Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.09.2019, RV/6100522/2019

Aufhebung eines Bescheides betreffend Säumniszuschlag, wenn der (Stamm-)Abgabenbescheid nicht mehr im Rechtsbestand ist

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100522/2019-RS1
Bei ersatzloser Aufhebung des Abgabenbescheides durch das BFG, dessen Abgabenbetrag die Festsetzung eines Säumniszuschlages bewirkte, ist der Bescheid den Säumniszuschlag betreffend ersatzlos aufzuheben, da der für die Festsetzung des Säumniszuschlages maßgebliche Abgabenbescheid nicht mehr im Rechtsbestand ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter M in der Beschwerdesache der B, Adresse, vom , vertreten durch T, Adresse gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom , betreffend Festsetzung eines Säumniszuschlages für die Lohnsteuer des Jahres 2009 zu Recht erkannt:

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben.

II.

Der angefochtene Bescheid betreffend Festsetzung des Säumniszuschlages für das Jahr 2009 wird aufgehoben.

III.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahren vor den Abgabenbehörden

Auf Grund der Nachforderung an Lohnsteuer auf Grund einer GPLA Prüfung für das Jahr 2009 wurde in Anwendung des § 217 Abs. 1 und 2 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein Säumniszuschlag in Höhe von 220,13 € festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid wurde von der steuerlichen Vertretung berufen und unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Die Pflichtige ist im Fliesenlegergewerbe sowohl im Privatbereich als auch im gewerblichen Objektbereich tätig. Zu den Auftraggebern zählen sowohl Bauträger, gewerbliche Betriebe, Wohnungserrichtungsgesellschaften, als auch Privathaushalte.

Bei der GPLA Prüfung kam es von Seiten des Prüfers zur Feststellung, dass mit Fliesenlegerarbeiten betraute Einzelunternehmer als Dienstnehmer hätten angemeldet werden müssen und in Folge die Lohnabgaben abgeführt hätten werden müssen.

Konkret handelte es sich dabei um 2 Auftragnehmer, welche für die Pflichtige im Rahmen eines Werkvertrages tätig waren. Im gegenständlichen Fall liegen keine Dienstverhältnisse vor, sondern jeweilige Werkverträge. Die Subunternehmer wurden fallweise eingesetzt, je nach Auftragslage des Unternehmens und hatten die Aufgabe ein bestimmtes Werk zu vollbringen. Es war keine bestimmte Arbeitszeit vorgegeben, auch wurden keine Werkzeuge beigesteuert, dies als Kriterium für das Vorliegen eines Werkvertrages (siehe GZ FSRV/0050-W/08).

Die angeführten Personen Herr W und Herr G sind selbständige Unternehmer. Herr W führt sein Unternehmen in Deutschland seit 1999, Herr G führt sein Unternehmen seit 2006 in Deutschland. Beide Unternehmer sind in Deutschland krankenversichert und beim Finanzamt als steuerpflichtige Gewerbetreibende geführt.

Ein Werkvertrag liegt vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag im Vorhinein individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Die Verpflichtung aus dem Werkvertrag besteht darin, die genau umrissene Leistung (in der Regel bis zu einem bestimmten Termin) zu erbringen. Das Interesse des Vertragsverpflichteten ist auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein „gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können. Mit der Erbringung der Leistung endete das Werkvertragsverhältnis, danach wurde das Werk auch jeweilig abgerechnet. Es liegen von diesen Personen Rechnungen mit Firmenbriefpapier (Firmenstempel), fortlaufende Rechnungsnummer, UID Nummer vor, auch diese lassen auf eine selbständige Tätigkeit (siehe obige angeführte UFS-Entscheidung) schließen.

Beide Einzelunternehmen waren mit der Durchführung der Regiearbeiten (einzelne Fliesenlegerarbeiten in verschiedenen Projekten) beauftragt und haben diese durchgeführt und in Rechnung gestellt. Sie haben die an sie beauftragten Regiearbeiten im weisungsfreien Rahmen ihrer Tätigkeit als Unternehmer ohne wirtschaftlich von der Pflichtigen abhängig zu sein, ausgeführt. Darüber hinaus haften sie nach den gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen für die von ihnen erbrachten Arbeiten. Anders als Dienstnehmer schulden sie aufgrund der Vereinbarung nicht ihre Tätigkeit, sondern den vereinbarten Erfolg. Sie waren auch nicht verpflichtet die Tätigkeit selbst auszuführen, sondern waren berechtigt sich durch ihre eigenen Dienstnehmer oder Subunternehmer vertreten zu lassen.

Die Unternehmer haben die Arbeiten ausschließlich mit eigenen Betriebsmitteln (Werkzeuge, wie Fliesenschneider, Spachteln, Hammer) ausgeübt. Sie sind im Gegensatz zu Dienstnehmern der Pflichtigen mit ihren eigenen betrieblich genutzten Fahrzeugen zur Baustelle angereist und haben dort die Fliesenlegerarbeiten mit eigenen Handwerkzeugen ausgeübt. Im Übrigen verfügen beide Unternehmer auch über eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug der Bauleistungen gem. § 48 (1) 1 EStG, Abgrenzungskriterium zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag ist, dass beim Dienstvertrag die rechtlich begründete freie Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers wesentlich ist. Es kommt also auf die Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit an.

Genau dies ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, da beide Unternehmer berechtigt waren, sich vertreten zu lassen, sie waren auch persönlich nicht weisungsgebunden, sie mussten lediglich ihr Werk erbringen. Eine Tätigkeit, die jemand nicht im Rahmen eines

Unterordnungsverhältnisses ausübt, ist als selbständige Tätigkeit anzusehen ( mit Hinweis auf das , veröffentlicht in der Sammlung der Rechtsprechung 2001, Seite I -08615).

Für eine unternehmerische Tätigkeit spricht, dass der Arbeitende das entsprechende wirtschaftliche Risiko tragen will, indem er z.B. losgelöst vom konkreten Auftrag spezifische Betriebsmittel anschafft, werbend am Markt auftritt, auch sonst über eine gewisse unternehmerische Struktur verfügt und seine Spesen in die dem Auftraggeber verrechneten Honoraren selbst einkalkuliert, wie dies bei einer Pauschalabgeltung in der Regel der Fall ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom Zlen.2009/09/0287,0287,0288 mwN).

Die beiden Unternehmen arbeiten generell sowohl in Deutschland als auch in Österreich für verschiedene Auftraggeber. Die Aufträge wurden im obigen Zeitraum nach Stunden abgerechnet, wie es in der Fliesenlegerbranche auch üblich ist. Im Fliesenlegergewerbe wird entweder nach qm oder nach Stunden abgerechnet. Gerade bei Mosaikfliesenarbeiten, wo die beiden Unternehmer spezialisiert sind, wird immer in Stunden abgerechnet, da eine qm Abrechnung zu keinem gerechten Honorar führen würde.

Im Fliesenlegergewerbe ist es üblich meist zu zweit oder zu dritt zu arbeiten, die beiden Unternehmer kommen aus unterschiedlichen Gegenden in Deutschland, sie haben teilweise bei manchen Baustellen zusammen, jeder allerdings auf eigene Rechnung gearbeitet. Fakturiert wurde immer dann, wenn ein Werk, das geschuldet war, erfüllt war.

In der Anlage werden folgende Unterlagen vorgelegt:

Eidesstättige Erklärung der beiden Unternehmer

Freistellungsbescheinigungen

Nachweis über UID Nummer

Gewerbeanmeldung

Bestätigung über Krankenversicherung

Es werde daher die Stattgabe der Berufung beantragt.“

Die Berufung (Beschwerde) wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung (Beschwerdevorentscheidung) der Rechtsmittelbehörde (Unabhängiger Finanzsenat; ab Bundesfinanzgericht) vorgelegt.

Übergangsbestimmung infolge Auflösung des Unabhängigen Finanzsenates

Mit wurde der Unabhängige Finanzsenat (UFS) aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezembers 2013 bei dieser Behörde anhängigen Verfahren geht gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das Bundesfinanzgericht (BFG) über. Dementsprechend normiert § 323 Abs. 38 BAO, dass die am beim UFS als Abgabebehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom BFG als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind.

Die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes für die Behandlung dieses Rechtsmittels (Beschwerde) ist somit gegeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

A) Festgestellter Sachverhalt

Unbestritten ist, dass die mit Bescheid vom festgesetzte Nachforderung an Lohnsteuer für das Jahr 2009 nicht am Fälligkeitstag entrichtet wurde.

B) Rechtslage

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3, Abs. 2 lit. d) nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der Bestimmungen des § 217 Abs. 1 BAO idF BGBl. I 2000/142 Säumniszuschläge zu entrichten.

Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§ 217 Abs. 2 BAO).

Der Säumniszuschlag entsteht kraft Gesetzes und stellt eine objektive Säumnisfolge dar. Dabei sind die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, grundsätzlich unbeachtlich, ebenso wie die Dauer des Verzuges (vgl Ritz, BAO4, § 217, Tz 2 und 3 und die dort zitierte Judikatur des VwGH).

Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht. Sein Zweck liegt darin, die pünktliche Tilgung von Abgabenschulden sicherzustellen. Dabei sind die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben ebenso wie die Dauer des Verzuges grundsätzlich unbeachtlich.

Säumniszuschlagsansprüche setzen allerdings voraus, dass eine Verpflichtung zur Entrichtung der betreffenden Abgabe besteht.

Nach § 217 Abs. 8 BAO hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.

Solche Herabsetzungen können beispielsweise auch durch Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte erfolgen (Ritz, BAO6, § 217, Tz 51). Eine derartige Herabsetzung liegt auch bei ersatzloser Aufhebung des (Stamm-)abgabenbescheides, wie zB durch Aufhebung auf Grund eines Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes (§ 279 Abs. 1 BAO) vor.

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Berufung gegen den Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer für das Jahr 2009 stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

C) Erwägungen

Da die den Säumniszuschlag begründende Nachforderung an Lohnsteuer für das Jahr 2009 die die Grundlage für den strittigen Säumniszuschlag bildete, durch die Stattgabe der Berufung gegen den (Stamm-)abgabenbescheid nicht mehr im Rechtsbestand ist, war der Beschwerde statt zu geben.

D) Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Verfahren handelt es sich weder um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und die zu lösende Rechtsfrage wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 8 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Säumniszuschlag
Stammabgabenbescheid
Aufhebung
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100522.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at