Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.12.2019, RV/3100688/2018

Bildungsteilzeitgeld und Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. A in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Stb-GmbH, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt C vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2014 und 2015 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

[...]

I) Verfahrensgang:

1) Die Beschwerdeführerin (Bf) war in den Streitjahren ua nichtselbständig tätig und bezog in der Zeit vom bis Bildungsteilzeitgeld.

2) In den erklärungsgemäß veranlagten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2014 und 2015 vom setzte das Finanzamt das von der Bf vom Arbeitsmarktservice bezogene Bildungsteilzeitgeld von 1.398,40 € (2014) und von 908,60 € (2015) bei den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an.

3) Gegen diese Bescheide erhob die Bf mit Eingabe vom Beschwerde. Bei der Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2014 und 2015 seien unrichtigerweise die bei der BB GmbH jeweils ganzjährig bezogenen nichtselbständigen Einkünfte für eine Hochrechnung der steuerfreien Bezugsteile herangezogen worden. Aufgrund der Kontrollrechnungen ergebe sich daher für 2014 eine zu niedrige Steuergutschrift bzw. für 2015 eine Steuernachzahlung.
In der Begründung führt die Bf unter Verweis auf eine Reihe von Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes, auf Literaturstellen und die Lohnsteuerrichtlinien aus, entsprechend dem Gesetzeszweck des § 3 Abs. 2 EStG habe bei ganzjährig bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eine Hochrechnung nicht zu erfolgen und zwar nicht einmal hinsichtlich jener Teile, die außerhalb der Zeit des AMS-Bezugs zugeflossen seien, weil es ansonsten zu einer dem § 3 Abs. 2 EStG widersprechenden Progressionserhöhung kommen würde. Gleiches gelte im Übrigen auch für Einkünfte, die während des AMS-Bezuges erwirtschaftet worden seien.

4) Nach Vorlage der monatlichen Gehaltsabrechnungen für die Beschwerdejahre, erließ das Finanzamt mit Ausfertigungsdatum abweisende Beschwerdevorentscheidungen. In der Begründung wird dazu ausgeführt, es sei mit der Zielsetzung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 unvereinbar, Zeiträume in denen Bildungsteilzeitgeld gemäß § 26a AIVG bezogen worden sei, nicht zu neutralisieren und den progressionsmildernden Umstand der Steuerbefreiung des Bildungsteilzeitgeldes für die nicht befreiten Einkünfte zum Tragen kommen zu lassen.
Die nichtselbständigen Einkünfte seien daher für den Zeitraum der Bildungsteilzeitgeldbezüge bei der Hochrechnung nicht berücksichtigt worden.

5) Im Vorlageantrag vom wiederhalte die Bf ihr bisheriges Vorbringen und führte ergänzend aus, die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung sei nicht nachvollziehbar. Gemäß § 26a Abs. 5 iVm § 26 Abs. 8 AIVG gelte das Bildungsteilzeitgeld ausdrücklich als Ersatzleistung gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG. Sie sei zunächst in einem Vollzeitverhältnis (40 Wochenstunden) beschäftigt gewesen und habe das Beschäftigungsausmaß dann aufgrund der Weiterbildung auf Teilzeit (20 Wochenstunden) reduziert und dafür Bildungsteilzeitgeld in Anspruch genommen. Sie sei der Meinung, dass damit die Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 2 EStG erfüllt seien und sämtliche nicht selbständigen Einkünfte (somit jeweils von Jänner bis Dezember) für eine Umrechnung nicht heranzuziehen seien. Durch die vom Finanzamt angewendete „Kontrollrechnungsmethode t' ergebe sich für die Steuerpflichtige eine ungünstigere Besteuerung als bei Anwendung der „Umrechnungsmethode."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

II. Sachverhalt

1) Die Beschwerdeführerin war in den Streitjahren 2014 und 2015 bei der Firma BB GmbH ganzjährig nichtselbständig tätig. Vom 01.01. bis war sie Vollzeit (40 Stundenwoche) beschäftigt und vom bis übte sie bei der gleichen Arbeitgeberin eine Teilbeschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden aus.

2) Grund für die Reduktion der Wochenarbeitszeit war die Inanspruchnahme einer Bildungsteilzeit. Für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 erhielt die Bf Bildungsteilzeitgeld iHv von 1.398,40 € (92 Tage x 14,20 €/Tag) und für den Zeitraum Jänner und Februar 2015 908,60 € (59 Tage x 14,40 €).

3) In den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden wurden aufgrund einer Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 auch das Bildungsteilzeitgeld in die steuerpflichtigen Einkünfte miteinbezogen. Der Rechengang der sog. Hochrechnung wurde in der Begründung der angefochtenen Bescheide nicht näher dargestellt.

4) Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Finanzamt übermittelten Unterlagen des Arbeitsmarktservice und den Angaben der Bf und ist unbestritten.

III. Rechtslage

1) Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

2) Gemäß § 33 Abs. 10 EStG 1988 ist ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen.

3) Gemäß § 11a Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) können Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen schriftlich eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte (Bildungsteilzeit) für die Dauer von mindestens vier Monaten bis zu zwei Jahren vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Die in der Bildungsteilzeit vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht unterschreiten. Eine neuerliche Bildungsteilzeit kann frühestens nach dem Ablauf von vier Jahren ab dem Antritt der letzten Bildungsteilzeit (Rahmenfrist) vereinbart werden. Die Bildungsteilzeit kann auch in Teilen vereinbart werden, wobei die Dauer eines Teils mindestens vier Monate zu betragen hat und die Gesamtdauer der einzelnen Teile innerhalb der Rahmenfrist, die mit Antritt des ersten Teils der Bildungsteilzeit zu laufen beginnt, zwei Jahre nicht überschreiten darf.

4) Gemäß § 26a Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG 1977) gebührt Personen, die eine Bildungsteilzeit gemäß § 11a AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, für die vereinbarte Dauer ein Bildungsteilzeitgeld bei Erfüllung näher genannter Voraussetzungen.

Gemäß § 26a Abs. 5 AlVG 1977 gilt § 26 Abs. 2 und 5 bis 8 AlVG 1977 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Weiterbildungsgeldes das Bildungsteilzeitgeld tritt.

5) Gemäß § 26 Abs. 8 AlVG 1977 gilt das Weiterbildungsgeld als Ersatzleistung gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a des EStG 1988.

IV. Erwägungen

1) Strittig ist die Einbeziehung des Bildungsteilzeitgeldes in die Berechnung der Einkommensteuer.

2) Die Bf beanspruchte für die Zeit vom bis eine Bildungsteilzeit nach § 11a AVRAG. Während dieser Zeit wurde ihre wöchentliche Normalarbeitszeit herabgesetzt, sie war für ihre Arbeitgeberin nur mehr im Rahmen einer Teilbeschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden tätig. Die Bf bezog während dieser Bildungsteilzeit zusätzlich zu ihren (verminderten) Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Bildungsteilzeitgeld nach § 26a AlVG 1977, bezugsauszahlende Stelle war das Arbeitsmarktservice Österreich.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind nicht nur das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe, sondern auch an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit. Das Bildungsteilzeitgeld gilt aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (vgl. § 26a Abs. 5 AlVG 1977 iVm § 26 Abs. 8 AlVG 1977) als solche Ersatzleistung gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 (vgl. auch Jakom/Laudacher, EStG, 2019, § 3 Rz 16). Das in den Streitjahren 2014 und 2015 vom Arbeitsmarktservice ausbezahlte Bildungsteilzeitgeld ist somit gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit, wobei diese Bezüge grundsätzlich eine Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 auslösen.

3) Nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/13/0024, müssen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie außerhalb des Zeitraumes des gleichzeitigen steuerfreien Bezuges erzielt wurden, hochgerechnet werden, wenn während des ganzen Jahres Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt wurden, und zwar dann, wenn der steuerfreie Bezug an die Stelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit tritt. Dies ist die Situation, in der die Steuerfreiheit im Vergleich zum unveränderten Fortbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch eine progressionsmindernde Wirkung hätte, der die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 entgegenwirken soll.

4) Im streitgegenständlichen Fall trat das steuerfreie Bildungsteilzeitgeld an die Stelle davor (und danach) erhaltener Bezüge. Somit löst dieser Bezug bei der Bf eine Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 aus.

5) Im Beschwerdejahr 2014 wurden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv 20.575,56 € erzielt. Davon entfielen auf die Monate Oktober bis Dezember 3.558,56 € (3 x 1.154,62 € lfd. Bruttomonatslohn = 3.463,86 € + 795,00 € Prämie 10/2014, abzüglich lfd. Sozialversicherung für 10-12/2014 von 700,30 €). Daraus ergeben sich hochzurechnende Einkünfte iHv 17.017,06 € (20.575,62 € Jahreslohn minus € 3.558,56 für die Monate 10-12/2014). Diese hochzurechnenden Einkünfte beziehen sich auf einen Zeitraum von 273 Tagen (365 Tage abzüglich 92 Tage Bildungsteilzeit). Die Hochrechnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (vor Abzug der Werbungskosten) ergibt somit einen Jahresbetrag von 22.751,75 € (17.017,00 € / 273 Tage * 365 Tage). Die Kontrollrechnung hingegen ergibt einen Jahresbetrag von nur 21.973,96 € (20.575,56 € Bezug lt. Lohnzettel zuzüglich 1.398,40 € Bildungsteilzeitgeld).

6) Im Beschwerdejahr 2015 wurden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv 19.276,04 € erzielt. Davon entfielen auf die Monate Jänner und Februar 1.973,52 € (2 x 1.161,84 € lfd. Bruttomonatslohn = 2.323,68 €, abzüglich lfd. Sozialversicherung für 01-02/2015 von 350,16 €). Daraus ergeben sich hochzurechnende Einkünfte iHv 17.302,52 € (19.276,04 € Jahreslohn lt. Lohnzettel minus 1.973,52 für die Monate Jänner und Februar). Diese hochzurechnenden Einkünfte beziehen sich auf einen Zeitraum von 306 Tagen (365 Tage abzüglich 59 Tage Bildungsteilzeit). Die Hochrechnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (vor Abzug der Werbungskosten) ergibt somit einen Jahresbetrag von 20.638,63 € (17.302,52 € / 306 Tage * 365 Tage). Die Kontrollrechnung hingegen ergibt einen Jahresbetrag von nur 20.184,64 € (19.276,04 € Bezug lt. Lohnzettel zuzüglich 908,60 € Bildungsteilzeitgeld).

7) Die Kontrollrechnungsmethode führt damit entgegen der Behauptung im Vorlageantrag in beiden Beschwerdejahren für die Bf zu niedrigeren steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als die Hochrechnungsmethode und entsprechend auch zu einer geringeren Steuerbelastung. Sie ist daher gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 im gegenständlichen Fall vom Finanzamt zu Recht (zu Gunsten der Bf) angewendet worden.

V) Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall waren keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen. Die hier zu lösende Rechtsfrage ist durch das oben angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärt. Für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision besteht daher kein Anlass.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100688.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at