Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.11.2019, RV/7105030/2016

Keine Rückzahlung eines gepfändeten Abgabenguthabens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den_Senat im Beisein der Schriftführerin S. in der Beschwerdesache Bf., A., vertreten durch Austria Treuhand Holding Wirtschaftsprüfungs GmbH, Mariahilfer Straße 1c/4a, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , Steuernummer N., betreffend Rückzahlung gemäß § 239 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Rückzahlung des auf ihrem Abgabenkonto in Höhe von € 166.359,87 ausgewiesenen Guthabens.

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Das Finanzamt wies das Ansuchen mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass dieses Guthaben gemäß § 239 Abs. 2 BAO zur (teilweisen) Tilgung jener der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten (Vorauszahlungen) verwendet werde, die die Bf. innerhalb von drei Monaten ab Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten habe.

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Dagegen erhob die Bf. am die Beschwerde, beantragte die Entscheidung durch den Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachte vor:

- Beschränkbarkeit des Rückzahlungsbetrages gemäß § 239 Abs. 2 BAO:

Sinn des § 239 Abs. 2 BAO sei die Vereinfachung der Abgabenverrechnung (, 88/14/0041).

Die Beschränkung des Rückzahlungsbetrages auf Beträge, die innerhalb von drei Monaten ab Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten sein würden, liege in der Vereinfachung der Abgabenbehörde und betreffe nach § 239 Abs. 2 BAO nur bei derselben Abgabenbehörde zu entrichtende Beträge.

Es werde gerügt, dass die belangte Behörde ihr Ermessen nicht dargestellt habe und diesbezüglich eine Nachvollziehbarkeit des Ermessens nicht gegeben sei. Bereits aus diesem Grund sei das Bundesfinanzgericht befugt und verpflichtet, die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides durchzuführen.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 239 Abs. 2 BAO sei, dass die Abgabenbeträge spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Rückzahlungsantrag bescheidmäßig festgesetzt seien (, 88/14/0041). Es werde gerügt, dass eine bescheidmäßige Festsetzung der Abgaben bisher nicht vorliege, die innerhalb von drei Monaten ab Stellung des Rückzahlungsantrages () zu bezahlen sein würden.

Die Festsetzung müsse nicht bereits im Zeitpunkt der Stellung des Rückzahlungsantrages erfolgt sein. Weiters müssten die Beträge spätestens drei Monate nach Stellung dieses Rückzahlungsantrags zu entrichten sein. Maßgeblich sei somit der Fälligkeitszeitpunkt bzw. das Ende einer Nachfrist (z.B. gemäß § 210 Abs. 4 BAO).

§ 239 Abs. 2 könne dazu führen, dass Guthaben zurückzuzahlen seien, obwohl sie im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rückzahlungsantrag nicht mehr bestünden, weil sie in der Zwischenzeit zum Beispiel gemäß § 214 Abs. 1 verwendet worden seien (vergleiche Ritz, Kommentar zur BAO, § 239 Tz 11).

Es sei ausdrücklich festzustellen, dass ein Bescheid über die Sicherstellung keine Abgaben im Sinne der Definition dieser gesetzlichen Bestimmungen darstellten.

- Bestand eines Guthabens:

Am sei der Bescheid über die Abweisung eines Rückzahlungsantrages ausgefertigt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe ein Guthaben von EUR 166.359,87 bestanden, welches auch zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung noch bestanden habe. Es sei festzuhalten, dass gegenständliches Guthaben bereits mit Wirksamkeit seit (Betrag EUR 107.147,94) und (EUR 59.111,93) gegeben gewesen sei.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte begründend aus, dass am ein Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO in Höhe von € 1.004.916,09 erlassen worden sei.

Ein Sicherstellungsauftrag bilde bei noch nicht vollstreckbaren Abgaben die Grundlage für die Exekution zur Sicherstellung, durch die der Pfandrang für die nachfolgende, auf Grund des Rückstandsausweises (§ 229 BAO) zu führende Exekution zur Einbringung gesichert werden solle.

Zum Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Rückzahlungsantrages, dem , habe auf dem Abgabenkonto ein Guthaben von € 166.359,87 bestanden, welches sich nach Verbuchung der Umsatzsteuervoranmeldung 10/2015 am auf € 162.402,90 verringert habe. Dieses Guthaben sei auf Grund des angeführten Sicherstellungsauftrages mit einem Pfandrang zu Gunsten der Republik Österreich belegt gewesen, wobei der Sicherstellungsauftrag gemäß § 233 Abs. 1 BAO die Grundlage für das finanzbehördliche und gerichtliche Sicherungsverfahren darstelle.

Es widerspreche der vom Gesetzgeber angestrebten Wirkung und dem Sinn der gesetzlichen Bestimmung des § 232 BAO, wenn ein von einem Pfandrang belegtes, von einem Sicherungstitel betroffenes Guthaben zur Auszahlung gelangen würde.

Der angefochtene Bescheid sei daher damals im Hinblick auf die bevorstehende Pfändung, welche mit Bescheid vom vollzogen worden sei, zu Recht ergangen.

Da mittlerweile durch die angeführte Pfändung dem Finanzamt gegenüber ein Zahlungsverbot bestehe (Zweitverbot), ergebe sich auch nunmehr keine Möglichkeit, die vorliegende Beschwerde im Sinne der Beschwerdeführerin zu erledigen.

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Die Bf. beantragte daraufhin mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor:

1. Sicherstellungsauftrag vom :

Unstrittig liege ein nicht rechtskräftiger Sicherstellungsauftrag vom vor, welcher mittels Beschwerde beim Bundesfinanzgericht bekämpft werde. Unstrittig sei am ein Guthaben der Beschwerdeführerin auf ihrem Abgabenkonto vorgelegen. Der Pfändungsbescheid vom wirke auf das Guthaben zum Datum der Zustellung, somit per .

2. Grundlage der Pfändung:

Grundlage der Pfändung sei nunmehr nicht ein Rückstandsausweis (siehe Beschwerdevorentscheidung vom ), sondern der Sicherstellungsauftrag.

Die belangte Behörde verweise auf § 233 Abs. 1 BAO, wonach der Sicherstellungsauftrag einen Exekutionstitel darstelle. Die Bestimmung des § 233 Abs. 1 BAO sage aber aus, dass der Sicherstellungsauftrag die Grundlage für das finanzbehördliche und gerichtliche Sicherungsverfahren sei. Dieser stelle keinen Exekutionstitel dar.

Gemäß § 233 Abs. 2 BAO habe aufgrund eines Sicherstellungsantrages das Gericht auf Antrag der Abgabenbehörde die Exekution zur Sicherstellung des Abgabenbetrages zu bewilligen.

Hierbei könne der Sicherstellungsauftrag zusammen mit der Verständigung von der gerichtlichen Exekutionsbewilligung zugestellt werden. Tatsache sei, dass weder ein Antrag bei Gericht durch die Abgabenbehörde auf Ausfertigung eines Exekutionstitels noch eine gerichtliche Exekutionsbewilligung der Beschwerdeführerin zugestellt worden sei.

Die belangte Behörde stelle richtigerweise dar, dass zur Sicherung nach § 78 Abgabenexekutionsordnung die Pfändung und Verwahrung beweglicher körperlicher Sachen und die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen vorgenommen werden könnten. Dazu sei aber ein gerichtliches Sicherungsverfahren erforderlich.

Das Gericht habe auf Antrag der Abgabenbehörde die Exekution zur Sicherstellung des Abgabenbetrages bis zu dessen Vollstreckbarkeit zu bewilligen. Der Exekutionstitel sei in Urschrift vorzulegen. Hierbei habe das Gericht zwar zu prüfen, ob der Sicherstellungsauftrag alle entscheidenden Bestandteile habe, jedoch nicht, ob er materiell richtig sei.

3. Zusammenfassung:

Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder ein Rückstandsausweis vorliegend sei, da bisher überhaupt keine Feststellung über einen Abgabenanspruch festgestellt und durchgeführt worden seien, noch ein gerichtlicher Exekutionstitel vorliege, der die Abgabenbehörde berechtige, die Pfändung der Geldforderung durchzuführen.

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In der am durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung erschien trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladung weder der Geschäftsführer der Bf. noch deren steuerliche Vertretung.

Der Amtsbeauftragte brachte vor, dass es sich in diesem Verfahren um einen Karussellbetrug handle. Zunächst habe das Finanzamt die aufgrund der Gutschriften aus den Umsatzsteuervoranmeldungen erzielten Guthaben zurückbezahlt. Als dann klar gewesen sei, dass eben ein Verdacht auf Karussellbetrug vorliege, seien ein Sicherstellungsauftrag erlassen und in der Folge auch ein Pfändungsbescheid ausgestellt worden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 BAO zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) kann gemäß § 239 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.

Strittig ist, ob das zum Zeitpunkt der Antragstellung am auf dem Abgabenkonto in Höhe von € 166.359,87 ausgewiesene Guthaben aus den Umsatzsteuervoranmeldungen 08-09/2015 antragsgemäß an die Bf. zurückzuzahlen ist.

Dazu ist festzustellen, dass mit Sicherstellungsauftrag vom (zum Teil aufgehoben durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101223/2016; saniert durch den weiteren Sicherstellungsauftrag vom ) die Sicherstellung der Umsatzsteuer 01-04/2015 in Höhe von € 1.004.916,09 angeordnet wurde.

Auf die Rechtskraft des Sicherstellungsauftrages kommt es nicht an, informativ wird jedoch darauf hingewiesen, dass über die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7105906/2018, (abweisend) entschieden wurde.

In den Fällen, in denen die Abgabenbehörde auf Grund eines Guthabens des Abgabenschuldners selbst als Drittschuldner anzusehen ist, bedarf es der Erlassung des Zahlungsverbotes (sogenanntes Zweitverbot), um das Pfandrecht an dem Guthaben zu begründen.

In Entsprechung dieses Sicherstellungsauftrages erfolgte am die Sicherstellung durch Pfändung des durch die Verbuchung und Verrechnung der Zahllast Umsatzsteuer 10/2015 von € 3.956,97 verminderten Guthabens von € 162.402,90 auf das Verwahrungskonto der Abgabenbehörde.

Entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes handelt es sich bei diesem Vorgang nicht um Abgaben, die innerhalb von drei Monaten ab Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten sein würden, weshalb auch die Begründung der Abweisung mit § 239 Abs. 2 BAO verfehlt ist.

Aber ebenso ist dem Vorbringen der Bf., dass weder ein gerichtlicher Exekutionstitel noch eine gerichtliche Exekutionsbewilligung vorliege, zu entgegnen, dass die Abgabenbehörde selbst Exekutionstitel in Form von Rückstandsausweisen gemäß § 229 BAO und Sicherstellungsaufträgen gemäß § 232 BAO schaffen kann. § 233 Abs. 1 BAO, wonach der Sicherstellungsauftrag Grundlage für das finanzbehördliche und gerichtliche Sicherungsverfahren ist, räumt der Abgabenbehörde somit lediglich ein Wahlrecht ein, welche Behörde die Sicherungsexekution aufgrund des von ihr ausgestellten Exekutionstitels durchführen soll. Gerichtliche Exekutionstitel bzw. Bewilligungen sind daher grundsätzlich nicht erforderlich.

Da mit Bescheid vom das sich auf dem Abgabenkonto befindliche Guthaben gepfändet wurde und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Rückzahlungsantrag nach § 239 BAO, der ein gepfändetes Guthaben betrifft, abzuweisen ist (), war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 215 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105030.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at