Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.11.2019, RV/7105212/2019

Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung bei kurzer Arbeitslosigkeit, Familienheimfahrten (mangelnder Nachweis), Progressionsvorbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache

  • Bf (Beschwerdeführer, abgekürzt: Bf.), AdrBf,

  • über die Beschwerde des Bf. vom gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2017 vom des Finanzamtes Wien Z (belangte Behörde) zu St.Nr. X,

zu Recht erkannt:

Gemäß § 279 BAO wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und wird der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2017 wird mit -1.522,00 € festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen hierfür sind inklusive des gemäß § 3 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 10 EStG durchgerechneten Progressionsvorbehaltes dem angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

In seiner am elektronisch beim Finanzamt eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung (Einkommensteuererklärung) für 2017 machte der Beschwerdeführer (Bf.) geltend (BFG-Akt Bl. 4 und 26 f.):
Kosten für Familienheimfahrten: 3.672,00 €;
Doppelte Haushaltsführung: 3.780,00 €;
Unterhaltsleistungen für ausländ. Kind(er) (Kind1): 600,00 €.

Für den Bf. wurden vier Lohnzettel betreffend 2017 übermittelt:
1.) für 1.1.- von AG1;
2.) für 3.7.- von AG2;
3.) für 14.4.- von AG3;
4.) für 13.3.- von AG4.

Für den Bf. wurden zwei Mitteilungen vom AMS betr. Arbeitslosengeldbezug übermittelt:
für 1.1.- (71 Tage): 1.839,61 €;
für 20.12.- (12 Tage): 395,04 €.

Mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2017 vom (BFG-Akt Bl. 5 ff.) setzte das Finanzamt Wien Z (= die belangte Behörde) die Einkommensteuer mit -291,00 € fest (=die Arbeitnehmerveranlagung ergab eine Gutschrift für 2017 von 291,00 €). Die belangte Behörde berücksichtigte dabei die beantragten 600,00 € als außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt, jedoch nur den Pauschbetrag für Werbungskosten und nicht die beantragten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung. Die Steuerberechnung erfolgte nach der Kontrollrechnungsvariante des § 3 Abs. 2 EStG, weil diese günstiger als die andere Variante (Hochrechnungsvariante, Umrechnungsvariante) sei.
Es ist zwar aus der Begründung nicht zu erkennen, ob der geringfügige ganzjährige Lohnzettel von der AG1 bei der anderen Variante umgerechnet wurde; angesichts Rz 114 der LStR ist aber davon auszugehen, dass keine Hochrechnung der Bezüge aus diesem Lohnzettel erfolgt ist.
Die Nichtanerkennung von Werbungskosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung begründete die belangte Behörde wie folgt: „Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind nur Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, so können Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als vorübergehend wird bei einem verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren angesehen. Da in Ihrem Fall die Voraussetzungen nicht zutreffen, konnten die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.“

Am langte die Beschwerde des Bf. gegen den vorgenannten Bescheid elektronisch beim Finanzamt ein (BFG-Akt Bl. 7a und 30 f.). Der Bf. machte Kosten für Familienheimfahrten iHv 2.696,40 € und für doppelte Haushaltsführung iHv 5.275,56 € geltend. Begründend wurde ausgeführt: „Ich fahre zu meiner Familie in den nichtEUland 3 mal im Jahr mit meinem Auto. Das sind 1070 km in eine Richtung.“

Als Anhang zur Beschwerde wurde übermittelt (BFG-Akt Bl. 9 ff.):

  • der vom Bf. abgeschlossene Mietvertrag vom über die Wohnung Wohnungsadresse mit 52,76 m2 Nutzfläche zuzüglich 3,32 m2 Balkon (Mietbeginn ), an welcher Adresse der Bf. ab laut ZMR mit Hauptwohnsitz gemeldet ist.

  • Familienstandsbescheinigung aus dem nichtEUland auf einem vorgängerstaatlichen Formular für den Bf. über die Zugehörigkeit zu seinem Haushalt: seines Vaters, seines Bruders, seiner Ehefrau Gattin, geb. GebDatumGattin und seines Kindes 1geboren2011, mit Ausstellungsdatum .

  • Declaration of Joint Household mit ähnlichem Inhalt auf einem Formular der Republic of nichtEUland, Wohnort FamWohnort, Gemeinde Familienwohngemeinde, Ausstellungsdatum sowie eine Übersetzung dieser Urkunde auf Deutsch.

  • Zulassungsschein über die Zulassung eines Autotyp am auf den Bf.

  • Auf Deutsch übersetzte Bescheinigung einer Buchhandlung in Familienwohngemeinde vom über die Beschäftigung von Ehegattin als Putzfrau, Jahresgehalt 2.405 Euro.

Die belangte Behörde erließ eine abweisende, mit datierte Beschwerdevorentscheidung (BFG-Akt Bl. 13) an den Bf., welche wie folgt begründet war: „Familienheimfahrten sind unter anderem dann steuerlich absetzbar, wenn Frau und Kinder am weit entfernten Familienwohnsitz leben. Der Besuch der Eltern oder anderer Angehöriger ist nicht absetzbar.
Da Sie 2017 in keiner Partnerschaft leben, können Sie auch keine Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung steuerlich geltend machen. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.“

Am langte eine dagegen gerichtete Beschwerde des Bf. (als Vorlageantrag, d.h. Antrag auf Entscheidung durch das BFG über die Beschwerde vom aufzufassen) bei der belangten Behörde ein (BFG-Akt Bl. 8 und 32 f.), worin begründend ausgeführt wurde: „Ich fahre zu meiner Familie in den nichtEUland 3 mal im Jahr mit meinem Auto. Das sind 1070 km in eine Richtung. Ich bin seit verheiratet mit meiner Frau. Darum meine Familienheimfahrten.“

Als Anhang zu diesem Rechtsmittel wurde übermittelt:

  • Heiratsurkunde (samt Übersetzung auf Deutsch) aus dem nichtEUland vom , beglaubigt durch das dortige Ministerium für innere Angelegenheiten, überbeglaubigt durch das dortige Außenministerium am , wiederum überbeglaubigt durch die österreichische Botschaft in dortigeHauptstadt am .

Die belangte Behörde richtete ein mit datiertes Ergänzungsersuchen (Vorhalt) mit Beantwortungsfrist an den Bf. mit folgenden Ergänzungspunkten (BFG-Akt Bl. 16):
„Sie haben Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung beantragt. Sie werden ersucht, binnen oben genannter Frist, folgende Nachweise in deutscher Sprache und Kopie für das Kalenderjahr 2017 zu erbringen, folgende Fragen zu beantworten und dazu Stellung zu nehmen:
1. Nachweis der Wohnungskosten am Familienwohnsitz im nichtEUland (z.B. Grundbuchsauszug, Mietvertrag etc.)
2. Detaillierte Darlegung und Nachweis der Gründe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes an Ihren Beschäftigungsort unzumutbar machen (ua Einkommensnachweis Ihres im nichtEUland lebenden Ehegatten [Bestätigung von der ausländischen Steuerbehörde] usw)
3. Um wen handelt es sich bei Exgattin? Legen Sie eine Scheidungsurkunde vor bzw. nehmen Sie dazu Stellung.
4. Legen Sie eine Geburtsurkunde Ihres Kindes kindEins vor.
5. Detaillierte Aufstellung und Zahlungsnachweise der entstandenen Kosten im Zusammenhang mit der doppelten Haushaltsführung Ihrer Wohnung am Beschäftigungsort.
6. Belegmäßiger Nachweis der entstandenen Kosten im Zusammenhang mit Familienheimfahrten:
- Bei einer Beförderung mit dem Auto: ua. Kopie des Führerscheines, Treibstoffrechnungen, Mautbelege, Kopie des Reisepasses mit Ein- und Ausreisestempeln, Nachweise über zurückgelegte Kilometer etc.;
- Für die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder sonstigen Mitfahrgelegenheiten: Anzahl der Fahrten und Nachweis der entstandenen Kosten;
- Bei Mitbeförderung von anderen Personen in Ihrem Auto: Name der Mitbeförderten und Höhe der dafür enthaltenen Beträge.
7. Wie oft wurden die Heimfahrten vom Arbeitgeber steuerfrei vergütet und wie hoch sind die dafür erhaltenen Ersätze (Bestätigung des Arbeitgebers erforderlich)?“

Der Bf. antwortete darauf wie folgt (BFG-Akt Bl. 18): „1. In nichtEUland im Haus leben mein Vater, Bruder, meine Frau und unsere Kinder. 2. Meine Frau ist in Karenz. 3. Exgattin ist meine Ex-Frau. 6. Ich fahre einmal im Monat zu meiner Familie. Das sind 1000 km in eine Richtung. 7. Vom Arbeitgeber bekomme ich keine Ersätze bezahlt.“

Als Anhänge zu dieser Antwort wurden übermittelt:

  • Geburtsurkunde für den imJahr2018 geborenen Sohn Kind2 (Eltern: Bf. und seine Ehefrau Gattin).

  • Geburtsurkunde für den imJahr2011geborenenSohn1 (Eltern: Bf. und seine jetzige Ehefrau Gattin, wenn auch mit deren früherem Nachnamen alterName).

  • Bankbestätigung über die am gebuchte Vorschreibung der Hausverwaltung in Wien für Dezember 2017 über 671,10 €.

  • Bankbestätigung über die am gebuchte Vorschreibung der Hausverwaltung in Wien für November 2017 über 671,10 €.

  • Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom über die Scheidung des Bf. von seiner Ex-Frau exGattin.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) am mit einem – laut Aktenlage auch an den Bf. versendeten – Vorlagebericht vor, in welchem die belangte Behörde folgende Stellungnahme vorbrachte:

„1. Doppelte Haushaltsführung
Das Vorliegen eines Familienwohnsitzes in FamWohnort im Jahr 2017 wird durch das ho Finanzamt mangels Nachweises nicht anerkannt. Der vorgelegte Meldezettel stammt aus 2018 und lässt nicht erkennen, seit wann ein gemeinsamer Haushalt besteht (Dok 2, S 8). Die vorgelegte Bestätigung von wirtschaftlich relevanten Einkünften von Frau ehegattin (alterName) stammt ebenfalls aus 2018 und es ist nicht erkennbar, ob in dieser Höhe bereits 2017 Einkünfte erzielt wurden (Dok 2, S 7).
In eventu wird vorgebracht, dass der Bf hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Kosten seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Zunächst weicht die Höhe der Ausgaben für doppelte Haushaltsführung in der Arbeitnehmerveranlagung von jenem in der Beschwerde ab. Auch wurde lediglich ein Mietvertrag (Dok 2, S 1) ab Juni 2017 und Zahlungsnachweise für November und Dezember 2017 (Dok 11) vorgelegt. Aufgrund des Erhaltes von AMS-Bezügen ab Mitte Dezember stehen in diesem Zeitraum jedenfalls keine Kosten für doppelte Haushaltsführung zu. Aus diesem Grund spricht sich das ho Finanzamt dafür aus - sofern die Voraussetzungen für doppelte Haushaltsführung durch das BFG bejaht werden - lediglich die nachgewiesenen Kosten in Höhe von € 4.362,15 (671,1*6,5) anzuerkennen.

2. Familienheimfahrten
Auch die vom Bf beantragten Kosten für Familienheimfahrten, wurden nicht belegmäßig nachgewiesen. Als einziger Nachweis wurde ein Zulassungsschein vorgelegt. Aus diesem ergibt sich, dass der PKW erst im September 2019 zugelassen wurde (Dok 2, S 6) und erlaubt insoweit keine Rückschlüsse auf das Jahr 2017.
Zudem widerspricht sich der Bf hinsichtlich der Häufigkeit der Heimfahrten. Zunächst gab er an, dass er einmal im Monat zu seiner Familie fahre (Dok 9), später führte er aus, dass er dies lediglich dreimal jährlich tun würde (Dok 1 und Dok 6). Angesichts der Entfernung von 1174 km zwischen Wien und FamWohnort und einer Fahrtzeit von rund 12,5 Stunden geht das ho Finanzamt davon aus, dass der Bf nicht monatlich Familienheimfahrten unternommen hat (siehe auch ).
Eine konkrete Anzahl konnte nicht ermittelt werden, da der Bf seiner Mitwirkungspflicht auch hier nicht nachgekommen ist. Jedenfalls ist zu berücksichtigen, dass der Bf von Jänner bis Mitte März und ab Mitte Dezember Bezüge vom AMS erhalten hat, weswegen in diesen Zeiträumen keinesfalls Kosten für Familienheimfahrten zustehen. Aus den vorliegenden Lohnzetteln ergibt sich zudem, dass der Bf 2017 bei drei Arbeitgebern in der Baubranche gearbeitet hat. Aufgrund der Branche und der kurzen Anstellungsdauer werden regelmäßige Familienheimfahrten in diesem Zeitraum bezweifelt. Da somit keine konkrete Anzahl an Familienheimfahrten festgestellt werden kann, sind nach Ansicht des ho Finanzamtes 2017 keine Aufwendungen für Familienheimfahrten abzugsfähig.

Aus diesem Grund beantragt das ho Finanzamt die Beschwerde abzuweisen bzw. in eventu lediglich Kosten in Höhe von € 4.362,15 (an Kosten für doppelte Haushaltsführung) sowie € 600,00 (an außergewöhnlichen Belastungen für Unterhaltsleistungen) anzuerkennen.“

Erwägungen des BFG über die Beschwerde:

: Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegen nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (…). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.

Unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnistzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, sind als beruflich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind ().

Der Familienwohnsitz des Bf. lag im gesamten Streitjahr 2017 im nichtEUland

  • und zwar vom bis bei seiner (in diesem Zeitraum zukünftigen) Ehefrau Gattin und dem gemeinsamen Sohn 1,

  • sowie vom bis bei seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn 1.

Dies wird geschlossen

  • aus dem Vorhandensein des gemeinsamen Sohnes 1, welcher laut Geburtsurkunde imJahr2011 geboren worden ist,

  • sowie daraus, dass nichts darauf hindeutet, dass die Ehefrau Gattin und der Sohn 1 jemals in Österreich gewohnt hätten, denn beide sind weder im ZMR noch in der GDV auffindbar. Deshalb ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde der Schluss von dem am 26. März bzw. bestätigten gemeinsamen Haushalt im nichtEUland auf den gemeinsamen Haushalt im Streitjahr 2017 vorzunehmen.

Die tägliche Rückkehr von einem Arbeitsort in Wien an den mehr als 1.000 km entfernten Familienwohnsitz des Bf. (plus die tägliche Wiederanreise nach Wien) ist mehr als unzumutbar, denn sie ist praktisch unmöglich.

Vom bis war dem Bf. die Verlegung des Familienwohnsitzes zu seinem Arbeitsort (Wien) nicht zumutbar, weil er mit der Mutter des gemeinsamen Kindes noch nicht verheiratet war und daher aus fremdenrechtlichen Gründen der Zuzug seiner nunmehrigen Ehefrau keine realistische Option war. (Vgl. Wiesner et al., EStG, Anm. 49a zu § 20 mit Verweisen auf , )

Ob vom bis dem Bf. die Verlegung des Familienwohnsitzes zu seinem Arbeitsort fremdenrechtlich möglich oder unmöglich bzw. – insbesondere wegen allfälliger wirtschaftlich maßgebender Einkünfte seiner Ehefrau im nichtEUland oder wegen eines dortigen Schulbesuches des Sohnes – (un)zumutbar war, kann hier dahingestellt bleiben. Denn für die Verlegung des Familienwohnsitzes eines Verheirateten wird nach herrschender Meinung eine Vorlaufzeit (Toleranzfrist) im Ausmaß von zwei Jahren angenommen.
Jedenfalls wäre dem Bf. eine Verlegung des Familienwohnsitzes zwischen und , d.h. in den ersten sieben Monaten ab Eheschließung aufgrund der zeitlichen Knappheit nicht zumutbar gewesen.

§ 138 Abs. 1 BAO bestimmt: „Auf Verlangen der Abgabenbehörde haben die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.“

Der Beweis der Wohnungskosten in Wien ist dem Bf. zumutbar, sodass eine Glaubhaftmachung diesbezüglich nicht ausreicht. Der Bf. hat nachgewiesen, dass er ab , d.h. sieben Monate innerhalb des Streitjahres 2017 eine Wohnung in Wien gemietet hat und dass er dafür monatlich 671,10 € bezahlt hat. Damit sind 4.697,70 € an Wohnungskosten nachgewiesen, die als Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abzugsfähig sind. Der Ansicht der belangten Behörde, dass nur für sechseinhalb Monate die Miete abgesetzt werden könne, wird nicht gefolgt:

Der Bf. hatte zwar im maßgebenden Zeitraum (1.6.-31.12.) ein knappes halbes Monat Bezug von Arbeitslosengeld, welches gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 EStG (freilich unter dem Vorbehalt des § 3 Abs. 2 EStG) steuerfrei ist. Es ist der belangten Behörde zuzugestehen, dass dies bei der Anwendung des sogenannten besonderen Progressionsvorbehaltes gemäß § 3 Abs. 2 EStG – allerdings nur bei der Umrechnungsmethode (Hochrechnungsmethode) – der Anlass zur (anteiligen) Nichtabzugsfähigkeit von Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 2 EStG wäre, soweit die Werbungskosten mit „nicht steuerpflichtigen Einnahmen … in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.“

Da der Bf. laut Lohnzettel ab wieder bei der Arbeitgeber2 gearbeitet hat, stehen die Wohnungskosten im Zeitraum bis , welcher viel zu kurz ist um die Wohnung aufzugeben und wiederum eine Wohnung anzumieten, sowohl in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit den jedenfalls steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vor und nach der Arbeitslosigkeit als auch mit dem (bei der Umrechnungsmethode) steuerfreien Arbeitslosengeld. Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang ist daher hier kein operables Kriterium, um über die Nichtabzugsfähigkeit von Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 2 EStG zu entscheiden. Vielmehr ist hier davon auszugehen, dass wegen der kurzen Dauer des ggstdl. Arbeitslosengeldbezuges vom bis die Veranlassung der Wohnungskosten am Arbeitsort primär durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit veranlasst ist.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass bei der Kontrollrechnungsmethode (-variante) des § 3 Abs. 2 EStG das Arbeitslosengeld als steuerpflichtig behandelt wird, sodass bei der Kontrollrechnungsvariante eine Kürzung von Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 2 EStG überhaupt undenkbar ist. Im vorliegenden Fall ist laut dem beigefügten Berechnungsblatt die Kontrollrechnungsmethode günstiger als die Umrechnungsmethode. Wenn man die Werbungkosten bei der Hoch- bzw. Umrechnungsmethode aus dem Titel des § 20 Abs. 2 EStG kürzen würde, würde die Umrechnungsmethode noch ungünstiger und es wäre erst recht wieder die Kontrollrechnungsvariante anzuwenden.

Unerheblich ist, wieviel von den Wohnkosten am Familienwohnsitz im nichtEUland der Bf. selbst trägt, denn laut ist eine Belastung des Steuerpflichtigen mit Mietaufwand am Familienwohnsitz nicht Voraussetzung dafür, dass der Mietaufwand am Beschäftigungsort (bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine steuerlich abzugsfähige doppelte Haushaltsführung) abzugsfähig ist.

Die vom Bf. in Wien angemietete Wohnung mit weniger als 60 m2 ist eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort iSv , sodass keine Kürzung der absetzbaren Kosten wegen einer über die Zweckmäßigkeit hinausgehenden Wohnungsgröße vorzunehmen ist.

Hinsichtlich der Familienheimfahrten hat der Bf. nur eine einzige Familienheimfahrt nachgewiesen, indem er mittels der Heiratsurkunde nachgewiesen hat, dass er am im nichtEUland geheiratet hat, sodass er von Wien dorthin gekommen und danach wieder an seinen Arbeitsort in Wien zurückgekommen sein muss.

Zur Höhe der Aufwendungen für diese Familienheimfahrt (inkl. Wiederanreise an den Arbeitsort): Auf den Bf. wurde erst am in Österreich ein KFZ zugelassen. Eine Schätzung der Fahrkosten mit dem amtlichen Kilometergeld wäre auch danach bei derart langen Strecken nicht zielführend. Auf welche Weise die Familienheimfahrt zur Hochzeit und die Wiederanreise nach Wien im Mai/Juni 2017 erfolgt sind, hat der Bf. nicht bekannt gegeben. Es sind auch der Höhe nach keinerlei diesbezüglich Werbungskosten ermittelbar. Mangels irgendwelcher zweckdienlicher Angaben des Bf. können daher gemäß § 138 Abs. 1 BAO aus dem Titel der Familienheimfahrten keine Werbungskosten abgezogen werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Bf. von jemandem unentgeltlich mitgenommen worden ist.

Bei der Berechnung der Einkommensteuer ist gemäß § 3 Abs. 2 iVm §§ 33 Abs. 10 EStG der sogenannte besondere Progressionsvorbehalt nach Umrechnungsvariante und nach Kontrollrechnungsvariante zu berechnen, was auf dem beigefügten Berechnungsblatt erfolgt. Die für den Bf. günstigere Variante ist schlussendlich zur Abgabenfestsetzung heranzuziehen. Hierbei erweist sich die Variante mit einer festzusetzenden Einkommensteuer iHv -1.522,00 € als günstiger als die Variante mit einer festzusetzenden Einkommensteuer iHv -1.395,00 €, weil ein Negativbetrag aus Sicht des Bf. die Gutschrift aus der Arbeitnehmerveranlagung darstellt. Eine Gutschrift iHv 1.522,00 € ist günstiger für den Bf. als eine Gutschrift iHv 1.395,00 €. Klarzustellen ist, dass die aus diesem Erkenntnis resultieren Gutschrift aus der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 iHv 1.522,00 € die Gutschrift aus dem angefochtenen Bescheid (291,00 €) ersetzt und nicht zu letzterer addiert wird.

Zur (Un)Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Feststellung des Sachverhaltes, d.h. des Tatsächlichen, ist keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage, welche nicht revisibel ist. Soweit Rechtsfragen zu klären waren, erfolgte dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105212.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at