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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.11.2019, RV/1200043/2017

Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer bei anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0013. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache X. GmbH, Adresse, vertreten durch Z., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Feldkirch Wolfurt vom , Zahl*, betreffend Einfuhrumsatzsteuer und Verzugszinsen zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom , Zahl*, teilte das Zollamt der X. GmbH (Beschwerdeführerin - Bf.) zu im Bescheid angeführten Zollanmeldungen aus dem Zeitraum Mai 2010 bis April 2011 die buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer und Verzugszinsen mit.
Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 iVm. 7 UStG 1984 seien nicht erfüllt. Die in der Slowakei ansässige Empfängerfirma sei für die dortigen Steuerbehörden nicht mehr auffindbar gewesen. Sie habe zwar Steuererklärungen betreffend innergemeinschaftlicher Erwerbe und Lieferungen aber keine Zusammenfassenden Meldungen abgegeben. Dies lasse für das Zollamt den Schluss zu, dass sich die Empfängerfirma an einem Mehrwertsteuerbetrug beteiligt habe. Der EuGH habe in seinem Urteil vom , Rs C-131/13 ausgesprochen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug, Mehrwertsteuerbefreiung oder -Erstattung versagt werden müsse, wenn anhand objektiver Umstände nachgewiesen sei, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz an einer im Rahmen der Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt habe.
Weiters seien gemäß Art. 114 UZK Verzugszinsen vorzuschreiben.

In der gegen den Bescheid eingebrachten Beschwerde wandte die Bf. ein, aus den vorgelegten Unterlagen erweise sich zweifelsfrei, dass die Waren unmittelbar nach der Einfuhr in Österreich in die Slowakei transportiert und dort von der Fa. C. s.r.o. übernommen worden seien. Die UID-Nr. der Fa. C. s.r.o. sei im fraglichen Zeitraum gültig gewesen. Dass sie auch unternehmerisch tätig gewesen sei, habe die slowakische Zollverwaltung bestätigt. Die Bf. habe die Abfertigungen über Auftrag der T. AG Schweiz durchgeführt.
Die slowakischen Behörden hätten bestätigt, dass die Fa. C. s.r.o. innergemeinschaftliche Erwerbe in der Slowakei erklärt habe. Die Fa. C. s.r.o. habe ihre geschäftlichen Tätigkeiten im Jahr 2013 eingestellt, sodaß es nicht verwunderlich sei, dass die slowakische Finanzverwaltung die Firma an ihrem früheren Firmensitz nicht mehr aufgefunden habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl**, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Unter Berufung auf das VwGH Erkenntnis vom , Ra 2016/16/0059, führte das Zollamt aus, dass das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung dann zu versagen sei, wenn auf Grund objektiver Umstände nachgewiesen sei, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteilige. Es sei auch nicht ungewöhnlich, wenn Steuererklärungen und Zusammenfassende Meldungen abgegeben und Scheinkäufer angegeben werden, um die Ermittlung der tatsächlichen Käufer über das MIAS zu verhindern. Die Bf. habe zwar innergemeinschaftliche Erwerbe und Lieferungen erklärt, jedoch infolge der Nichtabgabe von Zusammenfassenden Meldungen verheimlicht, an wen diese durchgeführt worden sind, sodass sie sich dadurch an einer Hinterziehung beteiligt habe.

Dagegen richtet sich der mit Schriftsatz vom eingebrachte Vorlageantrag.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt:
Die Bf., ein Speditionsunternehmen, beantragte im Zeitraum Mai 2010 bis April 2011 unter Verwendung ihrer in Österreich erteilten Sonder-UID als indirekte Vertreterin der Warenempfängerin, der Fa. C. s.r.o. in Bratislava, Slowakei, die Überführung von Parfumwaren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 42). Die Zollanmeldungen wurden wie angemeldet angenommen und die Waren überlassen. Die Einfuhrumsatzsteuer wurde zunächst nicht festgesetzt.
Als Versender/Ausführer (Feld 2) wurde jeweils die B., AdrB., erklärt.
Sämtliche Aufträge zur Vornahme der Einfuhrformalitäten erhielt die Bf. von der T. AG Schweiz, von der sie auch die erforderlichen Informationen und Dokumente, die slowakische UID-Nr. der C. s.r.o., sowie die Rechnungen der B. Ltd. und die Versandbegleitdokumente erhielt. CMR Frachtbriefe wurden vorgelegt.

Am richtete das Zollamt ein Amtshilfeersuchen an die Steuerbehörden in der Slowakei betreffend der Warenempfängerin Fa. C. s.r.o.
Am teilten diese mit, dass es ihnen nicht gelungen sei, mit dieser Firma Kontakt aufzunehmen, da diese mit den Steuerbehörden nicht kooperiere. An der Firmenadresse konnte sie nicht lokalisiert werden; sie verfüge lediglich über einen virtuellen Sitz, sei ein unerreichbarer Steuerzahler. Sie habe innergemeinschaftliche Erwerbe, u. a. von der Bf. und sehr niedrige Steuerverbindlichkeiten erklärt, im 1. Quartal 2010 Mehrwertsteuererstattungen beantragt, aber keine Zusammenfassenden Meldungen abgegeben.

Aufgrund eines Nachtragsersuchens teilten die slowakischen Behörden am mit, dass eine Überprüfung der steuerlichen Transaktionen bereits am stattgefunden habe, die C. s.r.o. mit den Behörden jedoch nicht kommuniziert habe. Ob die Geschäfte wie erklärt stattgefunden haben, konnte durch mangelnde Kommunikation nicht überprüft werden. Die Fa. C. s.r.o. wurde am beendet und am von amtswegen gelöscht. Am wurde sie aus dem Umsatzsteuerregister gelöscht. Die letzte Steuererklärung wurde für September 2011 abgegeben. Ob die Handelsgeschäfte tatsächlich stattgefunden haben, könne der Steuerbeamte nicht bestätigen.


Rechtliche Erwägungen:

Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle durch das Abgabenänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, lautet:

"(3) Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder im Anschluß an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt."

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, wurde dem Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 für Einfuhren, welche nach dem erfolgen, folgender Unterabsatz angefügt:

"Weiters ist Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr den Zollbehörden die unter lit. a und b genannten Angaben zukommen lässt und den unter lit. c genannten Nachweis erbringt:

a) seine im Inland erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Steuervertreters;

b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers im Falle der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. 7 Abs. 1 oder seine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Falle des der Lieferung gleichgestellten Verbringens nach Art. 7 Abs. 2;

c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, vom Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet zu werden."

Art. 7 UStG 1994 lautet auszugsweise:

"Art. 7. (1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) ... oder

c) ...

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gelten auch

1. das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes (Art. 3 Abs. 1 Z 1)

(3). Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtige Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. In Abholfällen hat der Unternehmer die Identität des Abholenden festzuhalten.

§ 26 Abs. 1 erster Satz UStG 1994 in der bis zum geltenden Fassung lautet:

"§ 26. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den aktiven Veredlungsverkehr nach dem Verfahren der Zollrückvergütung und über den passiven Veredlungsverkehr."

Die Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (BMR) beruht auf der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABlEU Nr. L 347 vom (im Folgenden: MwSt-RL).

Im Titel IX "Steuerbefreiungen" der MwSt-RL lautet unter Kapitel 1 "Allgemeine Bestimmungen" der Art. 131:

"Artikel 131

Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen."

Im Kapitel 4 "Steuerbefreiungen bei innergemeinschaftlichen Umsätzen" des Titels IX der MwSt-RL lautet Art. 138 Abs. 1:

"Artikel 138

(1) Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt."

Artikel 143 MwSt-RL lautet auszugsweise:

"Artikel 143

Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

...

d) die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Art. 201 als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 befreit ist;"

Art. 221 Abs. 3 und 4 der hier noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. 302 vom in der bis zum geltenden Fassung (Zollkodex - ZK) lautet:

"(3) Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.

(4) Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Absatz 3 erfolgen."

§ 74 Abs. 2 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle durch das Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, lautet:

"(2) Die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- oder Ausgangsabgaben beträgt zehn Jahre, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde."

Rechtliche Erwägungen und Beweiswürdigung:

Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 sieht die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhr von Gegenständen vor, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung einer (steuerfreien) innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet werden, wobei die Befreiung nur anzuwenden ist, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, anschließend die innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.

Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer setzt somit voraus, dass auf die Einfuhr eine innergemeinschaftliche Lieferung folgt, die gemäß Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 steuerfrei ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands nur dann anwendbar, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über diesen Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, wenn der Lieferer nachweist, dass der fragliche Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist, und wenn der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat.

Die von der Beschwerde umfassten Einfuhren erfolgten im Zeitraum Mai 2010 bis April 2011, die Einfuhrumsatzsteuerschuld wurde mit Bescheid vom mitgeteilt, so dass zu prüfen ist, ob im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits Verjährung eingetreten ist.

Bei den in Art. 221 Abs. 3 und 4 ZK vorgesehenen Verjährungsfristen handelt es sich um materiellrechtliche Vorschriften (vgl. , ). Daraus folgt, dass eine Zollschuld den zum Zeitpunkt ihrer Entstehung geltenden Verjährungsregeln unterliegt, selbst wenn das Verfahren zur Erhebung der Schuld erst nach dem Inkrafttreten anderer oder geänderter Verjährungsregeln eingeleitet wurde.

Mit Ablauf der in Art. 221 Abs. 3 ZK vorgesehenen Frist von drei Jahren verjährt (vorbehaltlich der in Abs. 4 vorgesehenen Ausnahmen) der Anspruch auf Entrichtung der Zollschuld.
Gem. § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG 1994 sind die Verjährungsbestimmungen des Zollkodex auch auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden.

Das bedeutet, dass im Falle des Nichterfüllens der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, die Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 204 Abs. 2 ZK jeweils im Zeitpunkt der Überführung in das Zollverfahren entstanden ist und die Verjährungsfristen zu den jeweiligen Zeitpunkten zu laufen begonnen haben.
Die Mitteilung über die buchmäßige Erfassung der auf die einzelnen Einfuhren entfallenden Einfuhrumsatzsteuer wurde daher erst nach Ablauf der in Art. 221 Abs. 3 ZK vorgesehenen Dreijahresfrist erlassen.

Art. 221 Abs. 4 ZK iVm § 74 Abs. 3 ZollR-DG sieht eine zehnjährige Verjährungsfrist vor, wenn eine Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben vorliegt und im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.

"Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Das Vorliegen der maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände ist darzulegen. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. ebenso )."

"Die Feststellung der strafbaren Handlung obliegt den Zollbehörden. Es ist insoweit weder die Einleitung eines Strafverfahrens noch eine Verurteilung erforderlich (vgl. ). Die strafbare Handlung muss auch nicht von der zur Zahlung in Anspruch genommenen Person begangen worden sein (vgl. )."

Das Zollamt begründet das vorsätzliche Handeln der Warenempfängerin im Bescheid vom damit, diese sei für die slowakischen Behörden nicht auffindbar gewesen und habe keine Zusammenfassenden Meldungen abgegeben. Für das Zollamt sei es daher erwiesen, dass die Steuerpflichtige bzw. ihre Verantwortlichen wussten, dass sie sich an einer Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt haben, was zum Verlust des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung führe. Diese Versagung betreffe zunächst die (nicht auffindbare) Empfängerin; gem. § 71a ZollR-DG war daher auch die Anmelderin in Anspruch zu nehmen.

In der Beschwerdevorentscheidung führte das Zollamt ergänzend aus, dass die Empfängerin zwar innergemeinschaftliche Erwerbe und Lieferungen erklärt, jedoch in Folge der Nichtabgabe der Zusammenfassenden Meldungen verheimlicht habe, an wen diese durchgeführt wurden, sodass sie sich dadurch an einer Hinterziehung beteiligt habe.
Dass die slowakische Finanzverwaltung erst 2015 Prüfungsmaßnahmen gesetzt habe, lasse sich aus deren Antwort nicht entnehmen. Die UID-Nr. sei erstmals 2011 bzw. 2013 begrenzt worden, so dass "sie bereits damals Feststellungen getroffen haben müsse und lediglich die Beantwortung des Ersuchens außergewöhnlich lange dauerte".

In der Antwort auf das Ergänzungsersuchen teilten die slowakischen Behörden mit, dass sie die Überprüfung der steuerpflichtigen Transaktionen bereits am geführt habe. Die Daten seien dem System entnommen worden, da C. sro nicht mit den Steuerbehörden kommuniziert habe. Nach Ansicht des Steuerprüfers handle es sich bei der erklärten Firmenadresse lediglich um eine virtuelle Adresse. Dass die erklärten Erwerbe tatsächlich stattgefunden haben, konnte seitens der Steuerbehörden nicht bestätigt werden.

Alleine die mangelnde Kooperation mit den slowakischen Behörden (im Jahr 2011) genügt nicht, dieses Verhalten bereits als Beweis für betrügerisches Handeln und der Absicht, Einfuhrumsatzsteuer in Österreich (in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Sendungen) zu werten.

Dass es sich bei der in den Rechnungen ausgewiesenen Anschrift um eine "virtual residence" gehandelt haben soll, ohne dass die slowakischen Behörden diesen Begriff erläutert bzw. dargelegt haben, was sie darunter verstehen, lässt die Schlussfolgerung des Zollamtes, die C. s.r.o. sei an einer Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt gewesen, nicht zu. Für die Frage der Unternehmereigenschaft einer Gesellschaft kommt es nicht darauf an, von welchem Ort aus sie ihre Leistungen erbracht hat (VwGH Ra 2017/15/0003).
Konkrete Feststellungen darüber, ob die C. s.r.o zur Zeit der innergemeinschaftlichen Erwerbe an ihrem Firmensitz erreichbar war, fehlen.

Durch die Nichtabgabe Zusammenfassender Meldungen bezogen auf die der Einfuhr nachfolgenden Lieferungen kann nach Ansicht des Gerichts nicht auch auf die Hinterziehungsabsicht zum Zeitpunkt der vorangegangenen Einfuhr geschlossen werden. Diesbezügliche Beweismittel wurden nicht vorgelegt; s auch . Aus diesem Grund kann eine Hinterziehungsabsicht auf der hier zu berücksichtigenden Umsatzstufe nicht erkannt werden.

Nachvollziehbare Feststellungen, dass die C. s.r.o. in Österreich die Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen hat, indem sie nicht stattgefundene, innergemeinschaftliche Lieferungen vortäuschte, sind dem Zollamtsakt nicht zu entnehmen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im gegenständlichen Fall zu beurteilenden Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung des EuGH und des VwGH geklärt. Tatsachenfeststellungen sind grundsätzlich einer Revision nicht zugänglich. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.

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Materie
Zoll
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1200043.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
UAAAC-22719