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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2019, RV/7101286/2016

Strittige Anerkennung von Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Unger in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014, zu Recht erkannt: 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

In ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 beantragte die Beschwerdeführerin ua den Abzug von Krankheitskosten iHv 10.750,42 € als außergewöhnliche Belastung unter Berücksichtigung eines Selbstbehaltes (Kz 730).

Im hier angefochtenen Einkommensteuerbescheid des Jahres 2014 berücksichtigte die belangte Behörde zwar erklärungskonform die Krankheitskosten im Zuge der Einkommensermittlung, jedoch führte der beantragte Betrag nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage, da dieser den Selbstbehalt iHv 12.357,44 € nicht überstieg.

Im Zuge ihrer Beschwerde änderte die Beschwerdeführerin hinsichtlich des geltend gemachten Betrages die Kennzahl 730 (mit Selbstbehalt) auf die Kennzahl 476 (ohne Selbstbehalt) ab und legte unter einem diverse Rechnungen bei.

Die belangte Behörde trug der Beschwerdeführerin mittels Ergänzungsersuchen die Vorlage näher bezeichneter Unterlagen auf und wies ausdrücklich darauf hin, dass die Berücksichtigung von Krankheitskosten ohne einen Selbstbehalt (im vorliegenden Fall) nur bei ursächlichem Zusammenhang mit der Behinderung erfolge könne. Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin nicht nach.

In Folge erließ die belangte Behörde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und begründete diese wie folgt:

"Zusätzlich zum Pauschbetrag wegen Behinderung (§ 35 Abs. 3 EStG 1988) sind Kosten der Heilbehandlung (z.B. Arztkosten, Spitalskosten, Therapiekosten, Kosten für Medikamente) ohne Abzug eines aus dem eigenen Einkommen zu berechnenden Selbstbehaltes (§ 34 Abs. 4 EStG 1988) abzugsfähig, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Krankheitskosten, die mit der die Minderung der Erwerbsfähigkeit verursachenden Behinderung nicht in ursächlichem Zusammenhang stehen (z.B. Kosten einer Augenoperation bei einem Gehbehinderten) sind nur unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes absetzbar. Im gegenständlichen Fall wurde die Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von 10.750,42 € ohne Abzug eines Selbstbehaltes begehrt. Um die Rechtmäßigkeit des Begehrens beurteilen zu können, wurde mittels eines Ersuchens um Ergänzung vom um Nachreichung folgender Unterlagen ersucht: 1) Rechnung(en) von Dr. [A] (6.552 €), 2) Rechnung(en) von Dr. [B] (1.460 €), 3) Bescheid des Bundessozialamtes, um überprüfen zu können, aufgrund welcher Krankheit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50% festgesetzt wurde. Da dieses Ersuchen um Ergänzung von Ihnen nicht beantwortet und somit nicht der Nachweis erbracht wurde, dass die beantragten Krankheitskosten mit der die Minderung der Erwerbsfähigkeit verursachenden Behinderung in ursächlichem Zusammenhang stehen, war Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag ein, dem sie zum Teil die im behördlichen Ergänzungsersuchen abverlangten Unterlagen beilegte und zudem angab, erneut die Berücksichtigung von Krankheitskosten ohne Selbstbehalt beantragen zu wollen, jedoch im Falle der Versagung einer solchen Berücksichtigung alternativ eine Berücksichtigung mit Selbstbehalt begehre.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Bei der Beschwerdeführerin liegt seit dem Jahr 1989 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit iHv 50% (Grad der Behinderung) vor.

Die Beschwerdeführerin benötigt eine Krankendiätverpflegung wegen einer Fettstoffwechselstörung.

Die geltend gemachten Krankheitskosten (Zahnarztkosten, Hörgerät und die Behandlung bei einer Ärztin für Allgemeinmedizin) stehen in keinem ursächlichem und unmittelbaren Zusammenhang mit der Behinderung der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin bezog im Jahr 2014 ein für die Berechnung des Selbstbehaltes maßgebliches Einkommen iHv 102.978,67 €.

2. Beweiswürdigung

Der Grad der Behinderung, die benötigte Krankendiätverpflegung und die Krankheit Fettstoffwechselstörung ergeben sich aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bestätigung der Bundespolizeidirektion Wien vom .

Die im Verfahren vorlegten Honorarnoten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und eines Zahnarztes bzw die Rechnung über ein Hörgerät sind nicht geeignet, den ursächlichen und unmittelbaren Zusammenhang der Behandlungskosten zur bestehenden Behinderung nachzuweisen (vgl zB ; ; . 2013/15/0254, mwN; wonach der Nachweis des Zusammenhanges einer bereits im Vorfeld, somit vor Durchführung der medizinischen Behandlung vorliegenden ärztlichen Bestätigung bedarf), wobei auf die diesbezüglich erhöhte Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin hinzuweisen ist (vgl § 115 Abs 1 letzter Satz BAO).

Die Grundlagen für die Berechnung des maßgeblichen Einkommens ergeben sich aus dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid samt des aktenkundigen Lohnzettels der Beschwerdeführerin.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdeabweisung)

§ 34 EStG 1988 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des AbgÄG 2012 (BGBl I 2012/112) lautete auszugsweise:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen


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von höchstens 7 300 Euro ……………………………………
6%.
mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro ………………….
8%.
mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro …………………
10%.
mehr als 36 400 Euro ……………………………………………
12%.

[…]

(5) Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

[...]

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

– Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

[...]"

Gemäß § 35 Abs 5 EStG können anstelle des Freibetrages (§ 35 Abs 3 EStG) auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.

Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist (vgl ; ; ).

Begehrt eine Partei wie im vorliegenden Fall die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ohne Abzug eines Selbstbehaltes aufgrund behinderungsbedingter Mehraufwendungen, muss darüberhinaus der ursächliche und unmittelbare Zusammenhang der Behandlungskosten mit der Behinderung, sohin die Zwangsläufigkeit der Behandlungskosten im Hinblick auf die Behinderung, zweifelsfrei nachgewiesen werden (vgl zB ; ; ).

Diese Zwangsläufigkeit der Behandlungskosten für die Behinderung konnte nach den obigen Sachverhaltsfeststellungen samt entsprechender Beweiswürdigung von der Beschwerdeführerin nicht auf die von der ständigen Rechtsprechung und dem Gesetz geforderte Art und Weise nachgewiesen werden, weshalb eine Berücksichtigung der geltend gemachten Krankheitskosten ohne Selbstbehalt rechtlich nicht in Betracht kam.

Aber auch die von der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag als Eventualbegehren formulierte Berücksichtigung der Krankheitskosten mit Selbstbehalt konnte im vorliegenden Fall nicht zu abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen führen (was sich bereits aus dem angefochtenen Bescheid ergibt und worauf die belangte Behörde zu Recht im Vorlagebericht hinweist).

Aufgrund des gemäß § 34 Abs 5 EStG ermittelten Einkommens der Beschwerdeführerin iHv 102.978,67 € beträgt nämlich der Selbstbehalt gemäß § 34 Abs 4 EStG im vorliegenden Fall 12.357,44 € (12 % des Einkommens; vgl auch die Begründung des angefochtenen Bescheides) und übersteigt somit den Betrag der geltend gemachten Krankheitskosten von 10.750 42 €.

Wenn daher die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die beantragten Aufwendungen der Beschwerdeführerin für Zwecke der Einkommensermittlung nur unter gleichzeitigem Abzug des entsprechenden Selbstbehaltes herangezogen und dadurch im Ergebnis mangels Übersteigen des maßgeblichen Selbstbehaltes die Krankheitskosten nicht als einkommensmindernde außergewöhnliche Belastung anerkannt hat, kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (Beurteilung des fraglichen ursächlichen Zusammenhanges zwischen Behandlungskosten und Behinderung) war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor (vgl ).

Es war daher gemäß § 25a Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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