Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 11.12.2019, RV/7100316/2019

Die Überreichung der Abgabenerklärung ist eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Befreiung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden A und die weiteren Senatsmitglieder B, C, D im Beisein der Schriftführerin E in der Beschwerdesache Bd, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde, Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, vom , EN xxx.xxx/2018, betreffend Rückerstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1 Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz als Bf bezeichnet) beantragte mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt eingelangt am , die "Rückerstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer" für " - ".

Begründend führte der Bf dazu aus, dass ihm rückwirkend mit  der § 29b mit Unzumutbarkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zusätzlich zu seiner schon seit Jahren anerkannten Behinderung (Grad 50%) zuerkannt wurde. Der beiliegenden Antrag KR21 hätte er erst jetzt stellen können, da das Verfahren über ein Jahr in Anspruch genommen hat. Die Zuerkennung erfolgte dann aber rückwirkend. Zunächst wurde ein Antrag auf Rückerstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer bei der Versicherung gestellt, wobei nur eine Rückerstattung ab , dem Meldedatum, erfolgte. Die Erstattung vom bis zum sei noch offen, weshalb der Antrag beim Finanzamt gestellt wird.

2 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Rückerstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer ab. In der Begründung wurde ausgeführt:

„Eine Steuerbefreiung für die motorbezogene Versicherungssteuer steht gemäß § 4 Abs. 3 Z. 9 Verssicherungssteuergesetz ab jenem Zeitpunkt zu, an dem die formalrechtlich erforderliche Abgabenerklärung Kr 21 an die Versicherung überreicht wurde.

Erst ab dem Tag der Überreichung der Abgabenerklärung Kr 21 ist eine Steuerbefreiung gegeben, auch wenn vor diesem Tag bereits die Körperbehinderung vorlag.

Da der am ausgestellte Behindertenpass zwar rückwirkend mit gültig wurde, aber die Abgabenerklärung Kr 21 erst am bei der Versicherung überreicht wurde, kann die Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer erst ab diesem Zeitpunkt erfolgen."

3 Gegen diesen abweisenden Bescheid, zugestellt am , brachte der Bf innerhalb offener Frist Beschwerde ein und begründete dies wie folgt:

"Im angefochtenen Bescheid wird der Antrag des Berufungswerbers vom , betreffend von Rückerstattung von motorbezogener Versicherungssteuer für den Zeitraum vom - bis abgewiesen.

Dieser Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im gesamten Umfang angefochten.

Aus der Begründung zum Bescheid ist zu entnehmen, dass die Steuerbefreiung für die motorbezogene Versicherungssteuer ab jenem Zeitraum zusteht, an dem die formalrechtlich erforderliche Abgabenerklärung Kr 21 an die Versicherung überreicht wurde.

Voraussetzung für eine Überreichung der Abgabenerklärung Kr 21 ist der Eintrag der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Behindertenpass gemäß § 42 Abs. 1 des Bundesbehindertengesetzes 1990.

Ohne Vorliegen dieser kann die Abgabenerklärung Kr 21 nicht abgegeben werden.

Ein Eintrag in den Behindertenpass ist erst ab dem Zeitpunkt möglich, an welchem dieser ausgestellt wird.

Aus dem Behindertenpass ist klar zu entnehmen, dass die behördlich festgestellte Behinderung mit in Kraft tritt.

Eine Antragstellung ist aber erst nach Ausstellung des Behindertenpasses möglich, sodass der Berufungswerber an der rechtzeitigen Antragstellung zur Befreiung für die motorbezogene Versicherungssteuer durch Untätigkeit der Behörden gehindert war.

Zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung wurde seitens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, der Bescheid vom , OB erlassen.

Die dort abweisende Rechtsansicht wurde durch das Bundesverwaltungsgericht, nach Erhebung einer Beschwerde aufgehoben und festgestellt, dass die dauerhafte Mobilitätseinschränkung in den Behindertenpass einzutragen ist.

Es ist daher eine vorherige Antragsstellung unmöglich.

Hätte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, die richtige Entscheidung getroffen, wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, zuvor schon die Abgabenerklärung Kr 21 zu überreichen.

Es kann nicht dem Rechtsmittelwerber zur Last fallen, dass die Behörde eine unrichtige Entscheidung trifft und erst durch den Instanzenzug eine rechtmäßige Rechtslage erstellt wird und dadurch der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Rückerstattung für die motorbezogene Versicherungssteuer erst später geltend machen kann.

Beweis: Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, GZ: GZ.-Evom
Abgabenerklärung für körperbehinderte Personen, vom

Der Beschwerdeführer stellte am bei der Versicherung den Antrag auf Erstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer mit dem Formular Kr 21.

Am wurde die Versicherungsabrechnung erstellt, aus welcher sich ergab, dass die Erstattung der motorbezogenen Versicherungssteuer ab Antragstellung erfolgte.

Am suchte der Rechtsmittelwerber die Beratungsstelle beim Finanzamt Villach auf und wurde ihm angeraten das Formular Kr 21 nochmals auszufüllen und einzubringen.

Am besuchte der Rechtsmittelwerber neuerlich die Beratungsstelle Villach mit den geforderten Unterlagen.
Dort wurde ihm erklärt, dass die Unterlagen an das Finanzamt Nr. 10 nach Wien zu schicken sind.

Am wurden die Unterlagen per Einschreiben nach Wien übermittelt.

Am wurde der Antrag des Rechtsmittelwerbers zur Anerkennung des Mobilitätszuschusses stattgegeben und dieser ihm rückwirkend für 2017 und 2018 zuerkannt.

Beweis: Einvernahme des Rechtsmittelwerbers"

4 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte in der Begründung aus:

"Laut dem Antrag auf Rückerstattung der Motorbezogenen Versicherungssteuer für den Zeitraum bis und den Ausführungen in der Beschwerde wurde das Formular KR 21 am bei der Versicherung vorgelegt. Der Behindertenpass wurde am mit Gültigkeit ab ausgestellt.

Aus der Gesetzesbestimmung des § 4 Abs 3 Z 9 VStG geht hervor, dass die Vorlage der Abgabenerklärung KR 21 materiellrechtliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung der Ausnahme von der Erhebung der Versicherungssteuer ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes steht die Steuerfreiheit ab Überreichung der Abgabenerklärung zu. Eine rückwirkende Berücksichtigung der Befreiung sieht das Gesetz lediglich für den Fall vor, dass der Nachweis der Köperbehinderung erst nachträglich beigebracht wird; aber auch in diesem Fall kann eine Berichtigung der Steuerberechnung (lediglich) auf den Zeitpunkt der Überreichung der Abgabenerklärung - und nicht auf einen allenfalls davor liegenden Zeitpunkt - durchgeführt werden.
Wie bereits im Bescheid vom ausgeführt wurde, kann die Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer erst ab Vorlage des Formulars KR 21 bei der Versicherung erfolgen.
Somit ist der Antrag auf Rückerstattung abzuweisen
."

5 Innerhalb offener Rechtsmittelfrist wurde dagegen der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht mit mündlicher Verhandlung vor dem Senat gestellt. Ergänzend wurde vorgebracht, dass ein "Rückwirkendes Ereignis" vorliegen würde. Er habe keine Abgabenerklärung Kr 21 bei der Antragstellung nach § 29b StVO abgeben können. Er hätte weder des Ergebnis gekannt, noch sei es ihm möglich gewesen den dazu zwingend geforderten positiven Bescheid vorzulegen. Das Ergebnis des Bescheides habe er unmittelbar nach Erhalt seiner Versicherung gemeldet, die die Abgabenerklärung Kr 21 dann erstellt hat. Die Erlangung der § 29b StVO-Eintragung hätte, von ihm unverschuldet, ca. ein Jahr gedauert. Es sei nicht richtig, dass der Bürger in der Zeit der Antragsbearbeitung auf die Befreiung verzichten müsse. Zudem sei im § 295a BAO genau dieses Problem eines eintretenden Ereignisses mit rückwirkender, abgabenrechtlicher Wirkung behandelt.  

6 Mit Bericht vom  legte die Abgabenbehörde die Beschwerde samt den Teilen des Verwaltungsaktes laut Aktenverzeichnis an das Bundesfinanzgericht vor.

7 In der mündlichen Verhandlung verwies der Bf auf den Umstand, dass der Wortlaut im Formular KR 21 "Der Nachweis der Körperbehinderung ist erbracht durch" dem Betroffenen suggerieren würde, dass eine Antragstellung erst nach Abschluss des entsprechenden Verfahrens beim Bundessozialamt möglich wäre. Das Formular enthalte zudem auch keinen Hinweis darauf, dass der Nachweis später erbracht werden kann. Eine entsprechende Information sei ihm weder vom Bundessozialamt, von seiner Versicherung noch von anderer Stelle erteilt worden. § 295a BAO müsste anwendbar sein, da ein rückwirkendes Ereignis mit abgabenrechtlicher Wirkung vorliegen würde. 

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Am stellte der Bf beim Sozialministeriumservice des Bundeslandes Kärnten gemäß § 29b StVO einen Antrag auf Zusatzeintragung " Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Im Mai 2018 wurde dem Begehren stattgegeben, ein entsprechender Behindertenpass am ausgestellt und festgestellt, dass dieser (rückwirkend) seit gültig ist.

Dieses Ereignis wurde der Versicherung gemeldet und die Abgabenerklärung Kr 21 - laut Prämienabrechnung - am übergeben. Der Versicherer hat die Befreiung für motorbezogene Versicherungssteuer gewährt und für den Zeitraum bis berichtigt.

2. Beweiswürdigung

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den vorgelegten Verwaltungsakt, der Prämienabrechnung der Versicherung und dem damit im Einklang stehenden Vorbringen beider Verfahrensparteien.

3. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 1 Abs. 1 VersStG 1953, idF BGBl. I Nr. 52/2009, unterliegt der Steuer die Zahlung des Versicherungsentgeltes auf Grund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.

Gemäß § 4 Abs. 3 VersStG 1953, idF BGBl. I Nr. 117/2016, sind von der Steuer gemäß § 6 Abs. 3 ausgenommen:

" ........

Z 9: Kraftfahrzeuge, die für Körperbehinderte zugelassen sind und von diesen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, unter folgenden Voraussetzungen:
a) Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers. Bei Erfüllung aller Voraussetzungen entsteht der Anspruch auf Steuerfreiheit mit der Überreichung der Abgabenerklärung; wird der Nachweis der Körperbehinderung erst nachträglich beigebracht, ist die Berechnung der motorbezogenen Versicherungssteuer auf den Zeitpunkt der Überreichung der Abgabenerklärung zu berichtigen;
b) Nachweis der Körperbehinderung durch
- einen Ausweis gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder
- einen Eintrag der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Behindertenpass gemäß § 42 Abs. 1 des Bundesbehindertengesetzes 1990.
c) vorwiegende Verwendung des Kraftfahrzeuges zur persönlichen Fortbewegung des Körperbehinderten und für Fahrten, die Zwecken des Körperbehinderten und seiner Haushaltsführung dienen;
d) die Steuerbefreiung steht – von zeitlichen Überschneidungen bis zu einer Dauer von einem Monat abgesehen – nur für ein Kraftfahrzeug zu. Unter einem Wechselkennzeichen zum Verkehr zugelassene Kraftfahrzeuge werden von der Steuerbefreiung miterfasst;

.......... "

Gemäß § 113 BAO haben die Abgabenbehörden den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, auf Verlangen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren; diese Anleitungen und Belehrungen können auch mündlich erteilt werden, worüber erforderlichenfalls ein Aktenvermerk aufzunehmen ist.

Nach § 240 Abs. 1 BAO ist der Abfuhrpflichtige bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, berechtigt, während eines Kalenderjahres zu Unrecht einbehaltene Beträge bis zum Ablauf dieses Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen.

Gemäß § 240 Abs. 3 leg. cit. hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages insoweit zu erfolgen, als nicht a) eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß Abs. 1 erfolgt ist, b) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist, c) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder im Falle eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte. Der Antrag kann bis zum Ablauf des 5. Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden. Für das Verfahren über die Rückzahlung ist die Abgabenbehörde zuständig, der die Erhebung der betroffenen Abgabe obliegt.

4. Hiezu wurde rechtlich erwogen

Im konkreten Fall ist strittig, ob die motorbezogene Versicherungssteuer für den Zeitraum  bis zu erstatten ist.

Hinsichtlich des Eintrittes der Befreiung von der Versicherungssteuer müssen alle im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. ).

Nach dem Wortlaut des Gesetzes steht die Steuerfreiheit ab Überreichung der Abgabenerklärung zu (..." entsteht der Anspruch auf Steuerfreiheit mit der Überreichung der Abgabenerklärung"). Eine rückwirkende Berücksichtigung der Befreiung sieht das Gesetz für den Fall vor, dass der Nachweis der Körperbehinderung nachträglich beigebracht wird; aber auch in diesem Fall kann eine Berichtigung der Steuerberechnung (lediglich) auf den Zeitpunkt der Überreichung der Abgabenerklärung - und nicht auf einen allenfalls davor liegenden Zeitpunkt - durchgeführt werden (vgl. zB Unabhängiger Finanzsenat vom , RV/1459-W/10, und vom , RV/0848-W/12).

Die Bestimmung des § 6 Abs. 3 Z. 7 VersStG bietet die Möglichkeit, eine allfällige unrichtige Steuerberechnung zu berichtigen. Für vor Überreichung der entsprechenden Abgabenerklärung entrichtete Beträge bestand noch keine Steuerfreiheit und erfolgte somit auch keine unrichtige Berechnung der Versicherungssteuer für diesen Zeitraum (vgl. Unabhängiger Finanzsenat vom , RV/2928-W/10).

Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates bestätigt und im Erkenntnis vom , 2012/17/0449, folgende Rechtsansicht vertreten (Rechtssatz):

" Regelungszweck der Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 3 Z. 9 VersStG ist es, körperbehinderte Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung auf ein Fahrzeug angewiesen sind, nicht mit einer zusätzlichen Steuer zu belasten. Der Gesetzgeber hat als eine der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Steuer die Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt im Wege des Versicherers vorgesehen; er hat damit - wie sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang eindeutig ergibt - eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung geschaffen. Diese wurde vom Abgabepflichtigen im hier maßgeblichen Zeitraum nicht erbracht. Ob der Abgabepflichtige die anderen vom Gesetz aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hat, ist dabei nicht von Belang, müssen doch hinsichtlich des Eintrittes der Befreiung von der Versicherungssteuer alle im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Liegt aber demnach - mangels Erfüllung aller für die Befreiung notwendigen Voraussetzungen - für den fraglichen Zeitraum keine zu Unrecht einbehaltene Abgabe vor, kann sich der Abgabepflichtige hinsichtlich des von ihm gestellten Antrages auf Rückzahlung auch nicht auf § 240 Abs. 3 BAO stützen. Wenn sich der Abgabepflichtige auf § 113 BAO und eine ihm unrichtig erteilte Auskunft beruft, so kann das Vorliegen einer solchen ebenso wie die daraus allenfalls abzuleitenden Rechtsfolgen dahin gestellt bleiben; auch eine im Sinne des Vorbringens des Abgabepflichtigen unrichtig erteilte Auskunft würde nicht dazu führen, dass das Fehlen einer materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzung für die nach § 4 Abs. 3 Z. 9 VersStG geltend gemachte Befreiung nicht zu berücksichtigen wäre. "

Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes (Erkenntnisse vom , RV/5100399/2013, vom , RV/7105108/2016, und vom , RV/7101288/2017).

Im gegenständlichen Fall liegt eine unrichtige Berechnung der Versicherungssteuer nicht vor und wurde die motorbezogene Versicherungssteuer für den Zeitraum  bis auch nicht zu Unrecht entrichtet. Der Anspruch der Steuerfreiheit entsteht erst mit der Überreichung der Abgabenerklärung. Die rückgeforderten Beträge wurden unstrittig vor Überreichung der entsprechenden Abgabenerklärung entrichtet. Da für diese vor Überreichung der entsprechenden Abgabenerklärung entrichteten Beträge noch keine Steuerfreiheit bestand, wurde die motorbezogene Versicherungssteuer für diesen Zeitraum auch nicht zu Unrecht entrichtet.

Liegt aber demnach - mangels Erfüllung aller für die Befreiung notwendigen Voraussetzungen - für den fraglichen Zeitraum keine zu Unrecht einbehaltene Abgabe vor, kann sich der Bf hinsichtlich des von ihm gestellten Antrages auf Rückzahlung auch nicht auf § 240 Abs. 3 BAO stützen.

Das Argument, die Zeit der Antragsbearbeitung beim Sozialministerium würde (immer) zu Lasten des Bürgers gehen, führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 3 Z. 9 lit. a VersStG ausdrücklich die Überreichung der Abgabenerklärung festgeschrieben.

Liegen zu diesem Zeitpunkt bereits alle Voraussetzungen vor, entsteht der Anspruch auf Steuerfreiheit mit der Überreichung der Abgabenerklärung.

Liegt der Nachweis der Körperbehinderung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor, kann dieser nachträglich beigebracht werden und die Berechnung der motorbezogenen Versicherungssteuer ist auf den Zeitpunkt der Abgabenerklärung zu berichtigen (siehe § 4 Abs. 3 Z. 9 lit. a 2. Halbsatz VersStG).

Dem Gesetzgeber war daher sehr wohl bewusst, dass die Feststellung der Körperbehinderung einige Zeit in Anspruch nehmen und auch rückwirkend erfolgen kann. Dem Normadressaten wird die Möglichkeit eingeräumt, zunächst die Abgabenerklärung einzureichen und nachträglich den Nachweis der Körperbehinderung vorzulegen und so zu einer Rückerstattung zu gelangen.

Auch für den Fall, dass die Formulierung in der Abgabenerklärung KR 21 unrichtig interpretiert worden ist, würde dies nicht dazu führen, dass das Fehlen einer materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzung für die nach § 4 Abs. 3 Z. 9 VersStG geltend gemachte Befreiung nicht zu berücksichtigen wäre.

Hinsichtlich des vom Bf eingewendeten Beschwerdepunktes der Rechtsbelehrungspflicht, welche in § 113 BAO geregelt ist, ist festzuhalten, dass diese nur über Antrag erfolgen kann. Dass ein solcher Antrag gestellt wurde, wurde nicht vorgebracht.

Überdies bezieht sich die Rechtsbelehrungspflicht gem. § 113 BAO 'nur auf Verfahrensangelegenheiten' und nicht auch auf Fragen des materiellen Rechts; daher besteht keine Verpflichtung, zB Rechtsauskünfte über alle nur möglichen abgabenrechtlichen Konsequenzen aus dem Verhalten von Abgabepflichtigen vor Einreichung von Abgabenerklärungen zu erteilen (vgl. Ritz, BAO2, Tz 1 zu § 113 unter Verweis auf , sowie vom , 2000/16/0592; Unabhängiger Finanzsenat vom , RV/1212-W/03).

Wenn sich der Bf schließlich noch auf § 113 BAO und eine nicht erteilte 'Anleitung' beruft, so kann das Vorliegen einer solchen ebenso wie die daraus allenfalls abzuleitenden Rechtsfolgen dahin gestellt bleiben; auch eine im Sinne des Beschwerdevorbringens nicht erteilte 'Anleitung' würde nicht dazu führen, dass das Fehlen einer materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzung für die geltend gemachte Befreiung nicht zu berücksichtigen wäre.

§ 295a BAO hat folgenden Wortlaut:

" (1) Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

(2) Die Entscheidung über die Abänderung steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des abzuändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu. "

Die Abänderung gemäß § 295a kann von Amts wegen oder auf Antrag der Partei (§ 78) erfolgen.

Der Antrag setzt nicht voraus, dass der betreffende Bescheid bereits formell rechtskräftig geworden ist (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 295a Anm 8; Perktold/Huber in Althuber/Toifl, Rückforderung, 146).

Wird der Antrag in einer Bescheidbeschwerde, in einem Vorlage­antrag oder in einem sonstigen Schreiben vor Erledigung der Bescheidbeschwerde gestellt, so ist er bei deren meritorischer Erledigung zu berücksichtigen (vgl. zB ).  In meritorischen Erledigungen von Bescheidbeschwerden sind nämlich Änderungen der Sach- und Rechtslage ebenso wie neue Anträge idR zu beachten (vgl. Ritz, BAO7, § 295a Tz 31).

Über den vom Bf im Beschwerdeverfahren eingebrachten Antrag gemäß § 295a BAO ist daher im Erkenntnis abzusprechen.

Grundsätzlich verändern nach Entstehung des Abgaben­anspruches (§ 4) eingetretene Ereignisse nicht den Bestand und Umfang des Abgaben­anspruches (vgl. zB Stoll, BAO, 58 ff;). Die Rückwirkung von Ereignissen muss sich aus Abgaben­vorschriften ergeben (vgl. zB Loose in Tipke/Kruse, AO2, § 175 Tz 27; Koenig in Koenig, AO 3, § 175 Tz 38 ff). § 295a ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. § 295a ist eine rein verfahrens­rechtliche Bestimmung (zB ; , 2006/15/0151; , 2007/13/0084; , 2010/13/0062; vgl. Ritz, BAO7, § 295a Tz 3).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe oben das Erkenntnis vom ) ist die Vorlage der Abgabenerklärung eine materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Befreiung und diese wurde vom Bf im hier maßgeblichen Zeitraum nicht erbracht. Die rückwirkende Feststellung der Gültigkeit des Behindertenpasses kann diese Tatbestandsvoraussetzung nicht nachträglich ersetzen.

Der angefochtene Bescheid entspricht daher der Rechtslage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision ist gegenständlich nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. hiezu das Erkenntnis vom , 2012/17/0449). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100316.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at