Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.12.2019, RV/6100566/2017

§ 293b-Bescheid betreffend Einheitswertbescheid (Wertfortschreibung) trotz Fehlens einer Abgabenerklärung (Erklärung BG 30)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., vertreten durch WP, über die Beschwerde vom gegen den gemäß § 293b BAO berichtigten Feststellungsbescheid zum (Wertfortschreibung § 21 Abs. 1 Z 1 BewG) der belangten Behörde Finanzamt F vom , EW-AZ Zahl zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahren

Am erließ das Finanzamt betreffend die EW-AZ Zahl einen Einheitswertbescheid zum – Wertfortschreibung gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 Bewertungsgesetz (BewG) mit einem gemäß AbgÄG 1982 erhöhten Einheitswert von EUR 527.900,00. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass die Fortschreibung erforderlich gewesen sei, weil ein Zubau (Zubauten) errichtet worden wäre. Eine diesbezügliche Erklärung (Formular BG 30) wurde trotz Hinweis durch das Finanzamt auf die Erklärungs- und Anzeigepflicht gemäß § 80 BewG nicht beigebracht.

Mit Schriftsatz vom stellte die Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einheitswertfeststellung zum . Im Einheitswertbescheid zum vom wäre der Bau bewertet worden. Eine Grundsteuerbefreiung wäre nicht ausgesprochen worden, diese bestünde nach Ansicht der Bf. allerdings gemäß § 2 Z 9 lit b Grundsteuergesetz. Insbesondere wäre bei der Besprechung am festgestellt worden, dass der Bau dem Flughafenbetrieb diene und dieser Umstand somit bei der Einheitswertfeststellung zu berücksichtigen wäre. Diesbezüglich wurde unter anderem auf die luftfahrtbehördliche Benützungsbewilligung für das Objekt hingewiesen. Da die faktische Inbetriebnahme des Bau für Zwecke des Flughafenbetriebes nunmehr festgestellt worden sei, wurde die Wiederaufnahme des Einheitswertfeststellungsverfahrens zum vom und die Feststellung, dass der Bau der Grundsteuerbefreiung unterliege, beantragt.

Mit Wiederaufnahmebescheid gemäß § 303 BAO vom wurde das Wertfortschreibungsverfahren wieder aufgenommen und mit neuem Feststellungsbescheid ein (erhöhter) Einheitswert zum mit EUR 410.200,00 festgestellt (Wertfortschreibung gemäß  § 21 Abs. 1 Z 1 BewG). Die Fortschreibung sei erforderlich gewesen, weil durch Neuabgrenzung der wirtschaftlichen Einheit Änderungen durchzuführen gewesen wären, indem der Bau im Einheitswert nur mehr mit dem Bodenwert von 31.200m ² ohne Gebäudewert erfasst wurde. Der Wiederaufnahmebescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am stellte die Bf. einen Antrag auf amtswegige Berichtigung des im Zuge des wiederaufgenommenen Wertfortschreibungsverfahrens ergangenen neuen Feststellungsbescheides vom und führte aus, dass hinsichtlich des Bodenwertes des Bau eine Differenzgrundfläche von 12.600m² auszuscheiden gewesen wäre. Dieses offensichtliche Versehen rechtfertige eine amtswegige Berichtigung des Wiederaufnahmebescheides vom betreffend Einheitswert zum . Der berichtigte Einheitswert müsse rund EUR 354.000,00 betragen.

Das Finanzamt erließ hierauf am einen gemäß § 293b BAO berichtigten Feststellungsbescheid (Wertfortschreibung gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 BewG) mit einem erhöhten Einheitswert zum von EUR 429.900,00. Im Begründungsteil des Bescheides wurde ausgeführt, dass die Fortschreibung erforderlich gewesen wäre, weil durch Neuabgrenzung der wirtschaftlichen Einheit Änderungen durchzuführen gewesen wären und die vorliegende Berichtigung gemäß § 293b wegen der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen notwendig gewesen sei. Bei der Einheitswertermittlung wurde der Bodenwert betreffend den Bau nur mehr mit 28.870 m² erfasst.

Fristgerecht bekämpfte die Bf. diesen Berichtigungsbescheid mit Schriftsatz vom und wies darauf hin, dass die Manipulationsflächen betreffend den Bau grundsteuerbefreit seien und der diesbezügliche Bodenwert im Rahmen der Einheitswertermittlung zum lediglich mit 18.600 m² zum Ansatz gelangen müsse. Überdies müsse, da das Flächenausmaß der wirtschaftlichen Einheit weit über 30.000 m² betrage, ein Abschlag gemäß § 53 Abs. 8 BewG von 20% - und nicht, wie im angefochtenen Bescheid von 14% - zur Anwendung gelangen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab. Bei einem Flughafenbetrieb würden die von der Grundsteuer befreiten Flächen im Rahmen der Einheitswertfeststellung nicht bewertet und „was nicht bewertet wird, ist auch nicht in die Berechnung gemäß § 53 Abs. 8  BewG einzubeziehen, sondern nur der bewertete Teil der Gesamtfläche.“ Dies rechtfertige eine Kürzung gemäß § 53 Abs. 8 BewG von lediglich 14%.

Im Vorlageantrag vom verweist die Bf. im Wesentlichen auf die Ausführungen im Rahmen der Beschwerde.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde seitens des steuerlichen Vertreters mitgeteilt, dass zu keinem Zeitpunkt eine Erklärung (Formular BG 30) betreffend die Feststellung des Einheitswertes zum eingebracht worden sei.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt:
Fest steht, dass keine Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes zum (Formular BG 30) eingebracht worden ist.
Unbestritten ist auch, dass sich die vorliegende Beschwerde gegen den (berichtigenden) Feststellungsbescheid betreffend Einheitswert zum vom richtet, mit welchem das Finanzamt den im wiederaufgenommenen Fortschreibungsverfahren ergangenen Feststellungsbescheid betreffend Einheitswert zum vom berichtigte.

Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorgelegten Akten des Finanzamtes, in das Firmenbuch und Grundbuch, sowie das Vorbringen des Bf. und des Finanzamtes. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

Rechtslage und Erwägungen:

§ 293b BAO lautet:

Die Abgabenbehörde kann auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

§ 133 BAO lautet:

(1) Die Abgaben­vorschriften bestimmen, wer zur Einreichung einer Abgabenerklärung verpflichtet ist. Zur Einreichung ist ferner verpflichtet, wer hiezu von der Abgabenbehörde aufgefordert wird. Die Aufforderung kann auch durch Zusendung von Vordrucken der Abgabenerklärungen erfolgen.

(2) Sind amtliche Vordrucke für Abgabenerklärungen aufgelegt, so sind die Abgabenerklärungen unter Verwendung dieser Vordrucke abzugeben. Soweit Abgabenerklärungen, für die die Einreichung im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise zugelassen ist, in einer solchen Weise eingereicht werden, entfällt die Verpflichtung zur Verwendung der amtlichen Vordrucke. Die Versicherungsnummer ( § 31 Abs 4 Z 1 ASVG), die Firmenbuchnummer ( § 30 Firmenbuchgesetz) und die Melderegisterzahl (§ 16 Meldegesetz 1991), sofern diese bekannt ist, sind anzugeben, wenn dies für die Abgabenerklärungen vorgesehen ist.

§ 80 BewG lautet auszugsweise:

(1) Die zur Feststellung der Einheitswerte erforderlichen Erklärungen sind von den Steuerpflichtigen bis zu den vom Bundesministerium für Finanzen jeweils zu bestimmenden Zeitpunkten unter Verwendung der amtlich aufgelegten Formblätter abzugeben. Unabhängig hievon hat jeder eine derartige Erklärung abzugeben, der vom Finanzamt hiezu besonders aufgefordert wird. Ebenso hat derjenige, dem eine wirtschaftliche Einheit zuzurechnen ist, eine Erklärung abzugeben, wenn Umstände vorliegen, die zu einer Fortschreibung (§ 21) oder Nachfeststellung (§ 22) führen und diese Umstände nicht gemäß Abs. 4 bis 6 dem Finanzamt mitgeteilt werden. § 133 Abs. 2 BAO gilt entsprechend.
……………………………………………………….
(3) Die Erklärungen nach Abs. 1 und 2 gelten als Steuererklärungen im Sinne der Abgabenverfahrensgesetze.
……………………………………………

Ritz, BAO6, § 293b dazu auszugsweise:

Tz 2:
Qualifiziert rechtswidrig (iSd § 293b) ist ein Bescheid, wenn er auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht ( ; , 93/14/0113).

Nach der Judikatur (zB ) kommt es auf die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit durch die Abgabenbehörde an. Wesentlich sei, dass die Unrichtigkeit der in der Abgabenerklärung vertretenen Rechts­auffassung für die Behörde klar erkennbar gewesen wäre, wenn sie die Abgabenerklärung diesbezüglich geprüft hätte.

Tz3: 
Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit im Hinblick auf die übernommene Rechts­auffassung vorliegt, ist anhand des Gesetzes und vor allem auch der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen (zB ; , 2004/15/0126; , 2004/13/0052; , 2007/15/0285; , 2010/15/0202; , 2011/15/0107).

Tz 4:
Maßgeblicher Zeitpunkt, zu welchem die Unrichtigkeit zu beurteilen ist, ist der Zeitpunkt der Erlassung des zu berichtigenden Bescheides ( ; , 2004/13/0052; ; , RV/0616-I/09; BMF, AÖF 2009/157, Abschn 2). Hingegen wurde in der Literatur überwiegend (zB Kortus/ Ryda, FJ 1996, 97; Langheinrich/ Ryda, FJ 1999, 140; Stoll, BAO, 2834) auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung der Erklärung abgestellt.

Tz 5:
Eine Unrichtigkeit ist offensichtlich, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist ( Stoll, BAO, 2831; ; , 95/13/0124; , 2003/15/0110; , 2003/15/0049). Eine offensichtliche Unrichtigkeit liegt vor, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsmäßiger Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungs­verfahren durchzuführen (zB ; , 2004/15/0126; , 2001/13/0235; , 2007/15/0098; , 2010/15/0202; , 2011/15/0107).                  

Tz 7:
Offensichtliche Unrichtigkeiten sind nur dann gemäß § 293b beseitigbar, wenn sie aus Abgabenerklärungen übernommen sind……
Zum Begriff Abgabenerklärung siehe bei § 133 (vgl auch Ritz, ÖStZ 1990, 183 f; BMF, AÖF 2009/157, Abschn 1); Abgabenerklärung ist nur die erste Erklärung, nicht aber eine diese später berichtigende Eingabe (zB Selbstanzeige), daher ist § 293b nicht anwendbar, wenn Unrichtigkeiten aus der Selbstanzeige übernommen werden ( ).

Tz 15:
Berichtigungsfähig sind vor allem Abgaben- und Feststellungs­bescheide. Auch gem § 200 Abs 1 vorläufige Bescheide können berichtigt werden. Nicht nur Erstbescheide, sondern auch diese abändernde Bescheide sind berichtigbar.


Ritz, BAO6, § 133 dazu auszugsweise:

Tz 2:
Der Charakter von Anbringen als Abgabenerklärungen leitet sich teils aus der Bezeichnung in den entsprechenden gesetzlichen Anordnungen, teils aus dem Inhalt und der Bedeutung der Anbringen ab ( Stoll,  BAO-Handbuch, 326).

Tz 3:
Aus der Bezeichnung ableitbar ist der Abgabenerklärungscharakter weiters in jenen Fällen,
……………………….
wenn im Gesetz angeordnet ist, dass die Anbringen als Steuererklärungen gelten (wie etwa im § 21 Abs 1 UStG 1994, Art 21 Abs 9 UStG 1994, § 80 Abs 3 BewG,§ 2 Abs 2 Energie­abgabenvergütungsG,§ 5 Abs 2 ÖkoprämienG).

 

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Unbestritten ist, dass weder bezüglich des Feststellungsbescheides zum vom noch bezüglich des im Zuge des wiederaufgenommenen Wertfortschreibungsverfahrens neu ergangenen Feststellungsbescheides vom eine Erklärung gemäß § 80 BewG (Formular BG 30) abgegeben wurde.

Damit fehlt jedoch ein wesentliches Tatbestandselement für eine Berichtigungsmaßnahme gemäß § 293b BAO. Der gemäß § 293b BAO berichtigte Feststellungsbescheid zum (Wertfortschreibung gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 BewG) vom ist daher rechtswidrig und war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

Gemäß § 279 Abs. 2 BAO  tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Es erübrigt sich, auf das Beschwerdebegehren inhaltlich mangels Vorliegens einer Erklärung darauf einzugehen, ob bei der Feststellung des Einheitswertes zum für die Abgabenbehörde bereits aus der Erklärung – so sie  vorhanden gewesen wäre – klar und ohne nähere Untersuchungen bzw. Ermittlungen im Rechts- und Tatsachenbereich erkennbar gewesen wäre, ob allenfalls die Manipulationsfläche betreffend den Bau zu bewerten oder nicht zu bewerten gewesen wäre.


Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch im Erkenntnis zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt bzw. ist die hier maßgeblich anzuwendende Norm des § 293b BAO klar und eindeutig.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 133 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 133 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100566.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at