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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.12.2019, RV/1100391/2016

Stellt das Behalten der gemäß Art. 8 des Abkommens zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern erhobenen Einmalzahlung (Abgeltungssteuer) eine sachliche Unbilligkeit iSd § 236 BAO dar?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia Mauthner in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch RTG Dr. Rümmele Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG, Marktstraße 30, 6850 Dornbirn, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom über die Abweisung eines Antrages auf Nachsicht gemäß § 236 BAO zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang  und Sachverhalt

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt Bf.) gemäß § 236 Abs. 2 BAO die Nachsicht der gemäß Art. 8 des Steuerabkommens mit dem Fürstentum Liechtenstein entrichteten Einmalzahlung in Höhe von 2.322,00 Euro. Begründend führte die steuerliche Vertretung des Bf. aus, in den relevanten Jahren hätten die Kapitaleinkünfte den Bagatellbetrag gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 in Höhe von 22,00 Euro nur zweimal und zwar in den Jahren 2007 und 2008 geringfügig überschritten. Die Habenzinsen hätten in diesen Jahren brutto - also vor Abzug des EU-Steuerrückbehalts - ca. 33,00 Euro bzw. 180,00 Euro betragen (umgerechnet zu den jeweiligen Kursen laut Umrechnungstabelle L17b).

Der der Einmalzahlung zugrunde gelegte Kapitalsaldo sei vollumfänglich aus beim Finanzamt versteuerten Einkünften entstanden. Durch die Abgeltungsbesteuerung gemäß Art. 8 Steuerabkommen Liechtenstein resultiere nunmehr faktisch eine Doppelbesteuerung dieser korrekt deklarierten Aktiveinkünfte aus vorangegangenen Jahren, was keinesfalls dem Normzweck von Art. 8 des Steuerabkommens Liechtenstein, welcher ausdrücklich eine „Nachversteuerung“ (von notwendigerweise bisher nicht versteuerten Einkünften) zum Ziel habe, gerecht werden könne (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Zweckbestimmung des Steuerabkommens Liechtenstein gemäß dessen Art. 1 Abs. 1). Auch müsse dieses Ergebnis im vorliegenden Fall angesichts der wesentlichen Höhe der Einmalzahlung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Prinzips der Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit als rechtswidrig angesehen werden, weil die Besteuerung eines „fiktiven“ Einkommens mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip in Widerspruch stehe (vgl. ).

Da mit der materiell wesentlichen, vom Steuerabkommen objektiv nicht bezweckten Doppelbelastung mit Einkommensteuer ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und einem atypischen Vermögenseingriff komme, liege eine sachliche Unbilligkeit im Sinne der einschlägigen Judikatur vor (vgl. Ritz, BAO5, § 236 Tz 11, insbesondere den dortigen ersten Gliederungspunkt). In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass eine abkommenskonforme Erstattung, wie vom Bf. mit Schriftsatz vom beantragt worden sei, lediglich an der vergleichsweise geringen Überschreitung des Bagatellbetrags gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 gescheitert sei.

Mit Bescheid vom wurde der gegenständliche Nachsichtsantrag mit der Begründung abgewiesen, es handle sich bei der Abgeltungssteuer um keine Abgabe im Sinne der BAO, sodass für eine Erledigung im Sinne des § 236 BAO kein Raum verbleibe.

In der Beschwerde wurde die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend begehrt, dass die Einmalzahlung gemäß Art 8 Steuerabkommen Liechtenstein in Höhe von 2.322,00 Euro gemäß § 236 Abs. 2 im Nachsichtsweg zurückerstattet werde. Begründend wurde ausgeführt, die Bestimmungen der BAO würden gemäß ihrem § 1 Abs. 1 „in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben“ (mit Ausnahme von Verwaltungsabgaben) gelten, „soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind“. Dass es sich bei der Einmalzahlung gemäß Art. 8 Steuerabkommen Liechtenstein um eine der Republik Österreich zukommende „öffentliche Abgabe“ handle, sei unstrittig und ergebe sich auch aus der Zweckbestimmung des Abkommens, der zufolge „durch bilaterale Zusammenarbeit der Vertragsstaaten die effektive Besteuerung der betroffenen Personen in der Republik Österreich sichergestellt werden soll“ (vgl. Art. 1 Abs. 1 Steuerabkommen Liechtenstein). Zu diesem Zweck werde vereinbart, dass „Vermögenswerte bei einer liechtensteinischen Zahlstelle von in der Republik Österreich ansässigen betroffenen Personen auf der Grundlage des Abkommens nachversteuert“ und auf Erträgen und Gewinnen aus derartigen Vermögenswerten „eine abgeltende Steuer erhoben“ werde (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a und b Steuerabkommen Liechtenstein). Nach § 8 FAG 2008 idF BGBl I Nr. 165/2013, würden Einmalzahlungen gemäß dem Steuerabkommen Liechtenstein ausdrücklich zu den „gemeinschaftlichen Bundesabgaben“ zählen, nach Art. 8 Abs. 8 iVm Abs. 6 f Steuerabkommen Liechtenstein würde sich ihre „Abgeltungswirkung ….auf alle Gesamtschuldner nach der österreichischen Bundesabgabenordnung“ erstrecken.

Unter Erhebung seien gemäß § 49 Abs. 2 BAO alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen zu verstehen. Sohin würden nach der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. ) unter Erhebung alle der Durchsetzung von Abgabenansprüchen dienenden behördlichen Maßnahmen fallen, die die Ermittlung, Festsetzung, Einhebung (einschließlich Rückzahlung und Nachsicht) und zwangsweise Einbringung zum Ziel hätten. Die Modalitäten der Besteuerung durch eine Einmalzahlung würden in Art. 8 Steuerabkommen Liechtenstein geregelt und würden unter anderem die Erteilung einer Steuerbescheinigung, welche die Identität des Steuerpflichtigen ausweise (vgl. Abs. 3 leg. cit.) und dem Finanzamt im Beschwerdefall vorliege sowie die Einhebung durch die österreichische Finanzverwaltung via Weiterleitung durch die zuständige liechtensteinische Behörde wie folgt vorsehen (vgl. Abs. 4 f leg. cit.): Die liechtensteinische Zahlstelle (gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. e sublit. i Steuerabkommen Liechtenstein die kontoführende Bank) überweise die einbehaltenen Einmalzahlungen nach Genehmigung der Bescheinigungen monatlich an die zuständige liechtensteinische Behörde (gemäß Abs. 1 lit. d leg. cit. die Regierung des Fürstentums Liechtenstein oder deren Bevollmächtigte). Die liechtensteinische Behörde leite in der Folge die Einmalzahlungen monatlich an die zuständige österreichische Behörde (den Bundesminister für Finanzen oder die von ihm bestimmte Behörde) weiter.

Unzweifelhaft erfolge also die Einhebung einer als abgeltende Steuer konzipierten gemeinschaftlichen Bundesabgabe, sohin einer öffentlichen Abgabe, durch eine Abgabenbehörde des Bundes, den Finanzminister bzw. die für ihn handelnde Behörde. Dass die rechnerische Ermittlung und Einbehaltung sowie die Abfuhr an die – die Steuer an die einhebende österreichische Behörde weiterleitende – liechtensteinische Steuerverwaltung durch Banken und andere Zahlstellen erfolgen würden, sei dem Verfahren bei anderen Erhebungsformen der Einkommensteuer, welche sich abzugsverpflichtender Haftender bedienen würden (z.B. Kapitalertragsteuer, Lohnsteuer, Immobilienertragsteuer, Abzugsteuer) gleichzuhalten und könne ebenso wenig wie bei diesen gegen das Vorliegen einer bundesbehördlich eingehobenen Abgabe sprechen. Im Zuge der Abgabeneinhebung, die wie dargestellt Teil der Erhebung sei (vgl. Ritz, BAO5, § 50 Tz 6f), sei daher sehr wohl Raum für eine Maßnahme gemäß § 236 BAO.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, es sei zwar zutreffend, dass es sich bei der strittigen Einmalzahlung gemäß § 8 Abs. 1 FAG um eine gemeinschaftliche Bundesabgabe handle, welche zwischen Bund und Ländern geteilt werde. Allerdings erfordere das Vorliegen einer Abgabe im Sinne des § 1 BAO darüber hinaus, dass die Abgabe durch Abgabenbehörden des Bundes zu erheben sei. Die Erhebung der Abgabe erfolge aber nicht durch eine österreichische Abgabenbehörde, sondern durch die nach dem Abkommen zuständige liechtensteinische Behörde, welche die bereits erhobenen und an sie von der liechtensteinischen Zahlstelle überwiesenen Einmalzahlungen an die zuständige österreichische Behörde weiterleite, wobei ihr für die Erhebung ein erheblicher Geldbetrag zustehe (vgl. Art. 8 Abs. 4 des Abkommens: „Die liechtensteinische Zahlstelle überweist die erhobenen Einmalzahlungen nach Genehmigung der Bescheinigungen nach Absatz 3 jeweils monatlich an die zuständige liechtensteinische Behörde. Die erste Überweisung erfolgt einen Monat nach dem Stichtag 3. Die zuständige liechtensteinische Behörde leitet die Einmalzahlungen jeweils monatlich an die zuständige österreichische Behörde weiter, wobei die zuständige liechtensteinische Behörde eine Bezugsprovision von 4.000.000,00 Euro behält“).

Gegen die Anwendbarkeit der BAO auf das Abkommen spreche im Übrigen, dass dieses keine Regelung enthalte, wonach darauf die österreichischen Verfahrensvorschriften anzuwenden seien (im Gegensatz etwa zu § 1 Abs. 2 EG-AHG). Dagegen spreche auch, dass Art. 14 Abs. 3 des Abkommens eine eigene Regelung für die Erstattung der Einmalbeträge enthalte, welche bei Anwendbarkeit der BAO auf das Abkommen im Hinblick auf deren § 240 obsolet wäre. Auch der Umstand, dass in den besonderen Fällen des Art. 8 Abs. 9 des Abkommens, in denen keine Abgeltungswirkung eintrete, die geleistete Einmalzahlung als freiwillige Zahlung auf die geschuldeten Steuern behandelt werde, führe nicht dazu, dass es sich dabei um eine Abgabe im Sinne des § 1 BAO handle, ebenso wenig wie der Hinweis auf die BAO in Art. 8 Abs. 8 im Zusammenhang mit der Abgeltungswirkung bei Gemeinschuldnern bedeute, dass die BAO grundsätzlich auf das Abkommen anzuwenden sei. Selbst dann, wenn es sich bei der Einmalzahlung um eine Abgabe im Sinne der BAO handeln würde bzw. diese bei der Anwendung des Abkommens beachtlich wäre, müsste das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit der Abgabenerhebung als Voraussetzung für die Gewährung einer Nachsicht aus folgenden Überlegungen verneint werden:

Die Abgeltungswirkung erfasse zwar einerseits gemäß Art. 8 Abs. 6 des Abkommens nur das relevante Kapital (bzw. sei mit diesem begrenzt), womit verhindert werde, dass mit einer geringen Einmalzahlung ein unverhältnismäßig hoher Betrag an Einkommensteuer abgegolten werde. Andererseits finde sich im Abkommen keine Regelung, welche sicherstelle, dass der Steuerpflichtige nicht durch eine Einmalzahlung (endgültig) belastet werde, welche unverhältnismäßig höher sei als die abzugeltende Steuer. Dass in solchen Fällen nach dem klaren Abkommenswortlaut weder eine Anrechnung noch eine teilweise Erstattung der Einmalzahlung möglich sei, könne nicht im Wege der teleologischen Interpretation unter Anwendung eines Größenschlusses vermieden werden, da dem Gesetzgeber eine lückenhafte Abkommensregelung nicht unterstellt werden könne.

Wenn nunmehr der Umstand, dass die nachträgliche Bekanntgabe von auf einem Liechtensteinischen Konto verbuchten Vermögenswerten und Erträgen keinen Rechtsanspruch auf (auch nur teilweise) Erstattung der Einmalzahlung vermittle und die Erhebung der Einmalzahlung selbst dann, wenn die Freigrenze von 22 Euro gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 nur einmalig und geringfügig überschritten worden sei, nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt sei, sondern diese im Hinblick auf eine fehlende rechtzeitige Ermächtigung der liechtensteinischen Zahlstelle gemäß Art. 10 Abs. 1 des Abkommens eine zwingende Rechtsfolge des Verhaltens des Steuerpflichtigen sei (vgl. ), so könne nicht davon ausgegangen werden, dass in diesen Fällen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, oder ein außergewöhnlicher Geschehensablauf vorliege, welcher eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst habe. Beides wäre aber nach der Rechtsprechung (neben dem Umstand, dass es durch die nicht zu erwartende Abgabenschuld zu einer anormalen Belastungswirkung komme) Grundvoraussetzung dafür, dass eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung angenommen werden könnte (vgl. Ritz, BAO5, § 236 Rz 11).

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung, wonach die BAO im Beschwerdefall nicht anwendbar sei und darüber hinaus keine sachliche Unbilligkeit der Einhebung vorliege, Folgendes ausgeführt:

  • Anwendbarkeit der BAO

Der Umstand, dass das Steuerabkommen mit dem Fürstentum Liechtenstein im Prozess der Abgabenerhebung Dritten (den Zahlstellen und der zuständigen liechtensteinischen Behörde) Aufgaben im Zusammenhang mit den letztlich von der österreichischen Finanzverwaltung eingehobenen Abgaben auferlege, sei mit dem gesetzlich vorgesehenen Vorgehen bei den anderen zahlreichen im Wege des Steuerabzugs erhobenen Abgaben vergleichbar (Kapitalertragsteuer, Lohnsteuer, Immobilienertragsteuer, Abzugssteuer im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, selbstberechnete Gebühren und Verkehrssteuern). Dass die einzelnen Steuergesetze diese Dritten (Kreditinstitute, Kapitalgesellschaften, Arbeitgeber, Auftraggeber, Parteienvertreter, etc.) zur rechnerisch korrekten Ermittlung, Einbehaltung und Abfuhr der Abgaben, welche der Bund in seiner eigenen Steuerhoheit einhebe, verpflichten würde, könne keinesfalls dazu führen, sie nicht zu den öffentlichen Abgaben, die durch Abgabenbehörden des Bundes erhoben würden, zu zählen.

In gleicher Weise könne auch die staatsvertragliche Vereinbarung der Mitwirkung von Zahlstellen und Behörden Liechtensteins nicht aus der Einmalzahlung eine von der liechtensteinischen Steuerverwaltung erhobene Abgabe machen. Laut Art. 1 Abs. 1 Steuerabkommen Liechtenstein solle durch bilaterale Zusammenarbeit der Vertragsstaaten die effektive Besteuerung der betroffenen Personen in der Republik Österreich sichergestellt werden. Die Tätigkeit der liechtensteinischen Behörde bestehe offensichtlich lediglich in der Entgegennahme der Überweisungen der Zahlstellen und deren gesammelter monatlicher Weiterleitung an die österreichische Finanzverwaltung (ungeachtet der dafür gewährten erheblichen Bezugsprovision). Die Einmalzahlungen würden unzweifelhaft von den hiesigen Abgabenbehörden eingehoben, was nach höchstgerichtlicher Judikatur und gewichtiger Kommentarmeinung eine der Durchsetzung von Abgabeansprüchen dienende behördliche Maßnahme sei und damit zur Erhebung der Abgaben zähle (vgl. hierzu die in der Beschwerde genannten Quellen).

Das in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Argument, im Steuerabkommen Liechtenstein fehle eine explizite Regelung, wonach die österreichischen Verfahrensvorschriften anzuwenden seien, sei nicht stichhaltig. Die Beschwerdevorentscheidung nenne als Beispiel § 1 Abs. 2 des bereits außer Kraft getretenen EG-Amtshilfegesetzes (EG-AHG). Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 EG-AHG würde Folgendermaßen lauten: „Erhebungsmaßnahmen auf Grund dieses Bundesgesetzes sind nach den für die Erhebung von Abgaben in Österreich geltenden Verfahrensvorschriften durchzuführen.“ Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 EG-AHG habe jedoch lediglich deswegen auf die in Österreich geltenden Erhebungsvorschriften verwiesen, weil es im EG-AHG an eigenständigen Erhebungsvorschriften gemangelt habe. Mangels eigenständigen Zustellvorschriften habe § 5a Abs. 1 EG-AHG ebenso auf die „inländischen Rechtsvorschriften über die Zustellung ausländischer Schriftstücke“ verwiesen.

Das Abkommen zwischen Liechtenstein und Österreich regle umfassend das Vorgehen und die Aufgaben der beiden Staaten im Zusammenhang mit der bezweckten Besteuerung. Das Verfahren betreffend die Nachversteuerung von Vermögenswerten bzw. Erhebungsmaßnahmen sei in Teil 2 des Steuerabkommens Liechtenstein – im Gegensatz zum EG-AHG – ausführlich geregelt (Art. 4 bis Art. 17 Steuerabkommen Liechtenstein). Aus diesem Grund sei ein Verweis auf die in Österreich geltenden Verfahrensvorschriften betreffend die Erhebung von Abgaben nicht erforderlich. Durch die generelle Transformation des bilateralen Völkerrechtsaktes in innerstaatliches Bundesrecht (Beschluss des nationalen Gesetzgebers und Veröffentlichung im BGBl III Nr 301/2013) seien die im Abkommen geregelten Verfahrensvorschriften Teil der in Österreich geltenden Verfahrensvorschriften geworden. Ein gesonderter Verweis sei aufgrund der unveränderten Übernahme des Steuerabkommens Liechtenstein ins nationale Recht nicht erforderlich.

  • Sachliche Unbilligkeit

Wie in dem Antrag auf Nachsicht erläutert und mittels Unterlageneinreichung nachgewiesen worden sei, sei der der Einmalzahlung zugrunde gelegte Kapitalsaldo aus vollumfänglich beim Finanzamt versteuerten Einkünften entstanden. Durch die Abgeltungsbesteuerung gemäß Art. 8 Steuerabkommen Liechtenstein habe faktisch eine Doppelbeteuerung dieser korrekt deklarierten Aktiveinkünfte aus vorangegangenen Jahren resultiert. Diese Doppelbesteuerung könne keinesfalls dem Normzweck von Art. 8 Steuerabkommen Liechtenstein entsprechen. Art. 8 Steuerabkommen Liechtenstein habe ausdrücklich eine „Nachversteuerung“ von notwendigerweise bisher nicht versteuerten Einkünften zu Ziel. Durch das Steuerabkommen Liechtenstein solle durch bilaterale Zusammenarbeit der Vertragsstaaten die effektive Besteuerung der betroffenen Personen in der Republik Österreich sichergestellt werden (vgl. Art. 1 Abs. 1 Steuerabkommen Liechtenstein). Eine faktische Doppelbesteuerung würde über das Ziel einer effektiven Besteuerung hinausschießen. Auch müsse dieses Ergebnis im Beschwerdefall angesichts der wesentlichen Höhe der Einmalzahlung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Prinzips der Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit als kritisch angesehen werden.

Darüber hinaus sei das in der Beschwerdevorentscheidung zitierte Erkenntnis des , hinsichtlich der „zwingenden Rechtsfolge des Verhaltens des Steuerpflichtigen“ nicht vergleichbar. In dem zitierten Erkenntnis sei es um die Frage gegangen, ob der Bf. gemäß Art. 8 Steuerabkommen Liechtenstein die Einmalzahlung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Steuerabkommen Liechtenstein ohne rechtlichen Grund bezahlt habe und er diesfalls gegenüber der österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung gehabt habe. Nach Art. 14 Abs. 3 Steuerabkommen Liechtenstein habe eine betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung, wenn die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt worden sei. In weiterer Folge habe das BFG überprüft, ob in dem zu beurteilenden Fall kein rechtlicher Grund vorgelegen sei (weil z.B. der Steuerpflichtige nicht in Österreich ansässig gewesen sei, Rechenfehler gemacht worden seien und/oder falsche Grunddaten vorgelegen seien) und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Einmalzahlung rechtmäßig erfolgt sei, weil alle Voraussetzungen des Steuerabkommens Liechtenstein erfüllt worden seien.

In dem den gegenständlichen Antrag auf Nachsicht zugrundeliegenden Sachverhalt werde – im Gegensatz zum zitierten Erkenntnis des BFG - nicht bezweifelt, dass die Voraussetzungen des Steuerabkommens Liechtenstein erfüllt seien. Es werde anerkannt, dass die Einmalzahlung – infolge des Unterbleibens der schriftlichen Ermächtigung der Zahlstelle zur freiwilligen Meldung gemäß Art. 10 Steuerabkommen Liechtenstein bzw. der erst nach dem Stichtag erfolgten Offenlegung durch den Bf. - von der Zahlstelle zu erheben gewesen sei. Eine Erstattung wegen Erhebung ohne rechtlichen Grund sei sohin nicht durch Art. 14 Abs. 3 Steuerabkommen Liechtenstein gedeckt. Hinsichtlich des Unterbleibens der schriftlichen Ermächtigung der Zahlstelle zur freiwilligen Meldung gemäß Art. 10 Steuerabkommen Liechtenstein werde allerdings darauf hingewiesen, dass der Bf., wie in den bisherigen Anbringen erläutert worden sei, diesbezüglich von seiner liechtensteinischen Bank falsch informiert worden sei (dahingehend, dass wegen des Wohnsitzes in der Schweiz die Meldung nicht mehr erforderlich sei). Nur deswegen sei das Formular für die Ermächtigung der Bank zur freiwilligen Meldung nicht abgegeben worden. Aus diesem Grund sei auch die Offenlegung der Einkünfte erst verspätet erfolgt, nachdem der Bf. im Jahr 2014 realisiert habe, dass entgegen der Aussage der Bank eine Steuerplicht bestanden habe und ein Steuerabzug vorgenommen worden wäre.

Da die Einmalzahlung grundsätzlich rechtmäßig erfolgt sei, werde kein Antrag auf Erstattung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Steuerabkommen Liechtenstein gestellt, sondern ein Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 Abs. 2 BAO. Wäre der Bf. von seiner Bank richtig informiert worden, hätte er zweifelsohne seine Bank schriftlich zur freiwilligen Meldung gemäß Art. 10 Steuerabkommen Liechtenstein ermächtigt. Der der Einmalzahlung zugrunde gelegte Kapitalsaldo würde aus vollumfänglich beim Finanzamt korrekt deklarierten und versteuerten Einkünften stammen. Durch die Abgeltungsbesteuerung gemäß Art. 8 Steuerabkommen Liechtenstein dieser korrekt deklarierten Aktiveinkünfte aus vorangegangen Jahren trete eine vom Gesetzgeber objektiv nicht gewollte Doppelbesteuerung und folglich sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ein ().

II. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Gemäß § 1 Abs. 1 BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

Gemäß § 49 Abs. 1 BAO sind Abgabenbehörden die mit der Erhebung der im § 1 bezeichneten öffentlichen Abgaben und Beiträge betrauten Behörden der Abgabenverwaltung des Bundes (§ 52), der Länder und Gemeinden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind unter Erhebung im Sinn dieses Bundesgesetzes alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen zu verstehen.

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung findet der erste Absatz auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Gemäß § 240 Abs. 1 BAO ist bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, der Abfuhrpflichtige berechtigt, während eines Kalenderjahres zu Unrecht einbehaltene Beträge bis zum Ablauf dieses Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung hat auf Antrag des Abgabepflichtigen (Abs. 1) die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages insoweit zu erfolgen, als nicht eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß Abs. 1 erfolgt ist (lit. a), ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist (lit. b), ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder im Fall eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte (lit. c). Der Antrag kann bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden. Für das Verfahren über die Rückzahlung ist die Abgabenbehörde zuständig, der die Erhebung der betroffenen Abgabe obliegt. Betrifft der Antrag im Einkommensteuerrecht geregelte Abzugsteuern, so ist das Finanzamt für das Verfahren über die Rückzahlung örtlich zuständig, dem die Erhebung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer des Antragstellers obliegt.

Gemäß § 8 Abs. 1 FAG 2008, BGBl. I Nr. 103/2007 idF BGBl. I Nr. 165/2013, sind gemeinschaftliche Bundesabgaben unter anderem die Einmalzahlungen gemäß dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt sowie gemäß dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern, BGBl. III Nr. 301/2013 (in der Folge: Abkommen) soll durch bilaterale Zusammenarbeit der Vertragsstaaten die effektive Besteuerung der betroffenen Personen in der Republik Österreich sichergestellt werden. Zu diesem Zwecke werden nach Art. 1 Abs. 2 lit. a des Abkommens Vermögenswerte bei einer liechtensteinischen Zahlstelle von in der Republik Österreich ansässigen betroffenen Personen auf der Grundlage dieses Abkommens nachversteuert.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. f sublit. i zählt zu den vom Abkommen betroffenen Vermögenswerten das bei liechtensteinischen Zahlstellen im Sinne des Buchstaben e Ziffer i (Banken nach dem liechtensteinischen Bankengesetz und Wertpapierhändler) auf Konten oder Depots verbuchte Vermögen.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. h sublit. i des Abkommens ist "betroffene Person" im Sinne des Abkommens eine in der Republik Österreich ansässige natürliche Person, die als Vertragspartner einer liechtensteinischen Zahlstelle Konto- oder Depotinhaber sowie nutzungsberechtige Person der entsprechenden Vermögenswerte ist.

Gemäß Art. 3 Abs. 2 des Abkommens ist für Zwecke des Teils 2 des Abkommens (Regelung zur Nachversteuerung von Vermögenswerten) der Wohnsitz am Stichtag 2 () maßgebend.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 des Abkommens informieren die liechtensteinischen Zahlstellen (Banken und Wertpapierhändler) die Konto- und Depotinhaber bis spätestens zwei Monate nach dem Inkrafttreten dieses Abkommens über den Inhalt dieses Abkommens und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten der betroffenen Person.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 des Abkommens muss eine betroffene Person, die am Stichtag 2 () und beim Inkrafttreten dieses Abkommens () bei derselben liechtensteinischen Zahlstelle ein Konto oder Depot unterhält, der liechtensteinischen Zahlstelle spätestens per Stichtag 3 () schriftlich mitteilen, für welche der beim Inkrafttreten dieses Abkommens bestehenden Konten oder Depots die Nachversteuerung durch Einmalzahlung nach Artikel 8 erfolgen soll und für welche Konten oder Depots sie der liechtensteinischen Zahlstelle die Ermächtigung zur freiwilligen Meldung nach Artikel 10 gewährt. Eine abgegebene Mitteilung ist ab Inkrafttreten dieses Abkommens unwiderruflich. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung erfolgt bei Konten oder Depots, bei denen die betroffene Person bis zum Stichtag 3 () keine Mitteilung nach Absatz 1 abgibt, die Nachversteuerung durch Einmalzahlung nach Artikel 8.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 des Abkommens bemisst sich die Einmalzahlung nach Anhang I des Abkommens. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung erstellt die liechtensteinische Zahlstelle gleichzeitig mit der Erhebung der Einmalzahlung zuhanden der betroffenen Person eine Bescheinigung nach festgelegtem Muster. Erhebt die betroffene Person gegen die Bescheinigung nicht innerhalb von 30 Tagen nach deren Zustellung Einspruch, gilt diese als genehmigt.

Gemäß Art. 8 Abs. 6 des Abkommens gelten mit der vollständigen Gutschrift der Einmalzahlung auf dem bei der liechtensteinischen Zahlstelle dafür eingerichteten Abwicklungskonto die österreichischen Erbschaftssteuer- und Schenkungssteueransprüche, die Ansprüche auf die gemeinschaftlichen Bundesabgaben gemäß § 8 Absatz 1 erster Satz erster und dritter Fall des österreichischen Finanzausgleichsgesetzes 2008, die österreichischen Stiftungseingangssteueransprüche und die österreichischen Versicherungssteueransprüche, die auf den - auf den entsprechenden Konten und Depots verbuchten oder verwalteten - Vermögenswerten entstanden sind, als abgegolten. Der im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens von der Abgeltungswirkung erfasste Betrag entspricht dem relevanten Kapital wie in Anhang I des Abkommens bestimmt.

Gemäß Art. 8 Abs. 7 des Abkommens gelten die Steueransprüche, die vor dem Stichtag 1 () entstanden sind, im selben Umfang wie die in Absatz 6 genannten Steueransprüche als abgegolten.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 des Abkommens entfällt die Erhebung der Einmalzahlung nach Art. 8, wenn die betroffene Person ihre liechtensteinische Zahlstelle spätestens per Stichtag 3 () schriftlich ermächtigt, die Informationen nach Absatz 2 an die zuständige österreichische Behörde zu melden.

Gemäß Art. 14 Abs. 3 des Abkommens hat die betroffene Person gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde einen Anspruch auf Erstattung der Einmalzahlung, wenn die Einmalzahlung ohne rechtlichen Grund bezahlt worden ist.

In Streit steht, ob das Behalten der gemäß Art. 8 des Abkommens zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern erhobenen Einmalzahlung (Abgeltungssteuer) in Höhe von 2.322,00 Euro als sachlich unbillig iSd § 236 BAO zu bewerten ist.

Vorab ist allerdings zu prüfen, ob die BAO überhaupt in Angelegenheiten der Abgeltungssteuer zur Anwendung kommt. Aus der Sicht des Finanzamtes ist die BAO nur im Erstattungsverfahren anzuwenden aufgrund der in Art. 14 Abs. 3 des Abkommens normierten Zuständigkeit der österreichischen Abgabenbehörden für dieses Verfahren. Im Nachsichtsverfahren verneint das Finanzamt die Anwendbarkeit der BAO mit der Begründung, die Abgeltungssteuer sei von der zuständigen liechtensteinischen Behörde und nicht von einer inländischen Abgabenbehörde erhoben worden. Dies ergebe sich aus Art 8 Abs. 4 des Abkommens, wonach die liechtensteinische Zahlstelle die Einmalzahlungen erhebt und diese an die zuständige liechtensteinische Behörde überweist.

Bei der Abgeltungssteuer nach § 8 Abs. 1 FAG 2008 idF BGBl. I Nr. 165/2013, handelt es sich um eine gemeinschaftliche Bundesabgabe, sodass eine Anwendbarkeit der BAO in sämtlichen, diese öffentliche Abgabe betreffenden Verfahren die Erfüllung aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 BAO voraussetzt. Dazu gehört – wie das Finanzamt in seinem Vorlagebericht zutreffend ausgeführt hat – dass die Erhebung der Abgeltungssteuer durch Abgabenbehörden des Bundes erfolgt (siehe dazu Ritz, BAO6, § 1 Tz 5).

Unter „Erhebung“ sind alle der Durchsetzung von Abgabenansprüchen dienenden behördlichen Maßnahmen zu verstehen, die die Ermittlung, Festsetzung, Einhebung (einschließlich Rückzahlung und Nachsicht) und zwangsweise Einbringung zum Ziel haben (Ritz, BAO6, § 49 Tz 6).

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern soll nicht nur die zukünftige Besteuerung von in Liechtenstein erzielten Kapitaleinkünften sicherstellen, sondern auch eine abgabenrechtliche und strafrechtliche Bereinigung von in der Vergangenheit bewirkten Abgabenverkürzungen im Zusammenhang mit in Liechtenstein veranlagtem Vermögen herbeiführen. Die vom gegenständlichen Steuerabkommen betroffenen Personen haben bei der Nachversteuerung zwei Handlungsalternativen, zum einen die freiwillige Offenlegung ihrer Vermögenswerte bis spätestens (freiwillige Meldung) oder die weiterhin Anonymität gewährende Einmalzahlung. Da im Fall der Einmalzahlung der Kontoinhaber bzw. Nutzungsberechtigte anonym bleibt, bedürfen die zuständigen österreichischen Abgabenbehörden zur Durchsetzung ihrer Abgabenansprüche zwingend die Mitwirkung der liechtensteinischen Zahlstellen. Dazu musste im Steuerabkommen für die Einmalzahlung ein besonderes Offenlegungs- und Einhebungsprozedere geschaffen werden, das den liechtensteinischen Zahlstellen die Ermittlung, Festsetzung und Einhebung der Einmalzahlung auferlegt, da nur sie Kenntnis von den Kontoinhabern bzw. Nutzungsberechtigten sowie von den jeweiligen gegenüber den österreichischen Abgabenbehörden in der Vergangenheit bewirkten Abgabenverkürzungen haben. Die liechtensteinischen Behörden sind in diesen Erhebungsprozess nicht nur insofern eingebunden, als ihnen die liechtensteinischen Zahlstellen die erhobenen Einmalzahlungen jeweils monatlich weiterleiten (Art. 8 Abs. 4 des Abkommens), sondern auch dadurch, dass sie den Vollzug des Steuerabkommens durch die liechtensteinischen Zahlstellen (Banken und Treuhänder) periodisch kontrollieren und Verstöße entsprechend sanktionieren (Art. 41ff des Abkommens). Dass den liechtensteinischen Behörden bei der Erhebung der Einmalzahlung nur ein (aufgrund der Anonymität notwendiges) Mitwirkungsrecht im Sinne einer Amtshilfe zukommt, die Einhebung dieser gemeinschaftliche Bundesabgabe jedoch den österreichischen Abgabenbehörden des Bundes zuzurechnen sind, ergibt sich nach Auffassung des BFG unter anderem  aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2151 der Beilagen XXIV. GP-Staatsvertrag-Materialien), die in ihrem Besonderen Teil zu Art. 8 des Abkommens expressis verbis folgendes ausführen:

„…Die liechtensteinische Zahlstelle berechnet die Einmalzahlung entsprechend dem Anhang I, zieht diesen Betrag vom Konto oder Depot des österreichischen Kunden beziehungsweise des für ihn verwalteten Vermögens ab und überweist ihn über die liechtensteinische Regierung an die österreichischen Steuerbehörden. Mit dieser Überweisung ist die Steuerpflicht nach Maßgabe des Abs. 6 abgegolten……

…. Die liechtensteinische Regierung erhält für den administrativen und den IT-Aufwand in Zusammenhang mit der Weiterleitung und Kontrolle der Beträge eine Bezugsprovision in Form eines pauschalen Einmalbetrages in Höhe von 4 000 000 Euro. Dieser Betrag soll die einmaligen Aufwände der liechtensteinischen Regierung abgelten und steht in keinerlei Zusammenhang mit der Höhe der weiterzuleitenden Einmalzahlungen…“.

Zudem handelt es sich bei der Einmalzahlung, wie obig dargelegt wurde, um eine gemeinschaftliche Bundesabgabe. Darunter sind nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Abgabenverwaltungsreformgesetz, 38 BlgNR 24, GP,5,  „….öffentlich rechtliche Geldleistungen, die Gebietskörperschaften kraft öffentlichen Rechts zur Deckung ihres Finanzbedarfes erheben zu verstehen. Dabei kommt es primär darauf an, „ ….ob die Ertragshoheit, das heißt die primäre Verfügungsberechtigung über den Ertrag der Geldleistung, bei einer Gebietskörperschaft liegt.“

Die Ertragshoheit über die Einmalzahlung liegt beim Bund (die Länder und Gemeinden erhalten einen im Finanzausgleichsgesetz festgelegten Anteil an der Geldleistung) - Liechtenstein erhält unabhängig von der Höhe der durch das Abkommen vereinnahmten Gelder für die Hilfestellung bei der „Erhebung“ der Einmalzahlung lediglich einen nicht unbeträchtlichen einmaligen Fixbetrag. Die „Erhebung“ der Einmalzahlung ist daher den österreichischen Gebietskörperschaften (konkret den Abgabenbehörden des Bundes) und nicht den liechtensteinischen Behörden zuzurechnen.

Nach Auffassung des BFG sind somit alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 BAO erfüllt und deshalb die Anwendbarkeit der BAO im Nachsichtsverfahren zu bejahen.

Bezüglich der in Art. 14 Abs. 3 des Abkommens normierten Zuständigkeit der österreichischen Abgabenbehörden im Erstattungsverfahren wird angemerkt, dass dieses Verfahren eine (nachträgliche) Offenlegung der unversteuert gebliebenen Vermögenswerte durch den jeweiligen Steuerpflichtigen gegenüber den österreichischen Abgabenbehörden erfordert. Dadurch bedürfen die österreichischen Abgabenbehörden im Erstattungsverfahren im Unterschied zum Verfahren betreffend Erhebung der Abgeltungssteuer nicht der Mitwirkung ausländischer Zahlstellen und Behörden. Aus der Sicht des BFG kann deshalb aus der im Abkommen normierten Zuständigkeit der österreichischen Abgabenbehörden für das Erstattungsverfahren nicht zwingend der Schluss gezogen werden, die BAO sei nur im Erstattungsverfahren, nicht aber in sonstigen Angelegenheiten der Abgeltungssteuer anzuwenden. Nach Auffassung des BFG dient Art. 14 Abs. 3 des Abkommens vielmehr der Klarstellung, dass das bei der Einmalzahlung im Abkommen aufgrund ihrer Ausgestaltung als pauschale anonyme Zahlung vorgesehene besondere Offenlegungs- und Einhebungsprozedere im Erstattungsverfahren nicht zur Anwendung kommt.

Die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein.

Der Bf. erachtet das Behalten der nachzusehenden Abgeltungssteuer primär wegen einer im Beschwerdefall ausnahmsweise vorliegenden, vom Gesetzgeber objektiv ungewollten, faktischen Doppelbesteuerung als sachlich unbillig. So würde der der Einmalzahlung zugrunde liegende Kapitalsaldo vollumfänglich aus in Österreich deklarierten und versteuerten nichtselbständigen Einkünfte stammen. Durch die Abgeltungssteuer komme es zu einer nochmaligen Versteuerung dieser Einkünfte, trotz des Umstands, dass Art. 8 des Abkommens ausdrücklich eine "Nachversteuerung" von bisher unversteuerten Einkünften zum Ziel habe. Zudem solle das Abkommen gemäß seinem Art. 1 Abs. 1 die effektive Besteuerung der betroffenen Personen in der Republik Österreich sicherstellen. Eine faktische Doppelbesteuerung würde aber über das Ziel einer effektiven Besteuerung hinausschießen. Auch müsse dieses Ergebnis im Beschwerdefall angesichts der wesentlichen Höhe der Einmalzahlung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Prinzips der Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit als kritisch angesehen werden.

Sachlich unbillig sei das Behalten der nachzusehenden Abgeltungssteuer im Beschwerdefall überdies deshalb, weil die in Liechtenstein ansässige Bank den Bf. fälschlicherweise dahingehend informiert habe, dass wegen seines Wohnsitzes in der Schweiz keine freiwillige Meldung seiner Kontodaten erforderlich sei. Ohne diese unrichtige Information hätte er seine Bank jedenfalls zeitgerecht zur Offenlegung seiner Kontodaten ermächtigt.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (; ; , , 0265). Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt, für deren Hintanhaltung der Gesetzgeber selbst hätte Vorsorge treffen müssen. Ist die Abgabeneinhebung im Einzelfall aber nicht bloße Auswirkung oder Folge des ordnungsgemäßen Vollzuges genereller Abgabennormen, so kann dies Anlassfall für eine Abgabennachsicht auf Grund sachlicher Unbilligkeit sein.

§ 236 BAO eröffnet somit die Möglichkeit, eine in Folge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene, besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, im Nachsichtsweg zu mildern ().

Die Einmalzahlung löst in aller Regel deshalb eine erheblich höhere Besteuerung als die freiwillige Meldung aus, weil dadurch einerseits nicht nur die in Liechtenstein bis einschließlich erwirtschafteten Kapitaleinkünfte abgegolten werden, sondern auch allfällige unversteuert gebliebene, diesen Kapitaleinkünften zugrundeliegenden Vermögenswerte. Darüber hinaus soll die Einmalzahlung auch den Vorteil der Anonymität abgelten. Ob das Vermögen auf dem Konto der liechtensteinischen Bank tatsächlich aus versteuerten oder nicht versteuerten Einkünften ("Schwarzgeld") stammt, ist somit für die Entstehung des Anspruchs auf Einmalzahlung ebenso irrelevant, wie die nachträgliche Offenlegung der in Liechtenstein erzielten Zinserträge gegenüber den österreichischen Abgabenbehörden im Rahmen des Erstattungsverfahrens.

Die Vorschreibung und Einbehaltung der Einmalzahlung in Höhe von 2.322,00 Euro war ausschließlich Folge des Umstands, dass der in Österreich unstrittig unbeschränkt steuerpflichtige Bf. die ihm von der in Liechtenstein ansässigen Bank auf seinem Gehaltskonto verbuchten Zinserträge nicht in seinen Abgabenerklärungen deklariert hat und überdies nicht bis spätestens dieses Bankinstitut ermächtigt hat, diese Erträge samt der Kontodaten (Kontonummer, Kontostände, etc., siehe dazu Art. 10 Abs. 2 des Abkommens) den österreichischen Behörden gegenüber offenzulegen (sog. freiwillige Meldung). Hätte der Bf. der Offenlegung seiner Kontendaten bzw. seiner in Liechtenstein erzielten Zinserträge fristgerecht zugestimmt, wäre keine Festsetzung der Einmalzahlung erfolgt. Kausal für die Entstehung des nachzusehenden Abgabenanspruchs war somit kein vom Abkommensgesetzgeber nicht vorhersehbarer außergewöhnlicher Geschehensablauf, sondern vielmehr das Verhalten des Bf. Dabei ist auch unmaßgeblich, dass die Offenlegung der Zinserträge nicht absichtlich, sondern nur irrtümlich aufgrund der unrichtigen Bankauskunft nicht bis zum erfolgt ist. Denn abgesehen davon, dass Handlungen eines Vertragspartners des Bf. dessen Sphäre zuzurechnen sind, stellt das Abkommen nicht auf den Beweggrund ab, weshalb sich eine vom Abkommen betroffene Person gegen eine freiwillige Offenlegung ihrer Vermögenswerte bis zum entscheidet. Vielmehr hat der Abkommensgesetzgeber vorgesehen, dass derjenige, der - aus welchen Gründen auch immer - die Anonymität wahrende Variante gewählt hat, die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen in Kauf zu nehmen hat, zumal eine Besteuerung nach den tatsächlichen Verhältnissen im Inland zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Einmalzahlung mangels Offenlegung nicht möglich war.

Das BFG kommt daher zum Ergebnis, dass das Behalten der nachzusehenden Abgeltungssteuer nicht als sachlich unbillig zu werten ist.

Das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit wurde nicht behauptet und ist, da im Nachsichtsverfahren das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber liegt, auch nicht zu prüfen (siehe dazu z.B. ; ).

Da aus den dargestellten Gründen keine sachliche Unbilligkeit vorliegt und es damit schon an der Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 236 BAO fehlt, hat aus Anlass dieses Erkenntnisses eine Ermessensentscheidung über das Nachsichtsgesuch nicht mehr zu erfolgen. Das Nachsichtsgesuch war vielmehr schon aus Rechtsgründen abzuweisen und der vorliegenden Beschwerde deshalb spruchgemäß keine Folge zu geben.

III. Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung, ob das Behalten der gemäß Art. 8 des Abkommens zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich über die Zusammenarbeit im Bereich der Steuern erhobene Einmalzahlung (Abgeltungssteuer) in Höhe von 2.322,00 Euro sachlich unbillig iSd § 236 BAO ist, folgt das BFG der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wurden daher nicht berührt, weshalb eine (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 49 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 49 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 240 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 240 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 1 FAG 2008, Finanzausgleichsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 103/2007
Art. 1 Abs. 1 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 1 Abs. 2 lit. a Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 2 Abs. 1 lit. f Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 2 Abs. 1 lit. h Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 3 Abs. 2 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 4 Abs. 1 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 5 Abs. 1 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 5 Abs. 3 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 8 Abs. 2 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 8 Abs. 3 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 8 Abs. 6 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 8 Abs. 7 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 10 Abs. 1 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
Art. 14 Abs. 3 Zusammenarbeit im Bereich der Steuern (Liechtenstein), BGBl. III Nr. 301/2013
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100391.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at