Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.01.2020, RV/1200045/2019

Antrag auf Erstattung von Abgaben nach Art. 117 UZK;

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0055. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss zur Zahl RV/1200051/2020 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache A., vertreten durch RA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Feldkirch Wolfurt vom , Zahl *, betreffend Zurückweisung eines Erstattungsantrages nach Art. 117 UZK zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom wurde der auf Art. 117 UZK gestützte Antrag auf Erstattung der mit Bescheid vom zu GZ ** vorgeschriebenen Eingangsabgaben iHv. € 8.816,00 gestellt. Unter einem beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer (Bf.) die Verlängerung der Eingabefrist mit der Begründung, die mit mehr als drei Jahren überlange Dauer des Beschwerdeverfahrens falle nicht in seinen Verantwortungsbereich.

Mit Bescheid vom , Zahl *, wies das Zollamt Feldkirch Wolfurt den Antrag auf Erstattung als verspätet eingebracht zurück. Gemäß Art. 221 Abs. 1 lit. a UZK könne dieser Antrag nur innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach Mitteilung der Zollschuld eingebracht werden. Ein unvorhersehbares Ereignis, das den Antragsteller an der Einhaltung der Frist gehindert habe, liege nicht vor; ebenso wenig höhere Gewalt.
Dass das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Abgabenvorschreibung unangemessen lange gedauert habe sei kein unvorhersehbares Ereignis.

In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde brachte der Bf. vor, in der mündlichen Verhandlung (betreffend Abgabenvorschreibung) vor dem Bundesfinanzgericht am habe der Vertreter des Zollamtes während bzw. nach der Verhandlung erörtert, dass die Überschreitung der 3-Jahresfrist nach Art. 121 Abs. 1 lit. a UZK im Rahmen eines Antrages mit der überlangen Verfahrensdauer im Beschwerdeverfahren begründet werden solle. Dies sei bereits als positive Fristverlängerungsentscheidung des zuständigen Sachbearbeiters zu sehen, zumindest liege darin eine verbindliche Erklärung, einen Antrag auf Fristverlängerung positiv zu entscheiden. Für mündliche Bescheide seien keine Formerfordernisse vorgesehen.
Das Beschwerdeverfahren habe bereits länger als 3 Jahre gedauert und sei deshalb bereits die 3 Jahresfrist, innerhalb der Anträge nach Art. 117 UZK gestellt werden können, überschritten. Dies sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen.
Bereits aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis könne von einem Antragsteller nicht verlangt werden, dass ein Beschwerdeverfahren und ein Erlass- bzw. Erstattungsverfahren gemäß Art. 117 UZK parallel geführt werden müsse. Die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung legen daher vor.
Da das Zollamt über den Fristverlängerungsantrag nicht entschieden habe, sei es unzulässig, den Antrag auf Erstattung als verspätet eingebracht zurückzuweisen.
Weiters habe er bereits im Rechtsmittel gegen die Abgabenvorschreibung (und somit innerhalb der 3-Jahresfrist) implizit einen Eventualantrag auf Erstattung bzw. auf Erlass gestellt. Die falsche bzw. mehrdeutige Bezeichnung eines Rechtsmittels sei nicht schädlich. Bereits unter Pkt. III der Beschwerde vom habe er entsprechende Anträge gestellt.
Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Grundlagenbescheides seien gegeben. Beim Fahrzeug handle es sich um eine Gemeinschaftsware, die von Italien über die Schweiz und unmittelbar danach wieder nach Österreich gebracht worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl **, wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Art. 121 UZK sehe eine dreijährige Frist zur Antragstellung auf Erstattung von Eingangsabgaben vor. Da die Mitteilung der Zollschuld nachweislich bereits am erfolgte, sei diese Frist im Zeitpunkt des Einlangens des Erstattungsantrages am bereits verstrichen gewesen. Entgegen der Ansicht des Bf. liege eine positive Fristverlängerungsentscheidung durch den Vorstand des Zollamtes nicht vor.
Es liege auch kein unvorhersehbares Ereignis oder höhere Gewalt vor, das den Bf. an der fristgerechten Einbringung des Erstattungsantrages gehindert habe. Die lange Dauer des Beschwerdeverfahrens stelle kein solches Ereignis dar, da er innerhalb der Frist des Art. 116 ff. UZK (ehemals Art. 235 ff. ZK) einen Antrag stellen hätte können.
Der Bf. habe keinen Fristverlängerungsantrag im Sinne des Art. 121 UZK eingebracht, auch wenn er der Ansicht sei, dass zeitgleich mit der Beschwerde vom ein (Eventual-)Antrag auf Erstattung gestellt worden sei.

Dagegen brachte der Bf. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein.


Erwägungen:

Zunächst ist festzuhalten, dass nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts das Erstattungs- und Erlassrecht nach den Vorschriften des Zollkodex zu beurteilen ist. Auch wenn der Unionszollkodex UZK mit Wirkung vollständig in Kraft getreten und zeitgleich die Verordnung (EWG) Nr. 2931/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften aufgehoben wurde, finden auf den vorliegenden Rechtsstreit die Art. 236 und 239 ZK sowie die entsprechenden Vorschriften der ZK-DVO Anwendung.

Wie der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom , VII B 165/16 (zu Finanzgericht Hamburg, 4 K 160/14 vom ) ausgeführt hat, ist die ständige Rechtsprechung des Gerichthofs der Europäischen Union (EuGH) zu berücksichtigen, wonach Verfahrensvorschriften im Allgemeinen auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind, während materiell-rechtliche Vorschriften gewöhnlich so ausgelegt werden, dass sie grundsätzlich nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten (EuGH-Urteile Molenbergnatie vom C-201/04, EU:C:2006:136, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2006, 161; De Haan vom C-61/98, EU:C:1999:393, ZfZ 1999, 371).

11 Wie der EuGH weiterhin entschieden hat, verbietet es der Grundsatz der Rechtssicherheit im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Gemeinschaft auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen; dies kann aber ausnahmsweise dann anders sein, wenn ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist oder wenn aus Wortlaut, Zweck oder Aufbau der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (EuGH-Urteil Mitsui & Co. Deutschland vom C-256/07, EU:C:2009:167, ZfZ 2009, 101, Rz 32, m.w.N.).

12 b) Bei den hier entscheidungserheblichen Regelungen bezüglich der Erstattung von Einfuhrabgaben handelt es sich um Vorschriften des materiellen Rechts (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 19/00, BFH/NV 2001, 945). Dies gilt sowohl hinsichtlich Art. 236 und Art. 239 ZK, die das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, als auch hinsichtlich Art. 116 Abs. 1 UZK, den die Klägerin angewandt wissen will und in den die Erlass- bzw. Erstattungsvorschriften der Art. 236 und 239 ZK ohne grundsätzliche Änderungen übernommen wurden. Soweit die Vorschriften über die Erstattung von Einfuhrabgaben auch Verfahrensvorschriften beinhalten, sind diese vorliegend nicht entscheidungserheblich. Vielmehr streiten die Beteiligten über die Frage, ob ein Grund für die Erstattung der Einfuhrabgaben vorliegt.

13 Aus dem von der Klägerin angeführten Urteil des EuG Kaufring u.a. vom T-186/97 u.a. (EU:T:2001:133, ZfZ 2001, 229) ergibt sich nicht, dass es sich bei den Vorschriften über Erlass und Erstattung ausschließlich um Verfahrensvorschriften handelt, die rückwirkend angewandt werden können. Vielmehr unterscheidet das EuG zwischen den materiell-rechtlichen Regelungen der Erlassvorschriften, wie z.B. das Vorliegen eines besonderen Umstandes, und den Verfahrensvorschriften, wie z.B. die Antragstellung und eine Vorlage des Erlassantrags an die Europäische Kommission.

14 Da sich die Erlass- bzw. Erstattungsvorschriften im UZK gegenüber dem ZK nicht grundlegend geändert haben, hat die dargestellte Rechtsprechung weiterhin Gültigkeit (vgl. zur Einführung des Art. 239 ZK EuGH-Urteil Söhl & Söhlke vom C-48/98, EU:C:1999:548, ZfZ 2000, 12).

In der Sache ist auszuführen:

Der Einwand des Bf., das Zollamt hätte, da es über seinen Antrag auf Fristverlängerung nicht abgesprochen habe, den Antrag nach Art. 117 UZK nicht als verspätet zurückweisen dürfen, ist berechtigt.

In der Beschwerdevorentscheidung hat das Zollamt aktenwidrig angenommen, der Bf. habe nie einen Fristverlängerungsantrag gestellt.
Hiebei übersieht es, dass der Bf. in seinem Antrag auf Erstattung der Abgaben nach Art. 117 UZK vom ausgeführt hat:

"Der Antragsteller beantragt, gemäß Art. 117 Zollkodex der Unionsverordnung (EU Nr. 952/2013) die Erstattung bzw. Erlassung der Einfuhrabgabenbeträge des obgenannten Bescheides vom samt Erlassung eines entsprechenden Grundlagenbescheides.

Die entsprechende Verlängerung der Eingabefrist wird gleichzeitig beantragt."

Bevor die Behörde daher über einen (außerhalb der Antragsfrist eingebrachten) Erstattungsantrag entscheiden kann, muss sie zuerst über den Antrag auf Fristverlängerung zur Einbringung eines Antrags auf Erstattung in erster Instanz entscheiden.
Gelangt das Zollamt zur Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung nicht vorliegen, ist dieser Antrag als unbegründet abzuweisen. Erst dann kann das Zollamt über den Antrag auf Erstattung entscheiden bzw. diesen als verspätet eingebracht zurückweisen ().

Der Beschwerde war daher Folge zu geben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung orientiert sich an der Rechtsprechung der Höchstgerichte und weicht von deren als einheitlich zu bezeichnender Rechtsansicht nicht ab, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 117 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1200045.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at