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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.12.2019, RV/5101642/2018

Alternative Operationsmethode (NanoKnife) bei Prostatakarzinom

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2020/15/0010. Mit Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss vom erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5101642/2018-RS1
Kosten der Operation eines Prostatakarzinoms nach der Nano-Knife-Methode stellen keine außergewöhnliche Belastung dar. Dieser, noch in der Erprobungsphase befindlichen, nicht ausgereiften Operations­methode mangelt es an Zwangsläufigkeit.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RI in der Beschwerdesache Bf, Adr., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I.) Verfahrensverlauf

Der Abgabepflichtige beantragte im Zuge seiner Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2017 die Berücksichtigung von € 15.000,00 als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt.

Mit dem Ergänzungsersuchen vom ersuchte die belangte Behörde den Bf ein ausführliches ärztliches Attest vorzulegen, aus welchem hervorgeht warum die durchgeführte Operation nicht in einem österreichischen Krankenhaus durchgeführt werden konnte. Außerdem ersuchte die Abgabenbehörde um eine Aufstellung wie sich die geltend gemachten Kosten zusammensetzen. Der Bf wurde auch gebeten bekanntzugeben, ob er Ersätze durch seine gesetzliche Krankenversicherung erhalten hat.

Der Bf legte im Zuge seiner Beantwortung vom eine Stellungnahme des behandelnden Arztes in Deutschland sowie sämtliche Rechnungen über die Kosten der Behandlung bzw. Operation vor.

Mit dem am erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 erkannte die Abgabenbehörde die geltend gemachten Krankheitskosten in Höhe von € 15.000,00 nicht an. Begründend führte sie aus, dass es an der Zwangsläufigkeit der Kosten mangle. Es könne keine Notwendigkeit der Kosten seitens des Bf nachgewiesen werden.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 erhob der Bf mit Schriftsatz vom Beschwerde und führte unter Anführung mehrerer gerichtlicher Entscheidungen aus, dass die Kosten im Zusammenhang mit seiner Krebsbehandlung außergewöhnlich seien, weil sie höher seien, als die Kosten die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse erwachsen. Die Behandlung sei zwangsläufig, weil sich der Bf dieser Belastungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen könne und sie seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtige.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Als Begründung führte die Abgabenbehörde aus, dass der Einsatz der vom Bf gewählten NanoKnife-Methode nach den vorliegenden Informationen der Abgabenbehörde lediglich in der Erprobungsphase sei und davon auszugehen sei, dass das Verfahren noch nicht ausgereift ist und somit das Vorliegen der medizinischen Notwendigkeit zu verneinen sei. Dies werde auch dadurch unterstützt, als die gesetzliche Krankenkasse sowohl die Kostenübernahme als auch die teilweise Kostenerstattung ausgeschlossen hat.

Mit Schriftsatz vom stellte der Bf einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin führte er aus, dass die Begründung der Abgabenbehörde im Widerspruch zu Lehre und Rechtsprechung stehe, weil heute keine Priorität schulmedizinischer Methoden mehr vertreten werde. Auch Aufwendungen für
Maßnahmen der Alternativmedizin seien daher nicht grundsätzlich von der Anerkennung der damit aufgewandten Kosten als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen.
Wenn eine Studie ruht bedeute das nicht zwingend deren endgültige Einstellung.
Der Bf gibt weiters an, dass grundsätzlich die Kosten der Krankenbehandlung
selbst immer als abzugsfähig angesehen würden, begleitende Kosten wie nicht klar verordnete Therapien oder Medikamente/Nahrungsergänzungsmittel jedoch nicht.

Mit Beschwerdevorlage vom legte das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Stellungnahme vom führte der Bf seinen Standpunkt auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht näher aus. Zusammenfassend brachte der Bf vor, dass er sich deshalb in Deutschland behandeln lassen habe, weil es sich um eine schonendere Behandlung handle, als sie in Österreich möglich sei. Es sei für ihn auch nicht nachvollziehbar, warum die Abgabenbehörde ihre Entscheidung von der Kostenübernahme der Krankenkassen abhängig macht und warum die Kosten einer Krebsoperation offensichtlich dem Abzugsverbot nach § 20 EStG unterliegen, wohingegen Kosten einer Zahnsanierung als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

In der mündlichen Verhandlung am brachte der Bf einen Schriftsatz ein und betonte neuerlich, dass die Behandlung des Karzinoms mit der NanoKnife-Methode durchaus zwangsläufig gewesen sei. Auch aufgrund seiner beruflichen Situation (Forstwirt) sei nur die Behandlung mittels NanoKnife-Methode in Frage gekommen, da dadurch das Auftreten von Harninkontinenz verhindert werden könne. Die Operation sei weiters keine allgemeine Maßnahme der Lebensführung, nur weil die Kosten von der Krankenkasse nicht erstattet würden. Es gäbe Entscheidungen, in denen Kosten einer alternativen Heilmethode als außergewöhnliche Kosten anerkannt wurden, ohne dass auf die Kostenerstattung der Krankenkassen Rücksicht genommen wurde. Es sei nicht Aufgabe der Finanzverwaltung, über die Wirkung medizinisch indizierter Maßnahmen zu entscheiden.

Der Bf brachte weiters vor, dass die Behandlung des Karzinoms mit der NanoKnife-Methode mittlerweile in vielen Ländern - derzeit auch in Österreich - angewandt würde. Als Beweis legte er einen Auszug aus der Homepage des Prostatazentrums Elisabethinen und weiterer Krankenhäuser vor. Die Richterin verkündete den Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.

II.) Sachverhalt

Laut ärztlichem Schreiben ist der Bf an einem Karzinom der Prostata erkrankt, das behandlungsbedürftig war. Um schwerwiegende Nebenwirkungen zu vermeiden, entschied sich dieser dafür, die Behandlung des Karzinoms mit einer NanoKnife-Behandlung durchführen zu lassen. Diese wird in Österreich nicht für das Erkrankungsstadium vom Bf angeboten, weshalb eine Behandlung in Deutschland notwendig war. Die Kosten wurden nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, da es sich um keine anerkannte Operationsmethode in Österreich handelt und sich diese erst in der Erprobungsphase befindet. Seitens des Finanzamtes wurde die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung abgelehnt, da es dem Eingriff an der Zwangsläufigkeit iSd Gesetzes mangelte.

III.)Beweiswürdigung

Der festgestellte schlüssige und der Entscheidung zugrunde zu legende Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Aktes und den durchgeführten Ermittlungen.

IV.) Rechtslage und Erwägungen

1. Rechtsgrundlagen:

§ 34 EStG 1988 Außergewöhnliche Belastung:


Abs. 1: Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.


Abs. 2: Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Abs. 3: Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.


Abs. 4: Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Abs. 6: Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:



- Aufwendungen.....

5.2. Erwägungen:

Grundsätzlich sind Aufwendungen, die durch eine Krankheit verursacht werden, außergewöhnlich und aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Dem Beschwerdeführer wird insoweit beigepflichtet, als bei lebensbedrohenden Krankheiten wie Krebs jedermann versuchen wird, diejenige Behandlung zu wählen, der er am meisten vertraut und die für ihn persönlich den meisten Erfolg verspricht. Davon unabhängig ist jedoch nach Ansicht der Richterin die einkommensteuerliche Seite zu beurteilen.


Der Verwaltungsgerichtshof führt nämlich zum Beispiel im Erkenntnis vom , 2012/15/0136 aus, dass nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung führt. Dies begründet der Gerichtshof damit, dass die Aufwendungen vielmehr zwangsläufig erwachsen müssen, "womit es erforderlich ist, dass die Maßnahme zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/15/0116)".


Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, sind davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann (vgl. ). Auch bloße Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen über medizinische Auswirkungen bilden keine ausreichende Grundlage für den Nachweis der Zwangsläufigkeit eines Aufwandes (vgl. ). Ebensowenig ergibt sich die Zwangsläufigkeit aus allgemeinen Befürchtungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf Inkontinenz als mögliche Nebenwirkung einer klassischen Heilbehandlung bzw. Operation als Kassenleistung.

Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglich machen einer Krankheit dienen, nicht abzugsfähig sind hingegen Aufwendungen für Maßnahmen der Krankheitsprävention oder von Maßnahmen, die der Verbesserung des Allgemeinzustandes oder der Erhaltung der Gesundheit dienen.

Die in § 34 EStG geforderte Zwangsläufigkeit setzt in Bezug auf Krankheits- bzw. Behinderungskosten das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für den betreffenden Aufwand in dem Sinn voraus, dass ohne Anwendung der Maßnahmen ernsthafte gesundheitliche Nachteile eintreten oder sich zumindest abzeichnen. Für Krankheitskosten fordert der VwGH deshalb, dass diese Maßnahmen tatsächlich Erfolg versprechend zur Behandlung oder zumindest zur Linderung einer konkret existenten Krankheit beitragen.

Wie bereits erwähnt ist für Anerkennung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung eine fundamentale Voraussetzung, dass die Kosten zwangsläufig erwachsen sind. Davon wird ausgegangen, wenn deren medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78; Renner, SWK 2011, 28 ff); etwa durch ärztliche Verordnung oder durch Kostenübernahme bzw. Kostenbeteiligung durch die gesetzliche Krankenversicherung.

Im gegenständlichen Fall ist der Auffassung der belangten Behörde zu folgen, dass die im Zusammenhang mit der mit der NanoKnife-Methode durchgeführten Prostataoperation geltend gemachten Kosten in Höhe von 15.000,00 € mangels Zwangsläufigkeit und fehlender medizinischer Notwendigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können.

Wie bereits von der Abgabenbehörde ausgeführt, hat die Operationsmethode, für die sich der Bf entschieden hat, den Vorteil der Organerhaltung und damit einer möglichen Verhinderung des Auftretens von Harninkontinenz. Allerdings befindet sich das Verfahren erst in der Erprobungsphase im Rahmen einer international durchgeführten Studie und kann somit nicht als fundiertes wissenschaftlich anerkanntes Behandlungsverfahren gewertet werden.

Einer noch in der Erprobungsphase befindlichen, nicht ausgereiften Operationsmethode mangelt es an Zwangsläufigkeit (Peyerl in Jakom EStG, 12. Aufl. 2019, § 34, II. ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Rz 90; NanoKnife).

Dies wird auch dadurch bekräftigt, dass die gesetzliche Krankenkasse sowohl die Kostenübernahme als auch die teilweise Kostenerstattung ausdrücklich ausgeschlossen hat.

Das Beschwerdebegehren war somit abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zur Frage von alternativen Operationsmethoden bei Krebserkrankung hat sich das BFG bereits im Erkenntnis RV/5101956/2015 abweisend geäußert, eine Rechtsprechung des VwGH in dieser Frage liegt jedoch nicht vor. Strittig und höchstgerichtlich ungeklärt ist die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen im Zusammenhang mit einer alternativen Operationsmethode in der Erprobungsphase bei Krebserkrankungen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101642.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at