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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.12.2019, RV/6100222/2015

Kein Alleinerzieherabsetzbetrag ohne inländische Einkünfte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter A in der Beschwerdesache Bf, Adresse, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Land vom , betreffend die Anträge vom auf Erstattung des Alleinerzieherabsetzbetrages für die Jahre 2008 bis 2012 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf) beantragte jeweils mit Antrag vom die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages für die Jahre 2008, 2009, 2010, 2011 und 2012 unter Verwendung des amtlichen Vordruckes „Formular E 30, Erklärung zur Berücksichtigung des Alleinverdiener-/Alleinerzieherabsetzbetrages beim Arbeitgeber“. Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung wurden keine eingereicht.

Diesen Anträgen fügte die Bf ein Schreiben bei, in dem sie ausführte, dass sie in Deutschland bei der Lufthansa im fliegerischen Dienst in München beschäftigt sei. Ihr fester und ausschließlicher Wohnsitz befinde sich in Österreich in Adresse. Sie sei außerdem alleinerziehend und beziehe in Österreich die Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Erstattung des Alleinverdiener-/Alleinerzieherabsetzbetrages für das Jahr 2008 von der belangten Behörde abgewiesen.

Für die Jahre 2009-2012 wurden die Anträge ebenfalls abgewiesen und als „Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung“ gewertet (Datum ).

Zur Begründung wurde in allen Bescheiden gleichlautend ausgeführt, dass die Bf laut ihren Angaben nichtselbständige Einkünfte in Deutschland beziehe. Eine Negativsteuer komme nur insoweit in Betracht, sofern die berechnete Einkommensteuer negativ sei. Falls die Einkünfte der Bf in Deutschland unter der österreichischen Besteuerungsgrenze liegen würden, werde sie dazu aufgefordert dies nachzuweisen.

Gegen die Abweisungsbescheide 2008-2012 erhob die Bf innerhalb offener Rechtsmittelfrist Beschwerden und begehrte die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages, da dieser an den Anspruch auf Familienbeihilfe gekoppelt sei und eine Steuerleistung in Österreich irrelevant sei. Sie habe ausschließlich einen Wohnsitz in Österreich, wo sie mit ihrer Tochter alleine lebe.

Mit Beschwerdevorentscheidung jeweils vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen, da der Alleinerzieherabsetzbetrag im Rahmen des Einkommensteuertarifs gemäß § 33 Abs. 4 Z. 2 EStG anzuwenden sei. Da die Einkünfte der Bf jedoch nicht in Österreich steuerpflichtig seien, sei auch der österreichische Steuertarif nicht anwendbar. Möglich wäre die Berücksichtigung im Rahmen der Negativsteuer, bei einem unter der Besteuerungsgrenze liegenden Einkommen. Dies sei jedoch nicht nachgewiesen worden. 

In den dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageanträgen, jeweils vom , führte die Bf zur Begründung aus, dass ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag zustehe, da sie den Kinderabsetzbetrag beziehe. Außerdem bekäme eine Arbeitskollegin mit gleicher Situation (Wohnsitz in Österreich, Tätigkeit bei der Lufthansa in Deutschland) auch den Alleinerzieherabsetzbetrag.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerden gegen die genannten Bescheide dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (samt Vorlageberichten).

Das Bundesfinanzgericht hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Sachverhalt:

Die Bf hatte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Deutschland. Ihr Wohnsitz befand sich in Österreich. Sie hat eine Tochter, die mit ihr zumindest in den Jahren 2008-2012 im gemeinsamen Haushalt lebte und für die sie in Österreich den Kinderabsetzbetrag bezog.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde bzw. der Bf, sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen, insbesondere durch Einsichtnahme in das „Familienbeihilfeninformationssystem“ des Bundes, woraus sich der Wohnsitz in Österreich und die Beschäftigung in Deutschland ableiten lassen.

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 in der in den Beschwerdejahren geltenden Fassung sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Nach Artikel 15 Abs. 1 Doppelbesteuerungsabkommen Österreich Deutschland vorbehaltlich der Artikel 16 bis 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

Die Berechnung der Einkommensteuer ist in § 33 Abs. 1 EStG 1988 geregelt.

Nach § 33 Abs. 2 EStG 1988 sind von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag die Absetzbeträge nach den Abs. 4 bis 6 abzuziehen. Dies gilt nicht für Kinderabsetzbeträge im Sinne des Abs. 4 Z. 3 lit. a. Absetzbeträge im Sinne des Abs. 5 oder Abs. 6 sind insoweit nicht abzuziehen, als sie jene Steuer übersteigen, die auf die zum laufenden Tarif zu versteuernden nichtselbständigen Einkünfte entfällt. Abs. 8 bleibt davon unberührt.

Einem Alleinerzieher steht nach § 33 Abs. 4 Z. 2 EStG ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro, bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.

Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe) Partner lebt.

Gemäß § 33 Abs. 8 EStG (in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2004) ist bei mindestens einem Kind
(§ 106 Abs. 1), wenn die nach Abs. 1 und 2 berechnete Einkommensteuer negativ ist, insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag gutzuschreiben. Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Arbeitnehmerabsetzbetrag oder Grenzgängerabsetzbetrag haben, nach Abs. 1 und 2 keine Einkommensteuer, so sind 10% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a (ausgenommen Betriebsratsumlagen) und der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 und 5, höchstens aber 110 Euro jährlich, gutzuschreiben. Auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreie Einkünfte sind für Zwecke der Berechnung der negativen Einkommensteuer wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln. Der Kinderabsetzbetrag gemäß Abs. 4 Z 3 lit . a bleibt bei der Berechnung außer Ansatz. Die Gutschrift hat im Wege der Veranlagung oder gemäß § 40 zu erfolgen.

Nach § 33 Abs. 8 EStG 1988 (in der Fassung BGBl. I Nr. 52/2009, gültig ab ) ist bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), wenn die nach Abs. 1 und 2 berechnete Einkommensteuer negativ ist, insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag gutzuschreiben. Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Arbeitnehmerabsetzbetrag oder Grenzgängerabsetzbetrag haben, nach Abs. 1 und 2 keine Einkommensteuer, so sind 10% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a (ausgenommen Betriebsratsumlagen) und der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 und 5, höchstens aber 110 Euro jährlich, gutzuschreiben. Auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreie Einkünfte sind für Zwecke der Berechnung der negativen Einkommensteuer wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln. Der Kinderabsetzbetrag gemäß Abs. 3 bleibt bei der Berechnung außer Ansatz. Die Gutschrift hat im Wege der Veranlagung zu erfolgen.

§ 40 EStG 1988 (in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2004) lautete: „Unterbleibt bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) oder auf den Alleinerzieherabsetzbetrag haben, eine Veranlagung und liegen auch keine ausländischen Einkünfte vor, so ist auf Antrag des Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des jeweiligen Kalenderjahres gestellt werden. Im Antrag ist die Versicherungsnummer gemäß
§ 31 ASVG anzuführen.“

Hingegen erfolgt nach § 40 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 52/2009 gültig ab eine Veranlagung nach § 39 auch bei Steuerpflichtigen, die kein Einkommen, aber Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) oder auf den Alleinerzieherabsetzbetrag haben und die Erstattung dieses Absetzbetrages beantragen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums gestellt werden.

Dazu wird rechtlich erwogen: 

Die Bf hatte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Deutschland und ihren Wohnsitz in Österreich. Strittig ist, ob ihr trotzdem der Alleinerzieherabsetzbetrag in Österreich zusteht.

Nach § 1 Abs. 2 EStG 1988 ist die Bf in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig, da sie hier ihren Wohnsitz hat. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte, wo auch immer erzielte, Einkommen (Welteinkommen).

Art. 15 Abs. 1 Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland normiert jedoch, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen aus unselbstständiger Arbeit in Deutschland besteuert werden, wenn die Arbeit dort ausgeübt wird. Da die Bf ausschließlich in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, sind diese in Deutschland zu besteuern.

2008:

Im Jahr 2008 war § 40 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 57/2004 anzuwenden.

Die Einkommensermittlung und eine sich daraus ergebende Gutschrift der Negativsteuer erfolgt grundsätzlich im Wege der Veranlagung. Bis zum Jahr 2009 ermöglichte § 40 EStG 1988 jedoch die Erstattung des Alleinerzieherabsetzbetrages außerhalb eines Veranlagungsverfahrens (amtlicher Vordruck, Formular E 5).

Die Voraussetzungen hierfür ergaben sich unmittelbar aus dem Gesetz und zwar (vgl. Sailer, Bernold, Mertens, Die Lohnsteuer und Frage und Antwort, 2008, S. 604):

  • Unterbleiben einer Veranlagung

  • Anspruch auf Alleinverdienerabsetzbetrag bei mindestens einem Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG oder den Alleinerzieherabsetzbetrag

  • Es werden keine ausländischen Einkünfte bezogen.

Da die Bf ausländische Einkünfte in Deutschland bezieht, steht ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag im Jahr 2008, wie sich eindeutig aus dem Gesetzestext ergibt, nicht zu.

2009-2012:

Nach der Rechtslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2009 war ein gesondertes Erstattungsverfahren für den Alleierzieherabsetzbetrag vorgesehen. Das besondere Verfahren für die Erstattung der Negativsteuer, wenn es mangels Einkommens des Antragstellers zu keiner Einkommensteuerveranlagung kommen konnte, wurde 2009 eingestellt (Peyerl in Jakom EStG, Rz 1 zu § 40). Mit der Neuregelung sollte das Verfahren vereinfacht und vereinheitlicht werden. Die Neuregelung trat mit (Tag nach der Kundmachung) in Kraft. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierunsvorlage zu § 40 EStG (EB 113 BlgNR XXIV. GP, zu Z 16 § 40 EStG 1988) heißt es: „Aus Gründen der Verwaltungsökonomie soll die Erstattung von Absetzbeträgen stets – somit auch in Fällen, in denen kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt wird – im Rahmen einer Veranlagung erfolgen.Dadurch kann auf ein eigenes Verfahren und Formular verzichtet werden. Für den Steuerpflichtigen führt die Änderung lediglich dazu, dass anstelle des bisher zu verwendenden Formulars (Formular E 5) ein Formular zur Einkommensteuerveranlagung zu verwenden ist.“ Der einzige Zweck der Gesetzesänderung war daher die Vereinfachung durch die Abschaffung eines eigenen Verfahrens. Bei Vorliegen nur ausländischer Einkünfte und keinen Einkünften in Österreich ist eine Geltendmachung des Alleinerzieherabsetzbetrages weiterhin ausgeschlossen. Vom Finanzamt wurden die Anträge auf Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages aufgrund dieser Gesetzesänderung als Anträge auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung gewertet.

Der Ausschluss der Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages bei nur ausländischen Einkünften ergibt sich außerdem aus der Systematik des Gesetzes. Die Absetzbeträge des § 33 Abs. 4-6 EStG sind Bestandteile des österreichischen Einkommensteuertarifs (Kanduth-Kristen, EStG, Rz 19 § 33, ). Die Einkünfte der Bf sind aber in Deutschland zu versteuern und der österreichische Einkommensteuertarif und somit auch die Absetzbeträge finden keine Anwendung. Eine Gutschrift im Rahmen der Negativsteuer scheidet aus, da die Bf ausschließlich ausländische Einkünfte hat und eine Berechnung der österreichischen Einkommensteuer im Sinne des § 33 Abs. 1 iVm Abs. 8 EStG nicht zu erfolgen hat. 

Eine mögliche Berücksichtigung personenbezogener Begünstigungen könne sich im Fall der Bf nur bei einer unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland ergeben.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall nicht erfüllt. Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt nicht vor, weil sich der Spruch des Erkenntnisses sowohl aus dem Gesetz selbst ergibt als auch auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes basiert.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100222.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at