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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.12.2019, RV/7103655/2015

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe für ein am Familienwohnsitz in Polen lebendes Kind für einen Pensionisten, der sowohl in Polen als auch in Österreich Rente bezieht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Ri. in der Beschwerdesache Bf, AdrBf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Y vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe vom für den Zeitraum ab 01.2013 zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid bleibt unverändert.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob für den Beschwerdeführer (Bf) geb. JJ (genaues Geb.dat. ist aktenkundig), Pensionist, Rechtsanspruch auf Familienbeihilfe für sein in Polen am dortigen Familienwohnsitz mit der Ehefrau des Bf (verheiratet seit JJ11) lebendes Kind besteht.

Aufgrund des Antrages auf Familienbeihilfe wurde der Bf in einem Ergänzungsvorhalt vom aufgefordert,  die Rentenbestätigung betreffend polnischer Pensionsbezüge (mit Angabe der Höhe und seit wann) vorzulegen. Am wurde daraufhin die Bestätigung bzw der Bescheid (Kopie des Originals) übermittelt.

Der gegenständl. angefochtene Abweisungsbescheid vom wurde  begründet wie folgt:

"Da Sie in Polen und in Österreich eine Pension beziehen und Polen der

Wohnortstaat ist, unterliegen Sie laut EU-Verordnung 883/2004 den

Rechtsvorschriften des Wohnortstaates (Polen).

Ihr Antrag war daher abzuweisen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf folgende Beschwerde: Der Bf. beziehe sowohl eine Pension in Österreich als auch in Polen. Sein Wohnsitzstaat sei Österreich und er unterliege auch den österr. Rechtsvorschriften. In Polen habe er nur einen Nebenwohnsitz wegen der Pensionsversicherung. Die Adresse in Polen sei nur eine Kontaktadresse weg. der zusätzl. polnischen Pension.

Daraufhin erließ das Finanzamt am einen Ergänzungsvorhalt wie folgt:

"Lt. Aktenlage haben Sie in Polen den gleichen Wohnsitz wie Ihre Ehefrau und Ihr Kind (E401, Pensionsbescheid etc.). Außerdem ist es unglaubwürdig, dass Sie trotz Vorliegens von ausschließlich Pensionsbezügen nicht bei Ihrer Familie in Polen leben. Bitte um Stellungsnahme. Wie groß ist die Wohnung in Österreich (Mietvertragskopie vorlegen)? Wer wohnt noch in dieser Wohnung? Wie hoch ist der finanzielle Aufwand für diese Wohnung? Wieviel Zeit verbringen Sie in Österreich und warum (Familie in Polen)?"

Dieser Ergänzungsvorhalt wurde folgendermaßen beantwortet: "Ich lebe in Österreich seit 1990, also 25 Jahre; ich bin zwar in Polen gemeldet, aber mein Lebensmittelpunkt ist verständlich nach so vielen Jahren Österreich. Wie schon erwähnt lebe ich seit 25 Jahren in Wien, hier habe ich meine Freunde und meinen Bekanntenkreis und meine Ärzte. In den letzten 25 Jahren war ich ein bis zweimal im Monat in Polen, um meine Frau und meine Kinder zu besuchen, aber in den letzten 25 Jahren habe ich die meiste Zeit in Wien verbracht.

Die Wohnung in der ich lebe ist ungefähr 45m², in dieser Wohnung leben noch weitere 2 Personen, die zu meinem Bekanntenkreis gehören.  Ich zahle für die Wohnung monatlich 90 €. Ich schicke ihnen eine Kopie meines Mietvertrages. Ich habe ihnen meinen Pensionsbescheid schon im Dezember gegeben." 

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung wurde folgendermaßen begründet:

"Gemäß g 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Da in Ihrem Fall sowohl das Kind als auch die Kindesmutter überwiegend in Polen leben,
besteht gemäß den Bestimmungen des FLAG 1967 kein Anspruch auf die österreichische
Familienbeihilfe.

Auf Grund des Anwendungsvorranges von EU-Recht ist jedoch zu prüfen, ob nicht auf Grund von EU-Verordnungen FamilienbeihiIfenzahlungen für dieses Kind zu leisten wären.

Der Artikel 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegen.

Diese Verordnung regelt im Artikel 68, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist.

Lt. Ihren Angaben halten Sie sich bereits seit 1990 in Österreich auf.
Sie beziehen seit mindestens sowohl aus Österreich als auch aus Polen eine Rente.
Gemäß den Angaben in den Formularen E401 und E411 vom leben Sie mit der
Kindesmutter und dem Kind in Polen an der gleichen Adresse und übt die Kindesmutter
keinerlei berufliche Tätigkeit in Polen aus.
Das volljährige Kind ging im Abweisungszeitraum in Polen in die Schule.

Hinsichtlich der Kindesmutter (und des Kindes) ist Polen somit lediglich Wohnortstaat.
In Ihrem Fall sind sowohl Österreich als auch Polen Rentenstaaten.

Da lt. Artikel 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Sie nur den Rechtsvorschriften
eines Staates unterliegen können, muss anhand der Prioritätsregeln des Artikels 68 eine
Zuordnung getroffen werden.
Lt. Artikel 68 Abs. 2 b (ii) ist bei Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben
Gründen (Rentenbezüge) jener Mitgliedstaat zur Leistung verpflichtet, in dem sich der
Wohnort der Kinder befindet.
Auf Grund des Wohnortes (des Kindes) in Polen, ist daher Polen und nicht Österreich zur
Leistung verpflichtet.

Da im Abweisungszeitraum (Jänner 2013 bis Oktober 2014) Polen sowohl Wohnortstaat als auch Rentenstaat war, bestand weder auf Grund der Bestimmungen des
Familienlastenausgleichsgesetzes noch jener der EU-Verordnungen ein Anspruch auf
österreichische Familienleistungen.

Diese Verordnung regelt im Artikel 68, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist."

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht führte der Bf ergänzend aus, dass alle seine Freunde und Bekannten, die in Polen Kinder hätten und in Österreich eine Pension beziehen, Familienbeihilfe erhalten würden. Er fragte, warum  bei ihm andere Rechtsvorschriften gelten würden.

Im Vorlagebericht im Zuge der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht führte das Finanzamt im Wesentlichen aus wie folgt: "Sachverhalt: Der Antrag auf Familienbeihilfe vom wurde mittels Bescheid vom abgewiesen, da der Antragsteller im beantragten Zeitraum in Polen und in Österreich eine Pension bezog bzw. bezieht, Polen der Wohnortstaat des Kindes ist und der Bf. somit laut EU-Verordnung 883/2004 den Rechtsvorschriften des Wohnortstaates (Polen) unterliegt. Im Rahmen der Beschwerde wurde vorgebracht, dass der Wohnortstaat des Antragstellers Österreich sei, und er somit den Rechtsvorschriften Österreichs unterliege. In Polen hätte der Bf bei seiner Familie nur einen Nebenwohnsitz. Als Nachweis wurde ein österreichischer Meldezettel vom eingereicht. Die Beschwerde wurde mittels Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom abgewiesen, da nach den Bestimmungen der EU-VO Nr. 883/2004 Polen als Wohnortstaat und Rentenstaat prioritär zur Leistung verpflichtet ist. Gegen diese Entscheidung wurde am ein Vorlageantrag eingebracht.

Beweismittel: Versicherungsdatenauszug, polnischer Pensionsbescheid, Familienstandsbescheinigung

Stellungnahme: Artikel 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegen. Gemäß Artikel 11 Abs. 3 lit. e der VO unterliegen Kindesvater und Kindesmutter den Rechtsvorschriften des jeweiligen Wohnmitgliedsstaates. Gemäß Artikel 68 Abs. 1 lit. a und lit. b ii der VO richtet sich die Rangfolge bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden, nach dem Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird. Da im Abweisungszeitraum sowohl in Österreich als auch in Polen eine Rente bezogen wurde (Rentengewährungsstaaten) und das Kind ständig in Polen lebt, bestand weder nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes noch nach jenen der EU-VO Nr. 883/2004 ein (prioritärer) Anspruch auf österreichische Familienleistungen. Im Rahmen der BVE ist auf Artikel 68 Abs. 2 der VO noch nicht eingegangen worden. Von Seiten des Finanzamtes bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Anwendbarkeit dieser Bestimmung. Aus der Familienstandsbescheinigung ergibt sich, dass  in Polen ein Anspruch auf Familienbeihilfe iHv 115 PLN pro Monat für Kinder im Alter von 18 bis 24 Jahren grundsätzlich zusteht. Hinsichtlich des Anspruches auf polnische Familienleistungen ist allerdings noch darauf zu verweisen, dass zwar gem. dem E 411 Formular die Kindesmutter keine berufliche Tätigkeit ausübte, der Kindesvater jedoch 2013 in Österreich eine Pension iHv brutto 11.579,12 Euro lukrierte (siehe Art. 5 Nr. 1 des Polnischen Gesetzes über Familienleistungen vom , Gesetzblatt Nr. 228/2003 Pos 2255; monatliche Familieneinkommen pro Familienmitglied höchstens PLN 504 lt. ). Außerdem wurde kein Antrag auf polnische Familienleistungen gestellt."

Nach Übermittlung dieses Vorlageberichts brachte das Finanzamt folgende Präzisierung bzw. Ergänzung zum Vorlagebericht ein:

"Präzisierung der Stellungnahme (Anmerkung: im Vorlagebericht): Es wird die Rechtsansicht des BMFJ zu dieser Vorlage übermittelt, wie sie sich aus dem Dokument "Fallkonstellationen" ergibt. Wie aus S. 23/28 ersichtlich, ist, sofern Renten aus zwei Ländern bezogen werden, nur der Staat zuständig, der gleichzeitig Renten- und Wohnstaat ist, also Polen (der Familienwohnsitz ist lt. Antrag in Polen; Art. 68 Abs. 1 lit. b ii VO 883/2004). Ein Zusammentreffen von Ansprüchen (nachrangige Zuständigkeit), wie in Artikel 68 Abs. 2 beschrieben, würde voraussetzen, dass die Mutter entsprechende eigenständige Ansprüche nach den Rechtsvorschriften Österreichs geltend machen könnte, was nicht der Fall ist. Daher wird beantragt, die Beschwerde gem. § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abzuweisen."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Laut Aktenlage war der Familienwohnsitz der Familie des Bf im relevanten Beschwerdezeitraum  in Polen. Der Bf. hat in Polen und in Österreich jeweils eine Rente bezogen. Der Familienwohnsitz ist in Polen, das Kind (geb. MMJJ, genaues Geb.dat. ist aktenkundig; Schüler/Student) lebt in Polen.

Der behauptete Lebensmittelpunkt bzw Hauptwohnsitz des Bf sei laut Beschwerdevorbringen des Bf mit Hinweis auf das Zentrale Melderegister (Meldung als Hauptwohnsitz) in Österreich (45m²-Wohnung, die der Bf mit zwei weiteren Personen teilt), am Familienwohnsitz gibt der Bf seinen Nebenwohnsitz an. Der Meldezettel mit Meldung ab Sept. 1993 an der Wr. Adresse sowie ein Mietvertrag wurden vom Bf im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegt.

Rechtsgrundlagen

Artikel 68 VO 883/2004

Besteht Anspruch auf Familienleistungen durch EU-Staaten, liegt ein Anwendungsfall

der VO (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ,

in Geltung für alle EU-Staaten mit , vor. Nach Art 68 Abs. 2 der VO (EG)

883/2004 werden bei Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den

Rechtsvorschriften gewährt, die nach Abs. 1 Vorrang haben und wie folgt lauten:

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.

( DE Amtsblatt der Europäischen Union)

Nach § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 bestimmt, dass die Person Anspruch auf Familienbeihilfe hat, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 4 FLAG 1967 umfassen die Kosten des Unterhalts bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder der Berufsfortbildung.

§ 2 Abs. 8 FLAG 1967 lautet:

"Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat."

§ 4 Abs. 1 bis 4 FLAG 1967 lautet:

"(1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

(3) Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

(4) Die Ausgleichszahlung ist jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleichartige ausländische Beihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches über Antrag zu gewähren."

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Gemäß § 10 Abs. 4 FLAG 1967 gebührt Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.

Erwägungen

Der Bf lebt laut Aktenlage in aufrechter Ehe mit der im Heimatstaat Polen verbliebenen Ehegattin. Unstrittig ist, dass der Familienwohnsitz in Polen ist und auch das Kind seinen Wohnsitz in Polen (am Familienwohnsitz) hat.

Um Wiederholungen zu vermeiden wird grundsätzlich auf die o.a. Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung hingewiesen.

Besteht Anspruch auf Familienleistungen durch EU-Staaten, liegt ein Anwendungsfall

der VO (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ,

in Geltung für alle EU-Staaten mit , vor.

Angemerkt wird, dass laut Aktenlage vom Bf keine über die Renteneinkünfte bzw Pensionseinkünfte hinausgehende Einkünfte beim Finanzamt erklärt wurden.

Gem Art. 68 Abs. 1 lit. b ii Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ii ist bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden, für die Feststellung des Staates, der die Familienbeihilfe/-leistung zu tragen hat, der Wohnort des Kindes  relevant. Da das Kind des Bf im beschwerdegegenständlichen Zeitraum laut Aktenlage in Polen lebte und der Bf neben Rente aus Österreich auch unstrittiger- und nachgewiesener Weise, wie oben angeführt, Rente in Polen bezieht, ist Polen grundsätzlich für Familienbeihilfe/Familienleistung für das Kind zuständig.

Sofern Renten aus zwei Ländern bezogen werden, ist nur der Staat betreffend Familienbeihilfe bzw Familienleistung für ein Kind zuständig, der gleichzeitig Renten- und Wohnstaat des Kindes ist, also in beschwerdegegenständlichem Fall Polen (der Familienwohnsitz ist lt. Antrag in Polen; Art. 68 Abs. 1 lit. b ii VO 883/2004).

Gemäß Artikel 68 Abs. 1 lit. a und lit. b ii der VO richtet sich die Rangfolge bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden, nach dem Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird. Da im Abweisungszeitraum sowohl in Österreich als auch in Polen eine Rente bezogen wurde (Rentengewährungsstaaten), und das Kind ständig in Polen lebt, bestand weder nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes noch nach jenen der EU-VO Nr. 883/2004 ein (prioritärer) Anspruch auf österreichische Familienleistungen.

(Art. 68 Abs. 1 lit. b ii Verordnung (EG) Nr. 883/2004).

Unstrittig ist, dass der Bf in Polen (und auch in Österreich) Renten bezieht und weiters, dass das Kind den Wohnort in Polen hat. Da der Wohnort des Kindes in Polen ist, wo der Bf auch Rente bezieht, ist im Sinne des Art. 68 Abs. 1 lit. b ii Verordnung (EG) Nr. 883/2004 für das Kind Leistung ausschließlich nach den in Polen geltenden diesbezüglichen Rechtsvorschriften zu gewähren.

Aus den Beschwerdeausführungen des Bf ist durch den Hinweis auf andere Fälle für sein Beschwerdebegehren nichts zu gewinnen, da die Abgabenbehörden sowie die Gerichte aufgrund des Legalitätsprinzips an die geltende Rechtslage gebunden sind.

Insgesamt ist bereits aus den angeführten Gründen die Beschwerde abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird weiters angemerkt, dass eine Person  zwar mehrere Wohnsitze haben kann, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebens­interessen iSd § 2 Abs 8 hat. Unter persönlichen Beziehungen sind dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen, insbesondere auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, an ein bestimmtes Land binden. Der Mittelpunkt der Lebens­interessen einer verheirateten Person oder in aufrechter Beziehung lebenden Person wird regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie bzw des Lebenspartners zu finden sein. Bei von der Familie getrennter Haushaltsführung kommt es auf die Umstände der Lebensführung, wie etwa eine eigene Wohnung, einen selbständigen Haushalt, gesellschaftliche Bindungen, aber auch auf den Pflichtenkreis einer Person an. Da der Bf keine Berufstätigkeit mehr in Österreich ausübt, zumal er Pensionist ist, und laut Aktenlage mit 2 anderen Personen eine kleine Wohnung in Österreich teilt bzw keine eigene Wohnung hat, ist das Bundesfinanzgericht zur Ansicht gelangt, dass die familiären Beziehungen gegenüber den vom Bf in der Beschwerde angeführten Beziehungen in Österreich zu Bekannten und Freunden bzw Versorgung durch seine Ärzte  in Österreich überwiegen. Diese Beziehungen zu Freunden, Bekannten usw in Österreich kommen in der Regel gegenüber den familiären persönlichen Beziehungen im Heimatland Polen geringere Bedeutung zu, weshalb das Bundesfinanzgericht zur Ansicht gelangt ist, dass der Bf, der Pensionist ist und neben seinen Rentenbezügen keine Einkünfte aus aktiver Tätigkeit in Österreich hat, seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen entgegen seiner Behauptungen nach allgemeinem menschlichen Erfahrungsgut in Polen bei seiner Familie hat, wo er nach allgemeinem Erfahrungsgut darüber hinaus - wie in Österreich  - ebenfalls einen Bekannten- und Freundeskreis haben wird, zumal Polen sein Heimatland ist.

Da nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts in Anbetracht der Aktenlage der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf dem Anschein nach nicht in Österreich sondern am Familienwohnsitz liegt, wären auch  bereits aus diesem Grund die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe iSd FLAG 1967 idgF für das Kind nicht erfüllt (§ 2 Abs. 8 FLAG 1967§ 2 Abs 8 FLAG 1967 idgF; Hebenstreit/Lenneis/Nowotny/Wimmer in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2, I. Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Mittelpunkt der Lebens­interessen (Abs 1, Abs 8) [Rz 1 – 17] ).  

Nichtzulassung der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie

von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,

insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die gegenständliche Beschwerdesache keine Rechtsfrage darstellt, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zukommt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103655.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at