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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.01.2020, RV/5101088/2019

Die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes setzt einen Antrag voraus.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom , VNR: 000, über die Abweisung eines Antrags auf erhöhte Familienbeihilfe für ****, VNR: 001, für den Zeitraum „ ab Mai 2018" zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO (Bundesabgabenordnung) aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog für ihren Sohn **** den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung.
In einem ärztlichen Sachverständigengutachten vom , VOB: ***1 (Erstgutachten), des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) wurde jedoch bei ihm ein Gesamtgrad der Behinderung von nur mehr 30 v.H. festgestellt.

Mit Schreiben vom führte das Finanzamt eine Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe durch und ersuchte die Bf. um Übermittlung verschiedener Nachweise (Reifeprüfungszeugnis, Bestätigung über die Absolvierung des Freiwilligen Sozialjahres). In Beantwortung dieses Schreibens - eingelangt beim Finanzamt am - nahm die Bf. Änderungen der dem Finanzamt bekannten Daten vor und übermittelte Unterlagen.
Im Hinblick auf das erwähnte ärztliche Sachverständigengutachten vom gelangte das Finanzamt zur Ansicht, dass kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe mehr bestehe. Es erließ den hier angefochtenen Bescheid vom , mit dem ein „Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe" abgewiesen wurde. In der Bescheidbegründung wurde auf das erwähnte Sachverständigengutachten vom verwiesen.

Das Finanzamt wies die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, weil in einem weiteren ärztlichen Sachverständigengutachten vom , VOB: ***2 (Zweitgutachten), des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Sohn der Bf. ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt worden war.

Mit Schreiben vom (eingelangt beim Finanzamt am ) stellte die Bf. einen Antrag auf Entscheidung über ihre Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).
Das Finanzamt veranlasst in der Folge neuerlich eine Untersuchung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Im Gutachten nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) vom , VOB:  ***3 (Drittgutachten), stellte die ärztliche Sachverständige einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. fest.

Im weiteren Verfahrensablauf stellte das Finanzamt nunmehr fest, dass der Bescheid vom ohne einen entsprechenden Antrag erlassen worden war, und hob mit Bescheid vom die Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 299 BAO auf. Die Abgabenbehörde erließ daraufhin neuerlich eine mit datierte Beschwerdevorentscheidung, in der sie der Beschwerde vom Folge gab und den angefochtenen Bescheid vom ersatzlos aufhob.

In ihrem an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gerichteten Schreiben vom erhob die Bf. u.a. „ Beschwerde" gegen die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom , VNR: 000 (Punkt 1. der Eingabe).

Nach Weiterleitung an das Finanzamt wurde daraufhin diese als Vorlageantrag zu wertende Eingabe zusammen mit der Beschwerde vom  und den entsprechenden Verwaltungsakten mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrages vom gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Am  brachte die Bf. schließlich unter Verwendung des Vordrucks „Beih 3-PDF" einen gesonderten Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihres Sohnes für den Zeitraum ab Mai 2018 ein, welchen das Finanzamt mit Bescheid vom abwies. Dagegen wurde wiederum eine Beschwerde eingebracht. Eine Beschwerdevorentscheidung ist in diesem Verfahren bislang noch nicht ergangen. 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe - von hier nicht interessierenden Fällen abgesehen - nur auf Antrag gewährt und ist die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) besonders zu beantragen.

Gemäß § 12 Abs. 1 FLAG 1967 hat das Wohnsitzfinanzamt bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen.
Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, gemäß § 12 Abs. 2 FLAG 1967 zu verständigen.

Gemäß § 13 FLAG 1967 ist ein Bescheid nur insoweit zu erlassen, als einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

Beim Familienbeihilfenanspruch handelt es sich demnach, soweit es sich nicht um einen Fall der Gewährung der Familienbeihilfe anlässlich der Geburt eines Kindes handelt, um ein antragsgebundenes Verfahren. Mit der am  beim Finanzamt eingelangten Beantwortung des Überprüfungsschreibens ist kein (neuerlicher) Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe gestellt worden.

Wenn das Finanzamt in einem derartigen Fall zur Ansicht gelangt, dass die Voraussetzungen für die Weitergewährung der erhöhten Familienbeihilfe nicht mehr vorliegen, ist kein Abweisungsbescheid zu erlassen, sondern gemäß § 12 Abs. 1 FLAG 1967 eine entsprechende Mitteilung auszustellen. Ein von der Abgabenbehörde zu erledigender (neuerlicher) Antrag liegt somit nicht vor. Daraus folgt, dass das Finanzamt zur Erlassung des Abweisungsbescheides vom  mangels eines Antrages nicht zuständig war.

Der angefochtene Bescheid war daher spruchgemäß aufzuheben.

Über den mittlerweile von der Bf. „ nachgeholten" Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe vom hat das Finanzamt (neuerlich) einen abweisenden Bescheid erlassen, gegen den die Bf. wiederum eine Bescheidbeschwerde eingebracht hat. Eine Beschwerdevorentscheidung ist in diesem Verfahren bislang noch nicht ergangen.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 der Gesetzgeber die Frage des Grades der Behinderung der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt hat, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (z.B. ). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung der Beihilfenbehörden an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes erstellten Gutachten gegeben ist. Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig anzusehen sind (; Csaszar/Lenneis/Wanke, Kommentar zum FLAG, § 8 Rz 29).

Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die gegenständlichen Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung hat, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101088.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at