1. Aufteilung einer Entschädigung der ÖBB 2. Abgabenhinterziehung und Verjährung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/4100716/2015-RS1 | Ist im Zuge der Ermittlungen in der Steuersache nach den Beweisregeln der BAO nicht als wahrscheinlichste Sachverhaltsvariante die Feststellung zu treffen, dass der im Übrigen auch steuerlich nicht vertretene Bf. die Verwirklichung der Abgabenverkürzung ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden hat, sondern wird festgestellt, dass er allenfalls fahrlässig es nur unterlassen hat, Informationen über eine mögliche Steuerpflicht der erhaltenen Entschädigung einzuholen, ist ihm im Steuerverfahren kein bedingter Vorsatz anzulasten. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin I. in der Beschwerdesache Bf., Adresse1, vertreten durch K M U Wirtschaftstreuhand und Steuerberater GmbH, Bambergerstraße 5, 9400 Wolfsberg, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt St. Veit Wolfsberg vom betreffend Einkommensteuer 2004 sowie Anspruchszinsen 2004 (§ 205 BAO) zu Recht erkannt:
A. Einkommensteuer 2004:
Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der Einkommensteuerbescheid 2004 wird ersatzlos aufgehoben.
B. Anspruchszinsen 2004:
Die Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid 2004 wird als unbegründet abgewiesen.
C. Un/Zulässigkeit der Revision:
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) war seit Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen.
Der Bf. räumte mit Servitutsvertrag vom der ÖBB (in weiterer Folge „ÖBB“) die unbefristete Dienstbarkeit „TE (Tunnelservitut mit eingeschränkter Bebaubarkeit)" ein.
Dieses Servitutsrecht umfasste laut Pkt. 3.2. des Servitutsvertrages:
„Duldung der Errichtung, des Bestandes, der Erhaltung und des Betriebes einer Eisenbahntunnelanlage in geschlossener Tunnelbauweise mit Einschränkung der Nutzung, wobei lediglich eine unterirdische Grundinanspruchnahme erfolgt und Duldung eines Bauverbotes bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Eisenbahntunnelanlage. Nach Inbetriebnahme der Eisenbahntunnelanlage duldet der Servitutsgeber alle Einwirkungen, Erschütterungen und sekundäre Luftschallimissionen aus dem Betrieb der Eisenbahntunnelanlage. Für die Erschütterungseinwirkungen wird ein Grenzwert von KB,s<=0,4 gemäß ÖNORM S 9012 Ausgabe festgelegt, wobei die Messungen zur Überprüfung dieses Grenzwertes ausschließlich im Fundamentbereich erfolgt.
Festgehalten wird, dass sich auf dem vertragsgegenständlichen Grundstück x derzeit die Hofstelle mit Wohnhaus, Stall und Nebengebäuden befindet. Der Servitutsgeber erklärt, dass er beabsichtigt auf diesem Grundstück ein weiteres Gebäude, und zwar ein Auszugshaus zu errichten.
Die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Servitutsgeber berechtigt ist, nach Beendigung der Arbeiten am Erkundungstunnel im Bereich des vertragsgegenständlichen Grundstückes mit Zustimmung der Servitutsnehmerin ein Gebäude zu errichten. …
Die dem Eigentümer aufgrund dieser Auflagen entstehenden Mehrkosten sind dem Eigentümer aufgrund eines Sachverständigengutachtens gesondert abzugelten.
Mit der Leistung der Entschädigung nach dem Vertragspunkt „Entschädigung", welche binnen vier Wochen nach allseitiger grundbuchsgültiger Unterfertigung dieses Vertrags abzugsfrei zur Zahlung fällig ist, ist die Servitutsnehmerin berechtigt, den Vertragsgegenstand in Anspruch zu nehmen und tatsächlich zu nutzen, ohne dass es einer Übernahme in der Natur bedarf. Die Servitutsrechte können dann jederzeit ausgeübt werden.
Im Zuge der Bauarbeiten beschädigte bzw. zerstörte Grenzzeichen werden wiederhergestellt. Dazu hat die Servitutsnehmerin auf ihre Kosten vor Beginn der Bauarbeiten eine Bestandsaufnahme der bestehenden Grenzzeichen zu machen und das Ergebnis derselben dem Servitutsgeber zur Verfügung zu stellen.
Zur Errichtung des Projekts gestattet der Servitutsgeber der Servitutsnehmerin auf den vertragsgegenständlichen Grundflächen - auch außerhalb des eigentlichen Servitutsstreifens - erforderliche Messzeichen und Messeinrichtungen anzubringen. Entstehen durch die Anbringung von Messzeichen und Messeinrichtungen Schäden an Gebäuden oder Flurschäden, sind diese von der Servitutsnehmerin ortsüblich zu entschädigen. (Pkt. 3.2 des Servitutsvertrages).“
In Pkt. 4. „Entschädigung“ heißt es wie folgt:
„Der Servitutsgeber erklärt, nichtbuchführungspflichtiger Unternehmer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zu sein, bei dem nach dem derzeitigen Umsatzsteuergesetz in der geltenden Fassung die Steuer für diese Umsätze mit 12 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird.
Für die Einräumung der Rechte im Punkt 3. dieses Vertrags erhält der Servitutsgeber eine einmalige Entschädigung laut Spalte 36 in Höhe von € 28.332,85 zuzüglich 12 % Umsatzsteuer laut Spalte 37 in Höhe von € 3.399,94, zusammen daher laut Spalte 38 in Höhe von € 31.732,79.
Diese Entschädigung ist binnen vier Wochen nach allseitiger grundbuchsgültiger Unterfertigung dieses Vertrags abzugsfrei zur Zahlung fällig.
Festgehalten wird, dass das allfällig in Spalte 28 ausgewiesene Entgelt das Entgelt für die Einräumung des Servitutsrechtes ist und dass der Betrag in Spalte 27 die allfällige Entschädigung für die mit der Servitutseinräumung verbundene Bodenwertminderung darstellt.
Es wird ausdrücklich festgehalten, dass sich das Ausmaß der Inanspruchnahme aus den Planunterlagen ergibt. Die Berechnung der Entschädigung erfolgt auf der Basis des ungefähren Flächenausmaßes und dieses ist endgültig. Der daraus resultierende Entschädigungsbetrag versteht sich als Pauschalbetrag, der alle wie immer gearteten Ansprüche des Servitutsgebers aus dem gegenständlichen Vertrag an die Servitutsnehmerin oder die HL-AG abgilt.
Nicht abgegolten sind jedoch allfällige im Zuge der Errichtung des Projektes entstehende Flurschäden am Vertragsgegenstand bzw. an den sich auf dem Vertragsgegenstand befindlichen Gebäuden. Solche Schäden werden im Einzelfall auf Grundlage eines bei Beendigung der Baumaßnahmen einzuholenden Sachverständigengutachtens gesondert abgegolten.
Hinsichtlich der Gebäude sind von der Servitutsnehmerin vor Beginn der Arbeiten entsprechende Beweissicherungsmaßnahmen vorzunehmen.
Sollte die Errichtung des Projektes einen negativen Einfluß auf die bestehende ...zucht haben und dadurch ein allfälliger Schaden entstehen, ist dieser Schaden, soweit er durch die Errichtung des Projektes verursacht ist, auf Grundlage eines einzuholenden Sachverständigengutachtens gesondert abzugelten.
Die Begleichung der Entschädigung erfolgt durch Überweisung auf folgendes Konto (angeführt Konto des Bf.).“
Die Entschädigung von € 28.332,85 (netto)/€ 31.732,79 (brutto) ermittelte sich wie folgt (Spalten laut Grundeinlöseverzeichnis des Servitutsvertrages):
Entschädigung für 22.367 m² „Hausacker“: Spalte 27 „Wertminderung Bestand“,
"€/m² 0,12“ und in Spalte 28 „Verbücherung“ „€/m² 0,58". Wertminderung € 2.573,55 (22.367 m² mal 0,11506) und „Verbücherung“ € 12.867,74 (22.367 m² mal 0,5753), zusammen € 15.441,29.Entschädigung für 5.312 m² „Hofraum TE bebaut“: Spalte 28, „Verbücherung“ € 1,00 , daher beträgt die Entschädigung € 5.312,00.
Entschädigung für den Hausbrunnen € 7.579,57.
Für 2004 hatte der Bf. nur eine Arbeitnehmerveranlagung beantragt (Steuererklärung, Einkommensteuerbescheid vom ). Die Entschädigung aus dem Servitutsvertrag erfasste der Bf. in der Einkommensteuererklärung 2004 nicht.
In dem im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheid 2004 vom besteuerte das Finanzamt mangels Nachweises einer anderen Aufteilung als jener in der Beilage zum Servitutsvertrag 70% des Gesamtbetrages der Entschädigung (€ 22.212,95) für die Benutzung des Grund und Bodens im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (vgl. Rz 5174 EStR).
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom bzw. der Ergänzung zur Beschwerde vom vertrat der Bf. die Ansicht, dass die Entschädigung nur Bodenwertminderung, Wirtschaftserschwernis und Ertragsausfall betreffe, nicht aber ein Benützungsentgelt sei; die land- und forstwirtschaftliche Pauschalierung sei auf die Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG ausgelegt, weshalb ein allfälliges Nutzungsentgelt auf 50 Jahre zu verteilen sei.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom blieb das Finanzamt unter Anführung seiner maßgeblichen Gründe bei seiner Ansicht. Zum Vorliegen einer Abgabenhinterziehung hielt es Folgendes fest:
„Selbst wenn in der Entschädigung ein auf steuerfreie Bodenwertminderung entfallender Anteil enthalten sein sollte, hätte zumindest ein Teil der Entschädigung jedenfalls als Benützungsentgelt erklärt werden müssen, welches nach Rz. 5172 EStR steuerpflichtig ist. Da nicht einmal irgendein Anteil der Entschädigung erklärt wurde, liegt insoweit eine Abgabenhinterziehung gem. § 33 FinStrG vor und beträgt die Verjährungsfrist für die Einkommensteuer 2004 gem. § 207 Abs. 1 BAO daher 10 Jahre."
Im Vorlageantrag vom wandte der Bf. das Vorliegen von Verjährung ein. Das österreichische Steuerrecht sehe für zusammengeballte Einkünfte - hier Benützungsentgelte - eine Verteilung in wirtschaftlicher Betrachtungsweise vor (speziell § 19 Abs. 3 EStG). Tatsächlich seien Wirtschaftserschwernis und Ertragsausfall gegeben und allenfalls zu schätzen.
Im Vorlagebericht begehrte das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde. § 19 Abs. 3 EStG 1988 sehe eine Verteilungspflicht von Einnahmen vor. Wirtschaftserschwernis, Ertragsausfall und Bodenwertminderung seien mit 30% der Gesamtentschädigung geschätzt.
Im Verfahren vor dem BFG, insbesondere durch die Aufnahme der Niederschrift mit dem Bf. am , ergaben sich folgende Feststellungen zum Sachverhalt:
Das Finanzamt beantragte, anstatt der bisher im Servitutsvertrag versteuerten € 22.212,95 nunmehr € 20.237,55 in Ansatz zu bringen. Ausgehend von der Entschädigung von € 31.732,79 brachte es den Hausbrunnen (€ 8.489,12) und „Wertminderung
0,12 €/m²“ (€ 3.006,12) in Abzug (Schreiben vom ).
Der Bf. nutzte die vom Servitutsvertrag betroffenen Flächen zum Teil als Obstgarten und zum Teil als Acker. Während der Bauphase des Tunnels waren Messpunkte und Lüftungsschächte da. Von 2004 bis dato konnte er die Flächen durchgehend als Obstgarten bzw. Acker nutzen, da die ÖBB die Flächen nur unterirdisch beanspruchte.
2004 war die Landwirtschaft an die Ehegattin verpachtet. Der Bf. war all die Jahre bei einer Firma im Industrieanlagenbau beschäftigt. Weder der Bf. noch seine Ehegattin waren 2004 steuerlich vertreten. 2004 hatten sie einen ...zuchtbetrieb, der pauschaliert war. Steuerlich gab es da nichts zu tun. Angelegenheiten, wie z.B. Förderungen, haben die Bf. selbst gemacht.
Die Entschädigung floss ausschließlich an den Bf. zu. Der Vater des Bf. hat den von ihm gewollten Teil aufgrund einer Vereinbarung mit dem Sohn bekommen (Bf. in der Niederschrift).
Für die Aufteilung der Entschädigung auf die einzelnen Positionen liegt nur der Servitutsvertrag vor. Der Bf. brachte keine Nachweise bei, dass die Entschädigung aus dem Servitutsvertrag nur für Bodenwertminderung, Schäden aus dem Bau der Unterführung, Ertragsausfall und Wirtschaftserschwernis erfolgte. Die Vergebührungsanzeige legte er nicht vor, er hat sie nicht mehr (Vorhalt vom , Niederschrift mit dem Bf.).
Eine finanzstrafrechtliche Verurteilung liegt nicht vor (unstrittig). Die Frage einer möglichen Steuerpflicht war niemals Thema der Verhandlungen mit der ÖBB. Im Vertrag ist diesbezüglich nichts festgehalten. Der Bf. holte keine Informationen wegen einer allfälligen Steuerpflicht, z. B. bei der Landwirtschaftskammer, ein. Der Bf. und seine Ehegattin haben mit niemandem wegen einer allfälligen Versteuerung gesprochen. Sie dachten nicht, dass aus der Entschädigungssumme Einkommensteuer anfallen könnte bzw. von dieser Zahlung dem Finanzamt etwas zurückzuzahlen war. Die Vorschreibung ist erst nach zehn Jahren gekommen (Bf. in der Niederschrift). Die Ehegattin hat ca. 14 Tagen vor Aufnahme der Niederschrift mit dem Bf. die Nachbarsfamilie gefragt, ob sie etwas bekommen hat. Sie bejahten, hätten aber dem Finanzamt nichts zurückzahlen müssen (Ehegattin im Zuge der Aufnahme der Niederschrift mit dem Bf.).
Das Finanzamt erachtete den bedingten Vorsatz auf eine Abgabenverkürzung unter Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht des § 119 BAO als gegeben:
Die Judikatur setze an die Wissenskomponente keine allzu strengen Maßstäbe an. Für den Hinterziehungsvorsatz des § 33 FinStrG genüge, wenn der Bürger eine grundsätzliche Steuerpflicht seiner Zusatzeinkünfte ernstlich für möglich hält. Der Vorsatz entfalle nicht deshalb, weil er nicht wisse, welche Rechtsnorm anzuwenden bzw. welche Einkunftsart davon betroffen sei. Die Kenntnis über das prinzipielle Bestehen einer Einkommensteuerpflicht könne bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen vorausgesetzt werden. Auch einem steuerrechtlichen Laien müsse bewusst sein, dass beim Führen eines Betriebes regelmäßig Abgaben zu entrichten sind (vgl. Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 33 Rz 219, und die dort zitierte VwGH-Rechtsprechung).
Wenn ein Landwirt eine Entschädigung von € 32.732,79 im Zusammenhang mit der Nutzung und Beeinträchtigung seiner landwirtschaftlichen Flächen erhalte, diese nicht offenlege und sich nicht einmal bei der Landwirtschaftskammer, geschweige denn bei einem Steuerberater oder dem Finanzamt über die steuerliche Behandlung dieser Zahlung erkundige, die keinesfalls einen regelmäßig im Betrieb anfallenden Vorgang iSd § 1 Abs. 4 LuF PauschVO darstellt, und er gleichzeitig wie jede intellektuell durchschnittlich begabte Person vom prinzipiellen Bestehen einer Einkommensteuerpflicht auch für Landwirte Kenntnis habe, dann könne es keinen Zweifel daran geben, dass er eine Abgabenhinterziehung zumindest ernstlich für möglich halte und sich mit ihr abfinde ( Finanzamt im Schreiben vom ).
Es gehe - so der steuerliche Vertreter - im Strafrecht nicht um eine Beurteilung allgemeiner intellektueller Fähigkeiten, sondern darum, einer konkreten Person einen Vorsatz, zumindest in Form eines dolus eventualis nachzuweisen. Der Bf. habe glaubwürdig dargelegt, in keinster Weise daran gedacht zu haben, dass die Entschädigung in irgendeiner Weise steuerpflichtig sein könnte; er habe eine solche auch nicht ernstlich für möglich gehalten und sich daher nicht mit einer möglichen Steuerhinterziehung abgefunden. Dem Bf. habe es an der inneren Einstellung gefehlt, dass ihm der Eintritt einer Abgabenhinterziehung gleichgültig sei und er trotz der möglichen Verwirklichung eines verpönten Tatbestandes in jedem Fall zur Handlung entschlossen gewesen sei. Im Gegenteil. Hätte der Bf. nur im Entferntesten daran gedacht, dass eine Steuerpflicht vorliegen könnte, hätte er jedenfalls diesbezügliche steuerliche Beratung eingeholt und wäre er seinen Steuerpflichten selbstredend nachgekommen.
Dem Bf. müsse die individuelle Schuldform nachgewiesen werden. Es gehöre sicher nicht zum Allgemeinwissen, dass Entschädigungsleistungen bei einem vollpauschalierten Landwirt unter Umständen eine Steuerpflicht auslösen; gerade die Vollpauschalierung habe den Sinn, kleine Landwirte von den Mühen der Bürokratie und den steuerlichen Pflichten weitgehend freizuspielen. Wie eine nachträgliche Rücksprache mit Nachbarn (Landwirte) ergeben habe, seien auch diese nicht von einer Steuerpflicht ausgegangen; dieser Umstand spreche ebenso gegen ein allgemeines Kennen-Müssen einer Steuerpflicht. Wegen des Nicht-Einholens von Erkundigungen zur steuerlichen Auswirkung könne dem Bf. höchstens (grobe) Fahrlässigkeit angelastet werden.
In eventu werde beantragt, den steuerpflichtigen Anteil der Entschädigung im Schätzungswege mit maximal 20 % der Gesamtentschädigung zu ermitteln. Laut Bewertungsgutachten (Anlage zum Servitutsvertrag) werde sowohl die Wertminderung als auch die sogenannte Verbücherung mit einem Prozentsatz des Verkehrswertes bemessen. Aus Pkt. 4. des Servitutsvertrages ergebe sich, dass das in Spalte 28 ausgewiesene Entgelt das Entgelt jenes für die Einräumung des Servitutsrechtes sein soll, die Berechnung mit einem Prozentsatz des Verkehrswertes spreche jedoch klar gegen die Beurteilung als Entgelt für die Benützung des Grund und Bodens. Vielmehr lasse sich aus der Bezeichnung „Entgelt für jenes des Servitutsrechtes” keinesfalls nur ein Benützungsentgelt ableiten, sondern vielmehr vor allem eine Entschädigung für den Wertverlust bzw. auch für die mit dem Bauvorhaben einhergehenden Ertragsausfälle. Ein Benützungsentgelt, welches mit einem Prozentsatz des Verkehrswertes bemessen werde, sei unüblich und deute vielmehr auf andere Entschädigungsmotive als ein Entgelt für die Benützung.
Weiters beantragte der Bf. unter Hinweis auf Rz 5172c der EStR bzw. § 37 Abs. 2 EStG die Verteilung des eventuell steuerpflichtigen Gewinnes auf drei Jahre.
Das Finanzamt blieb bei seiner Ansicht. In allen von den ÖBB verfassten Verträgen würden Entgelte für Bodenwertminderung und Ertragsausfälle/Wirtschaftserschwernisse ausnahmslos und penibelst gesondert ausgewiesen und seien nicht in einem „Entgelt für die Rechtseinräumung“ noch zusätzlich enthalten. Im Übrigen sei nicht nur ein „Benützungsentgelt“ pflichtig, sondern alles, was nicht Entschädigung für Bodenwertminderung oder Ertragsausfälle/Wirtschaftserschwernis (idR abpauschaliert) ist. Werde ein Teil der Entschädigung als „Entgelt für die Rechtseinräumung“ bezeichnet, so sei er steuerpflichtig.
Entschädigung für Bodenwertminderung oder Ertragsausfälle könne aber nur sein, was als solches bezeichnet und ausgewiesen sei. Zwar sei die vertragliche Zuordnung nicht bindend. Dieser Grundsatz sei nach Ansicht des Finanzamtes nach den Gesetzen der Logik aber so zu verstehen, dass eine vertragliche Zuordnung zur Bodenwertminderung die Obergrenze für die Bodenwertminderung darstelle und daraufhin zu untersuchen sei, ob eine Bodenwertminderung in der ausgewiesenen Höhe tatsächlich vorliege. Es wäre aber wohl ein Schildbürgerstreich ohnegleichen, wenn das Finanzamt auch von Amts wegen untersuchen müsste, ob eine ausgewiesene Entschädigung für Bodenwertminderung nicht vielleicht zu niedrig angesetzt worden sei und ob innerhalb der Gesamtentschädigung nicht eine Verschiebung zugunsten der steuerfreien Bodenwertminderung vorzunehmen wäre.
Der Grund liege auf der Hand: es könne nur die Gefahr einer zu hohen vertraglichen Zuordnung zu steuerfreien Entgeltsteilen geben und nicht umgekehrt, weil es für den umgekehrten Fall keinen Anreiz gebe.
Eine Dreijahresverteilung iSd Rz 5172c EStR bzw. § 37 Abs. 2 EStG komme nur bei Entschädigungen für Ertragsausfälle/Wirtschaftserschwernis in Betracht. Eine solche liege beim Restbetrag von 20.237,55 nicht vor (Stellungnahme des Finanzamtes vom ).
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Strittig sind sowohl die Höhe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als auch die Frage, ob die Einkommensteuer hinterzogen wurde oder nicht. Während das Finanzamt vom bedingten Vorsatz ausgeht, hat der Bf. seiner Ansicht nach höchstens grob fahrlässig gehandelt.
Unstrittig ist, dass die Entschädigung grundsätzlich nicht durch die Pauschalierungsverordnung gedeckt, also separat zu erfassen ist. Im Servitutsvertrag erfolgte eine Zuweisung. Nachweise für das Vorbringen, die Entschädigung hätte nur zu 80% steuerfreie Positionen abgelten sollen, wurden nicht beigebracht (Vorhalt im Beschwerdeverfahren).
Bezüglich des Hinterziehens von Abgaben steht außer Streit, dass der Bf. keine Erkundigungen über eine mögliche Steuerpflicht eingeholt hat. Die Parteien vertreten eine jeweils unterschiedliche Ansicht zur Frage, ob der Bf. 2004 von einer möglichen Steuerpflicht ausgehen musste (Stellungnahmen der Parteien und Niederschrift mit dem Bf. im Beschwerdeverfahren).
In der gegen den ebenfalls am erlassenen Anspruchszinsenbescheid 2004 eingebrachten Beschwerde verwies der Bf. auf die Ausführungen im Einkommensteuerbescheid 2004. Gegen die diesbezügliche abweisende Beschwerdevorentscheidung brachte der Bf. den Vorlageantrag ein.
Rechtliche Beurteilung:
A. Einkommensteuer 2004:
a. Entschädigung teilweise steuerpflichtig?
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft (LuF PauschVO 2001), BGBl. II Nr. 54/2001,(in weiterer Folge "LuF PauschVO", kann der Gewinn eines land- und forstwirtschaftlicher Betriebes, dessen Inhaber hinsichtlich dieses Betriebes weder zur Buchführung verpflichtet ist noch freiwillig Bücher führt, nach den Bestimmungen dieser Verordnung ermittelt werden. Es ist dabei nur die Anwendung der Verordnung auf einen gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zum Zwecke einer Berechnung der Einkommensteuer gemäß § 33 Einkommensteuergesetz 1988 zulässig. Eine Anwendung bloß auf einzelne Betriebszweige oder einzelne betriebliche Teiltätigkeiten ist unzulässig.
Durch diese Verordnung werden gemäß § 1 Abs. 4 LuF PauschVO nur die regelmäßig in den Betrieben anfallenden Rechtsgeschäfte und Vorgänge pauschal berücksichtigt, die auch von Artikel 25 der Richtlinie des Rates vom Nr. 77/388/EWG, ABl. Nr. L 145, in der jeweils gültigen Fassung erfasst sind.
Außer Streit steht, dass dem Grunde nach die Entschädigungszahlung - soweit nicht Bodenwertminderung oder Einnahmenentgang/Wirtschaftserschwernis – steuerpflichtig ist.
Was die Höhe des steuerpflichtigen Anteils anlangt, so begehrt der Bf. maximal eine Besteuerung in Höhe von 20% der Entschädigungszahlung.
Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie gemäß § 184 Abs. 1 BAO diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Zu schätzen ist gemäß § 184 Abs. 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.
Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 gehören gemäß § 32 Z. 1 lit. a EStG 1988 auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
Im gegenständlichen Fall liegt nur die Zuordnung der Teilbeträge laut Servitutsvertrag bzw. dem Grundstücksverzeichnis vor. Die darin der Bodenwertminderung bzw. dem Hausbrunnen zugewiesenen Beträge hat das Finanzamt als nicht steuerpflichtig behandelt.
Mangels entsprechender Nachweise ist nicht davon auszugehen, dass die Entschädigung zu 80% steuerfreie Positionen abdecken sollte. Es wäre dem Bf. unbenommen geblieben, konkrete Angaben und Unterlagen für die Schätzung eines nur 20%-igen steuerpflichtigen Anteils darzutun. Das BFG vermag beim vorliegenden Sachverhalt dem Vorbringen, die Entschädigung wäre zu 80% für Einnahmenentfall, Wirtschaftserschwernis, Bodenwertminderung und Schäden bezahlt worden, nicht zu folgen.
Ebenso wenig ist die Entschädigungszahlung auf den Bf. und seinen Vater aufzuteilen, weil sie nur dem Bf. ausbezahlt wurde und die vom Bf. ins Treffen geführte Weitergabe eines Teiles an seinen Vater auf einer privatrechtlichen Vereinbarung beruht.
Der beantragten Dreijahresverteilung kann aus folgenden Gründen kein Erfolg beschieden sein:
Gemäß § 37 Abs. 2 Z. 2 EStG 1988 sind über Antrag nachstehende Einkünfte, beginnend mit dem Veranlagungsjahr, dem der Vorgang zuzurechnen ist, gleichmäßig verteilt auf drei Jahre anzusetzen:
2. Entschädigungen im Sinne des § 32 Z 1, wenn überdies im Falle der lit. a oder b der Zeitraum, für den die Entschädigungen gewährt werden, mindestens sieben Jahre beträgt.
Gemäß § 32 Z. 1 EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen einschließlich eines Krankengeldes und vergleichbarer Leistungen (lit. a) oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche (lit. b) oder für die Aufgabe von Bestandrechten, sofern der Bestandgegenstand enteignet wird oder seine Enteignung nachweisbar unmittelbar droht (lit. c), oder für die Aufgabe von Bestandrechten, deren zwangsweise Auflösung im Hinblick auf die künftige Verwendung des Bestandgegenstandes für einen Zweck, für den Enteignungsrechte in Anspruch genommen werden könnten, nachweisbar unmittelbar droht (lit. d), gewährt werden.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Servitutsvertrag nicht hervor, dass die Entschädigung für eine der in § 32 Z. 1 aufgezählten Positionen geleistet worden wäre. Weitere Unterlagen, die die Bezahlung für die angeführten Positionen sprechen würden, hat der Bf. nicht beigebracht.
Auch wenn in Rz. 5174c (nicht Rz. 5172 c) festgehalten ist, dass die Gewinnminderung (Ertragsausfall oder Wirtschaftserschwernis) grundsätzlich steuerpflichtig ist und "bei Voll- und Teilpauschalierung oder Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ein steuerpflichtiges Einmalentgelt auf drei Jahre verteilt zum Normaltarif versteuert werden kann (EStR 2000 Rz. 7369)", fehlt es hier am Nachweis, dass es sich bei den vom Finanzamt angesetzten Beträgen um eine Entschädigung für Ertragsausfall und Wirtschaftserschwernis handelt. Hingewiesen wird nochmals darauf, dass der Bf. die Flächen während der gesamten Bauphase nutzen konnte.
Nach all dem Gesagten kann dem Finanzamt nicht entgegen getreten werden, wenn es den steuerpflichtigen Anteil letztlich in Höhe von € 20.237,55 schätzte. Demzufolge geht das BFG davon aus, dass der Bf. durch das Nichterklären von € 20.237,55 im Jahr 2004 Einkommensteuer verkürzt hat.
b. Verjährung und Abgabenhinterziehung:
Das Recht eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 2 BAO bezüglich der Einkommensteuer innerhalb von fünf Jahren der Verjährung. Bei hinterzogenen Abgaben beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.
Die Verjährung wird gemäß § 209 Abs. 1 BAO durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Der Abgabenanspruch entsteht gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z. 2 BAO für die zu veranlagende Einkommensteuer mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht.
Die fünfjährige Verjährungsfrist für die Einkommensteuer 2004 hat mit Ablauf des Jahres 2004 zu laufen begonnen. Mit Erlassung des Erstbescheides am wurde die Verjährungsfrist unterbrochen und begann sie mit Ablauf des Jahres 2005 neu zu laufen. Weil in den folgenden fünf Jahren keine weiteren Unterbrechungshandlungen feststellbar waren, endete die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2010.
Die Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom setzt nun eine Abgabenhinterziehung voraus. Dazu wird ausgeführt:
Im Erkenntnis des , hatte das BFG die Abgabenhinterziehung für nicht erklärte Einnahmen bzw. Erlöse aus dem Verkauf von Fischereikarten bejaht. Die Revisionswerberin hatte geglaubt, dass diese Einnahmen von der land- und forstwirtschaftlichen Pauschalierung umfasst seien. Aufgrund der persönlichen Verhältnisse der Revisionswerberin - sie hatte ein abgeschlossenes Hochschulstudium -, ihrer unternehmerischen Tätigkeit sowie der Höhe des daraus erzielten Einkommens und aufgrund der nicht unerheblichen Einnahmen bzw. Erlöse aus dem Verkauf von Fischereikarten habe der Revisionswerberin Kenntnis über das grundsätzliche Bestehen der Steuerpflicht klar sein müssen. Erkundigungen beim Vater (Verpächter) hätten nicht ausgereicht. Bei Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit bzw. mit Beginn eines Pachtverhältnisses sei es nach Ansicht des BFG Aufgabe des Unternehmers, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde anzufragen oder sich bei einem befugten Parteienvertreter kundig zu machen. Zur Abgabenhinterziehung führte der VwGH aus:
„Der Abgabenhinterziehung macht sich nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Fahrlässig handelt hingegen, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 8 Abs. 2 FinStrG).
Nach § 9 FinStrG wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter grobe Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.
Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. zuletzt , mwN). …
Der bedingte Vorsatz liegt nur dann vor, wenn der Täter die Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Der Täter muss also einerseits den Eintritt des verpönten Erfolges als naheliegend ansehen (vgl. hiezu auch RIS-Justiz RS0088985) und anderseits bereit sein, diesen Erfolgseintritt in Kauf zu nehmen (vgl. ).
Für den VwGH war das Ergebnis des BFG in diesem Fall, der Eintritt des Erfolgs sei für die Revisionswerberin "zumindest als entfernt möglich vorhersehbar" gewesen, nicht hinreichend, weil "entfernt" Mögliches schon rein begrifflich nicht als "naheliegend" zu beurteilen ist.
Den Ausführungen des BFG, der Abgabepflichtige trage das Risiko eines Rechtsirrtums und sei nicht von einem entschuldbaren Rechtsirrtum auszugehen, hielt der VwGH entgegen, dass auch ein nicht entschuldbarer Rechtsirrtum (vgl. zur Gleichstellung von Rechtsirrtum und Tatirrtum im Bereich des Finanzstrafrechts: ) nach § 9 FinStrG Vorsatz ausschließt und lediglich das Vorliegen von (grober) Fahrlässigkeit bewirkt.
Der VwGH verneinte auch in seinem Erkenntnis vom , 2011/15/0121, eine Abgabenhinterziehung. In diesem Fall wurde auf die Forderung aus der Ablöse einer Investition verzichtet und dieser Vorteil nicht erklärt. Die Abgabenhinterziehung war nicht hinreichend begründet. Allein die Nichtvorlage des Mietvertrages vom und des Übergabsvertrages vom war für den VwGH kein nach außen in Erscheinung tretendes Verhalten, aus dem sich ein Verkürzungsvorsatz erschließen lässt.
In seinem Erkenntnis vom , GZ. RV/3100310/2018, erblickte das BFG im Nicht-Einholen von Informationen bei einem Steuerberater über die Steuer- bzw. Erklärungspflicht im Zusammenhang mit den deutschen nichtselbständigen Einkünften zweifellos eine objektive Sorgfaltswidrigkeit, die eine - für die Frage der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung irrelevante - Fahrlässigkeit iSd § 8 Abs. 2 FinStrG darstellte.
Wie in Schmitt in FinstrG, Bd. 1, 2018, 5. Aufl. 2018, Rz. 2 und 10 zu§ 8 FinStrG, festgehalten, umfasst die allgemeine Umschreibung des Vorsatzes im § 8 Abs. 1 erster Halbsatz FinStrG daher neben dem Wollen auch das Wissen. Vorsatz ist somit nur dann gegeben, wenn Wissen und Wollen vorliegen. Beides kann im Einzelfall in verschiedener Stärke ausgeprägt sein.
Bezüglich des bedingten Vorsatzes muss dem Täter die Verwirklichung eines Tatbildes als nahe liegend erschienen sein. Ein „Rechnen müssen“ reicht allerdings für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes ebenso wenig aus wie bloßer Unbedacht oder Leichtsinn. Dies besagt lediglich, dass den Täter eine Sorgfaltspflicht getroffen hat.
Ebenso verneinte der UFS in seiner Berufungsentscheidung vom , FSRV/0023-I/02, den Vorsatz. In diesem Fall hatte ein pauschalierter Landwirt, der an Epilepsie erkrankt war, jedoch zum Schludenabbau und für den Lebensunterhalt eine Arbeitsstelle in einem Firmenlager angenommen hat, über Jahre Einnahmen und Erlöse aus dem Nebenbetrieb eines Schotterabbaues steuerlich nicht erklärt. Der Bf. - so bereits die Verantwortung während der Prüfung - sei der Meinung gewesen, die Einnahmen aus dem Abbauzins würden unter die Pauschalierung fallen. Den dortigen Feststellungen folgend, hatte der Bf. keine abgabenrechtlichen Erfahrungen. Er legte auch für den Schotterabbau keine Rechnungen, sondern wurden Gutschriften und Rechnungen in seinem Namen von der I-Gesellschaft ausgestellt. Der UFS bejahte allerdings die Fahrlässigkeit, weil der Bf. keine entsprechenden Erkundigungen eingeholt hat.
Unter Berücksichtigung der zuvor gemachten Ausführungen stellt sich der vorliegende Fall wie folgt dar:
Wie unter Pkt. a festgehalten, liegt durch das Nichterklären von € 20.237,55 objektiv eine Verkürzung an Einkommensteuer vor.
Es ist jedoch nun auch noch die „subjektive“ Tatseite zu klären, ob nämlich der Bf. hiebei vorsätzlich, also „mit Wissen und Wollen“ die Einkommensteuer hinterzogen hat:
Dem Vertrag ist kein Hinweis auf eine allfällige Steuerpflicht des Bf. zu entnehmen. Im Zuge der Vertragsverhandlungen war eine mögliche Steuerpflicht des Bf. niemals Thema zwischen den Vertragsparteien.
Der Umstand, dass der Bf. einen Betrieb führt, lässt für sich allein nicht schon einen (bedingten) Vorsatz annehmen. Dass er als Inhaber eines Betriebes von der (teilweisen) Steuerpflicht der Entschädigungszahlung "hätte wissen können" oder "hätte wissen müssen", reicht für die Begründung des Vorsatzes noch nicht aus.
Im Beschwerdezeitraum war der Bf. steuerlich nicht vertreten. Er bezog aus seiner Tätigkeit in der Fabrik Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und hat nur eine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt. Es fehlte ihm also an der steuerlichen Erfahrung.
Im Zuge der Einvernahme konnte die Richterin den persönlichen Eindruck gewinnen, dass der Bf. überhaupt nicht daran dachte, dass er zumindest für einen Teil der Entschädigungszahlung Steuern zu zahlen hatte. Er war der Ansicht, dass diese Einnahmen mit der Pauschalierung abgegolten waren. Die Richterin hatte bei der Einvernahme keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bf. die Verwirklichung des Tatbestandes der Abgabenhinterziehung „ernstlich für möglich gehalten“ und sich mit ihm „abgefunden“ hat.
Das Finanzamt stützt den (zumindest) bedingten Vorsatz im Wesentlichen auf das Unterlassen des Bf., entsprechende Erkundigungen betreffend eine allfällige Steuerpflicht einzuholen. Zweifellos ist dem Finanzamt beizupflichten, dass der Bf. entsprechende Informationen einzuholen gehabt hätte und er durch sein Unterlassen eine ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat. Den Ausführungen im Erkenntnis des , sowie im Erkenntnis des GZ. RV/3100310/2018, folgend, sind diese Unterlassungen dem Bereich der Fahrlässigkeit zuzurechnen; sie reichen jedoch nicht aus, einen (bedingten) Vorsatz zu begründen.
Beim vorliegenden Sachverhalt war aus den zuvor angeführten Gründen ein (bedingter) Vorsatz des Bf., die Einkommensteuer 2004 zu hinterziehen, nicht als erwiesen anzunehmen. Demzufolge ist der Einwand der Verjährung berechtigt. Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 war daher Folge zu geben. Dieser Beurteilung folgend ist der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2004 ersatzlos aufzuheben (vgl. Ritz, BAO6, Kommentar, Rz. 6 (Pkt. 5) zu § 279 BAO - eine Aufhebung als meritorische Beschwerdeerledigung hat beispielsweise zu erfolgen, wenn eine Abgabenfestsetzung erfolgte, obwohl dies wegen Eintrittes der Bemessungsverjährung (§§ 207ff) unzulässig war).
B. Anspruchszinsen 2004:
Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann gemäß § 252 Abs. 1 BAO der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.
Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgaben-, Mess-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid getroffen worden sind, so gilt gemäß § 252 Abs. 2 BAO der Abs. 1 sinngemäß.
Der Anspruchszinsenbescheid ist ein vom Einkommensteuerbescheid abgeleiteter Bescheid.
Erweist sich der genannte Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es ergeht ein weiterer Zinsenbescheid; es erfolgt daher keine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides (Ritz, BAO5, § 205,Rz 35).
Da das Finanzamt der geänderten Rechtsansicht im Einkommensteuerbescheid 2004 in einem neuen Anspruchszinsenbescheid Rechnung zu tragen hat, ist die Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid 2004 als unbegründet abzuweisen.
C. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die betreffend Einkommensteuer 2004 im Rahmen der freien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen betrafen den Sachverhalt. Die Qualifikation des vorliegenden Falles bezüglich des „Vorsatzes einer Abgabenhinterziehung“ findet in den Ausführungen des Erkenntnisses des , Deckung. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Zumal eine „selbstständige“ Anfechtung des Inhalts des Anspruchszinsenbescheides nicht erfolgt und der Anspruchszinsenbescheid 2004 ein vom Einkommensteuerbescheid 2004 abgeleiteter Bescheid ist, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Revision ist folglich unzulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 184 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 32 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 32 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 9 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 1 Abs. 1 LuF PauschVO 2001, Land- und Forstwirtschaft Pauschalierungsverordung 2001, BGBl. II Nr. 54/2001 § 1 Abs. 4 LuF PauschVO 2001, Land- und Forstwirtschaft Pauschalierungsverordung 2001, BGBl. II Nr. 54/2001 |
Schlagworte | Bedingter Vorsatz im Steuerverfahren |
Verweise | -I/02 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100716.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at