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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.01.2020, RV/5101454/2019

Rückforderung von Familienbeihilfe bei Nichtvorliegen einer Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde vom betreffend die Rückforderung im Zeitraum Juli 2017 bis September 2018 bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge im Betrag von 3.194,70 Euro zu Recht:

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit am bei der belangten Behörde eingelangtem Antrag beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre im Jänner 1999 geborene Tochter. Den auf dem amtlichen Vordruck Beih1 erfolgten Angaben zufolge besuche die Tochter der Beschwerdeführerin ab dem Schuljahr 2017/18 die Abendschule.

Mit Vorhalt vom forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin unter anderem dazu auf, Angaben zur Dauer der Schulausbildung ihrer Tochter zu machen sowie die Frage zu beantworten, weshalb ihre Tochter die Abendschule und nicht die Tagesschulform der HAK besuche. Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin unter anderem mit, dass die Schulausbildung ihrer Tochter 3 Jahre dauere und sie die Tagesschule nicht besuchen könne, da sie bereits über 18 sei. Dem Schreiben der Beschwerdeführerin beigelegt war eine am ausgestellte Schulbesuchsbestätigung der BHAK/BHAS ***Ort*** für das Schuljahr 2017/18.

Am wurde der belangten Behörde einem dahingehenden Auskunftsersuchen entsprechend von der BHAK/BHAS ***Ort*** ein die Tochter der Beschwerdeführerin betreffender Auszug aus dem Klassenbuch übermittelt, aus dem den Ausführungen im betreffenden Begleitschreiben zufolge hervorgehe, dass die Tochter der Beschwerdeführerin den Unterricht nicht regelmäßig besucht habe.

Daraufhin erließ die belangte Behörde am einen „ Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge
- Familienbeihilfe (FB)
- Kinderabsetzbetrag (KG)

für die Tochter der Beschwerdeführerin betreffend den Zeitraum Juli 2017 bis September 2018 (Rückforderungsbetrag iHv 3.194,70 Euro).

In der Bescheidbegründung wurde angeführt, dass die Tochter der Beschwerdeführerin laut den vorliegenden Unterlagen die Abendschule der HAK ***Ort*** nicht regelmäßig besucht habe.

Am erschienen die Beschwerdeführerin und ihre Tochter zu einer persönlichen Vorsprache bei der belangten Behörde, im Zuge derer die Tochter der Beschwerdeführerin lt diesbezüglichem Aktenvermerk der belangten Behörde angegeben habe, ca 7-8 Wochenstunden für die Ausbildung an der HAK aufgewendet zu haben.

In der gegen den oa Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom führte die Beschwerdeführerin wie folgt aus „Es wurde zur Gewährung der Familienbeihilfe am eine Schulbestätigung meiner Tochter […] der Abend-HAK mit Bestätigung der 12 Wochen-Stundenanzahl vorgelegt. Es wurde meiner Tochter […] am erklärt, dass sie die Abend-HAK gar nicht beendet hätte und die Schularbeiten nicht gemacht habe und dadurch nicht beurteilt war, konnte ich durch das Vorlegen ihrer Abschlusszeugnisse (3 Kopien sind beigelegt) widerlegen. Als die Finanzbeamtin die Schulzeugnisse sah meinte sie, dass 20 Stunden pro Woche mindestens Schulbesuchszeit sein müssten, da sie aber eine Abend-HAK besucht, ist diese nur 12 Stunden max. pro Woche vorgesehen.
Es ist nicht die Aufgabe des Antragsstellers zu wissen welche Voraussetzungen man erbringen muss um familienbeihilfenwürdig zu sein. Weiters ist es die Pflicht des Finanzamten im Vorfeld die Anträge zu prüfen. Es stellt eine unmenschliche Bürde für eine Flüchtlingsfamilie dar, wenn eine so hohe Summe wie 3.194,706 gefordert wird, auch wenn eine Ratenzahlung derzeit beantragt wurde.

Mit Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde um Vorlage des Stundenplans aus dem Schuljahr 2017/18 sowie der Anwesenheitsliste der Schule ersucht. Dem kam die Beschwerdeführerin am nach.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zur Abholung hinterlegt am , wies die belangte Behörde die Beschwerde vom als unbegründet ab. Begründend wurde dabei im Wesentlichen auf § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 sowie auf die dazu ergangene Rechtsprechung des VwGH verwiesen, der zufolge zu prüfen sei, ob die Ausbildung während ihrer Dauer und der Vorbereitung für die abzulegenden Prüfungen und der Ausarbeitung von Hausarbeiten im jeweiligen Kalendermonat in quantitativer Hinsicht die volle Arbeitskraft gebunden hat (Verweis auf , und ). Der Unterricht der Tochter der Beschwerdeführerin „war abwechselnd in einer Woche jeweils am Montag, Mittwoch und Donnerstag in der nächsten Woche jeweils am Montag und Donnerstag. Der Aufwand für die Ausbildung (incl. Fernunterrichtsanteil) beträgt laut der Schulbestätigung 25 Wochenstunden, jedoch war Ihre Tochter in vier Fächern vom Unterricht befreit. Der Aufwand der Ausbildung verringert sich somit auf unter 20 Wochenstunden. Außerdem ist noch anzumerken, dass Ihre Tochter im WS 17/18 von 49 Schultagen an 29 Tagen abwesend und im SS 17/18 von 40 Schultagen an 24 Tagen abwesend war.“ Es könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Schulbesuch die Tochter der Beschwerdeführerin in quantitativer Hinsicht die volle Zeit in Anspruch genommen habe.

Mit Schreiben vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, ihre Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Darin führte die Beschwerdeführer wie folgt aus: „Ich möchte darauf hinweisen, dass man mir und meiner Tochter […] hätte mitteilen müssen, dass weder Familienbeihilfe noch Kinderabsetzbetrag ausgezahlt werden - und nicht erst, nachdem wir, bzw. meine Tochter, auf Ihre Aufforderung hin alles ordnungsgemäss nachgereicht und man sie in dem Glauben gelassen hat, dass es somit zu keiner Rückforderung kommen wird. Von der Finanzbeamtin hätten die Unterlagen in der Art geprüft werden und uns kommuniziert werden müssen, dass wir rechtzeitig reagieren hätten können.“

Am erfolgte die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

An die Beschwerdeführerin wurden im streitgegenständlichen Zeitraum Juli 2017 bis September 2018 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge im Gesamtbetrag von  3.194,70 Euro für ihre im Jänner 1999 geborene und im streitgegenständlichen Zeitraum somit bereits volljährige Tochter ausbezahlt.

Die Tochter der Beschwerdeführerin besuchte vom bis die Klasse 3ABT der Bundeshandelsakademie für Berufstätige (Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule ***Ort***). Vom bis besuchte die Tochter der Beschwerdeführerin die Klasse 4ABT an derselben Schule.

Der zeitliche Aufwand für die Schulausbildung (inklusive Fernunterrichtsanteil) betrug laut Lehrplan grundsätzlich 25 Wochenstunden, wobei die Tochter der Beschwerdeführerin in vier Fächern vom Unterricht befreit war (8 Wochenstunden im Sommersemester; 9 Wochenstunden im Wintersemester). Zudem war die Tochter der Beschwerdeführerin im Wintersemester 2017/2018 an 29 von 49 Schultagen abwesend. Im Sommersemester war sie an 24 von 40 Tagen abwesend. Die Tochter der Beschwerdeführerin wendete im streitgegenständlichen Zeitraum somit weniger als 20 Stunden pro Woche für die Schulausbildung auf.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Feststellungen beruhen auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen sowie den im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung getroffenen Feststellungen der belangten Behörde, denen von der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten wurde. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zufolge es – da die Feststellungen der Beschwerdevorentscheidung als Vorhalt gelten – Sache der Beschwerdeführerin gewesen wäre, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser (in der Beschwerdevorentscheidung auch inhaltlich mitgeteilten) Ermittlungen auseinander zu setzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (; ).

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Vorliegen einer Berufsausbildung

Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, „für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Allgemein fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl zB , mwN). Zur Berufsausbildung gehört (ihrem Inhalt nach) zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung ().

Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist – außerhalb des im § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung iSd § 3 StudFG – nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich (vgl ; , mwN).

Zudem muss die Berufsausbildung auch „in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen“ (vgl ; , mwN). Betreffend dieses quantitative Erfordernis kann in Übereinstimmung mit der in der Literatur vertretenen Ansicht ein dem Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 genügender Zeitaufwand generell nur dann vorliegen, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt (vgl Lenneis in Csazar/Lenneis/Wanke [ Hrsg ] , FLAG § 2 Rz 40; vgl zB auch mwN).

Den unter Punkt 1. wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen zufolge war dieses quantitative Erfordernis im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt, da die Tochter der Beschwerdeführerin weniger als 20 Stunden pro Woche für die Schulausbildung aufwendete. Eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 lag somit vor dem Hintergrund obiger Ausführungen im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor.

3.2. Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen

Gemäß § 10 Abs 2 Satz 2 FLAG 1967 idF BGBl I 2015/50 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe „mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 idF BGBl I 2007/103 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 idF BGBl I 2015/118 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden (§ 33 Abs 3 letzter Satz leg cit).

Wie unter Punkt 3.1. dargelegt wurde, lag im streitgegenständlichen Zeitraum keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 und somit insoweit auch kein Anspruch auf Familienbeihilfe/Kinderabsetzbeträge vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft (vgl mwN). Wie der Verwaltungsgerichthof in diesem Zusammenhang klargestellt hat, steht der Rückforderung auch nicht entgegen, dass der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch das Finanzamt verursacht worden ist (; ).

Das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Argument des gutgläubigen Bezugs der betreffenden Beträge sowie das Vorbringen, die belangte Behörde hätte die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge früher prüfen müssen, verfängt somit nicht.

Soweit die Beschwerdeführerin sinngemäß auf die Unbilligkeit der Rückforderung verweist, ist sie auf die Möglichkeit eines Ansuchens um Nachsicht gemäß § 236 BAO zu verweisen (vgl dazu auch ).

Vor diesem Hintergrund erfolgte die Rückforderung der Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Juli 2017 bis September 2018 im gegenständlichen Fall zu Recht. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

4. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 BVG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Tatfrage, welche in freier Beweiswürdigung zu beantworten ist (vgl zB mwN). Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Betreffend das Bestehen der Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge folgt das Bundesfinanzgericht der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl zB mwN), weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

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