Säumnisbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.01.2020, RS/5100016/2019

Keine Änderung gemäß § 295 BAO wegen Verjährung

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0037. Mit Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RS/5100002/2022 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Helmut Mittermayr in der Beschwerdesache BF, vertreten durch STB , wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck, betreffend Körperschaftsteuerbescheid 2010 zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden abgekürzt: Bf) hat mit Beschwerde vom (eingelangt am ) gemäß § 284 Abs. 1 BAO Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck betreffend den Körperschaftsteuerbescheid 2010 erhoben.

Darin wird vom Steuerberater ausgeführt:

"Im am ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2010 der Mandantschaft wurde eine steuerliche Tangente der HH GmbH & atypisch still (St.Nr.: ZL beim Finanzamt Gmunden Vöcklabruck = säumige Behörde gem. § 285 Abs. 1 lit. a BAO) in Höhe von Null berücksichtigt, und es ergaben sich daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ein Einkommen der Bf für das Jahr 2010 in Höhe von Null.
Auf Grund des am ergangenen Feststellungsbescheides der HH GmbH & atypisch still entfällt jedoch auf unsere Mandantschaft eine negative Tangente in Höhe von minus EUR 548.025,81 und demnach erzielt die Bf im Jahr 2010 negative Einkünfte in Höhe von minus 548.025,81 (und nicht von Null). Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. das Einkommen der Bf im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2010 muss daher mit EUR -548.025,81 festgesetzt werden.
Auf Grund des am ergangenen Feststellungsbescheides der HH GmbH & atypisch still hätte die Behörde gemäß § 295 Abs. 1 BAO von Amts wegen einen neuen Körperschaftsteuerbescheid 2010 für unsere Mandantschaft erlassen müssen. § 295 Abs. 1 BAO lautet:

"Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Änderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist."

Im gegenständlichen Fall ist der Feststellungsbescheid nach dem Körperschaftsteuerbescheid ergangen (der Körperschaftsteuerbescheid erging am , der Feststellungsbescheid knapp ein Monat später am ), sodass die Abänderung nach § 295 BAO zwingend vorzunehmen ist (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 295 Rz. 3).

§ 295 Abs 1 letzter Satz BAO zufolge kann mit der Änderung oder Aufhebung nach § 295 BAO gewartet werden, bis der maßgebende Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid) bzw. dessen Abänderung oder Aufhebung rechtskräftig geworden ist (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 295 Rz. 5). Daher beginnt die Frist für solche nach § 295 BAO zu erlassende Bescheide erst ab formeller Rechtskraft des nachträglich erlassenen oder abgeänderten Grundlagenbescheides (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 295 Rz 5 mit Verweis auf zB Ritz, ÖStZ 1988, 246; Ellinger/ Wetzel/ Mairinger, BAO 2, 187; Stoll, BAO, 3015).

Der maßgebliche Feststellungsbescheid ist am ergangen, sodass die Frist von 6 Monaten gem. § 284 BAO, innerhalb der die Behörde zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides gemäß § 295 Abs. 1 BAO verpflichtet gewesen wäre, längst abgelaufen ist.

Die Säumnisbeschwerde ist daher zulässig.

Für die Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides 2010 der Mandantschaft ist Verjährung nicht eingetreten: Die Erlassung von Abgabenbescheiden nach Eintritt der Bemessungsverjährung ist gemäß § 209a Abs. 2 BAO dann vorgesehen, wenn die Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung eines in den Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85 BAO) abhängt (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 209a Rz. 7). § 209a Abs. 4 BAO hält ausdrücklich fest, dass auch Abgabenerklärungen, in diesem Fall die Feststellungserklärung als Pflichteingaben als Anträge im Sinne des § 209 Abs. 2 BAO gelten (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 209a Rz. 11a) und daher von § 209a Abs. 2 BAO umfasst sind.

Der Normzweck des § 209a Abs. 2 BAO ist, die Partei vor Rechtsnachteilen (durch Eintritt der Bemessungsverjährung) zu schützen, die lediglich dadurch entstehen, dass die Abgabenbehörde Anbringen nicht unverzüglich erledigt (vgl. Ritz, BAO, 6. Auflage, § 209a Rz. 11 mit Verweis auf Rathgeber SWK 2005, S 87).
Der Erlassung des neuen Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2010 steht daher die Verjährung nicht entgegen."

Die gegenständliche Säumnisbeschwerde langte beim Bundesfinanzgericht am ein.

Mit Beschluss vom hat das Bundesfinanzgericht der belangten Behörde gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, bis spätestens zu entscheiden und eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

In der Stellungnahme vom teilte das Finanzamt Folgendes mit:

"Unter Bezugnahme auf den obgenannten dg. Beschluss wird mitgeteilt:

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur (müsste wohl heißen: der) Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Gemäß § 85a BAO besteht Entscheidungspflicht über Anbringen (§ 85 BAO). Die Literatur geht davon aus, dass die Entscheidungspflicht nach § 85a BAO in verfassungskonformer Interpretation weit auszulegen ist und sohin auch solche
Anbringen umfasst, die nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sind, jedenfalls dann, wenn die Erledigung nicht im Ermessen der Abgabenbehörde liegt (siehe dazu bei Ritz, BAO6, TZ 7 zu § 85a, und etwas ausführlicher bei Ritz, BAO3, TZ 7 zu § 311 Abs. 1 vor dem FVwGG 2012).


Das Säumnisbeschwerderecht nach § 284 Abs. 1 erster Fall (Anbringen) umfasst daher auch Parteianbringen auf Durchführung einer nicht im Ermessen stehenden Bescheidanpassung nach § 295 Abs. 1 BAO. Solche Bescheidanpassungen sind jedoch gemäß § 302 Abs. 1 BAO nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig.

Im vorliegenden Fall ist die Festsetzungsverjährung (§§ 207 ff BAO) mit Ablauf des Jahres 2016 eingetreten.

Gemäß § 209a BAO steht der Eintritt der Verjährung der Abgabenfestsetzung unter bestimmten Umständen nicht entgegen. Dies hatte gemäß § 209a Abs. 2 BAO in der oben erwähnten weiten Auslegung (siehe dazu auch Ritz, BAO6, § 209a TZ 8) zur Voraussetzung, dass ein Antrag auf Änderung nach § 295 Abs. 1 BAO vor Eintritt der Verjährung beim Finanzamt eingebracht worden wäre. Eine derartige Antragstellung liegt jedoch nicht vor. Erst mit Beschwerde vom wurde die Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 284 Abs. 1 BAO beim BFG geltend gemacht.

Eine unerledigte Abgabenerklärung, die, sofern sie zu einer Gutschrift führen würde, gemäß § 209a Abs. 4 BAO als Antrag im Sinn des Abs. 2 anzusehen wäre, liegt ebenfalls nicht vor, und zwar weder die Körperschaftsteuer 2010 noch das Feststellungsverfahren 2010 betreffend, weshalb schon deswegen weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Abhängigkeit der Abgabenfestsetzung von einem noch zu erledigenden, vor Eintritt der Verjährung eingebrachten Antrag in Form einer Abgabenerklärung unterstellt werden kann.

Bei Änderungsbescheiden gemäß § 295 Abs. 1 BAO handelt es sich um von Amts wegen zu erlassende Bescheide. Daher kann Säumnisbeschwerde nach § 284 Abs. 1 zweiter Fall BAO auch dann erhoben werden, wenn solche Maßnahmen nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Verpflichtung zur Bescheiderlassung durchgeführt werden. Die gegenständliche Säumnisbeschwerde vom wäre daher, gerechnet von der Erlassung des Feststellungsbescheides am (Annahme Zustellungsdatum) bereits ab (= sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsbescheides mit und damit Eintritt der Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung des Bescheides nach § 295 Abs. 1 BAO) zulässig gewesen.

AmtswegigeBescheidänderungen nach § 295 Abs. 1 BAO sind wie oben bereits erwähnt nach der Regelung des § 302 Abs. 1 BAO nur innerhalb der Verjährungsfrist zulässig. Da die Verjährung betreffend Körperschaftsteuer 2010 mit Ablauf des Jahres 2016 bereits eingetreten ist, wäre die mit der Säumnisbeschwerde vom geltend gemachte Erlassung eines gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2010 wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung mit Ende des Jahres 2016 unzulässig.

Eine Verletzung der Entscheidungspflicht liegt daher nicht mehr vor."

In seiner Replik vom führte der Vertreter der Bf im Wesentlichen aus:

"Hinsichtlich dieser Ausführungen ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Wie das Finanzamt richtig ausführt ist eine Feststellungserklärung eindeutig ein Antrag im Sinne des § 209 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 BAO. § 209 a Abs. 2 BAO normiert, dass einer Abgabenfestsetzung, die unmittelbar oder mittelbar (!) von der Erledigung eines Antrages (= hier die Feststellungserklärung) abhängt der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht, wenn der Antrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde. Die Feststellungserklärung wurde wohl unstrittig vor Ablauf der Verjährung eingebracht, sodass § 209a Abs. 2 BAO aus diesem Blickwinkel wohl unzweifelhaft anwendbar ist.

Offenbar ist das Finanzamt aber der Ansicht, dass die Feststellungserklärung mit dem Feststellungsbescheid erledigt wurde und daher die Abgabenfestsetzung nicht mehr von einer Erledigung abhängt. Diese Auslegung widerspricht jedoch dem Wortlaut und dem Zweck des § 209 a BAO.

Aus § 209a Abs. 2 BAO ergibt sich wohl unzweifelhaft, dass auch Anträge die mittelbar eine Abgabenfestsetzung beantragen von Relevanz sind ("argum" das Wort "mittelbar"). Wenn man nun aber den mittelbaren Konnex zwischen Abgabenfestsetzung und Feststellungerklärung - dem § 209 a Abs. 2 BAO entsprechend -- zieht, dann ist die Abgabenfestsetzung, die durch die Feststellungserklärung beantragt wurde, nicht mit dem ,,bloßen" Erlassen des Feststellungsbescheides erledigt, sondern erst dann, wenn auch die Abgabe entsprechend der Feststellungserklärung festgesetzt wurde. Dass bereits vor Erlassen der Feststellungserklärung ein nicht der Feststellungserklärung entsprechender Körperschaftssteuerbescheid vorliegt, kann hierbei nicht von Relevanz sein, hatte dieser doch wohl unstrittig gem. § 295 Abs. 1 BAO abgeändert werden müssen. Diesbezüglich ist nämlich weiters zu erwähnen, dass auch der Körperschaftssteuerbescheid vom schon zeitlich niemals eine Erledigung des Antrages im Sinne des § 209 a Abs. 2 darstellen kann, da die Feststellungserklärung erst nach dem eingereicht wurde (nämlich am ).

Denn inhärenter Zweck der Feststellungserklärung ist logischerweise im Endergebnis eine Abgabenfestsetzung. Wie erwähnt betont § 209 a Abs. 2 BAO genau diesen Konnex explizit ("hängt die Abgabenfestsetzung mittelbar von der Erledigung eines Antrages ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen"). Solange daher die Abgabe nicht entsprechend der Feststellungerklärung und dem erklärungsgemäßen Feststellungsbescheid entsprechend festgesetzt wurde, liegt unzweifelhaft ein Antrag im Sinne des § 209a Abs. 2 BAO vor.
Umgekehrt ausgedrückt führt die erklärungsgemäße Veranlagung des Feststellungsbescheides nicht dazu, dass plötzlich die Tatbestandsvoraussetzungen weggefallen sind. Denn noch immer hängt die im § 209a BAO explizit erwähnte Abgabenfestsetzung davon ab, dass die Abgabenfestsetzung dem Feststellungsbescheid entsprechend gem. § 295 Abs. 1 BAO erfolgt.

Dies ergibt sich auch eindeutig aus den Ausführungen in Stoll BAO Kommentar 2. Band Seite 2209 (ganz unten) :

,,Wird ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in Bezug auf einen Grundlagenbescheid (oder in einem sonst präjudiziellen Verfahren) vor Ablauf der Verjährung (der vom Grundlagenbescheid oder von der sonstigen präjudiziellen Erledigung abgeleiteten Abgaben) gestellt, kann aber die vom (geänderten Grundlagenbescheid) oder grundlagenähnlichen Bescheid abzuleitenden Abgabenfestsetzung erst nach Ablauf der Verjährung durchgeführt werden, so ist dies nunmehr aus dem Grunde des § 209 a Abs. 2 zweiter Tatbestand zulässig."

Zu beachten ist, dass diese Lehrmeinung auch höchstgerichtlich bestätigt wurde, gem. VwGH 98/16/0253 vom :

"Werden beispielsweise Anträge auf Zuteilung eines Steuermessbetrages gemäß § 197 BAO vor Ablauf der für die abgeleiteten Abgaben maßgebenden Bemessungsverjährungsfrist eingebracht, die davon berührten (auf die vorgeschalteten Bescheide aufbauenden) Abgabenbescheide aber erst nach Ablauf der Bemessungsverjährungsfrist erlassen, dann ist diese Festsetzung nach § 209a Abs. 2 BAO zulässig (Stoll, BAO-Kommentar, 2208 und 2209, zu § 209a BAO)."

Nur diese Auslegung des § 209a Abs. 2 BAO kann auch dem Zweck des § 209a Abs. 2 BAO entsprechen. Denn würde man wirklich unterstellen, dass nach erklärungsgemäßer Veranlagung des Feststellungsverfahrens § 209a Abs. 2 BAO nicht mehr anwendbar ist, hätte es das Finanzamt in der Hand, den Rechtsschutz, den § 209 Abs. 2 BAO wohl unzweifelhaft bieten soll, vollkommen "auszuhebeln".

Denn das Finanzamt könnte mit der Erledigung des Feststellungsverfahrens so lange zuwarten, bis Verjährung eingetreten ist und erst dann den Feststellungsbescheid erlassen (Variante des Beispiels: "oder gar nicht erlassen"). Vor Erlassen dieses Feststellungsbescheides hatte die Partei keine Veranlassung weitere Anträge zu stellen, besteht doch vor Erlassen des Feststellungsbescheides wohl auch aus Sicht der Finanzverwaltung der Rechtsschutz des § 209a Abs. 2 BAO. Würde aber die Rechtsmeinung des Finanzamtes stimmen, hatte die Partei in dem im vorigen Satz geschilderten Fall (=Erlassen des Feststellungsbescheides nach Eintritt der Verjährung) nun plötzlich keine Möglichkeit mehr, sich auf § 209a Abs. 2 BAO zu stützen. Dies kann aber unmöglich dem Telos des § 209a Abs. 2 BAO entsprechen, der sowohl aus der Sicht der Partei, als auch aus Sicht der Behörde verhindern will, dass elnem laufenden Verfahren der Eintritt der Verjährung entgegensteht. Genau ein solches laufendes, unerledigtes Verfahren llegt aber auch in gegenständlichem Fall vor.

Es kann doch nicht ernstlich zu Lasten der Partei gehen, wenn das Finanzamt einen Fehler begeht und den gem. § 295 Abs. 1 zwingend erforderlichen abgeleiteten Bescheid nicht erlässt. Nochmals sei hier erwähnt, dass es jedenfalls keines weiteren Antrages bedurft hatte, um die gewünschte Abgabenfestsetzung zu erlangen.

Dass § 295 Abs. 2 BAO i.V.m. Abs. 4 BAO auf gegenstandlichen Fall anwendbar ist, ergibt sich auch aus einer verfassungskonformen lnterpretation, hat doch der Zl. E 4256/2018-12 ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtllch des § 295 Abs. 4 BAO elngeleitet, der zwar nicht auf den gegenstandlichen Sachverhalt anwendbar ist, aber eine ähnliche Konstellation regelt.

Aus all den obigen Ausführungen ist somit ersichtlich, dass die Tatbestandvoraussetzungen des § 209a Abs. 2 BAO wohl eindeutig vorliegen und somit der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht.

Abschließend ist nur zu erwähnen, dass der körperschaftsteuerliche Verlust des Jahres 2010 materiellrechtlich der Hallstatt Hotelerrichtungs GmbH wohl unstrittig zusteht und dass dieser Verlustvortrag auch zu einer entsprechenden Steuerreduzierung in den letzten Jahre führen würde und es somit wohl elndeutig der Steuergerechtigkeit (wobel natürlich die hier zu entscheidende Rechtsfrage per se mit Gerechtigkeit nichts zu tun hat) entspricht, dass dieser Verlust auch bescheidmäßig festgesetzt wird.

Da der Erlassung des neuen Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2010 eindeutig die Verjährung nicht entgegensteht, hat das Finanzamt seine Entscheidungspflicht ebenso eindeutig verletzt."

Sachverhalt

Im am ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2010 wurde eine steuerliche Tangente der HH GmbH & atypisch still (St.Nr.: ZL beim Finanzamt Gmunden Vöcklabruck in Höhe von Null berücksichtigt, und es ergaben sich daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ein Einkommen der Bf für das Jahr 2010 in Höhe von Null.

Auf Grund des am ergangenen Feststellungsbescheides der HH GmbH & atypisch still entfällt auf die Bf eine negative Tangente in Höhe von minus EUR 548.025,81.

Beweiswürdigung

Die Erlassung des Körperschaftsteuerbescheides und des Feststellungsbescheides zu den im Sachverhalt angeführten Daten ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen und ist nicht strittig.

Rechtslage

§ 284 BAO (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

§ 207 BAO (1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

§ 208 BAO (1) Die Verjährung beginnt
a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird; ...

§ 209a BAO (1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Beschwerdevorentscheidung oder in einem Erkenntnis zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen. (2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Beschwerde oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wird. Die Verjährung steht der Abgabenfestsetzung auch dann nicht entgegen, wenn eine Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 vor Ablauf der Frist des § 304 lit. b beantragt oder durchgeführt wird.

§ 302 BAO (1) Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.

§ 85a BAO Die Abgabenbehörden sind verpflichtet, über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

Erwägungen

Das Säumnisbeschwerderecht nach § 284 Abs. 1 erster Fall (Anbringen) umfasst auch Parteianbringen auf Durchführung einer nicht im Ermessen stehenden Bescheidanpassung nach § 295 Abs. 1 BAO. Solche Bescheidanpassungen sind jedoch gemäß § 302 Abs. 1 BAO nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig.

Der Körperschaftsteuerbescheid 2010 ist am ergangen.

Im vorliegenden Fall ist daher die Festsetzungsverjährung (§§ 207 ff BAO) mit Ablauf des Jahres 2016 eingetreten.

Der Feststellungsbescheid der HH GmbH & atypisch still ist am ergangen. Dadurch wurde die als Anbringen zu wertende Feststellungserklärung erledigt.

Gemäß § 209a BAO steht der Eintritt der Verjährung der Abgabenfestsetzung unter bestimmten Umständen nicht entgegen. Dies hat gemäß § 209a Abs. 2 BAO in der weiten Auslegung (siehe dazu auch Ritz, BAO6, § 209a TZ 8) zur Voraussetzung, dass ein Antrag auf Änderung nach § 295 Abs. 1 BAO vor Eintritt der Verjährung beim Finanzamt eingebracht worden wäre. Eine derartige Antragstellung liegt jedoch nicht vor. Erst mit Beschwerde vom wurde die Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 284 Abs. 1 BAO beim BFG geltend gemacht.

Eine unerledigte Abgabenerklärung, die, sofern sie zu einer Gutschrift führen würde, gemäß § 209a Abs. 4 BAO als Antrag im Sinn des Abs. 2 anzusehen wäre, liegt ebenfalls nicht vor, und zwar weder die Körperschaftsteuer 2010 noch das Feststellungsverfahren 2010 betreffend, weshalb schon deswegen weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Abhängigkeit der Abgabenfestsetzung von einem noch zu erledigenden, vor Eintritt der Verjährung eingebrachten Antrag in Form einer Abgabenerklärung unterstellt werden kann.

Bei Änderungsbescheiden gemäß § 295 Abs. 1 BAO handelt es sich um von Amts wegen zu erlassende Bescheide. Daher kann Säumnisbeschwerde nach § 284 Abs. 1 zweiter Fall BAO auch dann erhoben werden, wenn solche Maßnahmen nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Verpflichtung zur Bescheiderlassung durchgeführt werden. Die gegenständliche Säumnisbeschwerde vom wäre daher, gerechnet von der Erlassung des Feststellungsbescheides am (Annahme Zustellungsdatum) bereits ab (= sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsbescheides mit und damit Eintritt der Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung des Bescheides nach § 295 Abs. 1 BAO) zulässig gewesen.

Amtswegige Bescheidänderungen nach § 295 Abs. 1 BAO sind, wie oben bereits erwähnt, nach der Regelung des § 302 Abs. 1 BAO nur innerhalb der Verjährungsfrist zulässig. Da die Verjährung betreffend Körperschaftsteuer 2010 mit Ablauf des Jahres 2016 bereits eingetreten ist, ist die mit der Säumnisbeschwerde vom geltend gemachte Erlassung eines gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Körperschaftsteuerbescheides für das Jahr 2010 wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung mit Ende des Jahres 2016 unzulässig.

Eine Verletzung der Entscheidungspflicht liegt daher nicht mehr vor.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Rechtsfrage gründet sich nicht auf die Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die entscheidungswesentliche Frage, ob eine Änderung gemäß § 295 BAO nach Ablauf der Verjährung zulässig ist, gründet auf den eindeutigen Wortlautes des § 302 BAO.

Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 302 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RS.5100016.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at