Verspäteter Studienwechsel
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0054. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7102209/2022 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Elisabeth Stocker in der Beschwerdesache B.K., Anschr., gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum September 2016 bis August 2018, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin bezog für ihre am xy1994 geborene Tochter G.K. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.
Im Zusammenhang mit der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe ersuchte die Abgabenbehörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom das Abschlusszeugnis (Diplomprüfungszeugnis, Rigorosenzeugnis) von G. vorzulegen.
In ihrer Rückantwort vom (eingelangt am ) übermittelte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung der FH Campus Wien über die von der Tochter im Sommersemester 2018 abgelegten Prüfungen im FH-Bachelor-Studiengang Hebammen.
In der Folge ersuchte die Abgabenbehörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom folgende Unterlagen vorzulegen:
Studienblatt/Studienbuchblatt und Studienerfolgsnachweis von G. von der Universität Wien;
Abgangsbescheinigung von der Universität Wien;
Anrechnungsbescheid von der Fachhochschule, falls vorhanden.
In Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens teilte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom Folgendes mit:
"Sehr geehrter Bearbeiter,
leider haben wir bis heute keinen Studienerfolgsnachweis für meine Tochter G. (Uni) erhalten. Meine Tochter hat diesen Nachweis bei Studienwechsel auch nicht beantragt, da sie sich nur noch auf ihre Zulassung zur FH Hebammen Ausbildung gefreut hat. Von den damaligen Prüfungen auf der Uni wurde ihr auf der FH nichts angerechnet. Die Aufnahmeprüfung auf die FH hat sie schon zwei Jahre zuvor belegt - wurde aber leider nie aufgenommen. Biologie hat sie als Alternative gewählt. Meine Tochter hat diese Ausbildung (Hebamme) nun sehr zielstrebig fast schon abgeschlossen (nebenbei betreut sie ihre kleine Tochter).
Hier noch eine genaue Auflistung:
Matura 6/2013
Geburt Tochter R. 11/2013 (VersNr.xx)
Biologie Uni 10/2014 bis 6/2016
Wechsel FH Hebamme 9/2016 Ausbildungsende 6/2019.
Ich möchte sie nun bitten diesen Antrag wohlwollend zu behandeln. Eine Rückzahlung der Familienbeihilfe würde meine Tochter in Bedrängnis bringen. Hebammen-Studierendearbeiten bis zu 40 Wochenstunden in Krankenhäusern ohne Entlohnung. (Mutterschutz,Pflege und Erziehung ihrer Tochter beanspruchte auch einige Zeit - ist das in ihrem Fall anrechenbar?)"
Diesem Schreiben fügte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen bei:
Abgangsbescheinigung der Universität Wien, aus der hervorgeht, dass die Tochter mit dem Bachelorstudium Biologie am begonnen und sich von diesem Studium am abgemeldet hat;
Studienblatt der Universität Wien betr. das Sommersemester 2016, wonach die Tochter vom bis im Bachelorstudium Biologie und Bachelorstudium Kultur- und Sozialanthropologie gemeldet war.
Mit Bescheid vom forderte die Abgabenbehörde die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag, den die Beschwerdeführerin für die Tochter G. für den Zeitraum September 2016 bis August 2018 bezogen hatte, gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück.
Diese Entscheidung begründete sie damit, nach einem Studienwechsel nach dem jeweils 3. inskribierten Semester (oder zweitem Ausbildungsjahr) bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe erst dann, wenn die oder der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt habe. Es seien daher alle Semester aus den vorherigen Studien, in denen eine Fortsetzungsmeldung vorgelegen sei und für die Familienbeihilfe bezogen worden sei, in Bezug auf die Wartezeit bis zur Wiedergewährung der Familienbeihilfe für das neue Studium heranzuziehen.
Die Tochter G. habe von Oktober 2014 bis August 2016 das Bachelorstudium Biologie an der Universität Wien betrieben. Im September 2016 sei der Wechsel zum FH-Bachelorstudium Hebammen erfolgt. Es handle sich hierbei um einen verspäteten Wechsel nach dem vierten Semester. Die Geburt der kleinen R. könne nicht als Hemmungsgrund berücksichtigt werden, da R. vor Beginn des Studiums geboren worden sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Bescheidbeschwerde.
In der Rechtsmittelschrift bringt sie vor, der Bescheid sei mit Verfahrensfehlern behaftet. Der Bescheid sei nicht entsprechend den Vorgaben der BAO begründet worden. Weshalb die Geburt des Kindes R. nicht berücksichtigt werden könnte, sei nicht weiter ausgeführt worden. Die Abgabenbehörde habe das Ermittlungsverfahren nicht ordnungsgemäß geführt und sie nicht zur Geburt ihres Enkelkindes befragt.
Die Studienzeit der Tochter G. sei bis inklusive November 2015 (24. Monat nach der Geburt des Kindes ihrer Tochter) nicht in die Berechnung der Studienzeit für den Studienwechsel einzubeziehen. Der Studienwechsel sei demnach tatsächlich nach nur einem Studienjahr erfolgt. Ein verspäteter Studienwechsel liege nicht vor. Der von der Abgabenbehörde vertretenen Auffassung, wonach im vorliegenden Fall eine Hemmung der Studienzeit nicht Platz greife, weil das Kind nicht während des Studiums geboren worden sei, mangle es an einer gesetzlichen Grundlage. Dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 sei die von der Behörde vorgenommene Interpretation dieser Regelung nicht zu entnehmen. Abgesehen davon widerspreche die von der Abgabenbehörde angewendete Vorgangsweise auch der Intention des Gesetzgebers. Zweck der Berücksichtigung von Zeiten des Mutterschutzes sowie der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres sei es, Studierenden mit Betreuungspflichten durch eine Nicht-Einrechnung der Semester, in denen sie Betreuungspflichten hätten, die Anspruchsdauer für die Familienbeihilfe zu verlängern. Für die (zeitliche) Belastung der Studierenden durch die Pflege, Betreuung und Erziehung des Kindes komme es aber gerade nicht darauf an, ob das Kind vor oder während des Studiums geboren worden sei. Das Kind bedürfe jedenfalls der entsprechenden Betreuung, unabhängig davon, ob es vor oder während des Studiums geboren worden sei. Dass Verlängerungs- und Hemmungsgründe auch bei Studienwechsel zu berücksichtigen seien, gehe auch klar aus der Durchführungsrichtlinie zum FLAG Teil 1 Punkt 21.13 hervor.
Durch den Bescheid werde sie auch in ihrem Grundrecht auf Eigentumsfreiheit verletzt. Zwar entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, dass das Eigentumsrecht nur durch einen in ein privates Vermögensrecht eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt werden könne und es sich beim Anspruch auf Familienbeihilfe um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch handle (vgl. B 494/80). Diese Rechtsprechung sei hier jedoch nicht anzuwenden. Im vorliegenden Fall gehe es nämlich nicht darum, dass der Beschwerdeführerin der Anspruch auf Familienbeihilfe - und damit nach der Rechtsprechung des VfGH ein öffentlicher Anspruch - ex ante versagt worden sei, sondern darum, dass die Behörde sie dazu verpflichtet habe, die bereits erhaltene und konsumierte Familienbeihilfe sowie die Kinderabsetzbeträge nachträglich zurückzuzahlen. Dabei handle es sich um einen Eingriff in ihr privates Vermögensrecht.
Da der Bescheid der Behörde ohne gesetzliche Grundlage ergangen sei, habe die Behörde den Bescheid darüber hinaus mit Willkür im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des VfGH zum Gleichheitssatz belastet.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die Abgabenbehörde der Beschwerde keine Folge.
Begründend führte sie aus, für volljährige Kinder stehe Familienbeihilfe nur unter bestimmten, in § 2 Abs. 1 lit. b bis e FLAG 1967 genannten Voraussetzungen zu.
Als anspruchsbegründend werde Folgendes bestimmt:
- Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung
- Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
- Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
- das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 hätten Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und die für einen Beruf ausgebildet werden würden. Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBI. Nr. 305/1992, genannte Einrichtung besuchten, sei eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschritten. Die Aufnahme als ordentliche Hörerin oder ordentlicher Hörer gelte als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr.
Nach der genannten Bestimmung gälten bei einem Studienwechsel die in § 17 StudFG angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 17 StudFG liege ein günstiger Studienerfolg nicht vor, wenn die oder der Studierende das Studium öfter als zweimal gewechselt habe oder das Studium nach dem jeweils dritten fortgesetzt gemeldeten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt habe und nicht die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden würden.
Nach einem Studienwechsel nach dem jeweils 3. inskribierten Semester (oder zweitem Ausbildungsjahr) bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe erst dann, wenn die oder der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studien zurückgelegt habe. Es seien daher alle Semester aus den vorherigen Studien, in denen eine Fortsetzungsmeldung vorgelegen sei und für die Familienbeihilfe bezogen worden sei, in Bezug auf die Wartezeit bis zur Wiedergewährung der Familienbeihilfe für das neue Studium heranzuziehen.
Der Ablauf der Studienzeit werde durch Zeiten des Mutterschutzes sowie der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres gehemmt.
Eine Hemmung der Studienzeit sei nur dann möglich, wenn der Hemmungsgrund zu einer Zeit eintrete, in der die zulässige Studienzeit noch nicht abgelaufen sei. Der Hemmungsgrund dürfe auch nicht schon bei Studienbeginn vorliegen.
Die Tochter G. habe im Juni 2013 im BORG Wiener Neustadt die Reifeprüfung abgelegt. Am sei ihre Tochter R. geboren worden. Im Wintersemester 2014/2015 habe G. das Bachelorstudium Biologie an der Universität Wien begonnen. G. sei in diesem Studium vom bis gemeldet gewesen. Sie habe auch laufend Prüfungen abgelegt. Im September 2016 sei der Wechsel zum Bachelorstudium Hebammen an der FH Campus Wien erfolgt.
Da die Tochter R. nicht während des Studiums, sondern bereits vor Beginn des Studiums (das Studium sei im Oktober 2014 begonnen worden) geboren worden sei, könne dies nicht zur Hemmung der Studienzeit führen. Es handle sich hierbei daher um einen verspäteten Studienwechsel nach 4 Semester. Ein Anrechnungsbescheid von der FH Campus Wien hätte nicht vorgelegt werden können. Familienbeihilfe für den Zeitraum September 2016 bis August 2018 stehe nicht zu.
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Darin erklärt sie, sämtliche Ausführungen in der Beschwerde vollinhaltlich aufrecht zu erhalten. Die Behörde habe sich - so die Beschwerdeführerin - mit ihrem Vorbringen in der Beschwerde nur lapidar auseinandergesetzt. Die Begründung der Beschwerdevorentscheidung erschöpfe sich zum überwiegenden Teil in der Zitierung von Gesetzesstellen. Die Behörde vermeine, dass die Geburt eines Kindes vor Antritt des Studiums eine Hemmung der Studienzeit nicht zu bewirken vermöge. Damit stelle sie sich - wie bereits in der Beschwerde ausgeführt - gegen den Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG. Dass nur die Geburt eines Kindes während des Studiums beachtlich wäre, sei dem Wortlaut der zitierten Bestimmung nicht zu entnehmen. Auch mittels teleologischer Interpretation des Willens des Gesetzgebers könne ein solches Ergebnis nicht erzielt werden. Der Grund für die Hemmung des Leistungsnachweises bei der Pflicht zur Kinderbetreuung liege im zeitlichen Aufwand, welchen die Kinderbetreuung erfordere. Dieser zusätzlichen (zeitlichen) Belastung durch die Kinderbetreuung begegne der Gesetzgeber mit einer Ausweitung der Anspruchsdauer auf Familienbeihilfe, was auch zu einer Hemmung der Nachweisfristen des Leistungsnachweises führe. Für diese zeitliche Inanspruchnahme durch die Kinderbetreuung sei es aber gerade unerheblich, ob das Kind während oder, wie im Falle ihrer Tochter, kurz vor dem Studium geboren sei.
Am fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt. In dieser Verhandlung wies die Beschwerdeführerin noch einmal auf ihre Ausführungen in der Beschwerde und im Vorlageantrag hin. Sie brachte vor, es sei nicht einsichtig, dass das Kind R. unbedingt während der Studienzeit geboren sein müsste, um bei der Semesterzählung die entsprechenden Zeiten für den Studienwechsel zu berücksichtigen. Die Vertreterin des Finanzamtes verwies noch einmal auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung. Sie brachte vor, aufgrund der Vorgaben des Bundeskanzleramtes stelle die Geburt eines Kindes vor Beginn des Studiums keinen Hemmungsgrund dar.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Die Tochter der Beschwerdeführerin, G.K., geb. am xy1994, legte im Juni 2013 am BORG Wiener Neustadt die Reifeprüfung ab.
Am gebar die Tochter das Kind R.
Vom Wintersemester 2014/15 bis einschließlich Sommersemester 2016 betrieb die Tochter das Bachelorstudium Biologie an der Universität Wien.
Im September 2016 wechselte die Tochter zum Bachelorstudium Hebammen an die FH Campus Wien.
Von den im Bachelorstudium Biologie abgelegten Prüfungen wurden der Tochter für das Bachelorstudium Hebammen nichts anerkannt.
Der Beschwerdeführerin wurde für die Tochter G. von Oktober 2014 bis August 2018 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gewährt.
Mit Bescheid vom forderte die Abgabenbehörde von der Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum September 2016 bis August 2018 zurück.
Beweiswürdigung:
Der vorhin festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Angaben der Beschwerdeführerin und die von ihr vorgelegten Unterlagen sowie die Angaben der Abgabenbehörde in dem vorgelegten Familienbeihilfenakt und ist unstrittig.
Rechtslage und rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester […]. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
§ 17 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) lautet:
(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende
1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.
(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:
1. Studienwechsel, bei welchen die gesamte Studienzeit des vor dem Studienwechsel betriebenen Studiums für die Anspruchsdauer des nach dem Studienwechsel betriebenen Studiums berücksichtigt wird, weil auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen Gleichwertigkeit nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gegeben ist,
2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden,
3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde,
4. die Aufnahme eines Masterstudiums gemäß § 15 Abs. 3,
5. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 4.
(3) Ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn die Studierenden danach so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben. Anerkannte Prüfungen aus dem verspätet gewechselten Vorstudium verkürzen diese Wartezeiten; dabei ist auf ganze Semester aufzurunden.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Streitpunkt im vorliegenden Verfahren ist die Frage, ob ein familienbeihilfenschädlicher Studienwechsel vorliegt.
Die Beschwerdeführerin stellt gegenständlich nicht in Abrede, dass seitens der Tochter ein Studienwechsel erfolgt ist. So hat die Tochter vom Wintersemester 2014/15 bis einschließlich Sommersemester 2016 das Bachelorstudium Biologie an der Universität Wien betrieben und im September 2016 zum Bachelorstudium Hebammen an die FH Campus Wien gewechselt.
Die Beschwerdeführerin wendet vielmehr ein, der von der Tochter vorgenommene Studienwechsel sei nicht familienbeihilfenschädlich. Sie vertritt die Auffassung, die Tochter habe nicht - wie von der Abgabenbehörde dem Rückforderungsbescheid zugrunde gelegt - das Studium nach dem vierten Semester gewechselt, sondern der Studienwechsel sei tatsächlich nach nur einem Studienjahr erfolgt. Die Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung des von der Tochter am geborenen Kindes R. bis zu dessen Vollendung des zweiten Lebensjahres hätten den Ablauf der Studienzeit gehemmt, sodass diese Zeiten bei der Semesterzählung für den Studienwechsel nicht zu berücksichtigen seien. Relevant für die Semesterzählung sei erst die Zeit ab Dezember 2015.
Dieser Auffassung vermag sich das Bundesfinanzgericht nicht anzuschließen.
Es ist zwar richtig, dass dann - wenn der Ablauf der Studienzeit durch Mutterschutz sowie Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes gehemmt ist - die betreffenden Semester für die Beurteilung des Studienwechsels nicht einzubeziehen sind. Ein derartiger Fall liegt aber gegenständlich nicht vor.
Wie bereits dem Wortlaut des Gesetzes klar und unmissverständlich zu entnehmen ist (vgl. "Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit"), muss die Studienzeit bereits zu laufen begonnen haben, anderenfalls ist eine Hemmung des Ablaufes nicht möglich. Das volljährige Kind muss also mit der Berufsausbildung bereits begonnen haben, der zufolge ein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben ist.
Für volljährige Kinder, die eine in § 3 StudFG genannte Einrichtung besuchen, entsteht der Anspruch auf Familienbeihilfe für das erste Studienjahr mit der Aufnahme als ordentlicher Hörer.
Im vorliegenden Fall ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe für die Tochter G. erst mit Oktober 2014, mit der Aufnahme der Tochter an der Universität Wien als ordentliche Studierende des Bachelorstudiums Biologie entstanden. Erst mit diesem Zeitpunkt hat die Studienzeit zu laufen begonnen. Zum Zeitpunkt des Beginns des Mutterschutzes stand die Tochter nicht in Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967. Die Geburt des Kindes R. konnte sich daher nicht im Wege der Zeiten des Mutterschutzes sowie der Pflege und Erziehung des Kindes bis zum zweiten Lebensjahr ablaufhemmend auf die Studienzeit auswirken.
Dass die Geburt eines Kindes für sich allein noch keine positiven Auswirkungen auf die Familienbeihilfe zu entfalten vermag, geht auch aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ganz klar hervor. So hat der Gerichtshof in seiner Judikatur dargetan, dass der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges - dazu gehören laut Höchstgericht beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen oder Urlaube und Schulferien; auch die Geburt eines Kindes zählt dazu - nur dann nicht familienbeihilfenschädlich sind, wenn der Anspruch auf Familienbeihilfe vorher entstanden ist (vgl. , , ).
Es kann somit kein Zweifel obwalten, dass gegenständlich die Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung des Kindes R. bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres die Semesterzählung für den Studienwechsel nicht zu beeinflussen vermögen. Maßgebend für die Semesterzählung ist - wie von der Abgabenbehörde richtig erkannt - die Zeit ab dem Wintersemester 2014/15. Unter Berücksichtigung dieser Zeit liegt aber klar auf der Hand, dass die Tochter nach dem vierten inskribierten Semester das Studium gewechselt hat. Es ist mithin ein familienbeihilfenschädlicher Studienwechsel gemäß § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG gegeben.
In § 17 Abs. 3 StudFG sieht der Gesetzgeber vor, dass ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z 2 nicht mehr zu beachten ist, wenn die Studierenden in dem neuen Studium so viele Semester zurückgelegt haben, wie sie in dem gemäß Abs. 1 Z 2 zu spät gewechselten Studium verbracht haben, wobei anerkannte Prüfungen aus dem Vorstudium diese Wartezeiten verkürzen.
Wie die Beschwerdeführerin im Antwortschreiben vom selbst ausdrücklich zugesteht, wurden der Tochter aus dem Vorstudium (Bachelorstudium Biologie an der Universität Wien) keine Prüfungen für das neue Studium (Bachelorstudium Hebammen an der FH Campus Wien) anerkannt. Die Wartefrist für den Bezug von Familienbeihilfe im neuen Studium beträgt daher 4 Semester. Für den Zeitraum September 2016 bis August 2018 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe, sodass sich die Rückforderung von Familienbeihilfe einschließlich Kinderabsetzbetrag für den genannten Zeitraum als zu Recht erweist.
Die Beschwerdeführerin wendet weiters ein, sie sei durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Auch dieser Einwand geht ins Leere. Ob in Ermangelung der Anspruchsvoraussetzungen ein eingebrachter Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe von vornherein abgewiesen wird oder eine bereits ausbezahlte und konsumierte Familienbeihilfe vom Empfänger rückgefordert wird, weil ein Anspruch nicht besteht, macht keinen Unterschied. In beiden Fällen geht es um den Anspruch auf Familienbeihilfe, der versagt wird. Beim Anspruch auf Familienbeihilfe handelt es sich aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes um einen Anspruch, der ausschließlich im öffentlichen Recht begründet ist (vgl. mit Hinweis auf die Erkenntnisse VfSlg. 7747/1976, 7841/1976). Das Eigentumsrecht kann laut ständiger Judikatur des Gerichtshofes nur durch einen in ein privates Vermögensrecht eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt werden (vgl. das vorhin angeführte Erkenntnis vom , B494/80).
Desgleichen liegt auch der von der Beschwerdeführerin behauptete Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht vor. Die Beschwerdeführerin legt hier der Abgabenbehörde Willkür zur Last, da der Bescheid ohne gesetzliche Grundlage ergangen sei. Auch diese Sichtweise vermag das Bundesfinanzgericht nicht zu teilen. Die Abgabenbehörde stützt sich mit der von ihr geltend gemachten Rückforderung auf die im angefochtenen Bescheid angeführten zutreffenden Rechtsgrundlagen. Ein willkürliches Vorgehen - wie es der Abgabenbehörde von der Beschwerdeführerin zum Vorwurf gemacht wird - vermag das Bundesfinanzgericht nicht zu erkennen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Salzburg-Aigen, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 17 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104967.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
UAAAC-22839