Abweisung eines Antrags auf Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0035. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache C. GmbH, Adr., vertreten durch RA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Feldkirch Wolfurt vom , *** über die Abweisung eines Antrages auf Erlass der mit Bescheiden vom , Zl. ***, , Zl. ***, , Zl. ***, und , Zl. ***, vorgeschriebenen Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 239 ZK, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde betreffend Abweisung des Antrages auf Erlass der Einfuhrumsatzsteuer wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin (Bf.), das Speditionsunternehmen A., beantragte als indirekte Vertreterin von Unternehmen aus Dänemark, Großbritannien, Litauen, Portugal und Spanien unter Verwendung ihrer Sonder-UID-Nummer (für Zollzwecke) die Überführung von Mobiltelefonen und elektronischen Teilen in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit anschließender steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 42) beim Zollamt Feldkirch Wolfurt.
Als Versenderin trat das Schweizer Unternehmen E. GmbH (E.) und als Warenempfänger die eingangs genannten Unternehmen mit deren im jeweiligen "Herkunftsland" erteilten UID-Nummern.
Laut Fakturen und Frachtbriefen wurden die Waren jedoch nicht für Zwecke der in den Zollanmeldungen als Empfänger ausgewiesenen Unternehmen, aber auch nicht zu deren Verfügung sondern zu in Großbritannien ansässigen Speditionen gebracht, welche wiederum nicht die tatsächlichen Erwerber waren.
Die in den Zollanmeldungen genannten Unternehmen führten keine Erwerbsbesteuerung durch.
Da die Voraussetzungen für das Verfahren 4200 nicht vorlagen, entstand die Einfuhrumsatzsteuerschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. b ZK iVm. § 2 Abs. 1 ZollR-DG, die die Bf. als Rechtsnachfolgerin der Anmelderin nach § 71 a ZollR-DG ebenfalls schuldet.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf. den Erlass der mit (nunmehr rechtskräftigen) Bescheiden vom
, Zl. ***,
, Zl. ***,
, Zl. ***,
, Zl. ***,
nachträglich buchmäßig erfassten Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung gemäß Art. 239 ZK.
Begründend führte sie aus, dass sämtliche Mitarbeiter der Bf. entsprechend geschult waren. Vor der ersten Abfertigung erfolgte jeweils die Überprüfung, ob die beteiligten Unternehmen über gültige UID Nr. verfügten. Diese Überprüfungen seien regelmäßig wiederholt worden. Sämtliche Waren seien nachweislich auftragsgemäß durch die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin am Flughafen Kloten, Zürich übernommen, nach Österreich verbracht und der zollamtlichen Erledigung zugeführt worden. Im Rahmen von innergemeinschaftlichen Lieferungen wurde diese nach Großbritannien verbracht und dort zur freien Verfügung der jeweiligen Empfänger gehalten. Die einzelnen Transporte seien von der Fa. Topkurier nachweislich ausgeführt worden. Die Rechtsvorgängerin der Bf., die A., habe daher alle erdenklichen Maßnahmen erfüllt, so dass ihr weder sorgloses noch fahrlässiges Verhalten anzulasten sei. Von den angelasteten Umsatzsteuerkarussellbetrügereien habe weder die Bf. noch deren Rechtsvorgängerin Kenntnis gehabt.
Mit Bescheid vom , Zl. ***, wurde der Erlassantrag als unbegründet abgewiesen. Es liege kein besonderer Fall im Sinne der Art. 239 ZK iVm. Art. 900 bis 903 ZK-DVO vor.
In der gegen den Abweisungsbescheid erhobenen Berufung vom brachte die Bf. vor, dass durch die Entrichtung des geforderten Abgabenbetrages die Existenz der Bf. massiv gefährdet sei. Der Abgabenbetrag könne weder aus Eigenmitteln noch durch Kreditaufnahme am Kapitalmarkt aufgebracht werden. Im Falle grober Fahrlässigkeit würde auch die bestehende Versicherung die Zahlung verweigern.
Unbillig sei die Vorschreibung der EuSt u.a. deshalb, da die Bf. selbst Opfer der vom Zollamt behaupteten Umsatzsteuerbetrügereien geworden sei. Das Zollamt habe seit längerem bereits von den Machenschaften der HLT gewusst, ohne die Bf. bzw. ihre Rechtsvorgängerin davon in Kenntnis zu setzen.
Die Unbilligkeit könne aber auch nicht damit begründet werden, dass die Abgabenschuldnerschaft vom Gesetzgeber gewollt sei. Dieser Umstand werde wohl in jedem Fall der Inanspruchnahme eines Zollschuldners vorliegen, womit die Möglichkeit, einen Erlass/Erstattungsantrag zu stellen in jedem Fall mangels Billigkeit (weil gewollte Zollschuldnereigenschaft) unmöglich wäre.
In einem ergänzenden Schriftsatz vom brachte die Bf. vor, sie verliere durch die Bezahlung der vorgeschriebenen Einfuhrzumsatzsteuer ihre Existenzgrundlage. Schon aus diesem Grund seien die Voraussetzungen des § 83 ZollR-DG gegeben.
Das kriminelle Verhalten sei der Zollbehörde, insbesondere der Abfertigungsstelle St. Margarethen, von Anfang an bekannt gewesen, ohne dass die Zollbehörde dieses Verhalten unterbunden bzw. die Bf. davon in Kenntnis gesetzt habe.
Wenn die Behörden vom Umsatzsteuerbetrug wissen sind sie auch verpflichtet, dies dem Anmelder, den als indirekten Vertreter die Haftung für die EUSt trifft, zu verständigen. Dies widerspreche dem Vertrauensgrundsatz. Es widerspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei unbillig, dem Bf. dann das gesamte Risiko aufzuerlegen (EUGH C-409/04).
Finde eine gesetzwidrige Praxis mit Wissen und Willen der Zollbehörden über viele Jahre statt, so gehe dies über das normale Berufs- und Geschäftsrisiko hinaus und stelle einen entsprechenden Erlass-/Erstattungsgrund dar (Urteile Rs Eyckeler und Malt/Commission, T-4296 und Kaufring AH vom , T-186/97.
Die Bf. habe die UID Nr. laufend überprüft, sodaß es für sie keinerlei Hinweise gegeben habe, an der Unternehmereigenschaft der Abnehmer zu zweifeln. Hat der Zollschuldner seine Verpflichtungen erfüllt, können ihm zollbehördliche Maßnahmen zur Ausforschung bzw. Überführung eines anderen Zollschuldners nicht zur Last fallen (EuGH C-61/98 De Haan).
Die Vereinfachungsregelung, wonach die Sonder-UID nicht angewendet werden könne, wenn die UID des umsatzsteuerrechtlichen Erwerbers in einem anderen Mitgliedsstaat nicht von jenem Mitgliedsstaat ausgestellt wurde, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befinde (Art. 3 Abs. 8, 1. Satz UStG 1984), war zum Zeitpunkt der Abfertigungen noch nicht in Kraft.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl*, verwies das Zollamt auf die Entscheidung in der Rs Faroe Seafood, EuGH C-153/94 und 204/94, worin der EuGH ausgeführt habe, dass es im Wesen eines Zollspediteurs liege, dass er sowohl für die Zahlung der Eingangabgaben als auch für die Ordnungsmäßigkeit der von ihm bei den Zollbehörden eingereichten Unterlagen einzustehen habe, sodaß auch ein hoher Betrag bei ihm eingefordert werden könne, was dem Risiko seiner gewerblichen Tätigkeit entspreche.
Ein der Rs De Haan, C-61/98 vergleichbarer Sachverhalt liege bei der Bf. nicht vor. Die formalen Erfordernisse seien nach Ansicht des Prüfers vorgelegen, sodaß dieser von der Steuerfreiheit ausgegangen sei. Auf den Grundsatz der Rechtssicherheit könne sich der Abgabenschuldner nur dann beziehen, wenn er eine konkrete Auskunft von der Behörde beantragt habe, nicht jedoch auf allgemeine Verwaltungsanweisungen, sodaß das Verhalten der Zollbehörde keine Unbilligkeit nach Lage der Sache begründe.
Zum Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit verwies das Zollamt auf die Anmerkungen der Bf. in der Bilanz 2012, wonach das Risiko einer Inanspruchnahme der Bf. als Zollschuldnerin als unwahrscheinlich erachtet werde und daher weder eine Rückstellung noch eine Eventualverbindlichkeit ausgewiesen werde. Im übrigen bestehe eine vorläufige Deckungszusage des Versicherers.
Im Vorlageantrag vom wiederholte die Bf. ihr bisheriges Vorbringen. Entgegen der Ansicht des Zollamtes hätte die Bf. von den dem Zollamt bekannten Machenschaften der E. informiert werden müssen. Das Zollamt habe dies unterlassen um einen Fahndungserfolg zu erzielen. Aufgrund des dem Erkenntnis des EuGH in der Rechtssache De Haan Beheer BV, C-61/98, identen Sachverhaltes lägen auch hier die Voraussetzungen für eine Erstattung vor.
Auch habe das Zollamt bei einer Betriebsprüfung (betreffend Lieferungen an F. s.l.), welche idente Sachverhalte zum Gegenstand hatten, festgestellt, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung vorlegen.
Umstände, welche auf einen Steuerbetrug hingedeutet hätten, seien der Rechtsvorgängerin nicht bekannt gewesen. Diese habe sämtliche Maßnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass sie an einem Steuerbetrug beteiligt seien. Sie habe sowohl die Unternehmereigenschaft der E. als auch der erklärten Warenempfänger auf Stufe 2 geprüft, sodaß ihrerseits von Gutgläubigkeit auszugehen sei.
Zumindest den deutschen Zollbehörden sei bereits Anfang 2005 bekannt gewesen, dass die E. in einen Umsatzsteuerbetrug verwickelt war. Hätten die deutschen und die österreichischen Behörden nicht so lange zugewartet um einen besseren Fahndungserfolg zu erlangen, wären die Umsatzsteuerhinterziehungen zu verhindern gewesen.
Die A. habe entsprechend den damaligen Vorgaben des BMF die UID Nr. auf Stufe 2 geprüft. Auch sei es zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt als zulässig erachtet worden, lediglich die UID Nr. des Empfängers im Mitgliedsstaat anzugeben, auch wenn die Waren letztlich in einen anderen Mitgliedsstaat verbracht worden sind.
X. habe keine andere Wahl gehabt als als indirekte Vertreterin aufzutreten und somit zwangsläufig die Schuldnereigenschaft für die Abgabennachforderungen übernehmen müssen.
Mit Vorhalt vom wurde die Bf. aufgefordert darzulegen, wie die Geschäftsbeziehungen zu den Warenempfängern zustande gekommen sind bzw. welche Informationen und Kontakte es zwischen der Bf. und diesen gegeben habe.
Die Bf. erklärte, dass sämtliche Unterlagen für die Abfertigungen jeweils von der E. übermittelt worden sind, es jedoch keinerlei Kontakt mit den von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin vertretenen Empfängern gegeben habe. Die UID Nr. seien stets auf Stufe 2 geprüft worden und zu den Verzollungszeitpunkten gültig gewesen. Die E. sei hinsichtlich ihrer Kreditwürdigkeit überprüft worden. Da die Waren auftragsgemäß zu Logistikzentren in Großbritannien verbracht wurden, sei die A. davon ausgegangen, dass die Waren von dort aus weiter zu den jeweiligen Abnehmern gebracht worden sind, was auch nicht ungewöhnlich gewesen sei.
Weiters wurde ein Rechtsgutachten zur Frage des Vorliegens eines Erlasstatbestandes für die Einfuhrumsatzsteuer gem. Art. 236 und Art. 239 ZK, § 83 ZollR-DG jeweils iVm. § 26 Abs. 1 S. 2 UStG 1984 vom vorgelegt.
In mehreren Schriftsätzen verwies die Bf. auf zwischenzeitig ergangene Urteile des EuGH, wonach die Einfuhrmehrwertsteuerschuld nur dann entstehen könne, wenn die Waren zuvor tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind. Im gegenständlichen Verfahren sei nicht festgestellt worden, ob die Waren tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind. Österreich wäre daher gar nicht zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zuständig gewesen, da die Waren jedenfalls nicht in den österreichischen Wirtschaftskreislauf gelangt sind. Die Vorschreibung der Zollschuld an die Bf. sei daher in jedem Falle unbillig.
Sachverhalt:
Zwischen Dezember 2005 und März 2006 wurden von der E., Zürich, aus Großbritannien ausgeführte Gemeinschaftswaren (per Luftfracht oder mittels Kleintransportern) in die Schweiz verbracht, wo sie jedoch keiner Einfuhrverzollung unterzogen worden sind.
Die X. + Co. Transport AG mit Sitz in CH- hatte zuvor von der E. den Auftrag erhalten, Versendungen im Rahmen von innergemeinschaftlichen Lieferungen nach Großbritannien zu bestimmten Empfangsorten für verschiedene außerhalb Großbritanniens ansässige Empfänger durchzuführen und auch den Transport dorthin zu organisieren.
Über Auftrag der E. wurden die Waren von der X. + Co Transport AG mit Sitz in CH- ins externe Versandverfahren T1, Bestimmungsstelle St. Margarethen übergeführt.
Die X. + Co Transport AG in XXX beantragte im Namen der Rechtsvorgängerin der Bf., der A., die Überführung dieser Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung. Dabei gab sie an, die Warenempfänger indirekt zu vertreten. Sämtliche Unterlagen (Frachtpapiere, Rechnungen) wurden ihr von der Niederlassung in Gladbrugg übermittelt, welche dann die Kostenabrechnung mit der E. durchführte.
Aus den der X. + Co Transport AG mit Sitz in CH vorliegenden Unterlagen (T2 bzw. Airwaybills) war ersichtlich, dass es sich um aus Großbritannien ausgeführte Gemeinschaftswaren handelte, die zuvor keiner Einfuhrverzollung unterzogen worden waren.
Zu den von der Rechtsvorgängerin indirekt vertretenen Warenempfängern gab es keinen Kontakt; es wurden lediglich deren UID-Nr. auf Stufe 2 überprüft.
Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Zollamtsakten. Die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer ist mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5200141/2010, (VwGH Ra 2015/16/0118) in Rechtskraft erwachsen.
Rechtslage:
Im Beschwerdefall noch anzuwendende Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK):
Nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. d) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 347 vom , (im Folgenden: MwSt-RL) sind Gegenstände von der Einfuhrumsatzsteuer befreit, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Art. 201 der MwSt-RL als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 der MwSt-RL befreit ist.
Gemäß Art. 138 Abs. 1 der MwSt-RL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, von der Einfuhrumsatzsteuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn der Versendung oder der Beförderung der Gegenstände handelt. Darüber hinaus befreien die Mitgliedstaaten gemäß Art. 138 Abs. 2 Buchst. c) der MwSt-RL von der Steuer die Lieferung von Gegenständen in Form der Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat, die u.a. gemäß Abs. 1 von der Mehrwertsteuer befreit wäre, wenn sie an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt würde.
Gemäß Art. 201 der MwSt-RL wird bei der Einfuhr die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt.
Gemäß Art. 6 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG 1994) ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet werden, steuerfrei. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.
Es kann sowohl der Anmelder selbst, aber auch der vom Anmelder indirekt Vertretene den Tatbestand des Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 erfüllen und die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung ausführen (vgl. ).
Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt gemäß Art. 7 Abs. 2 UStG 1994 auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes, nämlich das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer in Art. 3 Abs. 1 UStG 1994 näher beschriebenen vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat.
Gemäß Art. 204 Abs. 1 der im Revisionsfall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom , (im Folgenden: Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Art. 203 leg. cit. genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabepflichtigen Ware aus deren vorübergehenden Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das überführt worden ist, ergeben, oder eine der Voraussetzungen für die Überführung einer Ware in das betreffende Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder Einfuhrabgabenfreiheit auf Grund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfüllt wird, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder das betreffende Zollverfahren nicht wirklich ausgewirkt haben.
Zollschuldner ist gemäß Art. 204 Abs. 3 ZK die Person, welche die Pflichten zu erfüllen hat, die sich bei einer einfuhrabgabepflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben, oder welche die Voraussetzungen für die Überführung der Ware in dieses Zollverfahren zu erfüllen hat.
Gemäß § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) und gemäß § 26 Abs. 1 UStG gilt sinngemäß auch für die Einfuhrumsatzsteuer.
Gemäß § 71a ZollR-DG schuldet in den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG eine nach Art. 204 Abs. 1 ZK entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn er nicht bereits nach Art. 204 Abs. 3 ZK als Zollschuldner in Betracht kommt.
Gemäß Art. 239 Abs. 1 ZK können Einfuhrabgaben in Fällen erstattet oder erlassen werden, welche sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Nach dem Ausschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fällen diese Bestimmung angewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten sind.
Gemäß Art. 905 ZK-DVO übermittelt der entscheidungsbefugte Mitgliedstaat den Fall der Kommission zur Entscheidung, wenn ein Antrag auf Erstattung oder Erlass gemäß Art. 239 Abs. 2 ZK in seiner Begründung auf einen besonderen Fall schließen lässt, der sich aus Umständen ergibt, bei denen weder eine betrügerische Absicht noch eine offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt und wenn u.a. die Abgaben, die bei einem Beteiligten infolge desselben besonderen Umstandes nicht erhoben wurden, 500.000 EUR oder mehr betragen.
Gemäß Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO entscheidet die Entscheidungsbehörde, sofern nicht nach Art. 905 ZK-DVO die Kommission zu befassen ist, von sich aus, die Einfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.
§ 83 ZollR-DG:
Im Falle einer Erstattung oder eines Erlasses der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben nach den Bestimmungen des Art. 239 ZK in Verbindung mit Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO liegt ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist. Letzteren Falls stellte die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten keinen Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses dar, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht. Eine Vorlage an die Europäische Kommission hat zu unterbleiben."
Die Einfuhrumsatzsteuer, deren Erlass beantragt wurde, ist für die Bf. gemäß Art. 204 Abs. 3 ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG entstanden und mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5200141/2010 im Instanzenzug rechtskräftig festgesetzt worden.
Für die Erstattung oder den Erlass von sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben hat Österreich den Begriff besonderer Fall in § 83 ZollR-DG legal definiert (vgl. Erläuternde Bemerkungen zu Regierungsvorlage Nr. 916, XX. GP). Demnach liegt ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Anwendung des § 83 ZollR-DG die Rechtsprechung des EuGH, wonach von einem Wirtschaftsteilnehmer gefordert werden kann, dass er in gutem Glauben handelt und alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass sein Handeln nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. etwa Euro Tyre BV - Sucursal em Portugal, C-21/16, Rn. 40, und "Santogal M-Comercio e Reparacão de Automoveis", C-26/16, Rn. 71), die Richtschnur, ob die Abgabenbelastung sich als unbillig nach Lage der Sache erweist und ob offensichtliche Fahrlässigkeit vorliegt (vgl. ).
In den gegenständlichen Einfuhrfällen hätte die X. + Co Transport AG, G, auf Grund der ihr bereits vorliegenden Unterlagen erkennen können, dass die Waren von Unternehmen mit Sitz in England aus in die Schweiz (Empfängerin E.) befördert worden waren, entweder am Landweg (im internen gemeinsamen Versandverfahren T2) oder per Flugzeug (mit airwaybills) aus Heathrow und somit nicht aus einem Drittland kamen.
Obwohl in der Schweiz zuvor keine Einfuhrverzollungen stattgefunden hatten, wurden für diese Waren, wenige Tage nach ihrem Eintreffen in der Schweiz, jeweils Versandanmeldungen T1 von der X. + Co Transport AG mit Sitz in CH-erstellt und zur Niederlassung der X. + Co Transport AG, XXX angewiesen, mit dem Auftrag, die Waren zum freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (Verfahrenscode 42) anzumelden. Die ebenfalls übermittelten Frachtbriefe lauteten auf Zielorte in Großbritannien. Versender der Waren war die E., die zuvor bereits Handys und CPUs aus Großbritannien erworben hatte.
Der Transport, organisiert von der X. + Co Transport AG mit Sitz in CH-, erfolgte mit Kleintransportern, welche im Konvoi von der Schweiz aus über Österreich nach Großbritannien fuhren. So sind in den Frachtdokumenten als Empfänger britische Speditionsunternehmen und in Großbritannien liegende Auslieferungsorte angegeben, obwohl in den Anmeldungen als Empfänger portugiesische, spanische, dänische bzw. lettische Empfänger bestimmt waren.
Allein der ungewöhnliche Transportweg (die für außerhalb Großbritanniens ansässige Empfänger bestimmten Gemeinschaftswaren wurden von Großbritannien mittels Kleintransporter auf dem Landweg bzw. im Flugverkehr nach Zürich zur E. und in weiterer Folge auf dem Landweg von der E. nach Großbritannien transportiert), hätte Zweifel erwecken müssen, ob in diesen Fällen eine Einfuhr im Verfahren 42 zulässig ist.
Insbesondere der ungewöhnliche Transportweg (Ausfuhr aus Großbritannien in die Schweiz und Weiterverbringung über Österreich nach Großbritannien) hätte auch Zweifel an der Seriosität der beteiligten Unternehmen und Anhaltspunkte auf das Vorliegen von Missbrauch hinsichtlich der Umsatzsteuer erwecken müssen.
Der Einwand, die E. habe die Einfuhren in die Schweiz und die darauf folgenden Ausfuhren in die EU so vorgenommen, dass die Warenströme für die Mitarbeiter der Niederlassung in XXX, welche die Anmeldungen erstellten, nicht nachvollziehbar waren, überzeugt deshalb nicht, weil die D. diese Informationen hatte, was sich aus den Speditionsakten ergibt. Dieses Wissen ist der Rechtsvorgängerin der Bf. zuzurechnen.
Der Einwand, das Zollamt hätte entsprechende Erkenntnisse über die E., welche aus dem Ermittlungsverfahren des Zollfahndungsamtes Stuttgart stammten, der Bf. zur Kenntnis bringen müssen, geht ins Leere. Zum einen lag zu diesem Zeitpunkt kein Ermittlungsbericht der deutschen Behörden betreffend E. vor. Der Verdacht des Zollbeamten Ende Jänner 2006 bestand vorwiegend hinsichtlich Produktpiraterie. Dass die Waren, die zum Verfahren 42 angemeldet wurden, nicht aus dem Drittland stammten, ergab sich erst Jahre später.
Zum anderen hatte die Bf. auf Grund der ihr vorliegenden Frachtpapiere, der ungewöhnlichen Handels- und Transportwege viel früher Kenntnis davon, dass ihre Auftraggeberin, die E., Waren "im Kreis" schickt und dabei zwar Warenempfänger in verschiedenen europäischen Ländern vortäuscht, in Wirklichkeit diese Waren aber lediglich an Lagerhäuser in Großbritannien verschickt, um sie unmittelbar nach der Ankunft in Großbritannien wieder über die Schweiz zurück in die Gemeinschaft zu verbringen. Sie hätte bereits auf Grund der ihr vorliegenden Unterlagen die Geschäftsbeziehungen mit der E. hinterfragen müssen und entsprechende Überprüfungen für alle maßgeblichen Umstände, mit denen eine nicht umsatzsteuerbetrugsbehaftete wirtschaftliche Tätigkeit der Warenempfänger sowie der E. nachgewiesen werden kann, durchführen müssen.
Bei den Feststellungen des Prüfers in der Niederschrift vom , wonach bei Einfuhren (12/2005 - 02/2006) betreffend des Warenempfängers F. SL, Barcelona, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne des UStG 1994, Art. 6 Abs. 3 und Art. 7 UStG 1994 als gegeben anzusehen sind, handelt es sich lediglich um eine Schlussfolgerung aus der Prüfung der eingesehenen Buchnachweise. Die bei der D. vorhandenen Vorpapiere und Frachtunterlagen aus Großbritannien wurden dem Prüfer dabei nicht vorgelegt.
Die Mitarbeiter der D. hatten jene Unterlagen auch der von der Bf. indirekt vertretene Warenempfänger als "conduit company" beteiligt war. Dieser Beteiligte oder diesem zurechenbare natürliche Personen stellten der Bf. jene Angaben zur Verfügung, die dazu führten, dass die gesetzlich geschuldeten Einfuhrumsatzsteuerbeträge nicht erhoben wurden,
Dies bedeutet wiederum, dass die Beantwortung der Frage eines besonderen Falles im Sinn des § 83 ZollR-DG ausgenommen in Fällen der Existenzgefährdung des Abgabenschuldners dahingestellt zu bleiben hat, wenn - wie hier (siehe oben) - die maßgeblichen Umstände auf offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.
Eine Existenzgefährdung der Bf. liegt im übrigen nicht vor. Laut Versicherungsvertrag vom bestätigt die V. GmbH die Übernahme des aushaftenden Betrages samt Zinsen unter der Voraussetzung, dass die Abgabenvorschreibung in Rechtskraft erwachsen und der Antrag auf Erlass der Abgaben ebenfalls rechtskräftig abgewiesen worden ist.
Die Bf. bringt weiters vor, die österreichischen Vorschriften bzw. die Verwaltungspraxis zur Abfertigung mit Sonder-UID bei der Einfuhr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung sei mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Dazu hat der unter Hinweis auf das , Vlaamse Oliemaatschappij NV. folgendes ausgeführt:
"Der EuGH hat es im erwähnten Urteil als unverhältnismäßig angesehen, ein System einer de facto unbedingten gesamtschuldnerischen Haftung eines Wirtschaftsbeteiligten einzuführen, der gutgläubig ist und dem weder ein Fehler noch eine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann, ohne es dieser Person zu ermöglichen, sich der Haftung zu entziehen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt eine Regelung der verschärften Haftung nur dann, wenn sie dem Betroffenen eine wirksame Möglichkeit vorbehält, sich von seiner Haftung zu befreien (vgl. das (Kapnoviomichania Karelia AE), Rn 53).
In Österreich ist durch die Verweise des § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG die buchmäßige Erfassung der objektiv entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld (Art. 220 ZK) und die Mitteilung dieser Abgabenschuld (Art. 221 ZK) an einen Gesamtschuldner (§ 71a ZollR-DG) vorgesehen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit dieses Gesamtschuldners, seine Gutgläubigkeit und den Vertrauensschutz durch einen Antrag nach Art. 239 ZK und § 83 ZollR-DG auf Erlass der Einfuhrumsatzsteuerschuld oder auf Erstattung der allenfalls bereits entrichteten Einfuhrumsatzsteuer geltend zu machen. Einem solchen Antrag auf Erlass der Einfuhrumsatzsteuerschuld kommt im Ergebnis aufschiebende Wirkung zu (Art. 876a Abs. 1 der im Revisionsfall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253 vom , in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 12/97 der Kommission vom , ABlEG Nr. L 9 vom , - Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO)); er wirkt nur für den antragstellenden, nicht für alle Gesamtschuldner (vgl. das (Marc Berel u. a.)). Damit kann sich dieser Gesamtschuldner der "Haftung" für die Einfuhrumsatzsteuer entziehen oder wirksam von der "Haftung" befreien. Somit liegt keine de facto unbedingte Haftung vor, welche im Sinne der erwähnten und vom unverhältnismäßig wäre.".
Die Vorschreibung der Abgabenerhöhung wurde bereits mit Erkenntnis vom , ZRV/0142-Z2L/10, aufgehoben.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Die Beurteilung der Billigkeit einer Abgabennachsicht hat über den Einzelfall hinaus keine grundsätzliche Bedeutung.
Fragen des Verschuldens sind grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts zuzuordnen und könnten nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellen, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. etwa ; , und ).
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 98 Abs. 3 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 § 83 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.1200077.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at