Keine über das Kalenderjahr hinausgehende zusammengefasste Abgabenfestsetzung von Kommunalsteuer
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0012. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss zur Zahl RV/7400026/2023 erledigt.
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Rechtssätze | |
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Folgerechtssätze | |
RV/7400195/2019-RS1 | wie RV/2091-W/06-RS1 Die zusammengefasste Festsetzung mehrerer Abgaben derselben Abgabenart darf nur für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) erfolgen. Die Vorgangsweise, mit einem Bescheid den Dienstgeberbeitrag für einen Zeitraum festzusetzen, der über ein Kalenderjahr hinausgeht, entspricht somit nicht dem Gesetz. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache Bf., [Adresse], vertreten durch Beck & Dörnhöfer & Partner Rechtsanwälte, Colmarplatz 1, 7000 Eisenstadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , [GZ], betreffend Kommunalsteuer für den Zeitraum 2012 bis 2014 und Säumniszuschlag zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Anschluss an eine Außenprüfung und eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) wurde der Beschwerde führenden Gesellschaft gemäß § 11 Abs. 3 Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG 1993) Kommunalsteuer für die Zeitraum 2012 bis 2014 in Höhe von 53.177,37 Euro vorgeschrieben und gleichzeitig ein Säumniszuschlag von 1.053,89 Euro auferlegt.
In der Begründung wurde nach Zitierung der zur Anwendung gelangenden gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, die Beschwerde führende Gesellschaft habe die Kommunalsteuer für die an die Dienstnehmer der in Wien gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährten Arbeitslöhne nicht vollständig erklärt und entrichtet, weshalb die Voraussetzungen für die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe gegeben seien. Die Festsetzung des Säumniszuschlages beruhe auf den zwingenden Vorschriften der §§ 117 und 217a BAO.
Aufgrund der Geschäftsaufzeichnungen sei die Bemessungsgrundlage für den Zeitraum 2012 bis 2014 mit 1.772.578,89 Euro ermittelt worden.
Zu dem Einwand der Beschwerde führenden Gesellschaft, die Nachzahlung sei zu Unrecht dem Wiener Standort zugerechnet worden, werde festgehalten, dass die Arbeitnehmer aufgrund des Umstandes, dass sie bis März 2014 bei der Wiener Gebietskrankenkasse angemeldet gewesen seien, auch bis dahin dem Wiener Standort zuzuordnen seien.
Gemäß § 9 KommstG 1993 betrage die Kommunalsteuer 3 % der Bemessungsgrundlage. Für den Bemessungszeitraum 2012 bis 2014 ergebe sich daher ein Kommunalsteuerbetrag von 53.177,37 Euro. Davon würden von der Beschwerde führenden Gesellschaft 52.694,54 Euro nicht anerkannt.
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde die Vorschreibung der Kommunalsteuer für die Jahre 2012 bis 2014 in Höhe von 53.177,37 Euro zur Gänze bekämpft. Begründend wurde ausgeführt, der Sitz der Beschwerde führenden Gesellschaft befinde sich im Burgenland. Lediglich eine Bürokraft arbeite im Büro an der angegebenen Adresse in Wien. Der GPLA-Prüfer habe Zweifel an der Zuordnung gehabt und die Nachforderungen bewusst Wien zugeordnet, obwohl sich der Firmensitz im Burgenland befinde und die laufenden Kommunalsteuerzahlungen auch in der burgenländischen Gemeinde geleistet worden seien. Aus diesem Grund werde um die Stornierung der Vorschreibung der Kommunalsteuer für 2012 bis 2014 ersucht.
Der Beschwerde führenden Gesellschaft wurde in der Folge unter Anschluss einer Kopie der Niederschrift über die Schlussbesprechung und eines "Berichtes der Abgabenprüfgruppe" mitgeteilt, dass die Zuordnung der Arbeitnehmer zur Wiener Betriebsstätte bewusst vorgenommen worden sei. Es werde ihr hiermit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
In Beantwortung dieses Schreibens bestritt die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerde führenden Gesellschaft erneut die Zuordnung der Arbeitnehmer zur Wiener Betriebsstätte und legte unter anderem eine Bestätigung der burgenländischen Gemeinde vor, dass dort seit 2010 Kommunalsteuerzahlungen geleistet worden seien.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und in der Begründung nach Wiedergabe der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen und des Verwaltungsgeschehens darauf verwiesen, dass die Beschwerde führende Gesellschaft für ihre Behauptung, die Ummeldung der Arbeitnehmer sei lediglich vergessen worden, keine Nachweise erbracht habe.
Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde neuerlich auf die Sitzverlegung hingewiesen. Sollte man tatsächlich davon ausgehen, dass der Umstand, dass an der Wiener Adresse eine Bürokraft arbeite, zu einer Wiener Betriebsstätte führe, so wäre die Bemessungsgrundlage auf die beteiligten Gemeinden zu zerlegen. Der Gemeinde Wien stehe daher die Möglichkeit zu, gemäß § 10 Abs. 4 KommStG 1993 einen Antrag auf Zerlegung zu stellen. Die Vorschreibung von Kommunalsteuer durch die Gemeinde Wien würde zu einer Doppelbesteuerung führen.
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegenüber der Beschwerde führenden Gesellschaft Kommunalsteuer für den Zeitraum 2012 bis 2014 und ein Säumniszuschlag festgesetzt.
Dieser unstrittige Sachverhalt ist folgendermaßen rechtlich zu würdigen:
Gemäß § 198 Abs. 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit.
Gemäß § 11 Abs. 2 KommStG 1993 ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. Werden laufende Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt, ist die Kommunalsteuer bis zum 15. Februar abzuführen.
Wird kein selbstberechneter Betrag der Abgabenbehörde bekannt gegeben oder erweist sich die Selbstberechnung als nicht richtig, hat gemäß § 11 Abs. 3 zweiter Satz KommStG 1993 die Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid zu erfolgen. Von der Erlassung eines solchen Abgabenbescheides kann abgesehen werden, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung binnen drei Monaten ab Einreichung der Abgabenerklärung berichtigt; erweist sich die Berichtigung als nicht richtig, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen.
§ 201 BAO idF BGBl. BGBl. I Nr. 70/2013 normiert:
"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009)
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013)
3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.
(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen."
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt gemäß § 279 Abs. 2 BAO das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
Die zusammengefasste Festsetzung mehrerer Abgaben innerhalb derselben Abgabenart darf nach § 201 Abs. 4 BAO nur für ein Kalenderjahr (bzw. Wirtschaftsjahr im Fall des § 20 Abs. 3 UStG 1994) erfolgen. Die Zusammenfassung darf lediglich Abgaben derselben Abgabenart umfassen (vgl. Ritz, BAO6, § 201 Tz 43 und 44).
§ 201 Abs. 4 BAO ist auch für gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 erlassene Kommunalsteuerbescheide anwendbar, weil § 11 Abs. 3 KommStG 1993, der keine solche Bestimmung enthält, als lex specialis nicht in Widerspruch zu § 201 Abs. 4 BAO als lex generalis steht (vgl. Ritz aaO sowie in SWK 2009, S 858).
In den Materialien zum Abgabenrechtsmittelreformgesetz wird zur Neuregelung des § 201 Abs. 4 BAO ausgeführt:
"Die zusammengefasste Festsetzung mehrerer Abgaben derselben Abgabenart in einem Abgabenbescheid wird (im § 201 Abs. 4 BAO) auf Abgaben eingeschränkt, für die der Abgabenanspruch im selben Kalenderjahr entstanden ist. Dies soll ua die automationsunterstützte Festsetzung von Säumniszuschlägen (z.B. bei Dienstgeberbeiträgen) erleichtern".
Im vorliegenden Fall wurde Kommunalsteuer für einen drei Jahre umfassenden Zeitraum und der davon berechnete Säumniszuschlag festgesetzt. Die Zusammenfassung von über ein Kalenderjahr hinausgehenden Abgabenansprüchen in einer Summe und die gleichzeitige Festsetzung eines davon berechneten Säumniszuschlages in einem Bescheid ist jedoch rechtswidrig. Die belangte Behörde hätte vielmehr für jedes Kalenderjahr einen gesonderten Bescheid erlassen müssen und dementsprechend auch Säumniszuschläge gesondert für jedes Kalenderjahr in einem eigenen Bescheid festsetzen müssen.
Wenngleich das Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Beschwerde als unbegründet abweisen kann, ist seine Änderungsbefugnis durch die Sache, also jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat, begrenzt. Daher darf ein Erkenntnis etwa nicht eine Abgabe erstmals vorschreiben oder eine andere Abgabe als durch den erstinstanzlichen Bescheid vorschreiben (vgl. Ritz, BAO6, § 279 Tz 11).
Das Verwaltungsgericht kann daher nicht einen Abgabenbescheid, der über Abgabenansprüche von drei Kalenderjahren zusammengefasst abspricht und gleichzeitig einen von der Gesamtsumme berechneten Säumniszuschlag festsetzt, durch drei Abgabenbescheide und Bescheide über die Festsetzung von Säumniszuschlägen jeweils für eines dieser Kalenderjahre ersetzen.
Da der angefochtene Bescheid, mit dem Kommunalsteuer für den mehr als ein Kalenderjahr umfassenden Zeitraum vom bis und ein Säumniszuschlag für den gesamten Zeitraum festgesetzt wurden, im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 201 Abs. 4 BAO steht und dieser Form nicht hätte ergehen dürfen, war er ersatzlos aufzuheben.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unmittelbar aus dem Gesetz (§ 201 Abs. 4 BAO) ergibt, liegt diesbezüglich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 11 Abs. 3 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 198 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | Ritz, BAO6, § 201 TZ 43 und 44 Ritz, BAO6, § 279 Tz 11 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7400195.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at