Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.10.2019, RV/7104240/2016

Aufhebung der Aussetzung der Einhebung von Glücksspielabgaben, Erfolgsaussichten der Beschwerde gegen die Grundlagenbescheide

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden V, den Richter Ri und die weiteren Senatsmitglieder Beisitzer1 und Beisitzer2 in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., vertreten durch Foissner & Foissner Stb GmbH & Co KG, Salzburger Straße 267, 4030 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , St.Nr. ****, betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Abwesenheit der Beschwerdeführerin, in Anwesenheit ihres steuerlichen Vertreters, des Amtsvertreters sowie der Schriftführerin A.B. in der Sitzung vom zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Am brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf. genannt) Beschwerde gemäß § 243 BAO betreffend die Bescheide über die Festsetzung
von Glücksspielabgabe für die Monate März 2014 - Juli 2015 und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO folgender Abgaben:

Glücksspielabgabe  3/2014 in Höhe von € 21.824,97
Glücksspielabgabe  4/2014 in Höhe von € 20.643‚93
Glücksspielabgabe  5/2014 in Höhe von € 19.544‚77
Glücksspielabgabe  6/2014 in Höhe von € 16.320,20
Glücksspielabgabe  7/2014 in Höhe von € 16.355,03
Glücksspielabgabe  8/2014 in Höhe von € 18.027,27
Glücksspielabgabe  9/2014 in Höhe von € 17.690,53
Glücksspielabgabe 10/2014 in Höhe von € 18.761,53
Glücksspielabgabe 11/2014 in Höhe von € 18.365‚33
Glücksspielabgabe 12/2014 in Höhe von € 20.191,10
Glücksspielabgabe 1/2015 in Höhe von € 19.416,13
Glücksspielabgabe 2/2015 in Höhe von € 16.783,30
Glücksspielabgabe 3/2015 in Höhe von € 18.102,97
Glücksspielabgabe 4/2015 in Höhe von € 17.701,70
Glücksspielabgabe 5/2015 in Höhe von € 18.459,67
Glücksspielabgabe 6/2015 in Höhe von € 16.670,40
Glücksspielabgabe 7/2015 in Höhe von € 17.032,23
Säumniszuschlag A  3/2014 in Höhe von € 511,06
Säumniszuschlag A  4/2014 in Höhe von € 478,12
Säumniszuschlag A  5/2014 in Höhe von € 451,19
Säumniszuschlag A  6/2014 in Höhe von € 377,34
Säumniszuschlag A  7/2014 in Höhe von € 379,31
Säumniszuschlag A  8/2014 in Höhe von € 416,79
Säumniszuschlag A  9/2014 in Höhe von € 408,81
Säumniszuschlag A 10/2014 in Höhe von € 434,76
Säumniszuschlag A 11/2014 in Höhe von € 424,33
Säumniszuschlag A 12/2014 in Höhe von € 462,59
Säumniszuschlag A  1/2015 in Höhe von € 446,95
Säumniszuschlag A  2/2015 in Höhe von € 388,54
Säumniszuschlag A  3/2015 in Höhe von € 415,09
Säumniszuschlag A  4/2015 in Höhe von € 407,97
Säumniszuschlag A  5/2015 in Höhe von € 421,77
Säumniszuschlag A  6/2015 in Höhe von € 384,67
Säumniszuschlag A  7/2015 in Höhe von € 391,05

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Mit Bescheid vom bewilligte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern  und Glücksspiel die Aussetzung der Einhebung folgender Abgaben bis zur Erledigung der Bescheidbeschwerde betreffend die zugrundliegenden angefochtenen Bescheide:


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Abgabe
Fälligkeit
Betrag in Euro
Glückspielabgabe 03/2014
25.553,07
Glückspielabgabe 04/2014
23.906,13
Glückspielabgabe 05/2014
22.559,47
Glückspielabgabe 06/2014
18.867,20
Glückspielabgabe 07/2014
18.956,33
Glückspielabgabe 08/2014
20.839,47
Glückspielabgabe 09/2014
20.440,53
Glückspielabgabe 10/2014
21.738,13
Glückspielabgabe 11/2014
21.216,53
Glückspielabgabe 12/2014
23.129,60
Glückspielabgabe 01/2015
22.347,73
Glückspielabgabe 02/2015
19.427,20
Glückspielabgabe 03/2015
20.754,67
Glückspielabgabe 04/2015
20.398,40
Glückspielabgabe 05/2015
21.088,27
Glückspielabgabe 06/2015
19.233,60
Glückspielabgabe 07/2015
19.552,53
Säumniszuschlag 1    2014
511,06
Säumniszuschlag 1    2014
478,12
Säumniszuschlag 1    2014
451,19
Säumniszuschlag 1    2014
377,34
Säumniszuschlag 1    2014
379,31
Säumniszuschlag 1    2014
416,79
Säumniszuschlag 1    2014
408,81
Säumniszuschlag 1    2014
434,76
Säumniszuschlag 1    2014
424,93
Säumniszuschlag 1    2015
462,59
Säumniszuschlag 1    2015
446,95
Säumniszuschlag 1    2015
388,54
Säumniszuschlag 1    2015
415,09
Säumniszuschlag 1    2015
407,97
Säumniszuschlag 1    2015
421,77
Säumniszuschlag 1    2015
384,67
Säumniszuschlag 1    2015
391,05

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Mit Bescheid vom hob das Finanzamt diesen Bescheid vom über die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO gemäß § 299 BAO auf.

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Mit weiterem Bescheid vom  über die Abweisung eines Aussetzungsantrages wurde der Antrag der Bf. vom um Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO abgewiesen.

Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:
"Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder
mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des
Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit-auszusetzen, als eine Nachforderung
unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.
Gemäß § 212a Abs. 2 lit. a BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint. Gemäß § 212a Abs. 2 lit. b BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht. Die Aussetzung kommt höchstens insoweit in Betracht, als der Bescheid eine Nachforderung zur Folge hat (; ). Der Begriff "Nachforderung" entspricht jenem des § 198 Abs. 2 BAO. Dementsprechend ist in Höhe der in den Monaten 03/2014 bis 07/2015 jeweils selbstberechneten Glücksspielabgabe keine Aussetzung der Einhebung möglich.
Im Übrigen war die beantragte Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Abs. 2 lit. a BAO nicht zu bewilligen, da aufgrund der ständigen Rechtsprechung und dem klaren Wortlaut des Gesetzes (§ 1 Abs. 2 GSpG, § 57 Abs. 1 GSpG) die anhängige Beschwerde gegen die Bescheide über die Festsetzung der Glücksspielabgabe für die Monate 03/2014 bis 07/2015 nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint.
Hierbei wird auf die ständige Rechtsprechung des UFS (nunmehr BFG) und des BFG (UFS Wien vom , RV/1666-W/O6, RV/1665-W/06, RV/1338-W/05, RV/0031-W/02 RV/1669-W/06, RV/1668-W/06, RV/1667-W/06, RV/1664-W/06, RV/1663-W/06; UFS Wien vom , RV/0421-W/02; UFS Wien vom , RV/0369-W/02‚ RV/OO36-W/02; UFS Innsbruck vom , RV/0499-I/10; UFS Innsbruck vom , RV/0500-I/10; UFS Wien vom , RV/O743-W/11; UFS Graz vom , RV/0744-G/11; ; ; ) sowie auf die Rechtsprechung des , vom , B 58-62/2014 und vom , E 293/2015 verwiesen.
Das Bundesfinanzgericht führt in seinem Erkenntnis vom , RV/7103332/2011 aus:
„Durch die Glücksspielgesetznovelle 2008 wurde die Besteuerung von bestimmten Glücksspielen mit Rechtsgeschäftsgebühren aus dem Gebührengesetz herausgenommen und transformiert zu den Glücksspielabgaben in das Glücksspielgesetz § 57 GSpG bis § 59 GSpG eingestellt. Wie gezeigt werden konnte, handelt es sich bei den §§ 57 ff GSpG um die Nachfolgebestimmungen zu § 33 TP 17 Abs. 1 Z 7 und Z 8 GebG, weswegen viele steuerlichen Grundsätze übertragen werden können. Man kann durchaus sagen, bei den Glücksspielabgaben handelt es sich um eine Art Rechtsgebühren bzw. um eine Rechtsverkehrsteuer (vgl. ).“
Die zur Gewinnstgebühr gem. § 33 TP 17 GebG ergangene Rechtsprechung ist daher auch auf die verfahrensgegenständliche Glücksspielabgabe anzuwenden.
In der Abgabeneinhebung ist auch kein Eingriff in verfassungsgesetzlich geschützte Rechte zu erkennen, weil es der Abgabepflichtige in der Hand hat, die Vorkehrungen für die Entrichtung der Abgabenschuld zu treffen ( und vom , B 58-62/2014).
Weiters führt der aus: „Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 2 GSpG, sowie der Bestimmungen über die Glücksspielabgaben in den §§ 57 bis 59 GSpG behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht
wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich
erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Es liegt grundsätzlich im
rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn er das Pokerspiel dem Regime des Glücksspielgesetzes unterwirft (vgl. VfSlg. 19.767 /2013). Auch die Ausgestaltung der Glücksspielabgabe nach § 57 GSpG überschreitet nicht den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. VfSlg. 10.001/1984, 10.365/1985, 11.143/1986, 11.615/1988 uva.; vgl. auch VfSlg. 15.432/1999, 16.585/2002, 16.740/2002, 16.923/2003).“
Im Abschluss wird auf das VwGH Erkenntnis vom , 2011/17/0114, zur
Kriegsopferabgabe, deren Bemessungsgrundlage sich mit jener der Glücksspielabgabe
weitgehend deckt, verwiesen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass der VwGH in der
Entscheidung über die anhängige Revision zur Glücksspielabgabe von seiner bisherigen
Judikaturlinie abweichen wird."

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Gegen diesen Bescheid vom über die Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO richtet sich die frist- und formgerechte Beschwerde vom , mit welcher unrichtige rechtliche Beurteilung eingewendet wird. 

Zur Begründung wird in der Beschwerde wie folgt ausgeführt:

„1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine in Österreich ansässige Person mit Wohnsitz in XY die einen frei gewerblichen Pokerclub betrieben hat. Am Standort der Beschwerdeführerin wurden ausschließlich Pokerspiele im Lebendspiel ohne Bankhalter in Form von Pokertournieren und Cash Games durchgeführt, wobei sich die Dienstleistung der Beschwerdeführerin sich auf die entgeltliche Bereitstellung von Karten und Tischen in den Räumen der Beschwerdeführerin erstreckt. Fraglich in diesem Zusammenhang ist, ob es sich dabei um eine verfassungskonforme Besteuerung des zu gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit (Art 6 StGG) handelt.

2. Poker als Glücksspiel Zeitraum 3/2014 - 7/2015

2.1. Auffassung der Finanzverwaltung

Die Festsetzung der in den Bescheiden angeführten Glücksspielabgaben für Pokerausspielungen wird unter Verweis auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO vom anlässlich der zur Grunde liegenden Außenprüfung bei der Beschwerdeführerin begründet.

In der Rechtslage ab ist das Wort “Poker“ explizit in ä 1 Abs. 2 GSpG aufgenommen worden, wodurch sich die Frage, ob ein Glücksspiel oder ein Geschicklichkeitsspiel vorliegt nicht mehr von Relevanz sei, wobei der VfGH in seiner Rechtsprechung vom , G 26/2013 ua. die Normierung von Poker als Glücksspiel als verfassungskonform eingestuft habe. Glücksspiele iSd § 1 Abs. 1 GSpG unterliegen einer Glücksspielabgabe von 16% Einsatz.

Weiters wir festgehalten, dass sich in den Monaten 3/2014 bis 7/2015 keine „Nachforderung“ ergeben hätten, gegen die eine Aussetzung der Einhebung möglich sei.

2.2. Auffassung der Beschwerdeführerin

Es ist festzuhalten, dass sich gemäß Betriebsprüfungsbericht vom entsprechende Nachforderungen ergeben, die einer Aussetzung zugänglich sind.

Wie bereits in der zu Grunde liegenden Bescheidbeschwerde vom dargelegt, vertritt die Beschwerdeführerin, folgende Rechtsansicht hinsichtlich der Zulässigkeit der in ihren Räumlichkeiten durchgeführten Pokerausspielungen auf Basis des vorliegenden Gewerbescheines und der glücksspielabgabenrechtlichen Konsequenzen:

2.2.1. Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit (Art 6 StGG)

Durch Art 6 StGG ist die Erwerbsfreiheit garantiert. Geschützt ist jede auf wirtschaftlichen Erwerb gerichtete Tätigkeit. Das Halten von Poker ohne Bankhalter — ebenso wie das Vermitteln von Glücksspiel für andere Wirtschaftsteilnehmer — fällt daher in den Schutzbereich des Grundrechts. Auf Art 6 StGG können sich österreichische Staatsbürger und juristische Personen mit Sitz im Inland berufen, somit auch Unternehmer mit Sitz in Österreich oder österreichische Vermittler von (in- oder ausländischen) Unternehmern.

Nach der Rsp des Verfassungsgerichtshofs schützt Art 6 StGG nur vor intentionalen Eingriffen in die Erwerbsfreiheit, nicht jedoch vor Maßnahmen mit anderer Zielsetzung, die als faktische Nebenwirkung eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Folge haben.2 Die Normierung von Steuern hat offenkundig vor allem fiskalische Gründe; eine dadurch bewirkte Beschränkung der Erwerbstätigkeit wäre insofern nur eine faktische Be- bzw. Verhinderung einer Erwerbstätigkeit.

Eingriffe in die Erwerbsfreiheit sind jedoch nur zulässig, wenn diese im öffentlichen Interesse geboten sind, zur Verwirklichung dieses öffentlichen Interesses geeignet und adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist - dh, wenn der Eingriff verhältnismäßig ist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer beschränkenden Maßnahme ist auch zu prüfen, ob Alternativen bestehen, die den angestrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrecht weniger einschränkenden, Weise erreichen lassen. Im Erkenntnis VfSlg 9750 und in jenem vom (B533/11) sah der VfGH das Ziel der Eindämmung des Glücksspiels als im öffentlichen Interesse liegend und die geprüfte Besteuerung als sachlich gerechtfertigt an, jedoch nur dann und insoweit als das Vorliegen einer exzessiven, das Wesen dieser Grundrechte beeinträchtigenden Regelung nicht vorliegt. Dies ist jedoch vorliegend der Fall, da die Besteuerung gemäß § 57 Abs. 1 GSpG bei Rechtmäßigkeit der Besteuerung in dieser Form sämtliche nicht konzessionierte Unternehmer die Pokerausspielungen durchführen insbesondere den Erwerbszweig der freien gewerblichen Unternehmer mit Inkrafttreten der Bestimmung mit schlagartig und ohne Möglichkeit der Tätigkeitsausübung ausschalten würde.

Die hier geprüften Umstände - höhere Besteuerung von (aufgrund des Unionsrechts den Konzessionären gleichgestellten) Nicht-Konzessionären im Vergleich zu Konzessionären zum Zweck der Zurückdrängung des Glücksspiels - stellen sich allerdings als unverhältnismäßig dar:

Die Unverhältnismäßigkeit des § 57 Abs. 1 GSpG idF der GSpG - Novelle 2010 ist insbesondere daraus zu erblicken, dass die Besteuerung nicht vom tatsächlichen Betriebsumsatz des Unternehmens, sondern von der Höhe der Einsätze der Pokerspieler erhoben wird.

a. Exzessive Besteuerung

Der Beschwerdeführerin ist es nicht möglich eine höhere Steuerlast an Glücksspielabgabe zu tragen als den Rohertrag den sie erwirtschaftet (vgl. in den Betriebsprüfung vorgelegten Aufstellungen im zu Grunde liegenden Prüfungszeitraum). Kein Unternehmer kann eine Erwerbstätigkeit ausführen, bei der die Glücksspielabgabenbelastung — ohne Berücksichtigung weiterer Steuern höher ist, als der Rohertrag, mit dem er seine laufenden Aufwendungen (Miete, Personal, etc.) zu bestreiten hat. Dies kommt die Belastung der Pokerausspielungen mit Glücksspielabgaben iSd § 57 Abs. 1 GSpG einer Erdrosselungsbesteuerung gleich, das de facto einem Berufsverbot gleichkommt. Vergleicht man die festgesetzte Abgabenschuld mit dem Einnahmen der Beschwerdeführerin wird augenscheinlich, dass es sich um keine bloß die Rentabilität der Tätigkeit schmälernde Belastung geht, sondern die Erwerbstätigkeit vollständig unterbindet.

Aufgrund der Eigenart des Pokerspiels und seiner Gewinnmöglichkeiten ist es auch nicht möglich, den Spieler zur Abgabe von 16% des Einsatzes zu verhalten, da die Gewinnmöglichkeiten beim Pokerspiel eine derartig hohe Abschöpfung nicht zulassen würden. Bei einer durchschnittlichen Dauer einer solchen Ausspielung von rund 5 Minuten, hätte der Spieler innerhalb von kurzer Zeit (also nach spätestens 7 Spielen), 100% seines Einsatzes zusätzlich an Glücksspielabgabe zu entrichten. Ein solches Spiel wäre aufgrund der steuergesetzlichen Bestimmungen somit am Markt nicht konkurrenzfähig, somit für Spieler unzugänglich, wodurch diese Besteuerungsform daher faktisch einer Unterbindung des Pokerspiels im frei gewerblichen Unternehmerbereich gleichkommt.

b. Unverhältnismäßiger Sachaufwand 

Weiters stellt sich der für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage erforderlicher Sachaufwand als unverhältnismäßig dar. Es kann der Beschwerdeführerin im Vergleich zu den Konzessionären und Internetanbietern in Folge des Abstellens bei der Bemessungsgrundlage auf das einzelne Spiel nicht zugemutet werden, notwendiges zusätzliches eigenes Personal für die Erfassung der Einsatzhöhen an den jeweiligen Pokertischen einzusetzen, wodurch der Spielbetrieb in einer nicht vertretbaren Art und Weise gestört würde. Dies würde einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für die Beschwerdeführerin darstellen.

c. Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Schätzverfahren

Die aus den Spieleinsätzen resultierende Bemessungsgrundlagen können vom frei gewerblichen nur rechnerisch fiktiv und nicht auch ein rechtlich materieller Umsatz des Unternehmers erfasst werden. Aufgrund der in der Praxis daher kaum mögliche Erfassung der Spieleinsätze im Rahmen des Cash Games ist die Berechnung der Bemessungsgrundlage im Fall von Pokerausspielungen wie selbst von der Finanzverwaltung eingeräumt wird in der Regel nur im Schätzwege zu ermitteln. So auch im vorliegenden Fall. Eine Schätzung ist nicht zulässig, da eine Schätzung der Bemessungsgrundlage nur ausnahmsweise für jene Fälle vorgesehen sei, in denen der Abgabepflichtige hinter seinen Mitwirkungspflichten im Abgabenverfahren zurückbleibe oder die Ermittlung ausnahmsweise aus objektiven Gründen nicht möglich sei. Da sich die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen im Fall der Ermittlung der Einsätze im Fall von Pokerausspielungen - wie im Punkt b. dargelegt als unverhältnismäßig erweist - gibt es auch das Schätzungsverfahren keine sachliche Rechtfertigung.

Selbst wenn die unterschiedliche Besteuerung im öffentlichen Interesse liegen würde, wäre diese jedenfalls nicht erforderlich im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung: Die niedrigere Besteuerung von Konzessionären zeigt, dass allfällige taugliche Ziele auch mit einer niedrigeren (eben gleich niedrigen) Steuerlast verwirklicht werden können. Bei freien gewerblichen Unternehmern könnte dies bspw über die GewO geregelt werden. Stehen sich zwei im zu beurteilenden Zusammenhang gleichartige Gruppen gegenüber, können Grundrechtsbeschränkungen, die eine Gruppe schwerer treffen als die andere, nicht erforderlich sein: Die mildere Grundrechtsbeschränkung der einen Gruppe belegt, dass es gelindere Mittel zur Zielerreichung gibt als die schwerer wiegende Beschränkung der anderen Gruppe.

Im vorliegenden Zusammenhang stehen sich Konzessionäre und (aufgrund des Unionsrechts den Konzessionären gleichgestellte) Nicht-Konzessionäre gegenüber, wobei Konzessionäre einer milderen Besteuerung unterliegen. Dies zeigt, dass es Alternativen zur höheren Besteuerung von gleichgestellten Nicht-Konzessionären gibt, die den angestrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden, Weise erreichen lassen, nämlich die Besteuerung von Nicht-Konzessionären im selben Ausmaß wie von Konzessionären unter allfällige Ergänzung anderer Begleitmaßnahmen.

Festzuhalten ist, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Konzession zur Veranstaltung von Pokerausspielungen bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit keine Rolle spielt: Auch in Bezug auf Wirtschaftsteilnehmer, die zwar über keine konzessionelle Erlaubnis verfügen, zeigt die niedrigere Besteuerung der österreichischen Konzessionäre, dass die höhere Besteuerung von Nichtkonzessionären nicht erforderlich und daher verfassungswidrig ist.

Die höhere Steuerlast von gleichgestellten Nicht-Konzessionären stellt somit nicht das gelindeste Mittel zur Zielerreichung dar und verletzt Art 6 StGG.

3. Abweisung der Aussetzung

In ihrer Begründung führt das Finanzamt an, dass die Aussetzung nicht zu bewilligen war, insoweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig Erfolg versprechend erscheint. Demnach wir auf Judikatur des VwGH Bezug genommen, indem festgehalten wird, dass Poker als Glücksspiel zu definieren sei.

Dem ist entgegen zu halten, dass die Beschwerdeführerin wie bereits in der Bescheidbeschwerde vom in Zusammenhang .mit den zu Grunde liegenden Glücksspielabgabenbescheiden die Rechtsauffassung vertritt (auf diese sei ausdrücklich verwiesen), dass keine VfGH-Judikatur zur Verfassungskonformität hinsichtlich des Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit in Folge der oben angeführten Punkte vorliegt. Alleine aus diesem Aspekt kann abgleitet werden, dass sich die Rechtsansicht des Finanzamtes hinsichtlich der mangelnden Erfolgsaussicht als nicht schlüssig erweist.

Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht betreffend sämtliche angefochtene Bescheide stellen wir den

ANTRAG
gemäß § 262 Abs. 2 lit. a und BAO idgF auf Unterlassung einer Berufungsvorentscheidung, den

ANTRAG

gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 lit. a und lit. b BAO idgF auf Entscheidung über die Beschwerde durch den gesamten Berufungssenat, den

ANTRAG

gemäß § 274 Abs. 1 Z 1lit. a. und lit. b BAO idgF auf mündliche Verhandlung."

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Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 212a BAO lautet:
(1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden
a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder
b) Erkenntnisses (§ 279) oder
c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung
zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung setzt die Aussetzung der Einhebung von streitverfangenen Abgaben gemäß § 212a BAO voraus, dass eine Beschwerde, von deren Erledigung die Höhe einer Abgabe abhängig ist, noch anhängig ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2267; ; ; ; ). Dies ergibt sich in Analogie zu § 212a Abs. 5 BAO, wonach ein Ablauf einer bewilligten Aussetzung der Einhebung im Falle des Ergehens einer das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung zu verfügen ist. 

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in mehreren Erkenntnissen (u.a. 2003/16/0496, ) die Ansicht, dass ab dem Zeitpunkt der Berufungserledigung (nunmehr Beschwerdeerledigung) eine Bewilligung der Aussetzung nicht mehr in Betracht kommt.

Das Beschwerdeverfahren gegen die hier aussetzungsgegenständlichen Glückspielabgaben und Säumniszuschläge wurde mit Erkenntnis des GZ.RV/5100045/2014, mittlerweile erledigt.

Im Hinblick auf die dargestellte Sach- und Rechtslage konnte in der gegenständlichen Sache, da das Erkenntnis bereits ergangen ist, kein positiver Aussetzungsbescheid erlassen werden.    

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer ordentlichen Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis passiert auf der zitierten ständigen und einheitlichen Rechtsprechung der Höchstgerichte. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Glücksspiel
betroffene Normen
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 57 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 58 Abs. 3 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 59 Abs. 1 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 60 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
Art. 6 StGG, Staatsgrundgesetz, RGBl. Nr. 142/1867
§ 1 Abs. 1 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104240.2016

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