Maßgebend sei allein die Bestimmung nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG; der Gesetzgeber stelle bei volljährigen Kindern klar auf das Vorliegen einer "Berufsausbildung" ab. Der Sohn der Bf übe den Beruf des Polizeibeamten noch nicht aus, sondern werde erst für diesen ausgebildet und sei im gesamten ersten Ausbildungsabschnitt auch noch nicht für den Exekutivdienst verwendbar.

Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht (BFG) die Beschwerde und den Verwaltungsakt zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung. 

2. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Der volljährige Sohn der Bf, der im Juli 2019 das 23. Lebensjahr vollendet hat, steht seit in einem Dienstverhältnis zum Bund und hat in diesem Zusammenhang aufgrund des Sondervertrages zunächst eine 6-monatige Grundausbildung/Basisausbildung an einer Polizeischule zum Fremden- und Grenzpolizisten gemacht, war anschließend zwei Jahre als Grenzpolizist tätig (Praxisphase) und absolviert vom bis nunmehr die 9-monatige Ergänzungsausbildung zum Exekutivbeamten (voll ausgebildeten Polizisten). Dies ergibt sich unbestritten aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes sowie aus den eigenen Angaben der Bf.

3. Rechtslage:

Nach § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
lit b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

4. Erwägungen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Sohn der Beschwerdeführerin durch die im Rahmen seines Dienstverhältnisses zu absolvierende exekutivdienstliche Grundausbildung in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 gestanden ist und damit eine der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe vorliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (; ; ).
Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung ( ).
Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis , ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit b FLAG 1967 ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (;  zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).

Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag (vgl  ). Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Absolvierung eines Unterrichtspraktikums auch ausgesprochen, dass dieses als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt ( ).

Im gegenständlichen Fall stand der Sohn der Beschwerdeführerin jedoch beginnend mit in einem Dienstverhältnis zum Bund, in dessen Rahmen er eine arbeitsplatzspezifische Ausbildungsphase zu durchlaufen hatte. Es kann also keine Rede davon sein, dass er eine Ausbildung ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz absolviert hat, sondern waren Bildungsschritte zu unternehmen, in deren Rahmen die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen erfolgte, die erforderlich sind, um (bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz) den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen (vgl. § 2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildung für den Exekutivdienst im Bundesministerium für Inneres, BGBl II 153/2017 idgF).

In konsequenter Fortsetzung seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203 – dem an Sachverhalt ebenso eine zunächst "fremden- und grenzpolizeiliche Ausbildung" zugrunde gelegen war - auch ausgesprochen, dass die erfolgreiche Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete (in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund nach § 1 Abs. 1 VBG) keine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge hat und dem öffentlich Bediensteten (lediglich) die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden soll (vgl. die zit. ErläutRV zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufes liegt (VwGH-Erk. Rz. 16). 
Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufes (Rz. 17).

Damit ist zweifelsfrei geklärt, dass auch der Sohn der Beschwerdeführerin durch die Absolvierung der Grundausbildung in der Zeit ab nicht in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 gestanden ist, sondern bereits einen Beruf ausgeübt hat.

Nicht zutreffend ist, dass sich der Verwaltungsgerichtshof lediglich auf eine Unterbrechung der Ausbildung ("Kursunterbrechung") bezogen hätte, sondern waren die Zeiten der Grund- und der Ergänzungsausbildung gar nicht Gegenstand des dortigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Vielmehr ergibt sich aus den grundsätzlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes (insbes. Rzn. 16 und 17 des Erkenntnisses) klar, dass diese sich auf die gesamte Ausbildung, nämlich die Zeit der Grundausbildung und sonstige Ausbildungsphasen, beziehen.
(siehe zu vor auch: ).

Entgegen der Ansicht der Bf, der VwGH lasse eine Differenzierung zwischen faktisch unterschiedlichen Ausbildungsmodellen vermissen, konkret zwischen einem praktischen Anlernen am Arbeitsplatz und einer demgegenüber schulischen Wissensvermittlung, ist Folgendes nicht zu übersehen:
Nach oben dargelegter hg. Judikatur (vgl. ; ;  zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ) unterscheidet der VwGH sehr wohl bei "dualen Systemen" der Ausbildung zum Einen die Vermittlung von praktischen Kenntnissen (Praktikum) und andererseits die Vermittlung von rein theoretischen Kenntnissen (an einer Schule) und erkennt diese gleichermaßen an, wenn es sich insgesamt um eine "Berufsausbildung" iSd FLAG 1967 handelt.
Eine solche liegt aber im Gegenstandsfalle, wie oben ausgeführt, nicht vor, da der Umstand, dass der Sohn der Bf als öffentlich Bediensteter in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen der gesamten Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, laut VwGH seinem Dienstverhältnis in keinster Weise die Qualität eines Berufes nimmt und sohin bereits eine Berufsausübung vorliegt.

Festzuhalten gilt, dass das BFG selbst dann, wenn die Bf laut Vorlageantrag die Rechtsansicht des VwGH für "hanebüchen", rechtlich bedenklich und verfehlt erachtet, seine Entscheidung dennoch in Anwendung der geltenden Gesetzeslage und der hiezu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu treffen und diese umzusetzen hat.

Mangels Vorliegens eines Anspruchsgrundes steht sohin der Bf – bezogen auf ihren Antrag – ab März 2017 (dh. inklusive des eingeschränkten Antragszeitraumes vom bis ) kein Anspruch auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Sohn B zu, weshalb wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden war. 

5. Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat im vorliegenden Fall in Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, weshalb durch das Bundesfinanzgericht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Berufsausbildung
Berufsausübung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100856.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at