Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.12.2019, RV/2100444/2018

Übergegangene Steuerschulden können auch ohne formell ordnungsmäßige Rechnungen abgezogen werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter X. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde - Finanzamt Judenburg Liezen - vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2012 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Umsatzsteuer 2012 wird festgesetzt mit -39.490,61 € (Gutschrift).

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Unternehmen der beschwerdeführenden GmbH (Bf.) fand eine abgabenbehördliche Außenprüfung statt, die mit dem Außenprüfungsbericht vom abgeschlossen wurde. Die Prüfungsfeststellung wurde im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid verarbeitet. In seinem Bericht wird unter Punkt 4 Folgendes ausgeführt:

„Rechnung der I.C & T. GmbH
Von der I.C. & T. GmbH wurde im Zeitraum vom bis zum ein Betrag von € 52.052,50 netto in Rechnung gestellt. Dieser Betrag wurde auch von der Bf. bezahlt. Es handelt sich nach dem Umsatzsteuergesetz bei der abgerechneten Leistung um eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, welches sich in Österreich befindet. Die Leistung wurde laut Rechnung von einem ausländischen Unternehmen erbracht. Bei diesen Voraussetzungen ist rechtlich zwingend ein Reverse Charge System nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz anzuwenden (Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger).
Aus folgenden Gründen ist die Finanzverwaltung der Ansicht, dass es sich bei dieser Firma um eine Scheinfirma handelt:
1) Die auf der Rechnung stehende UID-Nummer der bulgarischen Firma war nie aufrecht.
2) Durch Erhebung der Finanzverwaltung wurde eine Firma mit derselben Anschrift ausgeforscht, deren UID Nummer zu diesem Zeitraum nicht gültig war.
3) Der auf der Rechnung stehende Firmenname ist nicht richtig, da es in Bulgarien keine Firmenbezeichnung mit der Abkürzung GmbH gibt.
Es stellt sich die Frage, ob die bulgarische Firma in Bulgarien überhaupt steuerlich zu diesem Zeitpunkt erfasst war und ob diese den umsatzsteuerlichen Pflichten der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nachgekommen ist (Erklärung der sonstigen Leistung in einer zusammenfassenden Meldung).
Die Bf. hat zum Zeitpunkt der Rechnungslegung nicht die bulgarische UID-Nummer abgefragt und sich auch nicht in einer anderen Form vergewissert, dass es sich bei diesem Unternehmer um einen „redlichen" Unternehmer handelt.
Somit fällt dieser Sachverhalt unter § 12 Abs. 14 UStG und dieser stellt dies Folgendes klar:
,Das Recht auf Vorsteuerabzug entfällt, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht.‘"

In ihrer Beschwerde führte die Bf. Folgendes aus:

„Sachverhalt: Die Lieferfirma hat ihren Sitz in Bulgarien und hatte zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung eine gültige UID Nummer, war in Bulgarien erfasst und hat dort ihre Abgaben entrichtet. Die Rechnungsstellung war daher für meine Mandantin in Ordnung. Eigentümer dieser Firma ist ein österreichischer Staatsbürger. Die Bezugsdaten, wie Name, Adresse, etc. dieser Person wurden in der erforderlichen Mitwirkungspflicht laut BAO vollständig mitgeteilt. Geht man von der Ansicht des Finanzamtes aus, so ist die angeführte Lieferfirma eine Scheinfirma und daher nicht existent. Die Zahlungen an diese „Scheinfirma" sind daher als Zahlungen an den Inhaber der „Scheinfirma" zu werten. Dadurch, dass der Inhaber Österreicher ist, ist er mit diesen Einnahmen in Österreich steuerpflichtig und die IG-Rechnungen der „Scheinfirma" sind zu stornieren. Diese Stornierung mindert im Jahr 2012 die Erwerbsteuer und die Vorsteuer aus ig Erwerb. Für die Zahlungen an den österreichischen Empfänger gibt es mangels Rechnung keine Vorsteuer, der Umsatzsteuerbescheid ist daher nur für die ig Erwerbe und für die Vorsteuer aus IG Erwerb zu berichtigen, bewirkt aber keine Zahllaständerung. Auftrags meiner Mandantin bitte ich, die Umsatzsteuer 2011 um 10.410,50 an Vorsteuern aus IG Erwerb zu berichtigen und für 2012 um diesen Betrag Erwerbsteuer und Vorsteuer aus IG Erwerb zu vermindern.“

In ihrer Beschwerdevorentscheidung führt die belangte Behörde aus:

„Von der I.C. & T. GmbH wurde im Zeitraum vom bis zum ein Betrag von € 52.052,50 netto in Rechnung gestellt. Dieser Betrag wurde auch von der Bf. bezahlt. Es handelt sich bei der abgerechneten Leistung um eine sonstige Leistung, zwischen einem inländischen Unternehmer (Bf.) und einem ausländischen Unternehmer (It. Rechnung: I. C. & T. GmbH).
Diese Leistung stand im Zusammenhang mit einem Grundstück, welches sich in Österreich befindet. Bei diesen Voraussetzungen ist rechtlich zwingend ein Reverse Charge System nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz UStG 1994 anzuwenden (Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger).
Der Leistungsempfänger ist aufgrund des § 19 Abs. 1 UStG 1994 Steuerschuldner der Umsatzsteuer des ausländischen Unternehmers und darf diese Umsatzsteuer grundsätzlich als Vorsteuer abziehen, sodass es zu keiner Umsatzsteuerbelastung kommt.
Laut Rechnung handelt es sich bei der I.C. & T. GmbH um eine bulgarische Firma. Durch ein Auskunftsverfahren mit der bulgarischen Steuerbehörde handelt es sich bei dieser Firma um ein in Bulgarien gegründetes Unternehmen, das am beim Handelsregister in Bulgarien eingetragen wurde. In den Daten des Handelsregisters wurden keine Änderungen seither vorgenommen. Das Unternehmen hat einen Geschäftsbericht nur für das Jahr 2011 vorgelegt, in den folgenden Jahren wurden keine Aktivitäten gemeldet.
Weiters hat das Unternehmen seit der Gründung keine Informationen betreffend Dienstnehmer (Sozialabgaben) an die bulgarische Steuerverwaltung gemeldet.
Betreffend der umsatzsteuerlichen Verpflichtungen ist die bulgarische Firma ihren Verpflichtungen auch nicht nachgekommen. Die UID, welche auf der Rechnung stand, war nie gültig. Die zur I.C. & T. GmbH gehörende, durch die bulgarische Finanzbehörde übermittelte, UID Nummer war von bis gültig und somit nicht im Leistungszeitraum aufrecht. Es wurden seitens der I.C. & T. GmbH eine Zusammenfassende Meldung betreffend Dienstleistungen mit Lieferort Österreich nur für den Zeitraum 02-08/2013 an die bulgarische Finanzbehörde gemeldet. Für den Zeitraum der gegenständlichen Leistungen wurden keine Meldungen abgegeben. Die Empfänger dieser Dienstleistungen konnten auch nicht näher identifiziert werden, da ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer fehlen. Der Firmenname der Bf. scheint in dieser Aufstellung der bulgarischen Finanzverwaltung jedoch nicht auf.
Die Bf. ist zum Zeitpunkt der Rechnungslegung seinen umsatzsteuerlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Lieferungen bzw. sonstige Leistungen mit ausländischen Unternehmern nicht nachgekommen. Es hätte bezüglich der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes auffallen müssen, wenn die UID Nummer des ausländischen Unternehmers überprüft geworden wäre, dass diese bulgarische UID-Nummer zum Zeitpunkt der Rechnungslegung nicht gültig war. Weiters hätte auffallen müssen, dass eine bulgarische UID Nummer neun oder zehn Ziffern nach der Abkürzung BG für Bulgarien haben muss. Auf der in den Rechnungen aufscheinenden UID-Nummern sind hingegen nur acht Ziffern erkennbar.
Durch die Bf. wurden, zum Zeitpunkt der Rechnungslegung, keine weiteren Schritte gesetzt um sich zu vergewissern, dass es sich beim Geschäftspartner um eine reelle Firma in Bulgarien handle. Es hätte in diesem Zusammenhang auffallen müssen, dass es keine bulgarische Firma mit einer Firmenbezeichnung GmbH gibt.
Rechtliche Würdigung:
Die Leistungsbeziehung (umsatzsteuerlich) zwischen der I.C. & T. GmbH und der Bf. fällt unter § 12 Abs. 14 UStG 1994 und der Vorsteuerabzug aus dem Reverse Charge wird nicht gewährt, die Steuerschuld des ausländischen Unternehmers hat die Bf. nach § 19 Abs. 1 UStG 1994 zu tragen.
Für eine Anwendung des § 12 Abs. 14 UStG ist ausreichend, wenn der Leistungsempfänger erkennen hätte müssen, dass ein Betrug in einem vorgelagerten oder im direkten Umsatz mit diesem Geschäftspartners steht, denn es sind die Sorgfaltsmaßstäbe eines ordentlichen Kaufmannes zu beachten.
Ob der Abnehmer vom MWSt-Betrug wusste oder wissen musste, ist eine Tatfrage, die die Abgabenbehörde in freier Beweiswürdigung zu beurteilen hat. Maßgeblich sind nicht die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Unternehmers, sondern abzustellen ist auf einen objektiven Maßstab, wobei der Sorgfaltsmaßstab nach Geschäftszweigen differieren kann (Tumpel/Prechtl, SWK 2006. S 872).
Die Einhaltung der Sorgfaltspflicht und die Einholung zumutbarer Erkundigungen, wozu die Bf. nach der Rechtsprechung des EuGH und des VwGH verpflichtet ist, hätte der Beschwerdeführer die oben angeführten Umstände feststellen können.
Diese Konsequenz des § 12 Abs. 14 UStG können durch die bloße Einhaltung formaler Voraussetzungen nationaler Vorschriften nicht beseitigt werden ( C‑131/13).
Der Vorsteuerabzug bei Wissenmüssen um eine Mehrwertsteuerhinterziehung bzw. einem Finanzvergehen iZm der Mehrwertsteuer ist nicht nur in den Fällen des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, sondern auch in jenen des § 12 Abs. 1 Z 2 (Einfuhr), Z 3 ("Übergang der Steuerschuld und Art 12 UStG (innergemeinschaftlicher Erwerb) zu versagen. (Mayr in SWK 8/2015, 427f).“

In ihrem Vorlageantrag wies die Bf. auf folgende Umstände hin:

„In der Beschwerdevorentscheidung vertritt das Finanzamt eine völlig andere Sachverhaltsdarstellung bzw. Rechtsansicht, als im angefochtenen Bescheid: Neu handelt es sich nicht mehr um eine „Scheinfirma", sondern um eine ordnungsgemäß registrierte bulgarische Firma. Die Begründung führt aus, dass diese bulgarische Firma ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, und die Leistungen an meine Mandantin nicht ordnungsgemäß der bulgarischen Steuerbehörde gemeldet hätte. Auch hätte es keine gültige UID Nummer gegeben und eine bulgarische Firma könne keine „GmbH" sein. Meine Mandantin hätte daher erkennen müssen, dass hier ein „Betrugsdelikt" vorliegt und schulde deshalb die Umsatzsteuer aus den erbrachten Leistungen gem. § 19/1 UStG, bekäme aber aufgrund des „Betrugstatbestandes" und der Rechnungsmängel (UID-Nummer) keinen Vorsteuerabzug.
Grundsätzlich wurde der § 19 Abs. 1 geschaffen, um innerhalb der Bauleisterunternehmungen Vorsteuerbetrug zu unterbinden. Ein Betrug hinsichtlich der Mehrwertsteuer ist aus den Regelungen der Bauleistungsbestimmungen im Umsatzsteuergesetz weder durch inländische noch durch ausländische Firmen möglich. Objektiv betrachtet hätte meine Mandantin eine Steuerbetrugsabsicht hinsichtlich der Umsatzsteuer überhaupt nicht vermuten können, weil hier kein Umsatzsteuerbetrug möglich war: Wie in der BVE richtig angeführt, haftet meine Mandantin für die Abfuhr der USt und der bulgarische Bauleister hat weder in Österreich noch in Bulgarien eine USt abzuführen.
Der in diesem Zusammenhang zitierte Artikel von Mayr in der SWK 8/2015 befasst sich mit Steuerbetrug in Italien, wo mittels Datenverarbeitungsmaterial Mwst hinterzogen wurde. Dieser Sachverhalt war ein völlig anderer und ist hier nicht anwendbar, außerdem teilt das BMF die Ansicht von Mayr in Bezug auf § 12/1/3 nicht.
Der in der BVE Begründung ungültigen UID Nummer kommt im Bauleistungsverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers keine Bedeutung zu. Ebenso geht die BVE Begründung „es hätte der Bf. auffallen müssen, dass es keine bulgarische Firma mit der Bezeichnung GmbH gibt" ins Leere, da sich die Begründung offensichtlich selbst widerspricht, weil 2 Absätze früher festgestellt wird, dass die I.C. & T. GmbH am ins Handelsregister in Bulgarien eingetragen wurde, was sich mit den Recherchen meiner Mandantin deckt. Meine Mandantin hat mit einer registrierten bulgarischen Unternehmung einen Bauleistungsvertrag in Österreich abgeschlossen, der für das Unternehmen meiner Mandantin auch tatsächlich ausgeführt wurde. Ein Umsatzsteuerbetrug war aus den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften nicht möglich. Ein „Wissenmüssen" einer Abgabenhinterziehung, wie in der BVE Gründung angeführt, kann meiner Mandantin nicht unterstellt werden, weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht.
Der § 12/1/3 führt klar aus, dass ein Vorsteuerabzug für die gem. § 19 Abs. 1 geschuldeten Beträge, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt wurden, zusteht. Sämtliche Voraussetzungen für diese Gesetzesbestimmung sind erfüllt.
Zur Klarstellung des Willens des Gesetzgebers führen die Umsatzsteuerrichtlinien zu § 12/1/3 UStG aus:
In den Fällen des Überganges der Steuerschuld ist der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug unabhängig davon berechtigt, ob die Rechnung ordnungsgemäß ausgestellt oder ob überhaupt eine Rechnung ausgestellt wurde (Rz. 2602h in der Fassung vom ).
In der BVE werden klar gesetzliche Bestimmungen und Durchführungsrichtlinien missachtet, ich ersuche daher im Auftrag meiner Mandantin, den Sachverhalt entsprechend, den Umsatzsteuerbescheid 2012 neu zu erlassen und die Zahllast gegenüber dem Erstbescheid unverändert zu lassen.
Zur Klarstellung des Sachverhaltes für das Bundesfinanzgericht führe ich mangels entsprechender Erhebungen des Finanzamtes aus:
Meine Mandantin hat im Jahr 2011 nach einem Firmenbrand ein Bürogebäude neu errichtet. Die Bauarbeiten wurden von der Firma I., E.-straße 10, 23xx H. durchgeführt, deren Bauleiter W.P., geb. xx.yy. 196z, A.M., W.-straße 9 war. Die Fa. I. führte die Bauarbeiten nicht zur Zufriedenheit meiner Mandantin aus und wurde daher im Jahr 2011 gekündigt. Herr P. bot im Jahr 2012 an, das Bürogebäude fertigzustellen. Der entsprechende Auftrag wurde 2012 an die Fa. I.C. & T. GmbH erteilt, deren 100% Gesellschafter und Geschäftsführer W.P. ist. Zur Kontrolle des rechtmäßigen Bestandes der Firma legte der Geschäftsführer einen bulgarischen Handelsregisterauszug vor und gab eine UID Nummer bekannt. W.P. teilte weiter mit, dass er ein in Bulgarien bestehendes Einzelunternehmen in eine GmbH eingebracht hatte, was auch aus dem Handelsregisterauszug hervorgeht. Von April bis Juli 2012 wurde das Bürohaus fertig gestellt und noch im Jahr 2012 endgültig abgerechnet.
Meine Mandantin hat dem Finanzamt Firmensitz, Geschäftsführer, Geburtsdatum und österreichische Adresse des Geschäftsführers bekannt gegeben und den rechtmäßigen Bestand der leistenden Firma nachgewiesen. Der Nachweis enthält sämtliche erforderliche Daten des wirtschaftlichen Eigentümergesetzes. Damit wurden die entsprechenden Bestimmungen der BAO und des UStG erfüllt.
Auf die ordnungsgemäße Bilanzierung und Steuererklärung in Bulgarien hatte meine Mandantin weder Einblick noch Einsichtsmöglichkeit. Die Darstellung der bulgarischen Finanzbehörde, die GmbH hätte für 2012 keine Tätigkeit gemeldet, könnte im Falle eines abweichenden Wirtschaftsjahres den Vorschriften entsprechen. Folgte man den Ausführungen des Prüfers hinsichtlich Betrugsverdachts, so war es jedenfalls für meine Mandantin unmöglich, einen eventuellen Ertragsteuerbetrug in Bulgarien zu erkennen, hinsichtlich der Umsatzsteuer in Österreich war ein Betrug, wie oben ausgeführt, überhaupt nicht möglich. Unter diesen Voraussetzungen trotzdem seitens der Behörde ein „Wissen oder Wissen müssen" eines beabsichtigten Betruges in freier Beweiswürdigung zu unterstellen, wäre eine Gesetzesauslegung, die jedenfalls von allgemeinem Interesse wäre.
Betrug ist ein Strafdelikt, bei dem der Betrüger zu strafen ist. Durch die oben erwähnten Daten im Rahmen des WiEReG sind dem Finanzamt alle erforderlichen Daten zur Verfolgung dieses Strafdetiktes (wenn es ein solches wäre, wie behauptet wird) bekannt. Hier ein Strafverfahren einzuleiten, wenn überhaupt keine Betrugsmöglichkeit bestand, wäre geradezu grotesk. Wird aber kein Strafverfahren eingeleitet, gehen allein schon aus diesem Grund sämtliche Argumente der Bescheidbegründung ins Leere und beweisen die Unrichtigkeit des Bescheides.“

Im Vorlagebericht führte die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme aus:

„Unstrittig ist, dass der umsatzsteuerrechtliche Leistungsort der gegenständlichen Leistungen in Österreich liegt und die Leistungen in Österreich steuerbar und steuerpflichtig sind.
Nachdem die bulgarische Kapitalgesellschaft eine ausländische Unternehmerin ist, liegt ein Fall des Übergangs der Steuerschuld nach § 19 Abs. 1 2. Satz UStG vor. Wenn man davon ausgehen würde, dass die bulgarische Kapitalgesellschaft ihr Unternehmen vom Inland betreibt (zB. am Wohnsitz des Geschäftsführers) oder eine Betriebsstätte im Inland hat, würde es zum Übergang der Steuerschuld nach § 19 Abs. 1a UStG kommen, da Bauleistungen an einen Bauleister erbracht werden. Nachdem in der Vorlage vom Übergang der Steuerschuld bei Bauleistungen geschrieben wird, scheint die Beschwerdeführerin von zweiter Variante auszugehen.
Die Unterscheidung spielt im gegenständlichen Fall eine untergeordnete Rolle, da es jedenfalls zum Übergang der Steuerschuld auf die Beschwerdeführerin kommt. Dies wird auch in der Beschwerde bzw. im Vorlageantrag nicht bestritten.
Gem. § 12 Abs. 1 Z 1 UStG, idF BGBl. I Nr. 112/2012, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- und nachgelagerten Umsatz betrifft.
Nach „Kittel“, steht kein Recht auf Vorsteuerabzug zu, wenn der Abnehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz oder ein anderer vor- oder nachgelagerter Umsatz in der Lieferkette mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet war (siehe auch C- 354/03 „Optigen Ltd“). Das nach objektiven Gegebenheiten entstandene Recht auf Vorsteuerabzug steht somit unionsrechtlich dem Wirtschaftsteilnehmer nur dann zu, wenn er alle Maßnahmen trifft, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen sind.
Die Regelung bewirkt, dass das Vorliegen von MWSt-Betrug den Vorsteuerabzug ausschließt, selbst wenn objektiv betrachtet sämtliche Voraussetzungen für den Abzug erfüllt sind. Dies leitet der EuGH aus dem allgemeinen Verbot missbräuchlicher Praktiken und dem Ziel der RL ab, Steuermissbrauch zu bekämpfen (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz4 (2011) § 12 Rz 93).
In , „Italmoda“, wurde klargestellt, dass die Versagung des Vorsteuerabzuges durch die nationalen Behörden auch dann vorzunehmen ist, wenn keine nationale Ausschlussbestimmung besteht. Mit StRefG 2015/2016 wurde die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG in den § 12 Abs. 14 UStG „verschoben“, wodurch auch der Gesetzgeber klargestellt hat, dass das Recht auf Vorsteuerabzug bei „wissen oder wissen müssen“ bei jeder Art des Vorsteuerabzugs entfällt und nicht nur beim Vorsteuerabzug aufgrund der Rechnung.
Wobei es einer derartigen gesetzlichen Klarstellung nicht bedurfte, da nach der Judikatur des EuGH dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn es keine oder nur eine eingeschränkte innerstaatliche Umsetzung gibt.
Voraussetzung für die Versagung des Vorsteuerabzuges beim Leistungsempfänger ist, dass der leistende Unternehmer zumindest eine Finanzordnungswidrigkeit begeht. Das Gesetz spricht dezidiert von „sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen“. Als Finanzordnungswidrigkeiten nach österr. FinStrG gelten u.a. die Nichterfüllung von Erklärungspflichten oder die vorsätzliche Nichtausstellung von ordnungsgemäßen Rechnungen. Nachdem die Regelung - nach der Judikatur des EuGH - insbesondere auch grenzüberschreitende Leistungen umfasst, erfüllen auch Finanzordnungswidrigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat die Tatbestandsvoraussetzung des § 12 Abs. 1 Z 1 bzw. nunmehr § 12 Abs. 14 UStG.
Nach Art. 125 Abs. 1 des bulgarischen UStG muss jede nach dem Umsatzsteuergesetz registrierte Person für jede Steuerperiode eine Umsatzsteuererklärung abgeben. Dies gilt auch dann, wenn keine Steuer zu entrichten oder zurückzuerstatten ist, sowie auch in den Fällen, wenn die registrierte Person keine Lieferungen oder Erwerbe ausgeführt oder erhalten hat oder keine Einfuhr in dieser Steuerperiode gemacht hat. Die Umsatzsteuererklärung muss persönlich durch den Vertreter der registrierten Person oder durch eine von ihm bevollmächtigte Person eingereicht werden. Die Nichteinreichung der Abgabenerklärung wird in Bulgarien nach Art. 179 Abs. 1 UStG mit einer Geldstrafe in Höhe von 500 bis 10.000 BGN (umgerechnet ca. € 250 bis € 5.100) bestraft.
Die Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen ergibt sich auch unmittelbar aus den Art. 250 ff der MwStSyst-RL.
Aus den Angaben der bulgarischen Finanzverwaltung ergibt sich eindeutig, dass die I.C. & T. GmbH nur 2011 Jahreserklärungen abgegeben hat. Umsatzsteuervoranmeldungen mit Vorsteuergutschriften hat die Gesellschaft erst ab 12/2012 abgegeben. Für den streitgegenständlichen Zeitraum (04/2012 – 07/2012) wurden weder Voranmeldungen noch eine Jahreserklärung abgegeben, weshalb der Leistungserbringer seinen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen ist und sich somit eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat. Dass die Nichterfüllung der Erklärungspflichten auch nach bulgarischen Recht eine Finanzordnungswidrigkeit darstellt, ergibt sich auch aus der Sanktionierung in Art. 179 Abs. 1 bulgarisches UStG.
Der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers kann allerdings nur aberkannt werden, wenn es ihm vorwerfbar ist (er wusste oder wissen hätte müssen), dass der Leistende seinen umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Ob der Leistungsempfänger vom MWSt-Betrug wusste oder wissen musste, ist eine Tatfrage, die die Abgabenbehörde in freier Beweiswürdigung zu beurteilen hat. Zu prüfen ist, ob der Abnehmer die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet hat. Maßgeblich sind nicht die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Unternehmers, sondern abzustellen ist auf einen objektiven Maßstab, wobei der Sorgfaltsmaßstab nach Geschäftszweigen differieren kann (Tumpel/Prechtl, SWK 2006, S 872). Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls. Hierbei gilt allgemein, dass die Sorgfaltspflicht des Unternehmers umso höher sein muss, je ungewöhnlicher ein Sachverhalt im Vergleich zu den Usancen der betreffenden Branche gelagert ist.
Schließt der Unternehmer bei Vorliegen untypischer Verhältnisse das Geschäft ohne weitere Nachforschungen ab und zeigen die weitergehenden Ermittlungen der Finanzverwaltung, dass ein Fall von Steuerbetrug vorliegt, ist ein Gutglaubensschutz regelmäßig ausgeschlossen (vgl. dazu Tumpel/Prechtl, SWK 2006, S 872; Laudacher, SWK 2009, S 671).
Die Feststellungslast für das Nichtwissen oder Nichtwissenkönnen trägt der Abnehmer, wobei die Schwierigkeit des Negativbeweises grundsätzlich diese Beweislastverteilung nicht aufhebt. Diese Feststellungslast wird den Abnehmer aber nur dann treffen, wenn die Abgabenbehörde zuvor substantiiert Tatsachen und Umstände vorgetragen hat, die die Gutgläubigkeit des Abnehmers in Frage stellen. Davon ist in Fällen ungewöhnlicher Umstände in der Geschäftsanbahnung und -abwicklung auszugehen (Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 Rz. 95).
Im vorliegenden Fall ist bereits die Geschäftsanbahnung sehr ungewöhnlich. Die Beschwerdeführerin hat ursprünglich die Firma I., E.-straße 10, 23xx H., mit der (teilweisen) Errichtung des gegenständlichen Gebäudes beauftragt. Herr P. war zu der Zeit Mitarbeiter der I. (Bauleiter) und hat der Beschwerdeführerin angeboten, dass er mit seiner bulgarischen Firma die von der I. angefangenen Arbeiten fertigstellt. Allein daraus ist schon eine gewisse Gesinnung von Herrn P. ableitbar, wenn er seinen Dienstgeber torpediert und Aufträge übernimmt. Bei dieser sehr ungewöhnlichen Geschäftsanbahnung, hätte ein sorgfältiger Kaufmann entsprechende Nachforschungen über die bulgarische Kapitalgesellschaft angestellt. Die Beschwerdeführerin hat aber nicht einmal eine UID Abfrage getätigt.
Wäre eine UID Abfrage vorgenommen worden, wäre der Beschwerdeführerin aufgefallen, dass die UID zum Zeitpunkt der gegenständlichen Leistungen nicht gültig war (Leistungen April-Juli 2012, UID gültig ab Dezember 2012).
Ein sorgfältiger Kaufmann überprüft vor der ersten Geschäftsbeziehung mit einem Unternehmer jedenfalls die Gültigkeit der angegebenen UID, vor allem, wenn die Geschäftsanbahnung auf einer Baustelle erfolgt. Ein sorgfältiger Kaufmann hätte spätestens nachdem er erkannt hat, dass die UID nicht gültig ist, weitere Nachforschungen (Internetrecherchen, etc.) über die bulgarische Firma angestellt.
Dass Herr P. trotzdem eine UID gegenüber der Beschwerdeführerin angeben konnte, ergibt sich daraus, dass sich die bulgarische UID aus der Firmenbuchnummer ergibt und nur durch das Länderkürzel erweitert wird. Dies ändert aber nichts daran, dass die UID erst ab Dezember 2012 gültig war.
Ein ordentlicher Kaufmann hätte auch hinterfragt, warum ein Österreicher sein Einzelunternehmen in eine bulgarische Kapitalgesellschaft einbringt. Insbesondere, wenn er anhand der ersten Rechnung erkennt, dass der bulgarische Unternehmer seine Rechnungen in Österreich schreibt, ein österreichisches Konto führt und als Geschäftsanschrift eine Mischung aus Deutsch und Landessprache verwendet („Bezirk“, „Straße“, „Stredes“).
Wie im Vorlageantrag selbst ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin „blind“ auf die Angaben von Herrn P. vertraut, ohne diese zu hinterfragen oder zu überprüfen. Es ist dabei keine Überraschung, dass die bulgarische Kapitalgesellschaft im Firmenbuch eingetragen ist und sich (verspätet) auch zur Umsatzsteuer registriert hat in Bulgarien. Unternehmen im Dunstkreis des MwSt-Betruges erfüllen in der Regel die formalen Voraussetzungen, da sie sonst sofort auffallen würden.
Da die UID der bulgarischen Kapitalgesellschaft erst nach Leistungserbringung gültig wurde, wäre es für die Beschwerdeführerin ein leichtes gewesen zu erkennen, dass der Leistungserbringer es mit seinen ust-rechtlichen Verpflichtungen nicht sehr ernst nimmt.
Eine bloße Abfrage von UID- und Firmenbuchdaten wird jedenfalls nicht genügen, um Verdachtsmomente zu zerstreuen, da jedes Unternehmen im Dunstkreis eines Mehrwert-steuerbetrugs zumeist die formalen Voraussetzungen erfüllt (vgl. Strunz in SWK 23/24/2007, S 673 oder Laudacher in SWK 23/24/2006, S 667).
Wobei es im vorliegenden Fall sogar an der UID Abfrage fehlt, weshalb die Beschwerdeführerin in keinster Weise wie ein ordentlicher, sorgfältiger Kaufmann gehandelt hat.
Es wird daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.“

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Zusammengefasster Sachverhalt:

Die Bf. nahm im Zeitraum vom April bis Juli 2012 von einer bulgarischen Kapitalgesellschaft EOOD (entspricht einer inländischen GmbH) Leistungen im Rahmen der Errichtung eines Betriebsgebäudes in Höhe von insgesamt 52.052,50 € (netto) in Anspruch. Die ursprüngliche Annahme bei der bulgarischen Kapitalgesellschaft handle es sich um eine Scheinfirma, weil die auf der Rechnung aufscheinende Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nie aufrecht und gültig wäre und es in Bulgarien keine Firmenbezeichnung mit der Abkürzung GmbH gebe, wurde von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung stillschweigend verlassen. Somit ist davon auszugehen, dass sie auch den Leistungsaustausch, nämlich die Inanspruchnahme sonstiger Leistungen, als solchen auch nicht näher in Zweifel zieht. Im Übrigen wird auch der Zahlungsfluss auf ein inländisches Bankkonto nicht weiter beanstandet. Lediglich die übergegangene Umsatzsteuer sei infolge verschiedener Mängel in der Rechnungslegung (unrichtige und ungültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Zeitraum der Leistungserstellung, kein von der Bf. durchgeführtes Bestätigungsverfahren) sowie von der belangten Behörde erkanntes Wissen oder Wissenmüssen von einem Umsatzsteuerbetrug, nicht als Vorsteuer abzugsfähig.

Trotz weitwendiger Rechtsausführungen der belangten Behörde unter Hinweis auf die letztbekannte Judikatur zu sog. Karussellgeschäften konnte dem Bundesfinanzgericht das Vorliegen eines tatsächlichen Umsatzsteuerbetruges bzw. einer effektiven Umsatzsteuerverkürzung im Sinne der von ihr aufgezeigten Judikatur in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht näher aufgezeigt werden. Wie es bei einem auf den zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger übergegangenen Steuerschuld zu einer Verminderung des Umsatzsteueraufkommens im Gemeinschaftsgebiet kommen konnte, vermag die belangte Behörde nicht zu beweisen, weshalb diesbezüglich der Argumentation der Bf. nicht weiter entgegengetreten werden konnte, als sie durchaus überzeugend ausführt als gerade bei Bauleistungen diese gesetzliche Regelung geschaffen wurden, um Umsatzsteuerverkürzungen zu begegnen. Gerade bei der Erbringung von Bauleistungen war es für die Steuerverwaltung in sachverhältnismäßiger Weise schwierig, Scheinunternehmen aufzudecken, die vorwiegend sonstige Leistungen in Rechnung stellten, bei denen nicht klar war, ob diese einerseits überhaupt die beschriebenen Leistungen erbrachten und mehrsteuergerechte Rechnungen für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges ausstellten und andererseits die entsprechende Leistungsumsatzsteuer regelmäßig nicht an den Steuergläubiger abführten, sodass durch den Vorsteuerabzug und die fehlende Leistungsumsatzsteuer „Umsatzsteuerlücken“ enormen Ausmaßes zu beklagen waren.

Maßgebende gesetzliche Bestimmungen:

Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG 1994)

Vorsteuerabzug

§ 12. (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft;
2. a) die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind,
b) in den Fällen des § 26 Abs. 3 Z 2 die geschuldete und auf dem Abgabenkonto verbuchte Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind;
3. die gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a, Abs. 1b, Abs. 1c, Abs. 1d und Abs. 1e geschuldeten Beträge für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
…“

Steuerschuldner, Entstehung der Steuerschuld

§ 19. (1) Steuerschuldner ist in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 der Unternehmer, in den Fällen des § 11 Abs. 14 der Aussteller der Rechnung.
Bei sonstigen Leistungen (ausgenommen die entgeltliche Duldung der Benützung von Bundesstraßen und die in § 3a Abs. 11a genannten Leistungen) und bei Werklieferungen wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn
– der leistende Unternehmer im Inland weder sein Unternehmen betreibt noch eine an der Leistungserbringung beteiligte Betriebsstätte hat und
– der Leistungsempfänger Unternehmer im Sinne des § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 ist oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, die Nichtunternehmer im Sinne des § 3a Abs. 5 Z 3 ist.
Der leistende Unternehmer haftet für diese Steuer.

(1a) Bei Bauleistungen wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist. Der Leistungsempfänger hat auf den Umstand, dass er mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist, hinzuweisen. Erfolgt dies zu Unrecht, so schuldet auch der Leistungsempfänger die auf den Umsatz entfallende Steuer.
Werden Bauleistungen an einen Unternehmer erbracht, der üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt, so wird die Steuer für diese Bauleistungen stets vom Leistungsempfänger geschuldet. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen.
(1b) …

(2) Die Steuerschuld entsteht
1. für Lieferungen und sonstige Leistungen
a) mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (Sollbesteuerung); dieser Zeitpunkt verschiebt sich – ausgenommen in den Fällen des § 19 Abs. 1 zweiter Satz – um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist.
Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes vereinnahmt, bevor die Leistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuerschuld mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist;
b) in den Fällen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 17) mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (Istbesteuerung). Wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet (Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a, Abs. 1b, Abs. 1c, Abs. 1d und Abs. 1e), entsteht abweichend davon die Steuerschuld für vereinbarte, im Zeitpunkt der Leistungserbringung noch nicht vereinnahmte Entgelte, mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Dieser Zeitpunkt verschiebt sich – ausgenommen in den Fällen des § 19 Abs. 1 zweiter Satz – um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist;
(Anm.: lit. c) aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/2011)
2. für die Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 2, § 3 Abs. 2 und § 3a Abs. 1a mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Aufwendungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 getätigt worden sind, in dem die Gegenstände für die im § 3 Abs. 2 bezeichneten Zwecke entnommen oder die Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 1a ausgeführt worden sind.
(3) In den Fällen des § 11 Abs. 12 und 14entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Rechnung ausgefolgt worden ist.
(4) In den Fällen des § 16 Abs. 2 entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Minderung des Entgeltes eingetreten ist.
(5) Für die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 26 Abs. 1.

 

Unionsrechtliche Grundlagen:

Die relevanten Bestimmungen der Mehrwertsteuer-Richtlinie (Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl 2006) sind:

Artikel 199:
1. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den folgende Umsätze bewirkt werden:
……..
d) Lieferung von Gebrauchtmaterial, auch solchem, das in seinem unveränderten Zustand nicht zur Wiederverwendung geeignet ist, Schrott, von gewerblichen und nichtgewerblichen Abfallstoffen, recyclingfähigen Abfallstoffen und teilweise verarbeiteten Abfallstoffen, und gewissen in Anhang VI aufgeführten Gegenständen und Dienstleistungen....

Artikel 167
"Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht."
Artikel 168
"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen.
a) die in diesem Mitgliedsstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
......
Artikel 178
"Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:
......
f) hat er die Steuer in seiner Eigenschaft als Dienstleistungsempfänger oder Erwerber gemäß den Artikeln 194 bis 197 sowie 199 zu entrichten, muss er die von dem jeweiligen Mitgliedstaat vorgeschriebenen Formalitäten erfüllen."

Für den Fall des Übergangs der Steuerschuld (Reverse Charge System, kurz RCS) hat der EuGH (, Bockemühl) entschieden, dass der Leistungsempfänger keine Rechnung braucht um sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können. Verfügt die Steuerverwaltung über die Angaben, die für die Feststellung erforderlich sind, dass der Steuerpflichtige als Empfänger der fraglichen Leistung die Mehrwertsteuer schuldet, so darf sie hinsichtlich des Rechts des Steuerpflichtigen auf Abzug der Mehrwertsteuer keine zusätzlichen Voraussetzungen festlegen, die die Ausübung dieses Rechts verhindern können. Es darf grundsätzlich nicht dazu kommen, dass der Leistungsempfänger die MwSt schuldet, diese aber nicht als Vorsteuer abziehen kann.

Im Falle einer Steuerschuldverlagerung müsste jedoch die Feststellung, dass und in welcher Höhe der Steuerpflichtige, der Empfänger einer Lieferung oder einer Dienstleistung ist, Mehrwertsteuer schuldet, gerade auf der Grundlage überprüfbarer Angaben getroffen worden sein. Verfügt die Steuerverwaltung über die Angaben, die für die Feststellung erforderlich sind, dass der Steuerpflichtige als Empfänger der fraglichen Leistung die Mehrsteuer schuldet, so darf sie hinsichtlich des Rechts des Steuerpflichtigen auf Abzug der Mehrwertsteuer keine zusätzlichen Voraussetzungen festlegen, die die Ausübung dieses Rechts verhindern können (, Bockemühl, Rz. 51). Daraus kann unschwer abgeleitet werden, dass der EuGH von einer Symmetrie von übergegangener Steuerschuld und Vorsteuerabzug ausgeht. Im Übrigen ist bei der Inanspruchnahme von Leistungen kein Bestätigungsverfahren gesetzlich vorgesehen, da keine Steuerbefreiung geltend gemacht wird. Wenn also ein Steuerpflichtiger als Empfänger einer Dienstleistung zum Steuerschuldner bestimmt wird, kann die Steuerverwaltung nicht als zusätzliche Voraussetzung für das Vorsteuerabzugsrecht verlangen, dass er eine nach Artikel 22 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie ausgestellte Rechnung besitzt. Ein derartiges Erfordernis wurde nämlich dazu führen, dass der Steuerpflichtige einerseits als Dienstleistungsempfänger die Mehrwertsteuer schuldet, andererseits aber Gefahr läuft, diese nicht abziehen zu können (EuGH, aaO, Rz. 52). In diesem Sinne bemerken auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 12, Rz. 41, dass Ausnahmen vom Rechnungserfordernis aus der Natur der Sache heraus, bei Leistungen, bei denen die Steuerschuld nach § 19 auf den Abnehmer übergeht, gelten. In diesem Fall hat der leistende Unternehmer zwar eine Rechnung auszustellen, die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis finde aber keine Anwendung, sodass die Rechnung auch nicht Grundlage des Vorsteuerabzuges sei. Somit benötige der Steuerpflichtige für die Ausübung des Vorsteuerabzuges keine Rechnung.

In einer weiteren Rechtsache (EuGH Rs. C-95/07 und C 96/07 vom , Ecotrade SpA, Rz. 56) führte der EuGH aus, dass Ecotrade nach dem Reverse-Charge-Verfahren des Art. 21 Nr. 1 lit. b der Sechsten Richtlinie die Steuerpflichtige als Empfängerin von im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wurden, die Mehrwertsteuer auf die getätigten Umsätze, als die Vorsteuer, schuldete, genau diese aber grundsätzlich in Abzug bringen konnte, sodass dem Fiskus kein Betrag geschuldet werde. Da nämlich das Reverse-Charge-Verfahren im Ausgangsverfahren unbestreitbar anwendbar war, erfordere der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass der Vorsteuerabzug gewährt werde, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt habe ( Collée, C-146/05, Rz. 31). Zwar gestatten diese Bestimmungen den Mitgliedstaaten, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, doch dürfen diese nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der in genannten Ziele erforderlich ist (Effektivitätsgrundsatz). Solche Maßnahme dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie das Recht auf Vorsteuerabzug, das ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen Mehrwertsteuersystem ist, systematisch in Frage stellen (EuGH Rs. C-95/07 und C 96/07 vom , Ecotrade SpA, Rz. 66). Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Nichterfüllung von Aufzeichnungspflichten (Rechnungsmängeln wie unrichtige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) eine Gefahr für das Steueraufkommen bedeutet, da dem Fiskus, im Rahmen der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens grundsätzlich kein Betrag geschuldet wird. Aus diesen Gründen kann eine solche Nichterfüllung auch nicht mit einer Steuerhinterziehung oder einer missbräuchlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts gleichgesetzt werden, da sie nicht auf die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils abzielt (EuGH Rs. C-95/07 und C 96/07 vom , Ecotrade SpA, Rz. 71).

Die von der belangten Behörde geortete schuldhafte Abgabenverkürzung und ihre angebliche Kenntnis darüber konnte der Bf. nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die positive Kenntnis vom eventuellen Vorliegen von Finanzordnungswidrigkeiten durch den Leistenden im anderen EU-Staat – wie von der belangten Behörde vermutet, konnte nicht weiter verifiziert werden, zumal der Bf. keine ausreichende Kenntnis der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Verpflichtungen im Staat der Leistungserbringerin nicht weiter zugerechnet werden konnte. Bei Weiterführung derartiger Überlegungen würde man ihr die Übernahme von Aufgaben von Abgaben- oder Strafbehörden aufbürden und sie gleichsam durch den Verlust des Vorsteuerabzuges sanktionieren. Dies käme einer unverhältnismäßigen Bestrafung gleich, die wohl nur bei schuldhafter Kenntnis von Umsatzsteuerverkürzungen in Frage käme.

Dementsprechend gibt es nach dem UStG 1994 als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nur die Erklärung der auf den Leistungsempfänger übergegangenen Steuerschuld und diese Steuer darf - ohne dass weitere Voraussetzungen vorliegen müssten - bei grundsätzlich gegebener Vorsteuerabzugsberechtigung als Vorsteuer abgezogen werden.

Im , Idexx Laboratories Italia, ging es um eine Erwerbsteuer, wobei sich die Frage stellte, ob eine entrichtete Erwerbsteuer bei Verletzung formaler Verpflichtungen als Vorsteuer abgezogen werden kann. Auch dieser Mechanismus wird vom EuGH als RCS-Verfahren bezeichnet, bei dem es zu keiner Steuerentrichtung an den Fiskus kommt. Die Mitgliedstaaten können formelle Anforderungen für die Modalitäten derartiger Umsätze, deren Kontrolle sowie das ordnungsgemäße Funktionieren des MwSt-Systems und Verpflichtungen zu Aufzeichnungen, Rechnungsstellung und Erklärungen aufstellen. Diese dürfen aber nicht über das hinausgehen, was zur genauen Erhebung der Steuer und zur Vermeidung von Hinterziehungen erforderlich ist. Der EuGH gelangt darin zum selben Ergebnis wie im Fall Ecotrade, wonach es der tragende Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens erfordert, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige diesen formellen Anforderungen nicht genügt hat (Rz. 38), es sich nur dann anders verhält, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert hat, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (Rz. 39), wenn aber die Steuerverwaltung über die Angaben verfügt, die für die Feststellung erforderlich sind, dass die materiellen Anforderungen erfüllt sind, so darf sie daher hinsichtlich des Rechts des Steuerpflichtigen auf Abzug dieser Steuer keine zusätzlichen Voraussetzungen festlegen, die die Ausübung dieses Rechts vereiteln können (Rz. 40). Der Gerichtshof gelangte zum Ergebnis, dass der Vorsteuerabzug nicht wegen Verletzung der formalen Voraussetzung versagt werden darf und dieses Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 1 entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht (Rz. 45).

Das österreichische UStG 1994, welches neben der Kenntnis von einer Steuerhinterziehung generell auch auf die Kenntnis von einem die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen abstellt, geht über die Rechtsprechung des EuGH hinaus und ist in dieser generellen Form nicht anzuwenden, da dies gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot verstößt (). Diese Einschränkung auf Abgabenverkürzungen iSd EuGH Judikatur ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zum StabG 2007, BGBl I 2007/99, wo es heißt: § 12 Abs. 1 Z 1 letzter Satz ist auf die Bekämpfung des Karussellbetruges gerichtet. Dabei werden Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis ausgestellt, um dem Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, ohne dass die ausgewiesene und geschuldete Umsatzsteuer entrichtet wird. Die neue Vorschrift soll verhindern, dass der Fiskus gezwungen ist, Steuerbeträge auszuzahlen, die er nicht erhalten hat. Nach der Judikatur des EuGH (verb. Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03; verb. Rs. C-439/04 und C440/04) steht einem Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug zu, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz oder ein anderer Umsatz in der Lieferkette, der dem vom Vertragspartner des Unternehmers getätigten Umsatz vorausgegangen oder nachgefolgt ist, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet war. Die Änderungen haben daher lediglich klarstellenden Charakter.

Die Verletzung formaler Verpflichtungen könnte allenfalls zum Verlust des steuerlichen Vorteiles führen, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindern kann, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden. Auch dies ist aber beim RCS im Regelfall ausgeschlossen. Sobald die Finanzverwaltung über ausreichend Informationen besitzt, dass eine RCS Steuer fest zu setzen ist, kommt es zu dieser Festsetzung unabhängig vom Vorliegen formaler Voraussetzungen für diese Festsetzung. Ebenso entsteht unabhängig von der Erfüllung formaler Verpflichtungen mit dem Entstehen des Anspruches auf die RCS-USt das Recht auf Abzug der RCS-Vorsteuer.

Mit der Vermutung, dass infolge der Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt bei Empfangnahme der Lieferungen und wegen unzureichender Überprüfungsmaßnahmen zur Unternehmereigenschaft von einem Wissen der Bf. müssen dahingehend auszugehen sei, dass die Leistungserbringer ihren Melde- und Erklärungspflichten nicht nachkommen würden, wird diesen Anforderungen nicht Rechnung getragen. Überdies kann der Judikatur des EuGH entnommen werden (siehe zB , Maya Marinova ET, Rn 42), dass es Sache der zuständigen nationalen Einrichtung ist, infolge der Feststellung einer Hinterziehung jene Situation wieder herzustellen, die ohne Steuerhinterziehung bestanden hätte. Würde man die Nichterklärung einer RCS-Steuerschuld als Hinterziehung betrachten und jenen Zustand herstellen, wie er bei Erklärung des RCS Umsatzes bestanden hätte, würde sich ebenfalls keine Zahlung an den Fiskus ergeben.

In mehreren EuGH Urteilen aus den letzten Jahren wurde festgehalten, dass es eine verschuldensunabhängige Haftung für die Steuerschuld eines anderen nicht gibt. Man kann aber von einem Wirtschaftsteilnehmer fordern, dass er alle Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass er sich nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt. Deshalb kann der Vorsteuerabzug ausnahmsweise verweigert werden, wenn die Behörde nachweist, dass es in der Leistungskette eine ungerechtfertigte Abgabenverkürzung gab und der Leistungsempfänger dies kannte oder bei Einhaltung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt erkennen hätte müssen (ua. Mahageben und C-142/11 Peter David, Rn 45 und 49f; , Gabor Toth, Rn 38, 51; , Bonik EOOD; Rn 43f). Besonders deutlich treten diese Grundsätze in den Ausführungen des EuGH im Urteil in der Rs Maks Pen () und im Urteil in der Rs PPUH () zu Tage.

Nach der Argumentationsweise des EuGH bedeuten die Verweigerung des Vorsteuerabzuges und der Eingriff in die Neutralität der Mehrwertsteuer immer, dass derjenige, dem der Steuerabzug verweigert wird, aufgrund seines Verschuldens (Kenntnis oder verschuldete Unkenntnis) für die Steuerschuld eines anderen einstehen muss. Ohne Nachweis eines Steuerausfalles kann es kein Einstehenmüssen für die Steuerschuld eines anderen geben.

Zulässigkeit der Revision

Es fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob bei einer übergegangenen Steuerschuld nach dem Reverse-Charge-System der Vorsteuerabzug unter Hinweis auf Rechnungsmängel versagt werden kann, wenn der Leistungsempfänger aufgrund verschiedener erkennen hätte können, dass der Leistende seinen steuerlichen Melde- und Erklärungspflichten nicht nachgekommen sein könnte, jedoch von der Abgabenbehörde kein Nachweis darüber erbracht wurde, dass keine Mehrwertsteuerverkürzung stattgefunden hat.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



EuGH, C-95/07


ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100444.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at