Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.11.2019, RV/6100444/2016

Kein Nachweis eines unmittelbaren ursächlichen Zusammenhangs zwischen Behinderung und außergewöhnlicher Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Zwilling in der Beschwerdesache Bf, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Stadt vom , betreffend Einkommensteuer 2014 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (Bf.) machte in ihrer Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2014 Krankheitskosten in der Höhe von insgesamt € 1.236,- als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt aufgrund einer Behinderung geltend. 

Mit Schreiben vom wurde die Bf. vom Finanzamt dazu aufgefordert eine Aufstellung ihrer Krankheitskosten für das Jahr 2014 sowie die Beilage zum Bescheid des Bundessozialamtes bezüglich ihrer Behinderung vorzulegen.

Die Bf. legte dem Finanzamt daraufhin folgende Unterlagen vor:

  • Bescheid des Bundessozialamtes über die Abweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses: Im Beiblatt dieses Bescheides wird nachstehende Einschätzung des Gesundheitszustandes der Bf. aufgrund eines Sachverständigengutachten getroffen:


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Art der Gesundheitsschädigung
Grad der Behinderung
Schwerhörigkeit beiderseits, mittelgradig
30%
Geringgradige Funktionseinschränkung beider künstlicher Hüftgelenke
20%
Bluthochdruck
10%

Außerdem wird in diesem Beiblatt angeführt, dass die führende funktionelle Einschränkung der Schwerhörigkeit durch die beiden anderen Leiden nicht erhöht werde.

  • Aufstellung der Kosten 2014

  • Rechnung über den Kauf von Batterien für ein Hörgerät aus dem Jahr 2014 in
     der Höhe von € 20,-

  • Rechnung über Shiatsu-Behandlungen im Jahr 2014

  • Rechnung über „energetische Physiotherapie“ im Jahr 2014

  • Zwei Rechnungen über Physiotherapien im Jahr 2014

  • Apothekenrechnungen über den Kauf von Medikamenten ebenfalls aus dem Jahr 2014.

Im Einkommensteuerbescheid 2014 vom , wurden die Batterien für das Hörgerät in der Höhe von € 20,- als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt. Die restlichen Kosten wurden als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt gewertet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass laut Bescheid des Bundessozialamtes eine Erwerbsminderung von mehr als 20% nur bei der Hörbehinderung bestehe. Nur Kosten im Zusammenhang mit dieser Erkrankung könnten ohne Selbstbehalt in Abzug gebracht werden.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 erhob die Bf. innerhalb offener Rechtsmittelfrist Beschwerde und begehrte die Zuerkennung ihrer Krankheitskosten in der Höhe von € 1.236,00 als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt. Diese Kosten stünden in ursächlichem Zusammenhang mit ihrer Behinderung. Im Bescheid des Bundessozialamtes seien die künstlichen Hüftgelenke klar angeführt. Im Jahr 2014 würden außerdem die Aufwendungen für die Batterien richtigerweise € 43,- und nicht € 20,- betragen.

Die Bf legte den Beschwerden abermals den Bescheid des Bundessozialamtes über die Abweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, sowie die Rechnungen aus dem Jahr 2014 bei. Neben den bereits übermittelten Rechnungen, befanden sich darunter zusätzlich Bestätigungen der Krankenkasse über die geleisteten Kostenersätze bezüglich der Physiotherapie im Jahr 2014, sowie die zweite Rechnung über den Kauf der Batterien für das Hörgerät in der Höhe von € 23,-.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2014 dahingehend geändert, dass € 43,- anstatt € 20,- für den Kauf von Batterien für das Hörgerät als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt wurden. Ansonsten wurde die Beschwerde abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gemäß § 35 EStG 1988 unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel ohne Selbstbehalt dann anerkannt werden könnten, wenn vom Bundessozialministeriumservice (Bundessozialamt) eine Behinderung von mindestens 25 % festgestellt worden sei. Da bei der Bf. eine Behinderung von 20% festgestellt worden sei, könnten die Ausgaben nicht ohne Selbstbehalt anerkannt werden. Für das Jahr 2014 wurde der Erstbescheid dahingehend abgeändert, dass auch die 2. Rechnung über die Batterien für das Hörgerät berücksichtigt wurde.

In dem dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageantrag vom führte die Bf. zur Begründung aus, dass die Behörde eine Behinderung von 20% unterstelle, was sachlich falsch sei. Im Bescheid des Bundessozialamtes sei eine Behinderung von 30% festgestellt worden, im Detail für Schwerhörigkeit 30%, für Funktionseinschränkung beider Hüftgelenke 20% und für Bluthochdruck 10%. Gemäß den Lohnsteuerrichtlinien, Rz 839f, gelte für den Zweck der Steuerermäßigung immer das auslösende Ereignis. Wie aus dem Bericht des Sanatoriums Prim. Rupp vom zu entnehmen sei, habe schon damals eine Coxarthrose bestanden. Auch die hochgradige Innenohrschwerhörigkeit sei schon im Jahr 2011 von Dr. Sinzinger festgestellt worden. Der Großteil der Kosten für Hilfs- und Heilmittel seien dem Hüftleiden zuzuordnen. Eine Begrenzung hinsichtlich des speziellen Leidens sei aus den Einkommensteuergesetzen nicht zu entnehmen und auch nicht aus den Lohnsteuerrichtlinien, welche für das Jahr 2014 gegolten hätten. Generell wäre eine derartige Begrenzung als willkürlich zu betrachten und könnte im Einzelfall wohl nur von einem Mediziner sachlich beurteilt werden.

Dem Vorlageantrag fügte die Bf. zwei ärztliche Bestätigungen über einen Rehabilitationsaufenthalt im Zusammenhang mit ihrem Hüftleiden (Prim. Rupp) und die Innenohrschwerhörigkeit (Dr. Sinzinger) bei.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (samt Vorlageberichten).

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Sachverhalt:

Die Bf. leidet an einer mittelgradigen Schwerhörigkeit mit einem Grad der Behinderung von 30%, einer geringfügigen Funktionseinschränkung beider künstlicher Hüftgelenke mit einem Grad der Behinderung von 20 % und einem Bluthochdruck mit einem Grad der Behinderung von 10%. Die Leiden beeinflussen sich gegenseitig nicht.

Im Jahr 2014 hatte die Bf. Aufwendungen für Batterien für ihr Hörgerät, Shiatsu-Behandlungen, Physiotherapie, „energetische Physiotherapie“ und Medikamente in der Höhe von insgesamt € 1.236, (davon Aufwendungen für Batterien für das Hörgerät in der Höhe von € 43,-).

Die Aufwendungen für die Physiotherapie, Shiatsu und die Fahrtkosten sind alle im Zusammenhang mit ihrem Hüftleiden entstanden. Die Kosten für die Medikamente betreffen den Bluthochdruck und allgemein Schmerzen.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde bzw. der Bf., sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

Die Bf. selbst gibt in Ihrem Vorlageantrag an, dass die Aufwendungen für Physiotherapie und Shiatsu, sowie die Fahrtkosten im Zusammenhang mit ihrem Hüftleiden entstanden sind. Die Kosten für die Medikamente seien nach den Angaben der Bf. aufgrund ihres Bluthochdruckes erwachsen. Es ist daher unstrittig, dass mit Ausnahme der Batterien für das Hörgerät die geltend gemachten Aufwendungen nicht im Zusammenhang mit ihrer Schwerhörigkeit entstanden sind.

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 in der im Beschwerdejahr geltenden Fassung sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes können gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 unter anderem abgezogen werden:

Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Nach der auf der Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 34 Abs. 6 EStG 1988 und § 35 Abs. 7 EStG 1988 vom Bundesminister für Finanzen erlassen Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303, in der im Beschwerdejahr geltenden Fassung, können, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 25 % beträgt, neben dem Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 noch bestimmte Mehraufwendungen geltend gemacht werden (§ 1 VO des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen). 

Nach § 4 dieser Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. Ein Selbstbehalt ist nicht abzuziehen.  

Dazu wird rechtlich erwogen: 

Die in § 4 der Verordnung genannten Mehraufwendungen für nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung sind nur dann ohne Selbstbehalt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 und ohne Kürzung des Freibetrages nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 abzugsfähig, sofern sie mit der bescheinigten Behinderung im ursächlichen Zusammenhang stehen (Jakom/Vock, EStG, Tz 25 - Tz 27 zu § 35; Doralt, EStG Rz 17 zu § 35, ; ; ). Als Hilfsmittel sind neben den bereits in § 4 der Verordnung genannten Beispielsfällen (Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) etwa auch Kosten (abzüglich erhaltener Kostenersätze) für behinderungsbedingte medizinische Geräte (z.B. Blutzuckermessgeräte, Sauerstoffspender, Insulinpumpen) und Gegenstände ohne oder mit nur sehr eingeschränktem allgemeinen Verkehrswert (z.B. behinderungsbedingtes Krankenbett mit Hydraulikanlage) zu nennen (vgl. Doralt, EStG Rz 17 zu § 35).

Es ist daher zunächst zu prüfen ob der Grad der Behinderung mehr als 25 % beträgt (§ 1 VO des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen) und in einem weiteren Schritt, ob die geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit dieser Behinderung stehen.

Im gegenständlichen Fall steht außer Streit, dass im Beschwerdejahr der für die Bf. bescheinigte Grad der Behinderung aufgrund einer Schwerhörigkeit 30 % betragen hat (Bescheid des Bundesozialamtes vom ). Daneben hat sie ein Hüftleiden mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 20% und einen Bluthochdruck mit 10 %.  Es ist außerdem unstrittig, dass die geltend gemachten Kosten mit Ausnahme der Batterien für das Hörgerät im Zusammenhang mit dem Hüftleiden und dem Bluthochdruck entstanden sind.

Im Beschwerdefall liegt daher der von der Verordnung geforderte Grad der Behinderung von mindestens 25 % nur bei der Hörbehinderung vor. Nach der eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des BFG sowie den Meinungen in der Literatur, muss darüber hinaus ein ursächlicher Zusammenhang der Kosten mit der Behinderung bestehen. Ursächlich im Zusammenhang mit der Hörbehinderung stehen hier jedoch nur die Kosten für die Batterien für das Hörgerät. Die Bf. behauptet auch nicht, dass die anderen Aufwendungen in irgendeinem Zusammenhang mit ihrer Schwerhörigkeit stehen. Die beiden anderen Leiden (Hüfte und Bluthochdruck) beeinflussen die Schwerhörigkeit nicht negativ. Die Krankheiten bestehen also unabhängig voneinander. Im Beiblatt des Bescheides des Bundessozialamtes wird angeführt, dass die führende funktionelle Einschränkung der Schwerhörigkeit durch die beiden anderen Leiden nicht erhöht werde.

Nur die Kosten die in ursächlichem Zusammenhang mit der 30 %-igen Erwerbsminderung, also der Hörbehinderung, entstanden sind, können daher als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt werden.

Im Gegensatz dazu beträgt der Grad der Behinderung bei dem, dem Grunde nach nicht in Zweifel gestellten, Hüftleiden nur 20% (und nicht die in der Verordnung geforderten 25 %). Die im Zusammenhang mit dieser Krankheit gemachten Kosten für Physiotherapie und Shiatsu können daher nur als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG geltend gemacht werden. Das Gleiche gilt für die Aufwendungen für Medikamente, da die Erwerbsminderung beim Bluthochdruck nur 10 % beträgt. Anzumerken ist hierbei noch, dass Kosten für Heilbehandlungen wie Shiatsu oder „energetische Physiotherapie“ i.d.R. nur dann als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anerkannt werden können, wenn sie ärztlich verordnet bzw. medizinisch indiziert sind (vgl. Jakom/Vock, EStG, Tz 90 zu § 34, ). Da die geltend gemachten Kosten jedoch ohnehin unter dem Selbstbehalt liegen, muss auf diesen Punkt nicht näher eigegangen werden.

In der Beschwerdevorentscheidung 2014 wurden die Kosten für die Batterien für das Hörgerät in der Höhe von € 43,- vom Finanzamt bereits anerkannt. Da diese, wie eben ausgeführt, ohne Selbstbehalt zustehen, war der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 teilweise stattzugeben. Die Berechnung betreffend wird auf die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt.   

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100444.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at