Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.12.2019, RV/5100462/2019

Haushaltszugehörigkeit eines Kindes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , VNR: 000, über die Abweisung eines Antrags auf Gewährung von Familienbeihilfe für das Kind PM, VNR: 001, für den Zeitraum April 2014 bis April 2015 zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO (Bundesabgabenordnung)

  • hinsichtlich der Monate August 2014 bis April 2015 ersatzlos aufgehoben und

  • hinsichtlich der Monate April 2014 bis Juli 2014 dahingehend abgeändert, dass der Antrag vom (eingelangt am ) zurückgewiesen wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Antrag der Beschwerdeführerin (Bf.) vom auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind PM, VNR: 001, für Zeiträume ab wurde m it dem hier angefochtenen Bescheid vom  für die Zeiträume „April 2014 bis April 2015“ mit folgender Begründung abgewiesen:
„Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.“

Das Finanzamt gab in der Folge der gegen den genannten Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom teilweise Folge und stellte im Spruch seiner Beschwerdevorentscheidung vom fest, dass ab August 2014 - April 2015 ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe und die Zuerkennung mit gesonderter Post ergehe. Für den Zeitraum April - Juli 2014 sei der Anspruch nicht gegeben und der Antrag der Bf. diesbezüglich zurückzuweisen.
Zur Begründung führte die Behörde an, dass in der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom über den Anspruch auf Familienbeihilfe für das Kind der Bf. für den Zeitraum Oktober 2008 bis Juli 2014 bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei:
Der Sohn der Bf. sei von November 2008 bis November 2014 auf Kosten der öffentlichen Jugendwohlfahrt in einer sozialpädagogischen Wohngruppe zur „vollen Erziehung" untergebracht gewesen. Jedenfalls bis Juli 2014 sei er weder bei der Bf. haushaltszugehörig gewesen noch seien von der Bf. überwiegend die Unterhaltskosten getragen worden.
Sei bereits rechtskräftig über die Familienbeihilfe eines bestimmten Zeitraumes abgesprochen worden, könne über diese nicht neuerlich entschieden werden. Ein diesbezüglicher Antrag sei zurückzuweisen.

Mit der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrages vom gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder haben gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,

b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,

c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 13 FLAG 1967 ist ein Bescheid zu erlassen, insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

Im Beschwerdefall beantragte die Bf. die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ab April 2014.

Zu prüfen ist zunächst, ob - wie sich aus den oben zitierten Gesetzesstellen klar ergibt - im hier maßgeblichen Zeitraum „April 2014 bis April 2015“ eine Haushaltszugehörigkeit des Kindes zur Bf. bestanden hat.

Mit dem rechtskräftigen Erkenntnis vom , RV/5101213/2014, wies das Bundesfinanzgericht eine Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes vom , über die Abweisung eines Antrages der Bf. auf Familienbeihilfe für das Kind PM, VNR: 001, für den Zeitraum „ab Oktober 2008" als unbegründet ab.
Dem genannten Erkenntnis lag folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt zugrunde:

Der Sohn der Bf. PM war vom November 2008 bis November 2014 auf Kosten der öffentlichen Jugendwohlfahrt (BH-AB/Sozialhilfeverband) in einer sozialpädagogischen Wohngruppe zur „vollen Erziehung“ untergebracht. Diese - umfasste sämtliche Aufwendungen für Unterbringung, Versorgung und Betreuung einschließlich zusätzlich anfallender, durch die Tagessätze nicht gedeckter Kosten (z.B. Therapien). Die dabei tatsächlich von der Jugendwohlfahrt getragenen monatlichen Kosten für die Unterbringung von PM in besagter Einrichtung betrugen zwischen rund 4.500 € bis zu rund 6.870 € monatlich (monatlich durchschnittlich 4.825 € in 2008, 5.244 € in 2009, 5.283 € in 2010, 5.563 € in 2011, 5.764 € in 2012, 5.806 € in 2013 und 6.080 € in 2014).

Die Bf. leistete vom November 2008 bis Oktober 2009 nachgewiesene Kostenbeiträge für diese Unterbringung von monatlich 335 € und ab November 2009 solche von monatlich 60 €. Der KV leistete zwischen November 2008 und Juni 2012 für PM monatliche Unterhaltszahlungen von 315 € und ab Juli 2012 solche iHv 490 €.

Die tatsächliche Leistung der von der Bf. behaupteten, von ihr darüber hinaus erbrachten Sachleistungen für PM (sh. oben P. I.5) wurden nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht. Sachleistungen der Bf. in einem erheblichen Ausmaß sind deshalb nicht glaubwürdig, weil durch besagte Unterbringung auf Kosten der öffentlichen Jugendwohlfahrt sämtliche Aufwendungen für den Unterhalt des PM (lt. Auskunft der BH-AG, sh. oben P. I.8) abgedeckt waren. Auch auf Grund der geringen Höhe der jährlichen Einkünfte der Bf. (sh. oben P. I.2: sozialversicherungspflichtige Jahreseinkünfte laut Versicherungsdatenauszug der Sozialversicherung: vor 2010 und 2014 keine sozialversicherungspflichtigen Einkünfte, zwischen 2010 und 2013 zwischen 7.233 € und 12.783 € jährlich; immer wieder längere Zeiträume, in denen die Bf. Arbeitslosengeld, Krankengeld sowie Notstands- und Überbrückungshilfe bezog) sind Sachleistungen der Bf. für PM in einem größeren Umfang nicht glaubhaft.

In Anbetracht der Höhe der monatlichen Kosten des Jugendwohlfahrtsträgers für die „volle Erziehung“ des PM (siehe oben P. I.8) und im Hinblick auf die angeführten Unterhaltsleistungen des KV kann daher - nach Ansicht des BFG - keine Rede sein, dass die Bf. die tatsächlichen angefallenen Kosten für den Unterhalt des PM im Streitzeitraum überwiegend getragen hätte.

PM verbrachte ab seiner Unterbringung in einer Wohngruppe auf Kosten der öffentlichen Jugendwohlfahrt vom November 2008 bis Dezember 2012 nur im Dezember 2008 sieben Tage und im Oktober 2010 sechs Tage bei der Bf. Von Jänner bis Juli 2013 hatte PM nur so genannte „Tageskontakte“ mit der Bf., er nächtigt demnach nicht in ihrer Wohnung. Ab August 2013 verbrachte PM anlässlich von Heimfahrten an Wochenenden, in den Ferien u. dgl. monatlich einzelne Tage bei der Bf.; diese Aufenthalte betrugen bis Juli 2014 zwischen 2 und 12 Tage pro Monat (von 8/2013 bis 12/2013 im Durchschnitt rund 5 Tage und von 1/2014 bis 7/2014 im Durchschnitt rund 7 bis 8 Tage monatlich) und daher nie mehr als Hälfte eines Monates. Erstmals im August 2014 verbrachte der Sohn der Bf. mehr als die Hälfte des Monates bei der Bf. und ab war er an der Wohnadresse der Bf. gemeldet."

Der dem genannten Erkenntnis vom zugrundeliegende Bescheid vom  spricht über die Abweisung eines Antrags auf Familienbeihilfe für die Zeiträume „ ab Oktober 2008" ab, ohne einen Endzeitpunkt zu benennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) gilt dieser Abspruch mangels eines festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im März 2014 (vgl. etwa ).

Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ).

Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- oder Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird (vgl. ).

Dies bedeutet im Beschwerdefall, dass der rechtskräftige Bescheid vom seine Wirkung auch auf jene Zeiträume nach seiner Erlassung im März 2014 entfaltete, bis sich die Sach- oder Rechtslage geändert hat.

Nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichtes im Erkenntnis vom war der Sohn der Bf. jedenfalls bis Juli 2014 nicht bei der Bf. haushaltszugehörig. Auch eine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten durch die Bf. war für das Bundesfinanzgericht nicht feststellbar. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht nahm das Bundesfinanzgericht an, dass der Sohn der Bf. erstmals im August 2014 mehr als die Hälfte des Monats bei der Bf. verbrachte. Damit trat im gegenständlichen Fall im August 2014 eine Änderung der Sachlage aufgrund der tatsächlichen Zugehörigkeit des Sohnes zum Haushalt der Bf. ein.

Weder in der Beschwerde vom noch im Vorlageantrag vom vermochte die Bf. schlüssig aufzuzeigen, dass die erwähnten Sachverhaltsannahmen unzutreffend wären. Ausgehend von den angeführten Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Fall den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Es liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine begründeten Zweifel vor, die durch weitere Ermittlungen zu verfolgen wären, zumal auch die Bf. keine solchen begründeten Zweifel darlegte, dass weitere Erhebungen erforderlich und zweckmäßig erscheinen.

Folglich ergibt sich für das Bundesfinanzgericht, dass für die Zeiträume vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zum Zeitpunkt, in dem sich die Sachlage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat, im Beschwerdefall sohin für die Monate April 2014 bis Juli 2014, durch den ersten Bescheid vom „res iudicata" („entschiedene Sache") vorliegt. Für diese Zeiträume ist daher der neuerliche Antrag vom zurückzuweisen.

Für die Monate August 2014 bis einschließlich April 2015 war der angefochtene Bescheid aufzuheben, weil für diese Zeiträume die zu gewährende Familienbeihilfe nach § 11 FLAG 1967 ausbezahlt worden ist und das Finanzamt entsprechend § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung ausgestellt hat. Gemäß § 13 FLAG 1967 ist ein Bescheid nur zu erlassen, insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

Auch das Finanzamt folgte den oben erwähnten Sachverhaltsfeststellungen und sah in der Beschwerdevorentscheidung vom die Voraussetzungen für einen Anspruch der Bf. auf Familienbeihilfe für die Zeiträume ab August 2014 bis April 2015 als erfüllt an. Für die Zeiträume April 2014 bis Juli 2014 nahm es ebenfalls eine Zurückweisungsverpflichtung wegen „entschiedener Sache" an.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die gegenständlichen Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung hat und sich an der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Linz, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100462.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at