Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 20.11.2019, RV/7101986/2016

Einstellung des Verfahrens da Löschung der GmbH gemäß § 40 FBG

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RI in der Beschwerdesache XYZGmbH, GasseXY, PLZXY OrtB, Beschwerden eingebracht durch StbXYZ, Gassexyz, PLZA OrtB, gegen folgende Bescheide der belangten Behörde Finanzamt XYZ vom , betreffend

1. Haftung für Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 02-11/2014

2. Haftung für Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 12/2014

3. Haftung für Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 01-07/2015

4. Haftung für Kapitalertragssteuer 02-11/2014

5. Haftung für Kapitalertragssteuer 12/2014

6. Haftung für Kapitalertragssteuer 01-07/2015

den Beschluss gefasst:

I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VWGG eine (ordentliche ) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bei der XYZGmbH, Beschwerdeführerin, wurde betreffend den Zeitraum 02/2014 - 07/2015 eine Außenprüfung gemäß § 150 Bundesabgabenordnung (BAO) durchgeführt. Gegenstand der Prüfung war die Richtigkeit der Besteuerung nach dem Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG 1994), wobei diesbezüglich keine Feststellungen getroffen wurden.

Hingegen wurden im Rahmen der Außenprüfung Feststellungen betreffend der Besteuerung von Kapitalerträgen sowie der Abfuhr der Abzugssteuer nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG  getroffen. Zu diesen Feststellungen wurden am Bescheide betreffend

1. Haftung für Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 02-11/2014

2. Haftung für Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 12/2014

3. Haftung für Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 01-07/2015

4. Haftung für Kapitalertragssteuer 02-11/2014

5. Haftung für Kapitalertragssteuer 12/2014

6. Haftung für Kapitalertragssteuer 01-07/2015

vom Finanzamt erlassen.

Gegen diese Bescheide wurde jeweils am  Beschwerde eingelegt.

Streitpunkte waren im Wesentlichen, ob überhöhte Zahlungsflüsse verdeckte Gewinnausschüttungen darstellten und dadurch mit 25 % KESt zu besteuern waren. Weiters, ob fremde Dienstleistungen in Form von Arbeitskräfteüberlassungen ausgeübt wurden und daher eine Abzugssteuer in Höhe von 20 % gemäß §§ 99 ff EStG 1988 festzusetzen war.

Auf Antrag des Bf. wurden die Beschwerden gegen die Haftungsbescheide ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Löschung im Firmenbuch

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom Juli 2016 wurde das Konkursverfahren über die Gesellschaft eröffnet, die Gesellschaft war infolge dessen aufgelöst.

Der Konkurs wurde im Dezember 2016 nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben.

Mit im Firmenbuch im Juni 2017 eingetragenen Beschluss des Handelsgerichts Wien wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Abgabenkonto

Auf dem Abgabenkonto der Bf. haftet ein Rückstand aus. Die beschwerdeverfangenen Abgaben wurden nicht entrichtet, sondern deren Einhebung gemäß § 212a BAO ausgesetzt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtsgrundlagen

§ 79 BAO lautet:

§ 79. Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozeßordnung ist sinngemäß anzuwenden.

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 39 FBG lautet:

Auflösung zufolge Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens

§ 39. (1) Jede in das Firmenbuch einzutragende Gesellschaft ist außer den in anderen Gesetzen genannten Fällen mit der Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst, durch den das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet oder aufgehoben wird.

(2) Die Auflösung ist von Amts wegen in das Firmenbuch einzutragen.

§ 40 FBG lautet idF BGBl I 120/2005:

Vermögenslosigkeit

§ 40. (1) Eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, kann auf Antrag der nach dem Sitz der Gesellschaft zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung oder der Steuerbehörde oder von Amts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Abwicklung findet nicht statt. Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wenn sie trotz Aufforderung durch das Gericht die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte (§§ 277 ff UGB) von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vollständig vorlegt.

(2) Vor der Löschung sind die nach dem Sitz der Gesellschaft zuständige gesetzliche Interessenvertretung und die Steuerbehörde zu hören, sofern diese nicht ohnehin selbst Antragsteller waren. Äußern sich diese Stellen binnen vier Wochen nicht, so gilt ihre Zustimmung als gegeben.

(3) Gerichte und Steuerbehörden haben einander die erbetenen für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

(4) Stellt sich nach der Löschung das Vorhandensein von Vermögen heraus, das der Verteilung unterliegt, so findet die Abwicklung statt. Die Abwickler sind auf Antrag eines Beteiligten vom Gericht zu ernennen.

Anwendung auf vorliegenden Fall:

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter () und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist (vgl. ) und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind (vgl. Ritz, BAO6, § 79, Tz 10, 11; ; ). Die Aufhebung des Konkurses nach Verteilung des Massevermögens ist ein Indiz dafür, dass die GmbH vermögenslos ist ().

Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher grundsätzlich rechtswirksam (vgl. ; ; ; ).

Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft - so wie bisher - einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. In der Zeit zwischen Auflösung und Vollbeendigung (vollständige Abwicklung aller Rechtsverhältnisse) fungiert grundsätzlich der vormalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator" (; , 92/15/0121; -K/06; -K/07; ). An ihn können an die Gesellschaft adressierte Erledigungen bis zur Bestellung eines Liquidators noch zugestellt werden.

Der Auflösung folgt i.d.R. die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). Während dieser Zeit wird eine Kapitalgesellschaft gemäß § 93 GmbHG durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler vertreten.

Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch (§ 93 GmbHG). Mit ihr endet auch das Liquidatorenamt. Sollten in weiterer Folge noch Bescheide an die im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft erlassen werden, regelt § 80 Abs. 3 BAO, dass Zustellungsvertreter einer gelöschten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer gemäß § 93 Abs. 3 GmbHG auf die Dauer von sieben Jahren zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war. Bei diesem "Verwahrer", der in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder eines Gesellschafterbeschlusses durch das Gericht bestimmt wird, kann es sich um einen Gesellschafter oder um eine dritte Person handeln. Keine Liquidation findet hingegen im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft und im Falle der Löschung einer Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 Abs. 1 FBG statt (vgl. Haberer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 89 Rz 11 f).

Die Vertretungsregelung des § 80 Abs. 3 BAO erfasst nur jene Fälle, in denen eine Liquidation nach § 89 GmbHG stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird oder eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 FBG bei Konkursabweisung mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Vermögens (§ 71b IO) als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist (vgl. ).

Die Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG sowie die im Firmenbuch gemäß § 39 Abs. 2 FBG einzutragende Auflösung gelten zwar nur als deklarativ und führen grundsätzlich nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft (), jedoch ist mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch nach der Rechtsprechung des OGH konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (; , 3 Ob 113/07z), sodass in diesem Fall an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden können (vgl. Knechtl/Mitterlehner/Panholzer, Die Kapitalgesellschaft in der Steuererklärung 2017, 31 m.w.N.). Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (; ; u.a.).

Mit der Konkurseröffnung ist die zuvor von der Bf. erteilte Vollmacht an eine Wirtschaftstreuhandgesellschaft gemäß § 1024 ABGB kraft Gesetzes erloschen. Die Vollmacht erlischt endgültig, sie lebt auch nicht mit Aufhebung der Insolvenz wieder auf (vgl. etwa Perner in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1024 Rz 1f m.w.N.).

Da weder der frühere Masseverwalter noch eine steuerliche Vertreterin die Bf. vertritt und eine andere Person, der eine Erledigung für die Bf. zugestellt werden kann, soweit ersichtlich nicht besteht, kann eine Erledigung durch das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Verfahren ohne Kuratorbestellung für die gelöschte GmbH nicht mehr zugestellt werden. Eine Kuratorenbestellung setzt ein zwar handlungsunfähiges, jedoch existentes Steuersubjekt voraus. Sofern kein Abwicklungsbedarf besteht, liegt gar kein Rechtssubjekt mehr vor. Mangels Abwicklungsbedarf besteht auch keine Parteifähigkeit mehr.

Da die streitgegenständlichen Abgabennachforderungen bislang nicht entrichtet, sondern gemäß § 212a BAO ausgesetzt wurden, führte selbst eine vollinhaltliche Stattgabe der Beschwerde zu keinem Aktivvermögen der gelöschten GmbH. Weder diese noch in weiterer Folge deren Gläubiger könnten ein Abgabenguthaben lukrieren. Somit liegt im gegenständlichen Fall eine Vollbeendigung der gelöschten GmbH vor (vgl. ). Eine Veranlassung zur Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs. 1 BAO liegt daher nicht vor (vgl. mit Verweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 809; ). 

Das Beschwerdeverfahren ist daher durch das Verwaltungsgericht mittels Beschluss einzustellen ().

Revisionsnichtzulassung

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der im Beschluss zitierten Judikatur des VwGH (siehe insbesondere ). Das Bundesfinanzgericht ist von dieser Judikatur nicht abgewichen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher im gegenständlichen Fall nicht vor. Eine (ordentliche) Revision ist somit nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Firmenbuch
Löschung
Vermögenslosigkeit
Abwicklungsbedarf
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101986.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at