Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.10.2019, RV/7101041/2019

Artikel 68 der VO (EG) Nr. 883/2004 Prioritätsregel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Mag. V J X., Adresse, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , über Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag betreffend die Kinder X. 1., geb. xx, und X. 2., geb. xxx, für den Zeitraum Jänner 2018 bis April 2018 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) Mag. V X., war ab 2004 als Lehrerin beim Landeschulrat Z. beschäftigt.

Das erste Kind, 1., wurde am xx geboren. Die Bf. bezog daraufhin Wochengeld bzw. Kinderbetreuungsgeld vom xx bis xxx. Es wurde eine Karenzvereinbarung nach § 15 MSchG mit dem Landesschulrat bis 03.2017 unterzeichnet.

Vom bis befand sich die Bf. auf Bildungskarenz mit Weiterbildungsgeld.

Am xxx wurde das zweite Kind 2. geboren. Vom bis wurde Wochengeld bezogen. Mit dem Landesschulrat wurde eine neuerliche Karenzvereinbarung nach § 15 Abs. 1 MSchG bis 09.2019 geschlossen.

Laut Auskunft der Sozialversicherung vom bestand bis ein Dienstverhältnis ohne Bezüge. Laut Wiener Gebietskrankenkasse bezog die Bf. bis Wochengeld (Sonderfall).

Aus den von der Wiener Gebietskrankenkasse der belangten Behörde vorgelegten Kontoauszügen des Bankkontos der Bf. geht hervor, dass sich die Bf. in dem streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend in T. aufgehalten hat.

Die Bf. führte weiters aus, dass der Kindesvater seit August 2013 beim XY (XY) in Luxembourg beschäftigt sei und dass er keiner nationalen Besteuerung unterliege, woraus sich keine Zuständigkeit Luxembourgs ergebe.
Er wohne seit 2013 in T..
Laut einem Schreiben (Confirmation of Allowance) vom erhielt der Kindesvater seit Juli 2017 monatlich € 349,23 (child allowance equal) für jedes Kind.
Im strittigen Zeitraum befanden sich die Bf. und die Kinder hauptsächlich an dem Familienwohnsitz in T..

Das Finanzamt erließ am den Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge - Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag - für die beiden Kinder für den Zeitraum Jänner 2018 bis April 2018.

Begründend führte das Finanzamt aus, dass gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 Personen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland haben.
Da sich die Bf. laut den beim Finanzamt aufliegenden Unterlagen nicht dauerhaft in Österreich aufgehalten habe, bestehe kein Anspruch  auf Familienbeihilfe.

Gegen den Rückforderungsbescheid erhob die Bf. Beschwerde und führte wie folgt aus:

"Folgender Sachverhalt hat sich in den letzten Tagen ergeben:
Basierend auf einer Kommunikation der WGKK mit dem Wiener Finanzamt hat selbiges eine Rückforderung der Bezüge per .
Basierend auf telefonischer Auskunft ist dies aufgrund eines Schreibens der WGKK, dass wir nicht bezugsberechtigt sind, passiert. Laut telefonischer Auskunft hat das Finanzamt dazu keine eigenen Untersuchungen angestellt, sondern rein auf Basis des Schreibens der WGKK gehandelt, welche als Hauptgrund wohl die übermittelten Kontoauszüge (vermutlich von Jänner bis April) genannt hat. Vor besagtem Telefonat erfolgte keine direkte Kommunikation unsererseits mit dem Finanzamt, und auch keine Möglichkeit zur Stellungnahme. 
Laut dem erhaltenen Bescheid liegt die Einstellung und Rückforderung der Bezüge darin begründet, dass wir uns nicht dauerhaft in Österreich aufhalten.
Ich gehe davon aus, dass die Behörde vermutet, dass ich mich dauerhaft außerhalb Österreichs aufhalte, was so nicht unbedingt der Wahrheit entspricht.
Im Zuge dieses Schreibens würden wir daher gerne das Rechtsmittel der begründeten Beschwerde gegen den besagten Bescheid des Finanzamtes einbringen und Ihnen unsere detaillierte Sicht des Sachverhaltes zur weiteren Klärung darlegen.
Mein Mann, B. X., arbeitet seit 2013 in Luxemburg, und hat daher eine Mietwohnung in T. - Deutschland (er ist österreichischer Staatsbürger und hat bis 2013 auch in Österreich gelebt und gearbeitet). Es handelt sich beim XY um eine internationale Finanzorganisation (öffentlich, „Auftraggeber" ist die EU). Daher hat mein Mann in keinem Staat alleinig eine Steuerverpflichtung, sondern er entrichtet seine Steuern an den XY, welcher diese an die Länder der Eurogruppe aufteilt. Dementsprechend ist er (und noch viel weniger ich und unsere Kinder) in keiner Weise in Deutschland oder Luxemburg bezugsberechtigt für Familienbeihilfe oder Kindergeld oder andere Sozialversicherungsleistungen wie Krankenversicherung.
Ich selbst übe meinen Beruf seit mehr als 10 Jahren in Schule aus, und daran wird sich nichts ändern. Derzeit bin ich nach der Geburt unseres Sohnes karenziert (bis ), erstelle aber nach wie vor ehrenamtlich den Jahresbericht der Schule (zweimal im Jahr), was meine enge Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz deutlich macht.
Wir haben unsere Eigentumswohnung in Wien, mein Hauptwohnsitz und der unserer Kinder ist in Wien, Freunde und Großeltern leben in Wien bzw. Tulln, unsere Kinder kamen in Wien zur Welt, unsere Ärzte sind in Wien (gerne können wir Dokumentation der letzten Arztbesuche übermitteln), unsere Bank ist in Tulln da mein Mann ursprünglich aus Tulln stammt, und auch mein Mann ist regelmäßig in Wien. Wir beide haben eine Jahreskarte für die Wiener Linien und ich habe eine Jahreskarte für Schönbrunn. Alle wichtigen Ereignisse wie Weihnachten, Ostern, Taufe,... werden in Österreich begangen.
Auch gehe ich derzeit meinem Studium (Darstellende Geometrie LA) an der TU Wien nach, was ich auch durch abgelegte Prüfungen belegen kann.
Alle diese Punkte sprechen meiner Meinung nach bereits deutlich dafür, dass eine starke Verwurzelung in Österreich gegeben ist und meine Lebensinteressen nach wie vor in Österreich liegen.
Logischerweise verbringe ich mit unseren Kindern im Moment auch vermehrt Zeit bei meinem Mann in T., da ich während der Karenz nicht an Arbeitszeiten und Orte gebunden bin. Ich ging und gehe aber davon aus, dass dies im Rahmen des Machbaren sein sollte. Des Weiteren bin ich durchaus der Meinung, dass es im Interesse aller sein muss, dass Vater und Kinder möglichst viel Zeit miteinander verbringen.
Mir ist auch bewusst, dass es sich in unserem Fall gewiss um eine spezielle und nicht ganz eindeutige Situation handelt.
Bis jetzt war ich allerdings immer der Meinung, dass man sich für den Lebensmittelpunkt überwiegend im entsprechenden Land aufhalten muss, sprich mehr als 180 Tage. Ich habe mich nun mit diesem Thema bzw. dem Thema Hauptwohnsitz beschäftigt:
„Der Hauptwohnsitz eines Menschen bezeichnet jenen Ort der Unterkunft, der als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen der Unterkunftnehmerin/des Unterkunftnehmers gilt.
Für die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen eines Menschen sind insbesondere folgende Kriterien maßgebend:
- Aufenthaltsdauer
- Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte
- Wohnsitz der Familienangehörigen (insbesondere von Kindern)"
(Quelle: Help.gv.at)

Und bei all diesen Punkten war ich bis zum Bescheid des Finanzamtes der Meinung, dass diese deutlich mehr auf Österreich als auf Deutschland zutreffen und ich die Familienbeihilfe zu Recht beziehe.
Nun zu den besagten Kontoauszügen von der WGKK:
Ich gehe davon aus, dass die WGKK lediglich die Kontoauszüge von Jänner bis April 2018 übermittelt hat, obwohl sie auch im Besitz der Kontoauszüge von August bis Dezember 2017 ist. Diese sprechen nämlich eine durchaus andere Sprache. Gerne übermittle ich Ihnen diese Kontoauszüge im Anhang. Ich habe mir auch die Mühe gemacht, die Kontoauszüge beginnend mit August 2017 „aufzuschlüsseln" (mir wurde telefonisch mitgeteilt, dass eine Prüfung der Monate August bis Dezember auch „in Auftrag" gegeben wurde), wo ein Aufenthalt in Österreich nachweislich stattgefunden hat:

- Aufenthalt in Österreich 100 Tage
- 38 Tage in D
(ich glaube, es ist einer jungen Mutter, die per Kaiserschnitt entbunden hat, und auch ihren Kindern nur bedingt zumutbar, dass sie mit zwei Kindern getrennt vom Kindesvater zu Hause ist oder wöchentlich hin und her reist)
-: 23 Tage in Ö
- : 33 Tage in D
- : 11 Tage in Ö
- : 21 Tage in D
- : 11 Tage in Ö
-: 14 Tage in D
Für diesen Zeitraum: 145 Tage nachweislich in Österreich, 106 Tage nicht.

Im Mai werde ich durchgehend in Deutschland sein, da wir mehrere Urlaube geplant
haben (Anfang Mai - Radtour an der Mosel, Mitte Mai - Barcelona, da mein Mann geschäftlich dort ist, Ende Mai Urlaub in Frankreich). Dass in diesem Zeitraum ein Hin-und-her-Fahren von Deutschland nach Wien den Kindern nicht wirklich zumutbar ist, ist glaube ich nachvollziehbar.
Des Weiteren möchte ich hier eine kurze Stellungnahme abgeben, wieso sich meine
Aufenthaltsdauer in Deutschland seit Weihnachten deutlich erhöht hat (insbesondere im März und April - Jänner und Februar hält sich der Aufenthalt meines Erachtens die Waage):
Am 24. Dezember erfuhren wir von meinen Schwiegereltern (wohnen in der Nähe von Tulln), dass mein Schwiegervater Bauchspeicheldrüsenkrebs hat, was sich bei einer  Routineuntersuchung bei der Bestrahlung seines Prostatakrebses herausstellte (diese war zwar zeitintensiv aber sonst nicht wirklich an die Substanz gehend). Ihm wurde zwischenzeitlich sogar eine Lebenserwartung von 3 bis 6 Monaten eröffnet. Er startete gleich nach den Feiertagen seine Chemotherapie, bei der er nun auch zwei Tage die Woche im Krankenhaus ist. Bei unseren Aufenthalten im Jänner und Februar stellten wir fest, dass ihn und auch meine Schwiegermutter diese Chemo physisch und psychisch doch deutlich mehr belastet, als sie zugeben möchten. Um meinen Schwiegereltern nun die Chance zu geben, sich vor allem auf sich konzentrieren zu können - so gern sie ihre Enkelkinder haben, zwei kleine Kids sind nun mal fordernd und bringen den Alltag völlig durcheinander - haben mein Mann und ich uns entschlossen, meinen Aufenthalt in Wien zunächst zu reduzieren, da ich sehr wohl auf die Hilfe meiner Schwiegermutter  angewiesen bin.

Die Urlaube im Mai und Juni (und damit ein Aufenthalt außerhalb von Österreich) waren zu dieser Zeit schon geplant.
Erfreulicherweise scheint die Chemo durchaus zu greifen und wir sind vorsichtig optimistisch, dass sich die Situation bei meinen Schwiegereltern wieder etwas entspannt und wir sie wieder öfter besuchen können.
Nach jetziger Sicht werde ich den Juli größtenteils und August sowie September teilweise in Österreich verbringen. Im September findet die Taufe unseres Sohnes 2. in Wien statt.
Zu guter Letzt möchte ich noch anmerken, dass wir fest entschlossen sind, spätestens zum Schuleintritt unserer Tochter 1. (also 2021) BEIDE wieder nach Österreich zu ziehen. Die Arbeit meines Mannes in Luxemburg und der damit verbundene Aufenthalt in T. sind daher definitiv temporär.
Im Wesentlichen stellt sich mir die Frage, wie das Finanzamt die Aufenthaltsdauer beurteilt - monatsweise oder jährlich. Von der WGKK habe ich erfahren, dass sich diese tatsächlich jeden Monat neu entscheidet, ob ein Kinderbetreuungsgeld bezahlt wird oder nicht - sprich es werden jeden Monat die nachweislichen Tage in Österreich gezählt. Ich vermute allerdings, dass diese Vorgehensweise bei der Familienbeihilfe nicht so praktikabel ist. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn das Finanzamt entscheidet, dass ich - trotz wiederkehrender Aufenthalte in Deutschland - meine Lebensinteressen in Österreich habe, und somit auch einen rechtmäßigen Anspruch auf Familienbeihilfe (welche ja auch für das Kinderbetreuungsgeld wesentlich ist).
Sollten sich in unserer Lebenssituation Änderungen ergeben (tatsächliche vorübergehende Verlegung des Wohnsitzes nach Deutschland, vorübergehende Arbeitsaufnahme in Deutschland meinerseits,...) werden wir das Finanzamt selbstverständlich darüber in Kenntnis setzen."

Die Bf. legte die Kontoauszüge August 2017 bis Dezember 2017 vor.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und führt begründend aus, dass die Familienbeihilfe für den gegenständlichen Zeitraum Jänner 2018 bis April 2018 aberkannt worden sei, weil sich die Bf. mit den Kindern nicht dauerhaft in Österreich aufgehalten habe und führt weiters aus:

"Gemäß § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Artikel 11 Allgemeine Regelung
(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

Artikel 68 Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu
gewähren, so gilt folgende Rangfolge:
- an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche,
- darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und
- schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung.
ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzelten;
iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangigen Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Würdigung:
Aufgrund der Aktenlage und Ihren Ausführungen in der Beschwerde wird festgestellt, dass Sie sich mit dem Kind im Zeitraum Jänner bis April 2018 nicht überwiegend in Österreich aufgehalten haben. Es besteht daher für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Zur Auszahlung der Familienbeihilfe ist ausschließlich das EU-Land verpflichtet in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Sie sind in Österreich nicht beschäftigt bzw. sozialversichert und der Kindesvater ebenfalls nicht.

Art. 68 Abs. 2 der Verordnung (EG) ist ebenfalls nicht anwendbar, da Personen nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegen können und somit auch keine Zahlung des Unterschiedsbetrages möglich ist. Dies wäre in Ihrem Fall nur möglich, wenn es zwei Beschäftigungsstaaten gibt. (z.b. Beschäftigung Kindesvater im EU-Ausland und Sie Beschäftigung in Österreich)."

Die Bf. stellte den Antrag die Beschwerde dem BFG vorzulegen und führte aus:

"Hiermit möchte ich nochmal kurz die Fakten unseres Falles zusammenfassen:
- Mein Mann arbeitet beim XY, einer internationalen, überstaatlichen Finanzorganisation (öffentlich, Auftraggeber ist die Eurogruppe), deren Sitz in Luxemburg ist.
Er wohnt in Deutschland (T.).
Er ist weder in Deutschland noch in Luxemburg bezugsberechtigt für irgendwelche Sozialversicherungsleistungen, das heißt kein Staat ist für ihn „zuständig".

- Ich habe mit dem Landesschulrat Z. ein aufrechtes Dienstverhältnis, wenn auch derzeit karenziert (bis ). Ich habe einen unbefristeten Vertrag. Diese Information habe ich auch bereits bei meiner Beschwerde eingebracht. Ich bin also in Österreich beschäftigt.

Vor meiner Karenz bezog ich Weiterbildungsgeld vom AMS, welches nach meiner Information mit Arbeitslosengeld gleichzusetzen ist. Der Bezug von Arbeitslosengeld ist laut Internet grundsätzlich einer Beschäftigung gleichgestellt.

- Meine Kinder und ich sind erst seit xxx in T. (Deutschland) gemeldet. Ich gehe in Deutschland keiner Beschäftigung nach.
Laut dem Bundesministerium ist in grenzüberschreitenden Fällen zu prüfen, unter welche Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit Mutter und Vater fallen.
Der Punkt ist nun, dass genau das bis dato anscheinend bei mir (Mutter) noch nicht erfolgt ist. 
Ihrem Schreiben entnehme ich, dass laut Artikel 68 folgende Prioritätenregeln gelten:
An erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung ausgelösten Ansprüche.
Auf Seite 3 führen Sie an, dass weder ich noch mein Mann in Österreich beschäftigt sind. Dies ist jedoch nicht korrekt, da ich in Österreich beschäftigt bin und aus der Beschäftigung meines Mannes heraus keine Ansprüche entstehen. Das heißt, es gibt laut meinem Verständnis auch nur einen zuständigen Mitgliedsstaat, nämlich Österreich, der aus diesem Grund eine Leistung gewähren muss.
Erst dann folgen die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
Demnach müsste sich eine Zuständigkeit Österreichs ergeben. Deutschland wäre erst zweitrangig zuständig."

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und führte in der Stellungnahme aus:

"VO (EG) 883/2004:
Gemäß Art. 1 der in Geltung stehenden VO (EG) 883/2004 bezeichnet der Ausdruck "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt.
Gemäß Art. 11 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel. Abs. 2 leg. cit. legt fest: "Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben."

Der Bezug einer Geldleistung auf Grund oder infolge einer Beschäftigung gilt als Ausübung der Beschäftigung, somit als einer Beschäftigung gleichgestellte Situation (Art. 11 Abs. 2). Dazu gehören etwa der Bezug von Krankengeld, Wochengeld und anderen Leistungen, die aus einer unselbständigen Tätigkeit gebühren. Nicht darunter fallen freiwillige Versicherungen, Familienbeihilfen- oder Kinderbetreuungsgeldbezug sowie Sozialhilfebezug. Der Bezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Weiterbildungsgeld) ist im Bereich des anwendbaren Rechts (Art. 11) einer Beschäftigung gleichgestellt, aber es bestehen dort Sonderregelungen.

Unter Karenz versteht man die arbeitsrechtliche Freistellung von der Arbeitsleistung anlässlich der Geburt eines Kindes gegen Entfall der Bezüge ohne Sozialversicherung. Die österreichische gesetzliche Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz ist der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt. Diese endet spätestens am 2. Geburtstag des Kindes.
Vereinbarungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer über zusätzliche Freistellungen, die über die Dauer der gesetzlichen Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz (bis maximal zum 2. Geburtstag) hinausgehen, sind Sonderurlaube, die nicht unter die Gleichstellung mit der Ausübung einer Beschäftigung fallen (vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Durchführungsrichtlinien zum FLAG 1967).

Das Wochengeld für das Kind 2. wurde aufgrund des Weiterbildungsgeld bezogen und somit wurde keine sechs Monate vor Beginn des Mutterschutzes eine tatsächliche Erwerbstätigkeit ausgeübt.
In Fällen, in denen das zweite Kind nach Ende der gesetzlichen Karenz des ersten Kindes geboren wird, d.h. es liegt zum Zeitpunkt der Geburt des zweiten Kindes lediglich eine freiwillige Verlängerung der Karenzzeit vor, besteht ein Anspruch auf Differenzzahlung ausschließlich für Zeiten, in denen tatsächlich Wochengeld gewährt wird (siehe RV/7103308-2017; Mail Mag. Reiter/BKA).

Der Differenzzahlungsanspruch entstand aufgrund Weiterbildungsgeldes und Wochengeldbezuges.
Danach wurde keine Geldleistung aufgrund oder infolge einer Beschäftigung bezogen und es ist auch keine gleichgestellte Situation ersichtlich.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich die alleinige Zuständigkeit des Wohnortstaates Deutschland. Es wird beantragt die Beschwerde abzuweisen."

Die in der Stellungnahme der Bf gegen die Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht des Finanzamtes angeführte Frage, ob Bildungskarenz als Arbeitslosigkeit gilt oder nicht, oder ob nur das Weiterbildungsgeld vom AMS gezahlt wird, führte die Bf. aus, dass sie dies nicht beurteilen könne,
wird vom Finanzamt in einer Gegenäußerung unter Anführung des Art 11 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/2004 mit Hinweis auf das Erkenntnis des ua. wie folgt erläutert:

"Unter Karenz versteht man die arbeitsrechtliche Freistellung von der Arbeitsleistung anlässlich der Geburt eines Kindes gegen Entfall der Bezüge ohne Sozialversicherung. Die österreichische gesetzliche Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz ist der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt.

Vereinbarungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer über zusätzliche Freistellungen, die über die Dauer der gesetzlichen Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz (bis maximal zum 2. Geburtstag) hinausgehen, sind Sonderurlaube, die nicht unter die Gleichstellung mit der Ausübung einer Beschäftigung fallen (vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Durchführungsrichtlinien zum FLAG 1967, BGBl. Nr. 376/1967 idF BGBl. Nr. 131/2008, 4.1.1.1., 4.1.2.).

Da im vereinbarten Karenzurlaub kein Entgelt bezogen wird und auch keine Ersatzleistung aufgrund der nichtselbständigen Tätigkeit bezogen wird, liegt, nach Ansicht der belangten Behörde, im streitgegenständlichen Zeitraum keine Beschäftigung im Sinne der VO (EG) 883/2004 vor."

Die Stellungnahme des Finanzamtes zu den Ausführungen der Bf. wurde der Bf. mit Beschluss zu Kenntnis gebracht und dem Auftrag  binnen vier Wochen Frist ab Zustellung des Beschlusses zu den Ausführungen des Finanzamtes Stellung zu nehmen, wurde nicht nachgekommen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt steht fest:

Die Bf. war seit 2004 als Lehrerin beim Landeschulrat Z. beschäftigt.

Das erste Kind, 1., wurde am xx geboren. Die Bf. bezog daraufhin Wochengeld bzw. Kinderbetreuungsgeld vom xx bis xxx. Es wurde eine Karenzvereinbarung nach § 15 MSchG mit dem Landesschulrat bis 03.2017 unterzeichnet.

Vom bis befand sich die Bf. auf Bildungskarenz mit Weiterbildungsgeld.

Am xxx wurde das zweite Kind 2. geboren. Vom bis wurde Wochengeld bezogen. Mit dem Landesschulrat wurde eine neuerliche Karenzvereinbarung nach § 15 Abs. 1 MSchG bis 09.2019 geschlossen.

Laut Sozialversicherungsauszug vom bezog die Bf. vom - Weiterbildungsgeld nach dem ALVG 1977, vom bis xx war die Bf. beim Landesschulrat für Z. angestellt, vom  bis bestand ein Dienstverhältnis ohne Bezüge, vom bis bezog die Bf. Wochengeld (Sonderfall). Ab ist die Bf. nicht mehr versichert.

Laut Behördenanfrage sind die Bf. und ihre beiden Kinder mit ihrem Hauptwohnsitz in Wien gemeldet.

Der Kindesvater ist seit 2013 beim XY (XY) in Luxembourg beschäftigt. Er unterliegt keiner nationalen Besteuerung und laut Bf. auch keiner nationalen Sozialversicherung, woraus sich keine Zuständigkeit Luxembourgs ergibt.
Er wohnt in T. in einer Mietwohnung.

Laut dem Schreiben vom erhält ihr Gatte von der XY ab eine monatliche Beihilfe für jedes Kind in Höhe von € 349,23.

Der Aufstellung in der Beschwerde folgend hielt sich die Bf. (mit den Kindern) in den streitgegenständlichen Monaten - Jänner 2018 bis April 2018 - überwiegend bei ihrem Gatten in T. auf. Auch in den anschließenden Monaten Mai und Juni 2018 hielten sich die Bf. und die Kinder durchgehend in Deutschland auf.

Aus den vorliegenden Kontoauszügen ist erkennbar, dass sich die Bf. in den Monaten Jänner bis April 2018 überwiegend in T. aufgehalten hat.

In T. übt die Bf. keine Tätigkeit aus.

Mit dem am eingebrachten Schreiben gab die Bf. bekannt, dass sich in den letzten Wochen abgezeichnet habe, dass ihr Lebensmittelpunkt für die nächsten drei Jahre in T. sein werde.

Die Bf. legte die Meldebestätigung vom über die neue Wohnung in T. vor.

Beweiswürdigung

Strittig ist, ob die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag von der Bf. für die Monate Jänner 2018 bis April 2018 zu Recht rückgefordert wurde.

Rechtliche Erwägungen:

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in § 2 Abs. 1 FLAG 1967 genanntes Kind hat nach § 2 Abs. 2 leg. cit. die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem ein Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Gemäß § 10 Abs. 4 FLAG 1967 gebührt die Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.

Wie der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum FB zusteht, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten (…) Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die FB ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des FB-Anspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (; ).

Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 hat, wer zu Unrecht Familienbeihilfe bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. 

Die Bf., ihre beiden Kinder und der Kindesvater sind österreichische Staatsbürger.

Der Kindesvater ist seit 2013 beim XY (XY) in Luxembourg beschäftigt. Er unterliegt keiner nationalen Besteuerung und laut Bf. auch keiner nationalen Sozialversicherung, woraus sich keine Zuständigkeit Luxembourgs ergibt.
Er wohnt in T. in einer Mietwohnung.

Laut dem Schreiben vom erhält ihr Gatte von der XY ab eine monatliche Beihilfe für jedes Kind in Höhe von € 349,23.

Die Bf. bezog im streitgegenständlichen Zeitraum keine Geldleistung auf Grund oder infolge einer Beschäftigung aus Österreich. Sie war bis sozialversichert.

Die Bf. und die Kinder wohnen mit dem Kindesvater in den streitgegenständlichen Monaten in T. in einem Haushalt.

Aufgrund der Bestimmungen des Art. 2 der VO (EG) 883/2004 liegt demnach für das anhängige Verfahren ein persönlicher Anwendungsfall dieser unionsrechtlichen Regelung vor.

Bei gemeinschaftsrechtlichen Sachverhalten werden die innerstaatlichen Normen durch die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen überlagert. Die für den Bereich der Familienbeihilfe anzuwendende VO (EG) 883/2004 hat allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat ("Durchgriffswirkung"). Die Verordnung geht dem nationalen Recht in ihrer Anwendung vor ("Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes").

Die Freizügigkeit von Personen stellt eine der Grundfreiheiten im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dar (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 43). Im Zusammenhang mit der Freizügigkeit von Personen steht die Unionsgesetzgebung zur sozialen Sicherheit, getragen von dem Gedanken, dass Personen, die in einem Mitgliedstaat wohnen und in einem anderen arbeiten, dadurch keine Nachteile erleiden sollen.

Familienleistungen, und damit insbesondere Familienbeihilfen, sind unionsrechtlich dem Bereich der sozialen Sicherheit zugeordnet.

Die VO (EG) Nr. 883/2004 ist vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit erlassen worden und gelangt grundsätzlich in Österreich zur Anwendung. Als Kernleistung ist in dieser VO (EG) die Familienbeihilfe vereinbart worden.

Die VO (EG) Nr. 883/2004 knüpft an die Ausübung einer Beschäftigung. Darunter ist eine rechtmäßige, erlaubte Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt zu verstehen. Nach nationalem, österreichischem Recht erfüllen alle beschäftigten ASVG-Versicherten über der Geringfügigkeitsgrenze das Begriffserfordernis.

Gemäß Art. 1 der in Geltung stehenden VO (EG) bezeichnet der Ausdruck "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt (vgl. ).

Gemäß Art. 11 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel. Abs. 2 leg. cit. legt fest: "Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben." 

Der Bezug einer Geldleistung auf Grund oder infolge einer Beschäftigung gilt als Ausübung der Beschäftigung, somit als einer Beschäftigung gleichgestellte Situation (Art. 11 Abs. 2). Dazu gehören etwa der Bezug von Krankengeld, Wochengeld und anderen Leistungen, die aus einer unselbständigen Tätigkeit gebühren. Nicht darunter fallen freiwillige Versicherungen, Familienbeihilfen- oder Kinderbetreuungsgeldbezug sowie Sozialhilfebezug. Der Bezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Weiterbildungsgeld) ist im Bereich des anwendbaren Rechts (Art. 11) einer Beschäftigung gleichgestellt, aber es bestehen dort Sonderregelungen.

Unter Karenz versteht man die arbeitsrechtliche Freistellung von der Arbeitsleistung anlässlich der Geburt eines Kindes gegen Entfall der Bezüge ohne Sozialversicherung. Die österreichische gesetzliche Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz ist der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt.

Vereinbarungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer über zusätzliche Freistellungen, die über die Dauer der gesetzlichen Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz (bis maximal zum 2. Geburtstag) hinausgehen, sind Sonderurlaube, die nicht unter die Gleichstellung mit der Ausübung einer Beschäftigung fallen (vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Durchführungsrichtlinien zum FLAG 1967, BGBl. Nr. 376/1967 idF BGBl. Nr. 131/2008, 4.1.1.1., 4.1.1.2.).

Im gegenständlichen Fall bezog die Bf. laut Auskunft der Sozialversicherung vom von bis Weiterbildungsgeld nach ALVG 1977 aus der Arbeitslosenversicherung und vom bis Wochengeld.

Ihr Mann bezieht Einkünfte für seine Tätigkeit in Luxembourg beim XY, einer internationalen Finanzorganisation und entrichtet seine Steuern an den XY.
Er erhält von der XY ab eine monatliche Beihilfe für jedes Kind in Höhe von € 349,23.

Für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen hat die VO (EG) im Art. 68 festgelegt:
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: An erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche,.............
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung ......

Der Beschluss Nr. F1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit vom zur Auslegung des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Prioritätsregeln beim Zusammentreffen von Familienleistungen, 2010/C 106/04, lautet:

1. Für die Zwecke des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gelten Ansprüche auf Familienleistungen insbesondere dann als „durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst“, wenn sie erworben wurden
a) aufgrund einer tatsächlichen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit oder auch
b) während Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer solchen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit
i) wegen Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Arbeitslosigkeit, solange Arbeitsentgelt oder andere Leistungen als Renten in Zusammenhang mit diesen Versicherungsfällen zu zahlen sind, oder
ii) durch bezahlten Urlaub, Streik oder Aussperrung oder
iii) durch unbezahlten Urlaub zum Zweck der Kindererziehung, solange dieser Urlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist.

2. Dieser Beschluss wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Er gilt ab dem Datum des Inkrafttretens der Verordnung (EG) Nr. 987/2009.

Die Bf. vermeint, dass ihr Anspruch auf Familienbeihilfe für die Kinder aufgrund der (vertraglich vereinbarten) Karenz sowie Mutterschutzes zustehen.

Bis zum 2. Geburtstag ihres 1. Kindes xx hat die Bf. eine Karenzvereinbarung mit ihrem Dienstgeber getroffen. Vom bis befand sich die Bf. in Bildungskarenz mit Weiterbildungsgeld. Ab bis wurde Wochengeld bezogen.

Mit dem Dienstgeber wurde eine neuerliche Karenzvereinbarung nach § 15 Abs. 1 MSchG bis 09.2019 abgeschlossen.

Sie hat mit ihrem Dienstgeber eine freiwillige Vereinbarung getroffen, bezog allerdings kein Geld.
Laut dem Auszug der Sozialversicherung ist die Bf. bis versichert.

Sachlich sind Familienleistungen – unter diesen sind alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten anzusehen (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe j) von der vorgenannten VO erfasst.

Die Bf. beantragte die Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner 2018 bis April 2018 und begründete ihren Anspruch auf Familienbeihilfe mit der freiwilligen Verlängerung der Karenz. Sie habe mit ihrem Arbeitgeber den Karenzurlaub 09.2019 vereinbart.

Freistellungen – wie sie im Beschwerdefall vorlagen – die über eine Dauer der gesetzlichen Karenz nach dem Mutterschutzgesetz hinausgehen, stellen jedoch keine der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellte Situation dar und gewähren keinen Anspruch auf Familienleistungen. 

Da die Bf. in dem Zeitraum Jänner 2018-April 2018 keine Geldleistung iS der VO (EG) 883/2004 bezog, steht der Bf. Familienbeihilfe nicht mehr zu, weil keine Geldleistung (Wochengeld) aufgrund oder infolge einer Beschäftigung bezogen wurde. Ab Jänner 2018 lag somit keine einer Beschäftigung mehr gleichgestellte Situation iS des Art. 1 lit. a VO (EG) 883/2004 vor.  

Wenn die Bf. auch hier auf die freiwillige Karenzvereinbarung von bis 09/2019 hinweist, ist  diese Vereinbarung als Sonderurlaub zu qualifizieren, die nicht der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt ist und somit einen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht einräumt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision ist im gegenständlichen Fall unzulässig, weil keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr liegt der gegenständlichen Entscheidung im Wesentlichen die Feststellung eines Sachverhaltes zugrunde, wobei die hier maßgebende Rechtsfrage, nämlich ob hier ausschließlich die Differenzzahlungen aufgrund vereinbarter Karenz zu leisten sind, eindeutig durch den Wortlaut des Artikel 1 lit a, Artikel 11 Abs. 2 und Artikel 68 VO (EG) 883/2004 und dem Beschluss F1 der Verwaltungskommission geregelt ist. Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG sind demnach nicht erfüllt.

Wien, am

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