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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.10.2019, RV/7200041/2019

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/16/0218. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Revisionssache Rw., vertreten durch NN., über den undatierten und am beim Bundesfinanzgericht eingelangten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG den Beschluss gefasst:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer ordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7200075/2016, wird abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis vom , GZ. zz4, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden der nunmehrigen Revisionswerberin (Rw.), der Rw., gegen die im Erkenntnis näher bezeichneten 13 Bescheide des Zollamtes Wien, betreffend Verbrauchsteuern und Säumniszuschläge ab.

In diesem Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt. Die Zustellung dieses Erkenntnisses an den damaligen Vertreter der Rw. erfolgte am . Die Revisionsfrist endete demnach am .

Mit dem vorliegenden undatierten und am beim Bundesfinanzgericht eingelangten Schriftsatz begehrt die Rw. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist gem. § 46 VwGG. Im Adressfeld der dieser Eingabe beiliegenden Revisionsschrift gegen das o.a. Erkenntnis vom ist vermerkt:

„PER WEB-ERV

Verwaltungsgerichtshof

Judenplatz 11

1010 Wien“

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird u.a. wie folgt begründet:

„1. Die NNGmbH („Kanzlei“) ist von der Revisionswerberin mit der Einbringung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (BFG) vom , RV/7200075/2016, beauftragt worden; als Zustelldatum dieses BFG-Erkenntnisses wurde hierbei der bekannt gegeben und ist dementsprechend im Fristenbuch der Kanzlei Freitag, , als letzter Tag der Revisionsfrist eingetragen worden.

2. Nach Abstimmung mit der Revisionswerberin und deren deutschen Rechtsvertreter ist am Freitag, die Freigabe für die Revision der Kanzlei erteilt worden

2.1 Dementsprechend hat der den Akt betreuende Rechtsanwalt der Kanzlei, DrN, die Endfassung der Revisionsschrift noch einmal durchgesehen, unterschrieben und sodann seine Assistentin, Frau G., mit der Einbringung beim Bundesfinanzgericht beauftragt.

2.2 Die Assistentin hat dann irrtümlich die Revisionsschrift statt per Post an das BFG zu schicken, via Web-ERV direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

2.3 Am Abend, nach Rückkehr von einem auswärtigen Termin, hat dann Dr.N überprüft, ob die Frist für diese Revision im Fristenbuch gelöscht ist: da dies der Fall war, ging Dr.N davon aus, dass die Revision ordnungsgemäß eingebracht wurde; auf die Idee, dass die Revision nicht an das BFG verschickt worden sei, kam er nicht (siehe dazu unten 3.).

3. Hierzu ist ergänzend Folgendes auszuführen:

Die Assistentin, Frau G., ist seit rund 18 Monaten bei der NNGmbH, und zwar im Sekretariat von Dr.N, tätig.

Zuvor war Frau G insgesamt rund 2 Jahre bei einer anderen, großen Wiener Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt und daher in die Anforderungen eines Kanzleibetriebs einer Rechtsanwaltskanzlei, der Fristenführung und der Einbringung von Schriftsätzen und Rechtsmittel eingeschult und mit diesen vertraut.

Bei Beginn ihrer Tätigkeit in der Kanzlei, wurde Frau G von langjährig in der Kanzlei tätigen anderen Assistentinnen eingeschult.

Im Zuge der Tätigkeit als Assistentin bei Dr.N war Frau G seit Beginn ihrer Tätigkeit mit Kanzleitätigkeiten, insbesondere dem Schreiben, der Endredaktion, der Fertigstellung (einschließlich der Prüfung der Anlagen) und dem Versand von Korrespondenzen, Schriftsätzen und Rechtsmittel betraut und hat diese Aufgaben bislang jeweils richtig und korrekt, somit fehlerfrei durchgeführt.

Dr.N vertritt seit vielen Jahren zahlreiche Klienten in Abgabenverfahren und hat auch in den letzten Jahren in vielen Fällen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof erhoben: diese wurden auch bislang stets richtig beim Bundesfinanzgericht eingebracht. Frau G war daher bekannt, dass auch die gegenständliche Revision beim Bundesfinanzgericht eingebracht werden muss; Dr.N sah aufgrund des Umstandes, dass Frau G schon vielfach Revisionen an die richtige Einbringungsstelle (das BFG) versandt hat, keinerlei Veranlassung, dieses Mal zu überprüfen, ob auch diese Revision - so wie in allen den vielen früheren Fällen - tatsächlich beim BFG (und nicht beim VwGH) eingebracht wurde.

Dr.N hat auch wiederholt stichprobenmäßig die Arbeit von Frau G, insbesondere bei der Einbringung von Schriftsätzen und Rechtsmittel, überprüft, und bislang keinerlei (weder drohende noch erfolgte) Fehler festgestellt.

Diese einmalige, irrtümliche Einbringung der Revision im Web-ERV direkt beim VwGH, stellt daher einen minderen Grad des Versehens dar, sodass die Wiedereinsetzung nach §§ 308 ff BAO bzw. § 46 VwGG zu bewilligen ist.

Da sich ein Parteienvertreter mit einem - wie dargestellt – ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb darauf verlassen kann, dass sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung auch befolgt (; , 91/13/0129; Ritz, BAO4 § 308 Rz 17), muss eine ausdrücklich angeordnete Postaufgabe nicht auf ihr tatsächliches Stattfinden kontrolliert werden (; , 96/21/1049; Ritz, BAO4. § 308 Rz 17): eine regelmäßige Kontrolle der Kuvertierung durch eine - wie hier – verlässliche Kanzleikraft ist nicht zumutbar (, 0083; , 97/15/0125; Ritz, BAO4 § 308 Rz 17).

4. Von der unrichtigen, direkten Einbringung der Revision beim VwGH ist der verantwortliche Rechtsanwalt Dr.N am Montag von seiner Assistentin, G., verständigt worden: der Wiedereinsetzungsantrag ist daher rechtzeitig.

Beweis: beiliegende eidesstättige Erklärungen von RA DrN und Frau G.

…“

Die beiden beigelegten eidesstättigen Erklärungen haben folgenden Inhalt:

Erklärung der Assistentin:

„EIDESSTÄTTIGE ERKLÄRUNG

Ich, G., wohnhaft in Adresse1, erkläre an Eides Statt:

1. Ich bin seit TT.MM.2018 bei der NNGmbH („NNN”) beschäftigt und seit damals im Sekretariat von RA Dr.N tätig und dabei mit allen in einer Rechtsanwaltskanzlei anfallenden Kanzleitätigkeiten befasst, insbesondere mit dem Schreiben, der Endredaktion, der Fertigstellung (einschließlich der Prüfung der Anlagen) und dem Versand von Korrespondenzen, Schriftsätzen und Rechtsmittel, sowohl per Post als auch im Web-ERV.

2. Zu Beginn meiner Tätigkeit bei NNN bin ich etwa eine Woche lang von anderen Assistentinnen der Kanzlei eingeschult und begleitet worden. Vor meiner Tätigkeit bei NNN war ich rund 2 Jahre in einer Wiener Großkanzlei als Assistentin tätig und auch dort mit allen typischen in einer Rechtsanwaltskanzlei anfallenden Kanzleitätigkeiten befasst.

3. lch werde auch regelmäßig von Dr.N, aber auch von unserer Kanzleileiterin, stichprobenmäßig überprüft; bislang kam es zu keinerlei Beanstandungen oder Fehlern, insbesondere nicht im Zusammenhang mit Fristenvormerken oder der Einbringung von Rechtsmitteln.

4. Am wurde ich von Dr.N angewiesen, die von ihm freigegebene Endfassung der Revision beim BFG einzubringen. Da ich mich zunächst mit anderen dringenden Angelegenheiten befasst habe, habe ich dies erst erledigt, als Dr.N bei einem Auswärtstermin war. Obwohl ich seit meiner Tätigkeit bei Dr.N schon mehrfach auch mit der Einbringung von Revisionen gegen BFG-Erkenntnisse befasst war und diese auch jeweils an das BFG geschickt habe, habe ich dann am Freitag , die Revision in der Rechtssache „ RW.” versehentlich statt per Post an das BFG per Web-ERV direkt an den Verwaltungsgerichtshof geschickt und sodann die Frist im Fristenbuch als erledigt ausgestrichen; aus welchen Gründen ich dies getan habe, ist mir jetzt im Nachhinein selbst unerklärlich.

5. Am Montag, , gleich in der Früh, habe ich Dr.N über den Versand der Revision an den Verwaltungsgerichtshof unterrichtet.

…“

Erklärung des Rechtsanwalts:

„EIDESSTÄTTIGE ERKLÄRUNG

lch, Mag. DrN, Rechtsanwalt in Adresse2, erkläre an Eides Statt:

1 . Ich bin seit 1993 als Rechtsanwalt bei der NNGmbH (vormals NNGesmbH) tätig.

2. Nachdem meine frühere, langjährige Assistentin in Mutterschutz und Karenz ging, ist Frau G., die zuvor über 2 Jahre bei einer Wiener Groß-Kanzlei als Rechtsanwalts-Assistentin tätig war, seit rund 18 Monaten meine Assistentin; zu ihren Aufgaben zählen alle typischerweise in einer Rechtsanwaltskanzlei anfallenden Tätigkeiten, wie Entgegennahme und Vermittlung von Telefonaten, Schreiben nach Diktat, Endredaktion, Fertigstellung (einschließlich der Prüfung der Anlagen) und Versand von Korrespondenzen, Schriftsätzen und Rechtsmittel jeder Art.

Ich bin mit Frau G. bislang sehr zufrieden gewesen, und hat sie alle ihre Aufgaben mit großem Eifer, Genauigkeit und Verlässlichkeit erfüllt, wie ich nicht zuletzt auch bei regelmäßigen Kontrollen ihrer Tätigkeiten feststellen konnte.

3. Da ich zahlreiche Klienten auch in Abgaben-, insbesondere Zollangelegenheiten vertrete, bin ich regelmäßig mit der Einbringung von Rechtsmitteln in Abgaben-, insbesondere Zollsachen beauftragt, daher auch von Revisionen und Revisionsbeantwortungen.

Auch Frau G war daher während der bisherigen Zelt ihrer Tätigkeit bei mir schon mehrfach mit der Einbringung von Revisionen befasst; ihr war daher auch bekannt, dass diese - ungeachtet des Umstandes, dass darüber der Verwaltungsgerichtshof entscheidet - beim Bundesfinanzgericht einzubringen sind, wie sie es auch schon früher wiederholt richtig getan hat.

4. Am Freitag habe ich nach einer letzten Abstimmung mit dem Klienten und dessen deutschen Rechtsvertreter die Endfassung der Revision in der Rechtssache der RW. freigegeben und Frau G beauftragt, diese - wie gehabt - beim Bundesfinanzgericht einzubringen. Da sie dies schon früher wiederholt und richtig getan hat, hatte ich keinen Zweifel, dass dieser Auftrag korrekt ausgeführt wird.

5. Als ich dann nach einem Spitalsbesuch bei meiner Frau am Freitag, abends, in die Kanzlei zurückkam, habe ich im Fristenbuch überprüft, ob die Frist betreffend der Revision in der Rechtssache der RW. ausgetragen war: da dies der Fall war, war ich überzeugt, dass die Revision ordnungsgemäß eingebracht war.

6. Am Montag, , morgens, als ich in die Kanzlei kam, hat mich Frau G von dem Umstand informiert, dass sie irrtümlich die Revision (im Web-ERV) beim VwGH eingebracht hat.

…“

Über den Antrag auf Wiedereinsetzung wurde erwogen:

Rechtslage:

§ 26 VwGG idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet auszugsweise:

"(1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung; (…)."

§ 46 VwGG lautet:

"(1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. 

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei. 

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen 

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw. 

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. 

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen. 

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. 

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt."

Erwägungen:

Ausgehend von den durchaus glaubwürdigen Angaben des Vertreters der Rw. hat ihn seine Assistentin bereits am nächsten Arbeitstag nach der (am letzten Tag der Revisionsfrist erfolgten) Unterfertigung der Revisionsschrift, also am , davon in Kenntnis gesetzt, dass sie die Revision mittels Web-ERV an den Verwaltungsgerichtshof und nicht per Post an das Bundesfinanzgericht übermittelt hat. Laut vorliegendem Postaufgabekuvert ist der Antrag auf Wiedereinsetzung samt beiliegender Revision am der Post per Einschreiben zur Beförderung übergeben worden.

Angesichts dieser Umstände kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Antragstellung innerhalb der in § 46 Abs. 3 VwGG genannten Frist und somit rechtzeitig erfolgt ist.

Es ist somit inhaltlich darauf einzugehen, ob die Wiedereinsetzung zu bewilligen ist.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl. ; , mwN).

Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad der Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. etwa , mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof nimmt somit in ständiger Rechtsprechung an, dass ein Rechtsanwalt seine Mitarbeiter entsprechend zu organisieren und zu überwachen hat. Lediglich hinsichtlich rein manipulativer Tätigkeiten ist bei erfahrenen und zuverlässigen Kanzleikräften eine Kontrolle nicht erforderlich, sodass etwa verlässlichen Kanzleiangestellten die näheren Umstände der Kuvertierung und Postaufgabe allein überlassen werden dürfen (vgl. die Nachweise bei Mayer/Muzak, B-VG5 Anm. IV.2. zu § 46 VwGG). Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken, wie etwa die Kuvertierung, die Beschriftung eines Kuverts oder die Postaufgabe, kann somit ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. , mwN).

Wer darüber hinaus einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat. Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (, mwN).

Der steuerliche Vertreter der Rw. bringt als Grund für die Wiedereinsetzung vor, seine Assistentin habe die Revision irrtümlich per Web-ERV direkt beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, anstatt sie – wie von ihm angeordnet - per Post an das Bundesfinanzgericht zu übermitteln.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Denn bei Betrachtung der in Rede stehenden Revisionsschrift fällt auf dem ersten Blick auf, dass die auf der ersten Seite der Eingabe vermerkte Adressierung unrichtig ist. Im Adressfeld ist nicht das Bundesfinanzgericht sondern der Verwaltungsgerichtshof genannt. Dazu kommt, dass als Art der Versendung nicht wie sonst üblich „Einschreiben“ sondern „PER WEB-ERV“ (also per elektronischem Rechtsverkehr) vermerkt ist. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Einbringung von Eingaben mittels Web-ERV an das Bundesfinanzgericht im Gegensatz etwa zu Schriftsätzen an den Verwaltungsgerichtshof nicht vorgesehen ist.

Im Wiedereinsetzungsantrag wird auf diese Umstände mit keinem Wort eingegangen und nicht einmal der Versuch einer Erklärung dafür unternommen, warum entgegen der ins Auge gefassten zutreffenden Adressierung an das Bundesfinanzgericht der Schriftsatz den Verwaltungsgerichtshof als Adressaten nennt.

Dem Rechtsanwalt, der die Revisionsschrift als Vertreter der Rw. knapp unter der der falschen Adressbezeichnung auf der selben Seite persönlich unterfertigt hat, hätte bei Wahrung der gebotenen Sorgfalt dieser Fehler auffallen müssen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es Aufgabe des Vertreters, sich vor der Unterfertigung des korrigierten Schriftsatzes über dessen Vollständigkeit und Richtigkeit zu vergewissern. Die abschließende Überprüfung des Schriftsatzes (auch) in formeller Hinsicht hat auch die richtige Bezeichnung des Adressaten miteinzuschließen. Dies insbesondere dann, wenn die Adressierung nicht nur auf dem Kuvert, sondern durch die Angabe des Empfängers und dessen Anschrift auch im Schriftsatz selbst vorgenommen wird (vgl. etwa ).

Wenn die Assistentin des Rechtsanwaltes in ihrer vorliegenden eidestättigen Erklärung meint, es sei ihr im Nachhinein unerklärlich, warum sie die Revisionsschrift nicht per Post an das BFG sondern per Web-ERV direkt an den Verwaltungsgerichtshof übermittelt hat, kann ihr angesichts der oben geschilderten Umstände nicht gefolgt werden. Das Gegenteil ist der Fall: Da in dem vom Rechtsanwalt unterfertigen Schriftsatz als Empfänger der Verwaltungsgerichtshof genannt ist und als Art der Übermittlung der Vermerk „PER WEB-ERV“ aufscheint, war ihr Vorgehen durchaus naheliegend und geradezu zu erwarten.

Das Wiedereinsetzungsbegehren stützt sich ausschließlich auf die behaupteten Fehlleistungen der Assistentin des Rechtsanwalts und lässt dabei völlig unberücksichtigt, dass der Grund für die Fristversäumnis nach dem eben Gesagten auch in der unrichtigen Revisionsschrift zu sehen ist. Die Verpflichtung zur Kontrolle dieses Schriftsatzes anlässlich dessen Unterfertigung traf jedoch nicht die Assistentin sondern ausschließlich den Parteienvertreter, sodass er selbst es ist, der diesen Fehler zu verantworten hat. Dass die dem Rechtsanwalt zuzurechnende falsche Adressierung und dessen sich daraus ergebende Verschulden an der Versäumung der Frist einen minderen Grad des Versehens darstellen, wird nicht vorgetragen.

Die Angaben des Rechtsanwalts, er sei auf Grund der Löschung der Frist für die Revision im Fristenbuch davon ausgegangen, die Revision sei ordnungsgemäß eingebracht worden und er sei nicht auf die Idee gekommen, dass die Revision nicht an das Bundesfinanzgericht verschickt worden sei, sind nicht nachvollziehbar. Er musste angesichts der unrichtigen Adressierung vielmehr damit rechnen, dass die Zustellung wie schriftlich vermerkt erfolgt. Auf Grund des Umstandes, dass er es im Zuge der Unterfertigung unterließ, die Revisionsschrift im Adressfeld richtigzustellen bzw. richtigstellen zu lassen, unterlief ihm hiemit ein Versehen, das nicht minderen Grades ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung hat sich ein Rechtsanwalt bei der Unterfertigung von Schriftsätzen zu vergewissern, was er unterschreibt ().

Das Bundesfinanzgericht vermag sich der Argumentation des Rechtsanwalts nicht anzuschließen, wonach er keine Veranlassung gesehen habe, dieses Mal zu überprüfen, ob die Revision – so wie in allen den vielen früheren Fällen – tatsächlich beim Bundesfinanzgericht (und nicht beim Verwaltungsgerichtshof) eingebracht wurde. Gerade dann, wenn der von ihm unterfertigte Schriftsatz sowohl einen unrichtigen Adressaten aufweist als auch eine unzutreffend Art der Einbringung vermerkt ist, gebietet die berufliche Sorgfaltspflicht des Anwaltes eine genaue Kontrolle des Vorgangs der Postaufgabe.

Der geltend gemachte Umstand, der Rechtsanwalt vertrete seit vielen Jahren zahlreiche Klienten in Abgabenverfahren und habe in den letzten Jahren in vielen Fällen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, ändert daran nichts. Es trifft zwar zu, dass - soweit ersichtlich - diese Revisionen bislang stets richtig beim Bundesfinanzgericht eingebracht worden sind, diese Schriftsätze waren aber im Gegensatz zum Streitfall allesamt richtig adressiert und ausdrücklich an das Bundesfinanzgericht gerichtet (siehe etwa nachstehend angeführte Revisionen gegen die näher bezeichneten Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes):

Revision vom tt.mm.2018, gegen zz1,

Revision vom tt.mm.2015, gegen zz2,

Revision vom tt.mm.2016, gegen zz3

Das Bundesfinanzgericht sieht daher entgegen dem Vorbringen im vorliegenden Antrag die Fristversäumnis nicht primär dadurch verursacht, dass die Assistentin eine Anordnung des Rechtsanwaltes missachtet hat. Nach dem geschilderten Geschehen ist vielmehr davon auszugehen, dass der Grund für den unrichtigen Versand vor allem in der unrichtig adressierten Revisionsschrift zu suchen ist, in der darüber hinaus noch eine unzutreffende Art der Einbringung vermerkt ist.

Der Rechtsanwalt hätte sich daher bei diesen besonderen Umständen des Einzelfalles nicht damit begnügen dürfen, am bloß das Fristenbuch zu überprüfen. Er hätte sich z.B. durch einen Blick in ein Postaufgabebuch oder ein vergleichbares Hilfsmittel (das nach den Erfahrungen des Bundesfinanzgerichtes in allen großen Rechtsanwaltskanzleien zur kontrollierenden Unterstützung des Kanzleiapparates geführt wird) vergewissern müssen, an wen die Revision tatsächlich versandt worden war und welche konkrete Art des Versands (z.B. Einschreiben) dabei zum Einsatz gelangt war.

Nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichtes übersteigt die dem Vertreter unterlaufene falsche Adressierung den minderen Grad des Versehens, ist doch die gewissenhafte Prüfung, ob der im Schriftsatz genannte Empfänger der Revisionsschrift zutreffend bezeichnet wurde, unumgänglich um das fristwahrende Einlangen des Anbringens beim richtigen Adressaten sicherzustellen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss durch entsprechende Kontrollen vorgesorgt werden, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. , 0051, , 89/17/0085). Kommt der Rechtsanwalt einer solchen Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. , 0152). Dies gilt im Anlassfall umso mehr, als angesichts des geschilderten Sachverhalts mit einer unrichtigen Übermittlung der Eingabe geradezu zu rechnen war.

Dem Rechtsanwalt, der laut seinen eigenen Angaben trotz dieser Umstände keine Veranlassung zur Kontrolle der richtigen Einbringung der Revision gesehen hat und eine wirksame Überwachung nicht einmal behauptet, ist somit anzulasten, nicht die gebotenen Schritte zur Gewährleistung einer fristgerechten Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit unternommen zu haben.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages sind somit nicht erfüllt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der gegenständliche Beschluss weicht nicht von der bisherigen in der Entscheidung dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Eine ordentliche Revision wird daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 46 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 26 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise











ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7200041.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at