Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.12.2019, RV/1100517/2017

Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte eines an der Liechtensteinischen Musikschule tätigen Lehrers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK  

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache XY, vertreten durch die Z Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch betreffend Einkommensteuer 2015 und 2016, Einkommensteuervorauszahlungen 2018 sowie Anspruchszinsen 2015 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1.  Der im Inland ansässige Beschwerdeführer bezog in den Streitjahren aus der Tätigkeit als Lehrer an der Liechtensteinischen Musikschule resultierende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die - wie auch in den Vorjahren - in Liechtenstein versteuert wurden.

2.  Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer hinweisend darauf, dass die von der Liechtensteinischen Musikschule bezogenen Einkünfte aufgrund der Änderung des Art. 19 DBA-Liechtenstein mit BGBl. III Nr. 8/2017 ab dem Jahre 2015 in Österreich steuerpflichtig seien, Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2015 und 2016 samt im Einzelnen angeführter Unterlagen vorzulegen.

3.  Nach Vorlage der angeforderten Abgabenerklärungen samt Beilagen unterzog das Finanzamt die liechtensteinischen Einkünfte mit der Begründung, diese seien nach Art. 19 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 15 DBA-Liechtenstein in Österreich steuerpflichtig, der inländischen Besteuerung und setzte hinsichtlich des Jahres 2015 entsprechende Anspruchszinsen fest. Weiters wurden auf Grundlage der für das Jahr 2016 festgesetzten Einkommensteuer die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2018 und Folgejahre vorgeschrieben.

4.  Gegen die angeführten Bescheide vom erhob die steuerliche Vertretung Beschwerde und beantragte, die Einkünfte aus der Tätigkeit als Lehrer an der Lichtensteinischen Musikschule lediglich im Wege des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen. Bei der Liechtensteinischen Musikschule handle es sich um eine per Gesetz gegründete Stiftung öffentlichen Rechts, die der Erfüllung staatlicher Aufgaben (Erteilung von Unterricht sowie Förderung des musikalischen Lebens des Landes) diene und über eine eigene Wirtschafts- und Rechnungsführung verfüge. Die Lehrergehälter würden zum Großteil aus öffentlichen Geldern ("Staatsbeitrag") bestritten. Damit erfülle die Liechtensteinische Musikschule alle Voraussetzungen, welche verlangt würden, um (wie auch die Universität Liechtenstein) als ein vom Staat errichtetes Sondervermögen im Sinne des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein angesehen werden zu können.

5.  Mit Beschwerdevorentscheidung hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Besteuerung der liechtensteinischen Bezüge führte das Finanzamt zusammengefasst aus, Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein setze tatbestandsmäßig die Zahlung von Vergütungen von einem Vertragsstaat, einer seiner Gebietskörperschaften oder aus einem vom Vertragsstaat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen voraus. Bei der Liechtensteinischen Musikschule handle es sich aber um eine Stiftung öffentlichen Rechts und komme eine Subsumption unter Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher grundsätzlich nicht in Betracht (Hinweis auf ).

Ebenso liege ein Sondervermögen im Sinne des näher dargelegten Begriffsverständnisses nicht vor. Der Umstand, dass der Aufwand der Musikschule nur zu etwa einem Viertel durch Einnahmen (insbesondere aus Schulgeldern und Spenden) abgedeckt und der weitere Aufwand durch einen "Staatsbeitrag" ausgeglichen werde, vermöge für sich kein Sondervermögen zu begründen, da es sich nicht um ein gesondert verwaltetes Vermögen, sondern lediglich um einen budgetierten Kosten- bzw. Aufwandersatz handle. Ebenso ändere die Tatsache, dass die Liechtensteinische Musikschule einen staatlichen und öffentlichen Bildungsauftrag erfülle, nichts daran, dass die Vergütungen nicht aus einem vom Staat oder einer Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen stammten, sondern von einer selbständigen juristischen Person öffentlichen Rechts für die ihr gegenüber erbrachten Dienste bezahlt worden seien. Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein sei daher im Beschwerdefall nicht anwendbar und seien die Bezüge nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein somit in Österreich zu erfassen.

6.  Im Vorlageantrag vom hat die steuerliche Vertretung ergänzend darauf hingewiesen, dass nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , V 41/2015, eine Subsumtion einer liechtensteinischen Stiftung öffentlichen Rechts unter den Begriff des Sondervermögens gemäß Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein durchaus in Betracht kommen könne. Zudem handle es sich auch bei der als Sondervermögen gemäß Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein eingestuften Universität Liechtenstein um eine Stiftung öffentlichen Rechts, deren Finanzierungsstruktur mit der Musikschule Liechtenstein durchaus vergleichbar sei.
 

II. Sachverhalt

Der in Österreich ansässige Beschwerdeführer bezieht aus seiner Tätigkeit als Lehrer an der Liechtensteinischen Musikschule Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei er in der Regel arbeitstäglich zwischen seinem (grenznahen) inländischen Wohnsitz und dem (grenznahen) Arbeitsort in Liechtenstein pendelt. 

Die "Liechtensteinische Musikschule" ist eine selbständige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Vaduz [Art. 1 des Gesetzes vom über die Musikschule Liechtenstein (LMSG) und Art. 1 der Statuten der Musikschule]. Zweck der Stiftung ist es, Unterricht in Instrumental- und Vokalmusik zu erteilen und das musikalische Leben des Landes zu fördern (Art. 3 LMSG, Art. 2 der Statuten). Der Staat Liechtenstein stellt der Stiftung geeignete Unterrichtsmöglichleiten unentgeltlich zur Verfügung (Art. 6 LMSG). Die Einkünfte der Musikschule sind das Schulgeld, der Staatsbeitrag und sonstige Einkünfte wie Schenkungen und Legate, wobei das Schulgeld mindestens 25% der Aufwendungen und der Staatsbeitrag höchstens 75% der Aufwendungen deckt (Art. 4 LMSG, Art. 3 der Statuten). Die Organe der Musikschule sind der Stiftungsrat, die Direktion und die Revisionsstelle (Art. 7 LMSG, Art. 4 der Statuten). Der Stiftungsrat besteht aus fünf bis sieben Mitgliedern, die von der Regierung jeweils für eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt werden (Art. 5 der Statuten). Ihm obliegt ua. die Oberleitung der Stiftung (Art. 9 LMSG, Art. 6 der Statuten). Der Stiftungsrat erlässt auch das Dienstreglement über das Dienstverhältnis der Lehrer. Die Direktion wird durch den Stiftungsrat nach öffentlicher Ausschreibung bestellt. Sie führt die operativen Geschäfte der Stiftung unter eigener Verantwortung (Art. 10 LMSG, Art. 7 der Statuten). Die Revisionsstelle wird von der Regierung gewählt (Art. 11 LMSG, Art. 8 der Statuten).

Die Gehälter der Lehrpersonen werden von der liechtensteinischen Landeskasse ausbezahlt. Die Musikschule ist aber verpflichtet, die von der Landeskasse ausbezahlten Gehälter zu refundieren, wobei wiederum bis zu 75% der gesamten Aufwendungen durch einen "Staatsbeitrag" abgedeckt werden (vgl. dazu die auf eine telefonische Anfrage bei der Liechtensteinischen Landesverwaltung, Amt für Personal und Organisation, gestützten Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes im Erkenntnis vom , RV/1100201/2017).
 

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

1. Einkommensteuer und Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen

Art. 15 und Art. 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung (nach Art. III Abs. 3 des mit BGBl. III Nr. 8/2017 veröffentlichten, von den Vertragstaaten am unterzeichneten Protokolls zur Abänderung des Abkommens sind die geänderte Fassung des Art. 19 des Abkommens sowie das 2. Zusatzprotokoll bereits auf Steuerjahre, die am oder nach dem beginnen, anzuwenden) lauten auszugsweise:

“Artikel 15
UNSELBSTÄNDIGE ARBEIT

(1) Vorbehaltlich der Artikel 16, 18, 19 und 20 Absatz 2 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

[…]

(4) Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die in einem Vertragstaat in der Nähe der Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben (Grenzgänger), werden in dem Vertragstaat besteuert, in dem sie ansässig sind. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine Steuer von höchstens vier vom Hundert im Abzugsweg an der Quelle zu erheben.

Artikel 19
ÖFFENTLICHER DIENST

(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.

(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, finden die Artikel 15, 16 und 18 Anwendung."

Das dem Abkommen zu Art. 19 (Öffentlicher Dienst) angefügte 2. Zusatzprotokoll (BGBl. III Nr. 8/2017) lautet:

"1. Es besteht Einvernehmen darüber, dass ein Staat, eine seiner Gebietskörperschaften, eine seiner Botschaften und eines seiner Konsulate bei der Ausübung der öffentlichen Dienste im Sinne des Artikels 19 Absatz 1 durch sein oder ihr gesamtes Personal tätig wird, ohne dass es auf die jeweilige Tätigkeit der einzelnen Person ankommt.

2. Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Liechtensteinische Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie Vorsorgeeinrichtungen gemäß dem Gesetz über die betriebliche Personalvorsorge des Staates (SBPVG) als Sondervermögen im Sinne des Artikels 19 Absatz 1 gelten.

3. Es besteht Einvernehmen darüber, dass Artikel 19 Absatz 1 für folgende liechtensteinische Institutionen jedenfalls Anwendung findet:


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-
Finanzmarktaufsicht;
-
Universität Liechtenstein;
-
Liechtensteinische Alters- und Hinterlassenenversicherung, Invalidenversicherung, Familienausgleichskasse sowie Vorsorgeeinrichtungen gemäß dem Gesetz über die betriebliche Personalvorsorge des Staates (SBPVG).

Artikel 19 Absatz 2 bleibt hiervon unberührt." 

Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Liechtenstein kommt das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat zu. Davon abweichend werden gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein nichtselbständige Einkünfte von Grenzgängern im Sinne dieser Bestimmung im Ansässigkeitsstaat besteuert. Eine gesonderte Regelung sieht Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein wiederum für Bezüge öffentlich Bediensteter vor; diese sind regelmäßig in jenem Staat zu besteuern, der die Bezüge auszahlt (Kassenstaatsprinzip). Sind die dort angeführten Voraussetzungen erfüllt, kommt Art. 15 DBA-Liechtenstein nicht zur Anwendung. Tatbestandsmäßig setzt Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. III Nr. 8/2017 voraus (zur davor geltenden Rechtslage vgl. , sowie , mwN):


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1.
die Zahlung der Vergütung von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörper-schaften unmittelbar oder aus einem vom Vertragsstaat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen;
2.
die Erbringung von Diensten für diesen Staat oder die Gebietskörperschaft.

Nach dem DBA-Liechtenstein ist die Anwendung der Kassenstaatsregel ausdrücklich auf Tätigkeiten für den Vertragsstaat und dessen Gebietskörperschaften beschränkt. Körperschaften öffentlichen Rechts, die keine Gebietskörperschaften sind, werden von der Regelung des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein somit nicht erfasst (vgl. , mwN).

Klargestellt hat der Verwaltungsgerichtshof in dem eine Lehrerin an einer unter der Trägerschaft einer Anstalt privaten Rechts geführten Privatschule betreffenden Erkenntnis vom , 2013/15/0200, weiters, dass wegen des klaren Wortlautes "Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften" ein Durchgriff durch zwischengeschaltete Personen für Zwecke der Anwendung des Art. 19 DBA-Liechtenstein nicht möglich ist und Vergütungen von privatrechtlich organisierten Arbeitgebern damit nicht unter Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein fallen, auch wenn diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen und staatlicher Aufsicht unterliegen (Hinweis auf Dürrschmidt in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen6, Art. 19 Rz 27 und 27a; sowie Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 19 Rz 41, zu der insoweit übereinstimmenden Formulierung des Art. 19 im OECD-Musterabkommen).

Vergütungen von einem rechtlich verselbständigten Arbeitgeber fallen daher, unabhängig davon, ob er nun privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert ist, nicht unter die Zuteilungsregel des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein (vgl. ua. , und die dort angeführten Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes).

Auch in Bezug auf an der Liechtensteinischen Musikschule tätige Lehrpersonen hat das Bundesfinanzgericht die Anwendbarkeit der Bestimmung des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein bereits mehrfach verneint, weil diese ihre Dienste gegenüber einer (mit dem Staat Liechtenstein bzw. einer seiner Gebietskörperschaften nicht identen) selbständigen und rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Rechts erbringen (vgl. ua. , , , , , und ). Dass die Bezüge von der Liechtensteinischen Landesverwaltung (Landeskasse) ausbezahlt werden, ändert dabei nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes aufgrund der Verpflichtung der Liechtensteinischen Musikschule, die ausbezahlten Bezüge zu refundieren, nichts daran, dass letztlich die Liechtensteinische Musikschule und damit ein rechtlich verselbständigter Arbeitgeber Schuldner der ausbezahlten Bezüge ist. Auch der Umstand, dass die Liechtensteinische Musikschule zu (höchstens) 75% aus staatlichen Mitteln finanziert wird, führt nicht dazu, dass Liechtenstein als Kassenstaat Schuldner der gezahlten Vergütungen wird, was aber Voraussetzung für die Anwendung der Kassenstaatsregelung wäre.

Ebenso stellt die Liechtensteinische Musikschule nach der in den oben angeführten Erkenntnissen dargelegten Auffassung des Bundesfinanzgerichtes kein vom Staat oder einer Gebietskörperschaft errichtetes Sondervermögen im Sinne des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein dar. Sondervermögen werden durch Gesetz errichtet, haben eine eigene Wirtschafts- und Rechnungsführung, können im privaten Rechtsverkehr unter ihrem Namen handeln, klagen und verklagt werden und haften nur für die von ihnen selbst eingegangenen Verbindlichkeiten (vgl. Wassermeyer in Wassermeyer/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung, Kommentar, 2. Aufl., Art. 19 MA Rz 50), sind aber - obwohl sie als gesondert verwaltete Vermögensmassen im Rechtsverkehr unter eigenem Namen auftreten - nicht rechtsfähig. Die rechtlichen Folgen ihres Handelns treffen daher den Staat als Rechtsträger (vgl. Daxkobler/Kerschner, SWI 10/2012, 454 ff, mwN). Sondervermögen in diesem Sinne sind somit (rechtlich unselbständiger) Teil einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts. Da die Liechtensteinische Musikschule eine rechtlich selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, kommt eine Qualifikation als Sondervermögen somit nicht in Betracht.

Soweit die steuerliche Vertretung in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V 41/2015, mit dem der Verfassungsgerichtshof die Verordnung der Bundesministerin für Finanzen betreffend Art. 19 Abs. 1 des österreichisch-liechtensteinischen Doppelbesteuerungsabkommens, BGBl. II Nr. 450/2013, aufgehoben hat, verweist, ist ihr zu entgegnen, dass die Qualifikation einer Stiftung des öffentlichen Rechts als Sondervermögen im Sinne des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein vom Verfassungsgerichtshof lediglich im Rahmen einer Präjudizialitätsprüfung als "nicht denkunmöglich" bzw. "nicht von vornherein ausgeschlossen" angesehen wurde (vgl. auch , und ). Einleitend hatte der Gerichtshof auf seine Grundposition verwiesen, wonach "der Verfassungsgerichtshof nicht berechtigt" sei, "durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde". Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dürfe daher ein Antrag im Sinne des Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG bzw. des Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es "offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet" (Punkt IV.1.1. der Entscheidungsgründe). Dass eine rechtlich selbständige Stiftung wie die Liechtensteinische Musikschule entgegen obigen Ausführungen als Sondervermögen im Sinne des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein anzusehen wäre, kann daraus daher jedenfalls nicht abgeleitet werden.

Auch mit dem Verweis auf das 2. Zusatzprotokoll ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Mit diesem wurde die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein auf die dort angeführten Institutionen, ua. die Universität Liechtenstein, ausgeweitet. Die Bestimmung des Art. 19 DBA-Liechtenstein wurde mit dem Abänderungsprotokoll hingegen nur insoweit abgeändert, als in Art. 19 Abs. 1 die Wortfolge "in Ausübung öffentlicher Funktionen" gestrichen und die Überschrift zu Artikel 19 (Öffentliche Funktionen) durch die Wortfolge "Öffentlicher Dienst" ersetzt wurde. Daran, dass Körperschaften öffentlichen Rechts vom Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein, wie oben dargelegt, nicht erfasst sind, hat sich somit nichts geändert. Wenn daher nach dem 2. Zusatzprotokoll Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein auf die dort namentlich angeführten Stiftungen bzw. Anstalten öffentlichen Rechts jedenfalls Anwendung findet, kann nur davon ausgegangen werden, dass zwischen den Vertragstaaten auch nur hinsichtlich der angeführten Institutionen Einvernehmen über die Anwendung der Kassenstaatsregelung erzielt wurde. Keinesfalls kann daraus aber abgeleitet werden, dass Körperschaften öffentlichen Rechts (entgegen dem Wortlaut der Bestimmung des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein) im Fall ihrer Vergleichbarkeit mir den angeführten Institutionen oder gar generell in den Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein fielen. Wäre derartiges tatsächlich beabsichtigt gewesen, ist wohl davon auszugehen, dass die Vertragstaaten eine dies zum Ausdruck bringende Formulierung gefunden hätten. Die Wendung "jedenfalls" in Punkt 3 des 2. Zusatzprotokolls ist daher so zu verstehen, dass die angeführten Institutionen unter Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein fallen sollen, auch wenn sie nach einer innerstaatlichen Auslegung nicht unter diese Bestimmung zu subsumieren wären (vgl. dazu ua. ).

Überdies hat das Bundesfinanzgericht mehrfach ausgesprochen, dass das 2. Zusatzprotokoll auch im Hinblick auf dessen letzten Satz, demzufolge die Anwendung des Art. 19 Abs. 2 DBA-Liechtenstein von der Regelung des Zusatzprotokolls unberührt bleibt, nicht auf die Liechtensteinische Musikschule ausgedehnt werden kann, weil sie nicht überwiegend hoheitlich tätig ist (vgl. mit ausführlicher Begründung ua. , und ).

Gesamthaft gesehen kommt Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein somit auch im Beschwerdefall nicht zur Anwendung. Nachdem außer Streit steht, dass die Anwendungsvoraussetzungen der Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein erfüllt sind, steht das Besteuerungsrecht sohin Österreich zu und war die Beschwerde insoweit daher als unbegründet abzuweisen.
 

2. Festsetzung von Anspruchszinsen

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzten Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen.

Die Festsetzung von Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO ist eine sich aus dem Gesetz ergebende objektive Rechtsfolge, um (mögliche) Zinsvorteile und Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (vgl. , mwN). Anspruchszinsenbescheide sind an die Höhe der im Spruch des zugrundeliegenden Abgabenbescheides ausgewiesene Nachforderung oder Gutschrift gebunden und deshalb nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Stammabgabenbescheid sei rechtswidrig (vgl. , mwN).

Die im Ergebnis einzig mit der Rechtswidrigkeit des angefochtenen, gegenständlich aber ohnehin als rechtmäßig erkannten Einkommensteuerbescheides 2015 begründete Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid 2015 war daher als unbegründet abzuweisen.
 

IV. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , 2013/15/0200, klargestellt, dass Körperschaften öffentlichen Rechts, die keine Gebietskörperschaften sind, von der Regelung des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein nicht erfasst werden und ein Durchgriff durch zwischengeschaltete Personen diesbezüglich nicht möglich ist. Die Vorschreibung von Anspruchszinsen wiederum ist eine sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende objektive Rechtsfolge. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung werden durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt und ist eine (ordentliche) Revision daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 15 Abs. 4 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
Art. 19 Abs. 1 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
§ 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100517.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at