Verspätete Beschwerde
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin N.N. in der Beschwerdesache der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt X vom betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2008 beschlossen:
Die Beschwerden vom gegen die Bescheide vom betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2008 werden gemäß § 260 Abs. 1 lit . b BAO als nicht fristgerecht zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist im anhängigen Verfahren die Zulässigkeit der Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes X (FA) vom betreffend Einkommensteuer (ESt) und Umsatzsteuer (USt) 2008, beim FA eingegangen am .
Die Beschwerdeführerin (Bf) wendet eine unwirksame Zustellung der angefochtenen Veranlagungsbescheide 2008 ein, weil sie nie an der Adresse des FA (= Zustelladresse) sondern in Wohnadresse-2 wohnhaft und zudem vom Dez. 2009 bis April 2014 nicht in Österreich „aufhältig“ gewesen sei. Erst aufgrund eines Zufalls habe sie „jetzt“ von den Bescheiden Kenntnis erlangt und erhebe nun fristgerecht Beschwerde.
Inhaltlich verwehrt sich die Bf gegen eklatant überhöhte Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen (§ 184 BAO) in den angefochtenen Bescheiden. Zudem seien die daraus resultierenden Abgabennachforderungen verjährt.
Das FA geht - infolge pflichtwidrig unterlassener Änderungs- bzw. Abmeldung der Postabgabestelle durch die Bf - von wirksam zugestellten Bescheiden aus, die ohne Rechtsmitteleinbringung bereits vor Jahren in Rechtskraft erwachsen seien. Die verfahrensgegenständlichen Beschwerden seien daher verspätet.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
I. Dem gegenständlichen Beschluss liegt folgender Sachverhalt zu Grunde, den das BFG in Würdigung des Ermittlungsergebnisses (unbedenkliche abgabenbehördliche Vorlageunterlagen und Datenbankinhalte zur Bf bzw. der Bf-KG, ZMR- und Firmenbuchdaten) als erwiesen erachtet:
Die Bf, eine rumänische Staatsbürgerin, verfügte nach den meldebehördlichen Daten ab Juni 2004 – mit Unterbrechungen – über einen Wohnsitz in Österreich (jeweils ein Wohnsitz in zeitlicher Abfolge).
Zwischen Juni 2004 und Nov. 2010 war sie an zwei unterschiedlichen Adressen in 9999 Betriebsort-1 behördlich gemeldet (2004/2005 Nebenwohnsitz/NW an der Adresse 9999 Betriebsadrese-1, ab Jänner 2007 9999 Wohnadresse-1 als NW bzw. von - als Hauptwohnsitz/HW).
Nach einem kurzfristigen Aufenthalt im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Graz, Paulustorgasse (8.-) meldete sie im Gefolge einer polizeilichen Kontrolle ab einen neuen Wohnsitz (NW) in 8888 Wohnadresse-2, Wohnadresse-2 an, der allerdings bereits 2 Monate später wieder – ersatzlos - abgemeldet wurde. Im Anschluss verfügte die Bf bis April 2014 über keinen behördlichen Wohnsitz in Österreich mehr.
Als Unterkunftgeber der Bf im Zeitraum 2004 – 2011 weist das ZMR in allen Fällen ihren Schwager XY aus.
Beruflich war die Bf in diesen Jahren, soweit Daten vorliegen, in Nachtclubs/Barbetrieben tätig. Nach der abgabenbehördlichen Datenlage war sie an ihrem ersten Wohnsitz in 9999 Betriebsadrese-1 zunächst von Jänner bis August 2007 als Dienstnehmerin in einem Bordellbetrieb ihrer Schwester beschäftigt.
Im Gefolge eines Insolvenzantrages der GKK gegen die Schwester, meldete die Bf im Juli 2007 beim FA eine Betriebseröffnung an (Übernahme der beiden Bordellbetriebe ihrer Schwester per ). Die Erfüllung ihrer daraus erwachsenden abgabenrechtlichen Pflichten blieb die Bf allerdings schuldig. Insbesondere reichte sie weder Abgabenerklärungen ein, noch entrichtete oder meldete sie Selbstbemessungsabgaben.
Stattdessen gründete die Bf im Nov.2008 die Bf-KG, FN 999999x und führte als (einzige) Komplementärin den „Barbetrieb (Bordell)“ mit den beiden Standorten in Betriebsort-1 und Betriebsstandort-2 nunmehr in dieser Rechtsform (Gesellschaftsvertrag / Kommanditist XY mit 100,- € Kommanditeinlage).
Unterlagen über abgabenbehördliche Erhebungen an den Betriebsstandorten vom Dez.2008 und Mai 2009 weisen die Bf sowohl nach der Eigenbezeichnung als auch als vor Ort wahrgenommene „Chefin“ mit unterschiedlichen Aufgaben aus, der etwa am Standort in 9999 Betriebsadrese-1 als einziger „Kellnerin“ das Inkasso im Gastrobereich zu kam und die auch für die Führung der Erlösaufzeichnungen vor Ort zuständig war (Übertragung der Grundaufzeichnungen auf „Bierzetteln“ in „Stricherlisten“).
Den Erhebungsorganen wurde als Wohnsitz der Bf und des XY die in unmittelbarer Nähe zum Betriebsstandort befindliche Adresse 9999 Wohnadresse-1 genannt (Quelle: FA-Erhebungsunterlagen vom bzw. Niederschrift über Betriebsbesichtigung vom ).
Kurz nach der zweiten Erhebung erfolgte am die steuerliche Erfassung der Bf-KG, nachdem einige Tage davor auch die Firmenbucheintragung durchgeführt worden war.
Umgehend danach holte das FA mittels Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 184 BAO) bescheidmäßige Abgabenvorschreibungen/-festsetzungen für bereits verfristete Zeiträume nach, für welche die Bf bis dahin Abgabenerklärungen bzw. UVZ schuldig geblieben war.
Konkret ergingen am ESt- und USt-Bescheide für 2007 sowie Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen (UVZ) für 02-12/2008 und 01-03/2009 an die Bf, adressiert an deren bei den FA-Erhebungen im Dez. 2008 angegebenen und zudem von Jänner 2007 bis November 2010 im Zentralen Melderegister (ZMR) aufscheinenden – einzigen - Wohnsitz in 9999 Betriebsort-1, Wohnadresse-1. Die Bescheidzustellungen erfolgten unbescheinigt und ohne Hinweis auf ein Zustellhindernis.
Rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist stellte die bis dahin unvertretene Bf am im Wege eines befugten steuerlichen Vertreters einen Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist um zwei Monate, um die Aufbereitung der Buchhaltung und Erstellung des Jahresabschlusses bewerkstelligen zu können, für welche die Bf noch mit der Belegsammlung beschäftigt sei.
Am langte beim FA fristgerecht eine von der steuerlichen Vertretung „Namens und Auftrags unserer oben angeführten Klientin“ verfasste Berufung gegen die Bescheide vom ein. Darin wurde neuerlich auf die noch laufenden Buchhaltungsarbeiten verwiesen. Die Bf sei noch mit der Klärung offener Fragen hinsichtlich der Buchhaltung beschäftigt, habe aber bereits „Teile der geforderten Buchhaltungsunterlagen insbesondere des Jahres 2007 zur Verfügung gestellt.“ „Nach Buchung der Belege für 2007 und 2008“ würden die betreffenden Jahresabschlüsse und Erklärungen sowie UVA für 1-3/2009 umgehend nachgereicht werden.
Ohne Einbringung der angekündigten Abgabenerklärungen legte der steuerliche Vertreter am das Vertretungsmandat der Bf zurück (Quelle: abgabenbehördliche DB2-Datenbank).
Als ein letztmaliger Kontakt des FA mit dem bisherigen Vertreter ergab, dass die Einreichung der ausstehenden Unterlagen nicht mehr zu erwarten war, stellte das FA die (abweisende) Erledigung der anhängigen Rechtsmittel der Bf in Aussicht (Quelle: FA-Aktenvermerk , Vorlageunterlagen OZ 18).
Entsprechend ergingen am abweisenden Berufungsvorentscheidungen an die Bf, die wiederum an deren meldebehördliche Wohnanschrift adressiert waren und unbescheinigt und ohne Hinweis auf ein Zustellhindernis zugestellt wurden.
Mangels Einbringung von Vorlageanträgen war das Rechtsmittelverfahren betreffend USt- und ESt-Bescheide 2007 damit beendet.
In der Folge brach der abgabenbehördliche Kontakt zur Bf ab. Im Herbst 2010 war sie bei mehrmals durchgeführten Begehungen im Zuge abgabenbehördlicher Einbringungsmaßnahmen nicht anzutreffen. Auch ihr Unterkunftgeber war nicht erreichbar. Der Aufenthalt der Bf sowohl im PAZ Graz als auch nach der dortigen Entlassung blieb (vorerst) unbekannt. Bei der Unterbringung im PAZ hatte die Bf als Hauptwohnsitz ihre Adresse in 9999 Wohnadresse-1 angegeben (AV 17.Nov. und , Vorlageunterlagen OZ 17 u. OZ 23).
Zu Jahresbeginn 2011 verfügte das Landesgericht Gerichtsort die Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens der Bf-KG (Gz 99Se99/10x, Firmenbucheintragung ).
Im Zuge dieser Firmenbuchmaßnahmen erfolgte am auch eine amtswegige Adressenanpassung für die Bf und XY an deren zwischenzeitige ZMR-Adresse in 8888 Wohnadresse-2, Wohnadresse-2.
Am wurde die Bestellung der Bf und des XY zu gemeinsamen Liquidatoren der Bf-KG im Firmenbuch veröffentlicht.
Mit selbem Tag erfolgte die Abmeldung des Wohnsitzes der Bf in Wohnadresse-2. Da bei der Abmeldung kein neuer Wohnsitz angegeben wurde, verfügte die Bf fortan bis April 2014 über keinen behördlichen Wohnsitz in Österreich mehr.
Die in der Folge wiederholt durgeführten abgabenbehördlichen Erhebungen ergaben, dass sowohl die Abmeldung des Wohnsitzes der Bf in Betriebsort-1 als auch die nachfolgende Wohnsitzanmeldung in Wohnadresse-2 behördlich veranlasst gewesen waren ( amtliche Abmeldung durch die örtliche Meldebehörde; Anmeldung in Wohnadresse-2 am nach polizeilicher Kontrolle am Betriebsstandort in Betriebsstandort-2). Zugleich ließen Ermittlungen bei der Meldebehörde am neuen Wohnort und in der Nachbarschaft auf keine tatsächliche Nutzung der nunmehrigen Meldeadresse durch die Bf schließen. Auch deren Unterkunftgeber XY war nicht auffindbar.
Nachdem auch wiederholte abgabenbehördliche ZMR-Abfragen und Anfragen bei den SV-Trägern keine Hinweise auf einen aktuellen Aufenthalt oder eine Zustelladresse der Bf ergeben hatten, ergingen am , ebenfalls auf Basis des § 184 BAO, die verfahrensgegenständlichen ESt- und USt-Bescheide für 2008 an die Bf, nunmehr allerdings mit der Zustelladresse des FA.
Die Zustellung erfolgte am durch Hinterlegung im FA-Akt (Quelle: FA-AV , Vorlageunterlagen/ OZ 27). Diese Bescheide blieben unbekämpft.
Erst mit der Anmeldung eines neuen Nebenwohnsitzes in Vorarlberg im April 2014 war die Bf für die Abgabenbehörde wieder erreichbar, bevor sie auch ihren dortigen Wohnsitz im Dez.2018 - ersatzlos - abmeldete.
Das BFG schließt aus der dargestellten zeitlichen Abfolge der Meldevorgänge der Bf und insbesondere aus dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen den Firmenbuchveröffentlichungen zur Insolvenz der Bf-KG und der ersatzlosen Abmeldung ihres letzten steirischen Meldewohnsitzes am , dass sich die Bf spätestens ab dieser Zeit der Erreichbarkeit – insbesondere für Gläubiger, Behörden und Gerichte – bewusst entziehen wollte.
Die Wohnsitzangabe bei der Aufnahme im PAZ Graz belegt, dass die Bf bis zumindest Nov. 2010 die bei der abgabenbehördlichen Erhebung im Dezember 2008 angegebene Unterkunft als ihren Hauptwohnsitz betrachtete.
Von einem dauerhaften Aufenthalt der Bf im Ausland ab Dez. 2009 ist unter den im Verfahren festgestellten Umständen nicht auszugehen (insbesondere Aufenthalt der Bf im PAZ Graz im Nov. 2010, polizeil. Kontrolle der Bf am in Betriebsstandort-2, aber auch Betriebsführung der Bf-KG zumindest bis zur Insolvenz Anfang Febr.2011).
Für die Zeit nach der Insolvenz der Bf-KG blieb der Aufenthalt der Bf trotz wiederholter abgabenbehördlicher Erhebungen im Dunkeln (mehrfache Meldeabfragen und Anfragen beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Erhebungen bei der ursprünglichen und der zuletzt zuständigen Meldebehörde, Befragung der Nachbarn an der letzten Meldeadresse, (erfolglose) Suche nach dem vormaligen Unterkunftgeber der Bf; Quelle: Vorlageunterlagen OZ 17 und OZ 24 sowie elektron. FA-Einbringungsakt).
Am brachte ein neuer Rechtsvertreter der mittlerweile mit Nebenwohnsitz in Vorarlberg gemeldeten Bf. die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2008 vom ein.
Dazu erging am die zurückweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) des FA, welche aufgrund wirksamer Zustellung der angefochtenen Bescheide vom davon ausgeht, dass die beim FA am eingelangte Beschwerde verspätet eingebracht wurde.
II. Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.
§ 245 Abs. 1 BAO normiert als Frist für die Einbringung einer Beschwerde einen Monat. Für den Beginn der Beschwerdefrist ist der Tag maßgeblich, an dem der Bescheid bekanntgegeben wurde.
Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen, bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen regelmäßig durch Zustellung.
Nach § 98 Abs. 1 BAO sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen.
§ 8 Abs. 1 ZustG verpflichtet eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
„Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann“ (§ 8 Abs. 2 ZustG).
Das Verfahren zur Durchführung einer solchen Hinterlegung regelt § 23 ZustG. Demnach kann das betreffende Dokument u.a. bei der Behörde selbst zur Abholung bereitgehalten werden. Die Behörde hat die Hinterlegung zu beurkunden. "Das so hinterlegte Dokument gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt" (§ 23 Abs. 4 ZustG).
Zufolge § 104 BAO besteht gegenüber den Abgabenbehörden - über den Bereich des § 8 ZustG hinausgehend - unabhängig von einem anhängigen abgabenbehördlichen Verfahren „die Verpflichtung zur Mitteilung im Sinne des § 8 Abs. 1 des Zustellgesetzes für Abgabepflichtige auch so lange, als von ihnen Abgaben, ausgenommen durch Einbehaltung im Abzugswege zu entrichtende, wiederkehrend zu erheben sind. § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes ist sinngemäß anzuwenden.“
Eine Mitteilungspflicht nach § 8 Abs.1 ZustG besteht, wenn eine Person von einem Verfahren, in der ihr Parteienstellung zukommt, Kenntnis hat. Davon ist auszugehen, wenn sie selbst durch Antragstellung ein Verfahren einleitet. Als bisherige Abgabestelle gilt die der Behörde bekannte Abgabestelle, nachdem die Partei vom Verfahren Kenntnis erlangte. Dies kann die letzte von der Partei der Behörde selbst bekanntgegebene Adresse oder auch die letzte im Zuge einer Zustellung bekanntgewordene Adresse sein. (vgl. ; Ritz, BAO6 ZustG, § 8, Rz 2f).
Eine Änderung der Abgabestelle setzt deren dauernde Verlegung voraus. Auch bei Aufgabe der bisherigen Abgabestelle ohne Begründung einer neuen Abgabestelle liegt eine Änderung der Abgabestelle vor. Die Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle hat unverzüglich, ohne schuldhaftes Zögern und ohne unnötigen Aufschub zu erfolgen (vgl. ; , 2008/05/0272; , 2004/20/0462; , 2002/20/0229; , 93/01/0823-0825; , 93/11/0085; , 87/17/0049 und Ritz, BAO6 ZustG, § 8, Rz 5 u. 8).
Verletzt eine Partei ihre Mitwirkungspflichten über die Änderung ihrer Abgabestelle, kann sie sich vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht erfolgreich auf die Verletzung amtlicher Ermittlungspflichten berufen ( Zl 1337/59).
Dies gilt auch, wenn die Abgabestelle während eines Verfahrens ohne Mitteilung an die Behörde geändert wird und die behördliche Anordnung einer Zustellung nach § 8 Abs. 2 ZustG unterbleibt, weil die Behörde deshalb irrtümlich vom Fortbestand der bisherigen Abgabestelle ausgeht (vgl. Slg. Nr. 12.152/A).
Bei Verletzung der Mitteilungspflicht durch eine Verfahrenspartei ist die Behörde gemäß § 8 Abs. 2 ZustG zur Ermittlung einer neuen Abgabestelle insoweit verpflichtet, als diese ohne Schwierigkeiten, d.h. unter Bedienung einfacher Hilfsmittel, feststellbar ist. Zu den zumutbaren Ermittlungsschritten gehören nach Lehre und Rechtsprechung insbesondere die Einholung von Meldeauskünften, die Befragung von Auskunftspersonen (Nachbarn, Unterkunftgeber) sowie Anfragen bei anderen Behörden oder den Sozialversicherungsträgern (vgl. Ritz, BAO6, § 8 ZustG, Rz 11 mit weiteren Beispielen und zahlreichen Judikaturverweisen).
Ist trotz derartiger Maßnahmen keine aktuelle Abgabestelle ermittelbar, hat die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch bei einer der in § 23 ZustG genannten Einrichtungen zu erfolgen (; , 2002/08/0206; , 2000/19/0115).
§ 104 BAO erweitert für Abgabepflichtige, die wiederkehrend zu erhebende Abgaben zu leisten haben (zu welchen etwa ESt und USt zählen), die Mitteilungspflichten des § 8 ZustG gegenüber den Abgabenbehörden bzw. dem BFG (§ 2a BAO) insofern, als die Verpflichtungen für diese Personen unabhängig davon gelten, ob ein aktuelles Abgabenverfahren anhängig ist oder nicht.
Für Parteien ohne inländische Abgabestelle sieht § 10 ZustG die Möglichkeit eines behördlichen Auftrages zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten vor.
III. Die verfahrensgegenständlichen Bescheide vom betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2008 ergingen an die zu dieser Zeit nicht vertretene Bf. und waren an die Anschrift des FA adressiert. Die Zustellung erfolgte gemäß § 8 Abs. 2 ZuStG durch eine nachprüfbar dokumentierte Hinterlegung im FA-Akt am .
Dem festgestellten Sachverhalt ist zu ersehen, dass einerseits am neben den ESt-/USt-Bescheiden 2007 auch UVZ-Festsetzungsbescheide für 1-12/2008 und 1-3/2009 ergingen und anderseits, dass die Bf in das nachfolgende Rechtsmittelverfahren persönlich eingebunden war. Im Zuge dieses Rechtsmittelverfahrens wurde die Bf vom damaligen steuerlichen Vertreter angehalten, auch die zur Erstellung der Buchhaltung erforderlichen Geschäftsunterlagen für das Jahr 2008 beizubringen.
Das BFG bezweifelt nicht, dass der Bf unter diesen Umständen aufgrund der fortgesetzten Führung der beiden Bordellbetriebe (ab 11/2008 im Rahmen der Bf-KG) ihre mit 2007 vergleichbaren abgabenrechtlichen Verpflichtungen auch für 2008 bewusst waren. Entsprechend war für sie das Ergehen von ESt- und USt-Bescheiden für 2008 absehbar. Da der steuerliche Vertreter sein Mandat im März 2010 zurücklegte, noch bevor einerseits das gegen die Bescheide vom eingebrachte Rechtsmittelverfahren abgeschlossen und anderseits Veranlagungsbescheide für 2008 ergangen waren, musste die Bf davon ausgehen, dass die Abgabenbehörde sich zur Abwicklung dieser Verfahren an sie wenden würde.
Neben der nach § 104 BAO/§ 8 ZustG bestehenden gesetzlichen Verpflichtung zur Bekanntgabe einer dauernden Änderung der Abgabestelle, bestand in dieser Situation eine für die Bf ganz konkret erkennbare Veranlassung zur Mitteilung eines allfälligen Wohnsitzwechsels nach Wohnadresse-2 oder ihres allenfalls (bevorstehenden) dauernden Aufenthaltes im Ausland an das FA.
Fest steht, dass die Bf nach der insolvenzbedingten Schließung der beiden Standorte des Bordellbetriebes der Bf-KG spätestens ab Anfang Februar 2011 weder in Betriebsort-1 noch in Betriebsstandort-2 über Betriebsadressen verfügte.
Zugleich wurde bei einer abgabenbehördlichen Erhebung festgestellt, dass die Wohnsitze der Bf und des XY in 9999 Wohnadresse-1 nicht mehr aufrecht waren (FA-AV , Vorlageunterlagen OZ 24).
Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Bf demnach gemäß § 104 BAO iVm § 8 ZustG verpflichtet, dem FA die Verlegung/Aufgabe ihrer bisherigen Abgabestelle zu melden und eine neue inländische Zustelladresse bzw. ihren Aufenthaltsort im Ausland bekanntzugeben, um die Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten gemäß § 10 ZustG zu ermöglichen. Stattdessen entzog sich die Bf der behördlichen Kontaktaufnahme ganz bewusst.
Aufgrund der Verletzung der Meldepflicht nach § 104 BAO iVm § 8 Abs. 1 ZustG und da eine aufrechte Abgabestelle der Bf trotz wiederholter abgabenbehördlicher Ermittlungen in zumutbarem Umfang nicht festgestellt werden konnte, war die Abgabenbehörde berechtigt, eine Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide nach § 8 Abs. 2 ZustG vorzunehmen.
Im Gegenzug kann die Bf aufgrund der Verletzung ihrer Mitteilungspflicht nach § 104 BAO iVm § 8 Abs. 1 ZustG die Rechtsfolgen der erfolgten Zustellungen durch Hinterlegung im FA-Akt nicht durch den Verweis auf ihren dauerhaften Auslandsaufenthalt abwenden.
Die angefochtenen ESt- und USt-Bescheide 2008 vom sind daher als der Bf ordnungsgemäß zugegangen anzusehen und gehören dem Rechtsbestand an. Mangels fristgerechter Einbringung eines Rechtsmittels trat mit Ablauf der Monatsfrist des § 245 Abs. 1 BAO am im Verfahren betreffend die ESt und USt 2008 die Rechtskraft ein.
Da die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom somit nicht fristgerecht eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine gesicherte Rechtsprechung besteht bereits bei Vorliegen eines begründeten Erkenntnisses (vgl. ).
Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, auf welche die angeführten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision zutreffen, da es sich im Wesentlichen um die Beantwortung von Tatfragen im Wege der Beweiswürdigung handelte und die zugrundeliegenden Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung des VwGH ausreichend beantwortet sind.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 23 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 98 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 104 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 8 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 8 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.2101411.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at