Familienheimfahrten in die Slowakei im Geburtsjahr des gemeinsamen Kindes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Michael Mandlmayr in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Lilienfeld St. Pölten vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) machte in der am 21. Feber 2018 dem Finanzamt mit FinanzOnline elektronisch übermittelten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 Werbungskosten für Familienheimfahrten von 3.672,00 € geltend und bejahte die Frage, dass seine Ehepartnerin 2017 keine 6.000,00 € übersteigenden Einkünfte erzielt hat.
Mit Bescheid vom veranlagte das Finanzamt Bf mit der Begründung, seine Gattin habe keine relevanten Einkünfte und es sei kein eigener Haushalt vorhanden, ohne Berücksichtigung der beantragten Werbungskosten für Familienheimfahrten zur Einkommensteuer 2017.
Mit Schriftsatz vom erhob Bf Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 vom und beantragte mit folgender Begründung die Kosten für Familienheimfahrten zu berücksichtigen:
Seine Gattin habe keine Einkünfte, weil sie zur Zeit in Karenz sei. Der Bf, seine Gattin und ihre Tochter hätten den gemeinsamen Haushalt und Hauptwohnsitz in der Slowakei.
Im Anhang übermittelte Bf Meldebestätigungen in slowakischer Sprache.
Über Aufforderung des Finanzamtes vom teilte Bf am sinngemäß Folgendes mit:
Er habe mit Frau und Kind noch immer in der Wohnung der Eltern in der Slowakei den Hauptwohnsitz, trage aber die Kosten für Strom und Wasser.
Seine Gattin sei 2017 in Karenz gewesen und habe keine Einkünfte erzielt.
Die Gattin habe von September 2013 bis Juni 2017 an der Universität Bratislava Ökonomie studiert.
Es gebe folgende Gründe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in der Slowakei, die gegen die Verlegung in die Nähe des Arbeitsplatzes in Österreich sprechen:
Die Tochter sei noch sehr klein und die ganze Familie in der Slowakei.
Die Gattin des Bf brauche die Hilfe ihrer Eltern.
Wohnungen in Österreich seien viel teurer als in der Slowakei.
Eine künftige Übersiedlung nach Österreich sei möglich.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde sinngemäß im Wesentlichen aus folgenden Gründen ab:
Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz seien nur Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Dies sei dann der Fall, wenn dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann.
Die Tatsache, dass Bf ab August 2018 bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt ist, sei kein Hinweis auf ständig wechselnde Arbeitsstätten, weil kein Nachweis vorliege, dass die Beschäftigung beim vorigen Arbeitgeber von vornherein nur auf dreieinhalb Jahre ausgelegt gewesen sei. Im Übrigen habe Bf trotz neuen Arbeitgebers ab August 2018 seinen ursprünglichen Nebenwohnsitz in Österreich beibehalten.
Die Gattin des Bf sei in der Slowakei nicht berufstätig und studiere dort. Da die Gattin des Bf in der Slowakei über keine Einkünfte verfüge und ein Studium auch in Österreich absolvieren könne, sei die Nichtverlegung des Familienwohnsitzes privat veranlasst.
Laut Angaben des Bf wohne er mit seiner Gattin im Haushalt der Eltern und habe daher noch keinen eigenen Wohnsitz in der Slowakei. Die Kosten der Wohnung würden überdies von den Eltern getragen. Auch daraus ergebe sich, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in der Slowakei privat veranlasst ist.
Da der Bf keine Gründe nachgewiesen habe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes von der Slowakei nach Österreich unzumutbar machen, könnten die beantragten Kosten für die Familienheimfahrten nicht gewährt werden.
Mit Schriftsatz vom 25. Feber 2019 stellte Bf sinngemäß einen Vorlageantrag (Bitte um Neubewertung der Beschwerdevorentscheidung), legte Kopien des Arbeitsvertrages vom und in slowakischer Sprache erstellter Dokumente vor und führte sinngemäß im Wesentlichen Folgendes aus:
Das Haus in der Slowakei gehöre zwar seinen Eltern, diese wohnten jedoch an anderer Adresse in ihrem Hauptwohnsitz. Auf die Bestätigung des Wohnsitzes der Eltern werde hingewiesen. Bf trage alle Kosten des mit seiner Familie bewohnten Hauses selbst. Ein dauernder Umzug der Familie des Bf sei aus folgenden Gründen nicht möglich:
Fortführung des Studiums der Ehefrau des Bf an der Wirtschaftsuniversität Bratislava (Hinweis auf den angeschlossenen Antrag auf Fortführung des Studiums ab September 2019). Außerdem beherrsche die Gattin des Bf die deutsche Sprache nicht, weshalb eine Fortsetzung des Studiums in Österreich völlig ausgeschlossen sei.
Ein weiterer Grund, warum seine Ehefrau und die Tochter nicht dauerhaft nach Österreich umziehen können, liege im Kauf eines Baugrundstückes am . Derzeit warte er auf die Entscheidung über den für geplanten Baubeginn in der Gemeinde in der Slowakei. Auf den angeschlossenen Kaufvertrag des Grundstückes und die Entscheidung über den Beginn des Bauvorhabens werde hingewiesen.
Angeschlossen werde auch der Arbeitsvertrag, der entgegen der Beschwerdevorentscheidung unbefristet und nicht befristet auf 3,5 Jahre abgeschlossen wurde.
Da er ein kleines Kind habe, seien die Fahrten in die Slowakei zu seiner Familie für den Bf unabdingbar. Der Bf bitte daher um eine Bewertung seiner Situation.
Am forderte das Finanzamt den Bf mit FinanzOnline elektronisch auf, bis deutsche Übersetzungen der Beilagen in slowakischer Sprache des Vorlageantrages zu übermitteln.
Im auch dem Bf zugestellten Vorlagebericht des Finanzamtes vom wies das Finanzamt nach Darstellung des Verfahrens darauf hin, dass Bf der Aufforderung vom auf Vorlage deutscher Übersetzungen ohne Begründung nicht entsprochen hat, und beantragte sinngemäß im Wesentlichen mit folgender Begründung die Abweisung der Beschwerde:
Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum die mit den Familienheimfahrten verbundenen Mehraufwendungen dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann.
Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung, als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines Ehegatten haben. Die Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe reichen für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes nicht aus.
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht.
Der Bf verfüge in Österreich über einen unbefristeten Arbeitsvertrag, der auch nach einem Firmenzusammenschluss im Jahr 2018 weiterhin Gültigkeit hat.
Das Finanzamt könne nicht nachvollziehen, weshalb eine Wohnsitzverlegung wirtschaftlich unzumutbar sein soll, obwohl die Gattin des Bf im Kalenderjahr 2017 über kein aktives Erwerbseinkommen verfügt hat.
Die allgemeine Aussagen in der Antwort vom , die Tochter sei noch sehr klein, die ganze Familie lebe in der Slowakei, die Gattin des Bf benötige die Hilfe ihrer Eltern und beherrsche die deutsche Sprache nicht und dass Wohnungen Österreich teurer sind als in der Slowakei, seien allesamt keine zwingenden Gründe für die Beibehaltung des Wohnsitzes in der Slowakei.
Auch der Erwerb eines Grundstückes am in der Slowakei sei unerheblich. Das Grundstück sei erst mehr als zwei Jahre nach dem Beginn der Tätigkeit des Bf in Österreich erstanden worden. Der Antrag des Bf auf Baugenehmigung für dieses Grundstück sei bei der Gemeinde in der Slowakei überhaupt erst am eingebracht worden.
Dazu werde auch darauf hingewiesen, dass Bf in seiner Antwort vom noch angegeben hat, mit seiner Familie eventuell später nach Österreich übersiedeln zu wollen.
Zusammenfassend sei festzustellen, im vorliegenden Fall seien Wahl und Aufrechterhaltung des Familienwohnsitzes in der Slowakei ausschließlich durch private Motive verursacht und Bf habe nicht aufgezeigt, dass die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung durch Umstände von erheblichem Gewicht verursacht sind.
Damit lägen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, sodass die diesbezüglichen Aufwendungen für Familienheimfahrten im Jahr 2017 nicht als Werbungskosten anzuerkennen seien.
Ergänzend werde bemerkt, dass Familienheimfahrten bei verheirateten Personen für etwa zwei Jahre gewährt werden könnten, weil es zumutbar sei, den Familienwohnsitz in dieser Zeit an den Arbeitsort zu verlegen. Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2015 und 2016 seien Bf die Aufwendungen für Familienheimfahrten anerkannt worden. Ab dem Jahr 2017 sei die Beibehaltung des Familienwohnsitzes im Ausland jedoch privat veranlasst, weshalb ab diesem Jahr die Berücksichtigung der Familienheimfahrten nicht mehr möglich sei.
Rechtslage
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen, der in der im Beschwerdezeitraum 2017 geltenden Fassung 3.672,00 € bei einfachen Fahrtstrecken von über 60 km beträgt.
Das erkennende Gericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der JJJJ geborene Beschwerdeführer (Bf) ist Staatsbürger der Slowakei und seit Ende Februar 2015 in Österreich nichtselbständig tätig. Bf hat in PLZ Ort, Str. Straße HNr., eine Wohnung und ist dort seit als Nebenwohnsitz gemeldet.
Der Bf hat am tt.mm.2016 eine Slowakin geheiratet, die die deutsche Sprache nicht beherrscht und von September 2013 bis Juni 2017 an der Wirtschaftsuniversität in Bratislava studiert hat. Am tt.mm.2017 wurde die gemeinsame Tochter geboren.
Den Familienwohnsitz haben Bf, seine Gattin und die gemeinsame Tochter in einem seinen Eltern gehörenden Haus in der Slowakei in Ort2 XY, Ort2 Str.2 xyz.
Die einfache Strecke zwischen dem Berufswohnsitz (Nebenwohnsitz) in Österreich und Familienwohnsitz in der Slowakei beträgt ca. 300 km.
Bf ist 2017 wöchentlich zwischen Berufswohnsitz und Familienwohnsitz mit dem eigenen Auto gependelt. Dadurch sind Bf Kosten von über 3.672,00 € erwachsen.
Beweiswürdigung
Die persönlichen Daten des Bf und dessen inländischer Nebenwohnsitz gehen aus den im Akt erliegenden Ausdrucken der mit FinanzOnline abgegebenen Erklärungen der Arbeitnehmerveranlagung und dem Ergebnis der vom erkennenden Gericht getätigten Anfrage an das Zentrale Melderegister hervor.
Der Bezug von nichtselbständigen Einkünften vom selben Arbeitgeber in Österreich in den Jahren 2015 bis 2017 ist durch die den ergangenen Einkommensteuerbescheiden dieser Jahre angeschlossenen Lohnzettel belegt.
Eheschließung, Geburt der gemeinsamen Tochter und Familienwohnsitz in der Slowakei entsprechen dem Vorbingen des Bf, das mit den von ihm vorgelegten Urkunden in Einklang steht. Diese Urkunden sind zwar in slowakischer Sprache, die persönlichen Daten jedoch dennoch erschließbar. Diese Daten werden vom Finanzamt auch gar nicht bestritten, sondern in dessen Vorlagebericht vom als Sachverhalt zu Grunde gelegt.
Das Studium der Gattin des Bf in Bratislava und deren mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache werden vom Finanzamt ebenfalls nicht bestritten. Die Fortsetzung des Studiums im Studienjahr 2019/2020 ist außerdem durch eine Bestätigung in slowakischer Sprache belegt.
Die vom Bf im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2016 vorgenommene Schätzung der Entfernung zwischen Berufswohnsitz und Familienwohnsitz mit ca. 300 km entspricht etwa dem Durchschnitt der zwei möglichen Strecken laut Routenplaner von Michelin von 291km und 304km. Der Michelin Routenplaner weist für die einfache Fahrt dieser Strecke Kosten von ca. 40,00 € (39,64 und 42,36) aus. Dies ergibt bei anzunehmenden 96 (Hin- und Rück-) Fahrten den Betrag von 3.840,00 € (40,00 € x 48 Wochen X 2).
Erwägungen
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 idF BGBl Nr. 201/1996 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
"Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen".
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Heimfahrten zu diesem Wohnsitz dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des (Ehe)Partners bzw. Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ( , betreffend einen verwitweten Steuerpflichtigen mit minderjährigen Kindern, und ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen sogar für alleinstehende Steuerpflichtige Fahrten zwischen ihrem Hauptwohnort und einem weiteren Wohnsitz am (in unüblich weiter Entfernung gelegenen) Berufsort als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst anerkannt (), wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines Wohnsitzes an den Ort seiner betrieblichen (beruflichen) Tätigkeitnicht zumutbar ist (; , 94/14/0066).
Nach dem Erkenntnis , wird den Aufwendungen für Heimfahrten für eine Übergangszeit auch bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung im Heimatort Rechnung zu tragen sein, weil diesem zuzubilligen ist, in gewissen Zeitabständen, etwa monatlich, in seiner Wohnung nach dem Rechten zu sehen. Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursache auch in weiteren Erwerbstätigkeiten des (alleinstehenden) Steuerpflichtigen haben ().
Entgegen der vom Finanzamt im Vorlagebericht geäußerten Ansicht, kommt es nicht auf zwingende Gründe zur Beibehaltung des Familienwohnsitzes in der Slowakei, sondern auf die - im Einzelfall zu beurteilende - Frage der Zumutbarkeit der Verlegung des Hauptwohnsitzes in den Bereich des Berufsortes an. Dabei kann sich die Unzumutbarkeit insbesondere auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben ( ).
Dass die Erziehung und Betreuung minderjähriger Kinder und die Bewahrung des familiären Umfeldes für diese Kinder gewichtige Gründe darstellen können, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes sprechen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht ( ).
Im gegenständlichen Fall lassen schon die Eheschließung im tt.mm.2016 mit einer der deutschen Sprache nicht mächtigen Slowakin und die Geburt des gemeinsamen Kindes am tt.mm.2017 die Verlegung des Familienwohnsitzes aus der Slowakei an den Arbeitsort des Bf in Österreich - jedenfalls im hier zu beurteilenden Jahr 2017 (; , 2005/14/0039; , 2006/15/0047) als nicht zumutbar erscheinen.
Ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in der Slowakei ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts nämlich, dass die slowakischen Schwiegereltern der Gattin des Bf dort während der Schwangerschaft, bei der Geburt und in den ersten Monaten des Babys beistehen konnten (vgl. das in RZ 345 der LStR 2002 zitierte Erkenntnis 2001/1470121, betreffend die Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung pflegebedürftiger Angehöriger).
Dazu kommt noch, dass die Gattin des Bf ihr Studium an der Wirtschaftsuniversität in Bratislava im Herbst 2019 fortgesetzt hat, wofür ebenfalls die Betreuung der kleinen Tochter durch die Schwiegereltern des Bf in der Slowakei sehr hilfreich, wenn nicht überhaupt unbedingt notwendig ist.
Mit dem Abschluss des Studiums eröffnen sich für die Gattin des Bf entsprechende Möglichkeiten zur Aufnahme einer qualifizierten Tätigkeit und damit der Erzielung eines wesentlichen Beitrages zum Familieneinkommen. Dies stellt einen auch für die Folgejahre nicht zu vernachlässigenden wirtschaftlichen Grund (,
2004/15/0102
; unter Hinweis auf die von Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102, und Doralt, EStG7, § 4 Tz 351 zitierte weitere Judikatur) dar.
Das Finanzamt hat verkannt, dass Bf die Verlegung des Familienwohnsitzes von der Slowakei in die Nähe des Arbeitsortes im Beschwerdejahr 2017 aus den aufgezeigten Gründen nicht zumutbar war. Das Finanzamt hat deshalb im bekämpften Bescheid die vom Bf beantragten Werbungskosten für Familienheimfahrten zu Unrecht nicht anerkannt.
Der bekämpfte Bescheid ist deshalb rechtswidrig.
Der Beschwerde kommt deshalb Berechtigung zu.
Der bekämpfte Bescheid wird deshalb durch Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 3.672,00 € abgeändert.
Hinsichtlich der Berechnung der Einkommensteuer wird auf das als Beilage angeschlossene Berechnungsblatt verwiesen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall liegt auf Grund der zitierten Rechtsprechung keine derartige Rechtsfrage vor. Deshalb ist keine Revision zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101279.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at