Schätzung nach Öffnungszeiten von Pizzeria mit zwei Standorten nicht überhöht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin **** in der Beschwerdesache Bf, Adresse, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde FA Baden Mödling vom , betreffend
1. Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2007
2. Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2007
3. Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2008
4. Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2008
5. Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2009
6. Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2009
7. Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2010
8. Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2010
zu Recht erkannt:
Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Übergang der Zuständigkeit vom UFS auf das BFG
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO, in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2013, sind die am beim unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
II. Verfahrensablauf
1. Verfahren vor der Abgabenbehörde
Arbeitgeber und Berufungswerber Bf, der in der Folge als Beschwerdeführer (Bf) bezeichnet wird, wurden im Zuge einer Außenprüfung betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag im Zeitraum bis folgende Bescheide mit Datum vorgeschrieben:
Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Jahr 2007 mit einer Nachforderung in der Höhe von 411, 06 €
Bescheid über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2007 mit einer Nachforderung in der Höhe von 42,46 €
Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Jahr 2008 mit einer Nachforderung in der Höhe von 74,08 €
Bescheid über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2008 mit einer Nachforderung in der Höhe von 9,64 €
Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Jahr 2009 mit einer Nachforderung in der Höhe von 2.260,25 €
Bescheid über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2009 mit einer Nachforderung in der Höhe von 206,84 €
Bescheid über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Jahr 2010 mit einer Nachforderung in der Höhe von 3.001,10 €
Bescheid über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2010 mit einer Nachforderung in der Höhe von 266,76 €
Gegen diese Bescheide vom betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag erhob der Bf am fristgerecht Berufung, die als Beschwerde zu behandeln ist.
Der Bf begründet sein Rechtsmittel im Wesentlichen damit, dass die Feststellungen der Prüfung, auf deren Werten die bekämpften Bescheide basieren, auf einer Schätzung durch eine Prüferin beruhen würden, bei der lediglich die Öffnungszeiten mit einem durchschnittlichen Stundenlohn, der aus den Lohnverrechnungsunterlagen entnommen worden sei, multipliziert und in den Jahren 2007 und 2008 mit 2 und in den Jahren 2009 bis 2010 mit 2,5 hochgerechnet worden wären. Der Bf gibt an, dass seine Arbeitskraft nicht mitberücksichtigt worden sei. Er schließt dies daraus, dass bei einer Umrechnung dieses Rechnungsergebnisses mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit pro Monat von 173 Stunden, sich für die Jahre 2007 und 2008 2,91 Vollzeitbeschäftigte ergeben würden, für die Jahre 2009 und 2010 8,49 Vollzeitbeschäftigte, dies jedoch ohne seine Arbeitskraft. Der Bf argumentiert dahingehend, dass er immer 12 Stunden pro Tag mitgearbeitet habe. Der Bf erachtet die Schätzung daher als massiv überhöht, weil sie den wahren Gegebenheiten nicht so nahe als möglich komme. Demzufolge stellte der Bf den Antrag auf Neufestsetzung von DB und DZ für die Jahre 2077 (unzweifelhaft gemeint 2007), 2008, 2009 und 2010 „unter Zugrundelegung bisher war vorgeschrieben“. Desweiteren stellte der Bf für den Fall der Erledigung der Berufung durch einen Berufungssenat der Abgabenbehörde zweiter Instanz den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Er stellte auch den Antrag auf Aussetzung der Einhebung.
Der Bericht der Außenprüfung des Finanzamtes legt dar, dass Lohnkonten und diverse Aufzeichnungen eingesehen worden wären.
Die Nachverrechnungen seien im gegenständlichen Fall im Schätzungswege erfolgt, weil der sich aus den offiziellen Öffnungszeiten und der Struktur des Betriebes, der ab Ende 2008 zwei Standorte umfasst habe, ergebende Personalbedarf durch die bei der Sozialversicherung gemeldeten Dienstnehmer nicht abgedeckt werden hätte können. Es werde in diesem Zusammenhang auch auf die KIAB Aufgriffe und den errechneten Personalbedarf verwiesen. Der Dienstgeber sei weder seiner Verpflichtung zur Führung von Zeitaufzeichnungen nach dem Arbeitszeitgesetz nachgekommen noch seien Dienstpläne erstellt worden. Das Fehlen der Unterlagen hätte es nicht ermöglicht, die ordnungsgemäße Abrechnung der einzelnen Mitarbeiter nachzuvollziehen bzw. die dargelegten Ungereimtheiten aufzuklären und es wären vom Arbeitgeber keine durch Unterlagen belegten Erklärungen für die erwähnten Differenzen abgegeben worden.
Die Basis für die Schätzung und den sich daraus ergebenden Nachverrechnungen wäre die ausführliche Besprechung vom , in der der Bf angibt, dass es keine Zeitaufzeichnungen und Dienstpläne gebe. überreichte Unterlagen und die Schlussbesprechung vom . Aus beiden Unterlagen geht hervor, dass ab Ende 2008 der Betrieb zwei Standorte in [Ort1] und [Ort2] mit Lieferdienst innehatte.
Das Finanzamt erließ keine Berufungsvorentscheidung, legte den Akt am dem UFS (nunmehr Bundesfinanzgericht), einlangend mit , vor und stellte den Antrag auf Abweisung der Berufung im Hinblick auf die dargestellten Fakten, Schätzung der Lohnsteuerbemessungsgrundlagen wegen gravierender Aufzeichnungsmängel und nachgewiesener Verletzungen der Pflicht zur Sozialversicherungs-Anmeldung von ArbeitnehmerInnen. Die Berufung bleibe auch Gründe schuldig, warum die sich im Rahmen der Schätzung ergebenden Arbeitsstunden im vorliegenden Betrieb (bis 2008 eine Pizzeria, danach ein weiteres Lokal; Speisenauslieferung) unrealistisch sein sollten.
2. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Im Zuge der Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes wurden neben Anforderungen von Unterlagen vom Finanzamt auch Recherchen betreffend der finanzstrafrechtlichen Vorkommnisse angestellt. Insbesondere die Strafanzeige vom Strasa Nr. abc ergab, dass der Bf 14 Arbeitnehmer beschäftige.
Desweiteren liegen anonyme Anzeigen gegen den Bf vor: Eine davon spricht vom Verkauf von täglich zwischen 1200 und 1800 Pizzen alleine an einem Standort. Ein anderer Anzeigeerstatter spricht am von 2000 Pizzen, die täglich erzeugt und verkauft würden. Der Anzeiger gibt auch an, einen Rechtsstreit mit dem Bf beim Arbeitsgericht zu haben. Die Gerichtszahl des Prozesses war angeführt: Aktenzahl.
Das Finanzamt stellte am fest, dass der Bf größtenteils geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer zur Sozialversicherung gemeldet habe und regte, da der Bf keinerlei Arbeitsaufzeichnungen führe, eine Lohnsteuerprüfung des Betriebes an. Aus zwei Strafanträgen vom und geht desweiteren hervor, dass es bei Kontrollen durch die KIAB (nunmehr Finanzpolizei) zu Aufgriffen illegal beschäftigter Ausländer iSd § 3 AuslBG gekommen sei.
Auch aus den Bewertungen im Internet (...) geht hervor, dass es bei dem Betrieb Standort [Ort1] um ein gut florierendes Lokal mit einer umfangreichen Karte mit Mittagsmenüs, Nudelgerichten, Fischgerichten und Nachspeisen handelt (Zitat einer Bewertung im Juni 2011 „…Service könnte manchmal besser sein, vor allem wenn das Lokal voll ist…).
Außerdem hat der Bf im Mai 2010 für diesen Standort sowohl Küchengehilfe als auch Servierer gesucht, wie aus einer Jobanzeige auf .... zu entnehmen ist, jeweils für 40 Stunden pro Woche.
Ebenfalls eingesehen wurde die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Aufzeichnungen der Mengen an eingekauften Lebensmitteln im Zuge der Prüfungsfeststellungen, auf denen unter anderem Hinzurechnungen im Zuge der Schätzung basierten.
Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht gegen den Bf
Im Zuge seiner Ermittlungen forderte das Bundesfinanzgericht am den oben angeführten Akt des anonymen Anzeigers gegen den Bf beim Arbeits- und Sozialgericht im Wege der Beistandspflicht gem. § 158 BAO (basierend auf dem Grundgedanken der Amtshilfe) an.
Der Akt wurde übermittelt und beinhaltet die Mahnklage des Klägers ehemaligerMitarbeiter gegen den Bf wegen offener Lohnzahlungen. Der Kläger gab an, im Zeitraum bis beim Bf für 40 Stunden pro Woche als Koch (nicht jedoch als Pizzakoch) beschäftigt gewesen zu sein. Das Dienstverhältnis hätte durch gerechtfertigten vorzeitigen Austritt geendet und der Bf hätte dem Kläger insgesamt 4.062,06 € geschuldet, die spätestens am fällig gewesen wären.
Der Bf als Beklagter bestritt das Klagebegehren zur Gänze und wandte in seinem Einspruch ein, dass der Kläger in der gegenständlichen Pizzeria am Standort [Ort1] nicht im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche als Koch tätig gewesen sei. Er sei nur von bis als Hilfskraft geringfügig in allen Bereichen angestellt gewesen uzw. in einem Betrieb in [Ort2], in dem der Bf eine Imbissstube betrieben hätte.
Der Kläger bestritt diesen Einspruch und gab an, in der gegenständlichen Pizzeria am Standort [Ort1] als einziger im Lokal tätiger Koch (nicht Pizzakoch) durchgehend von bis tätig gewesen zu sein.
Er bestätigte allerdings, parallel zu dieser Tätigkeit für den Bf auch an einem anderen Standort in [Ort3] tätig gewesen zu sein.
Der Prozess endete mit einem Vergleich, in dem der Bf an den Kläger die Summe von 2.000 € sowie einen Prozesskostenbeitrag zu leisten hatte.
Vorhalt Bundesfinanzgericht und Stellungnahme belangte Behörde
Am richtete das Bundesfinanzgericht einen Beschluss in Form eines Vorhaltes an den Bf sowie die belangte Behörde:
Die Parteien wurden darin zur Klärung offener Fragen und der Beurteilung des Sachverhaltes jeweils zu einer Stellungnahme ersucht, die insbesondere die Beantwortung folgender Fragen beinhalten sollte:
Fragen an die belangte Behörde:
1.Wurde die vom Bf in der Berufung angegebene eigene Arbeitszeit von ca 12 h täglich bei der Schätzung berücksichtigt? Wenn ja, in welchem Umfang?
2.Wenn nein, welcher Betrag wäre dem Bf als Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2007 bis 2010 vorzuschreiben gewesen, wenn die 12 h bei der Schätzung voll berücksichtigt worden wären?
3.Von wieviel verkauften Pizzen pro Tag ist die belangte Behörde bei ihrer Schätzung durchschnittlich ausgegangen?
Fragen an den Bf:
1.Können Sie durch geeignete Unterlagen die von der belangten Behörde erwähnten Differenzen betreffend Personalbedarf und die bei der Sozialversicherung gemeldeten Dienstnehmer entkräften?
2.Aus welchem Grund erachten Sie die sich im Rahmen der Schätzung ergebenden Arbeitsstunden beim gegenständlichen Betrieb, der ab 2008 über zwei Standorte verfügte, als unrealistisch?
3.Wieviele Pizzen pro Tag haben Sie im verfahrensgegenständlichen Zeitraum durchschnittlich verkauft?
4.Haben Sie an beiden Standorten persönlich mitgearbeitet bzw. können Sie das belegen?
5.Haben Sie noch in anderen Restaurant-Lokalitäten persönlich mitgearbeitet?
Die belangte Behörde (die Prüferin, die auch die auch am die Außenprüfung durchgeführt hatte) übermittelte einlangend mit dem Bundesfinanzgericht eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt:
Im gegenständlichen Fall betrieb Herr Bf. im Prüfungszeitraum zwei Pizzerien mit Lieferservice, welche ca. 23 Kilometer voneinander entfernt waren:
Punkt 1:
Die Mitarbeit von Herrn Bf. wurde entsprechend den Öffnungszeiten in der Schätzung berücksichtigt.
Die Hochrechnung basiert auf den Öffnungszeiten der Pizzeria/Pizzerien und dem durchschnittlich betriebsnotwendigen Personalbedarf von 3 Personen pro Pizzeria mit Lieferservice.
Für den Zeitraum 2007 - 2008 (1 Pizzeria) ergibt sich somit ein durchschnittlicher Personalbedarf von 3 Personen und für den Zeitraum 2009 - 2010 (2 Pizzerien) sind somit im Schnitt insgesamt 6 Personen erforderlich.
Gestützt wird dieser Ansatz ebenfalls durch die Anzahl, der bei KIAB/FINPOL-Kontrollen im Betrieb angetroffenen beschäftigten Personen (/5 Personen; /5 Personen, /5 Personen). Somit kann bei der Berechnung der Mannstunden nicht von einem überzogenen Ansatz ausgegangen werden.
Die Berechnung erfolgte auf Basis der Öffnungszeiten x dem betriebsnotwendigen Personalbedarf unter Abzug der Mitarbeit von Herrn Bf. x dem durchschnittlichen Stundenlohn.
Das ergibt bei der Hochrechnung unter Abzug der Arbeitskraft von Herrn Bf.. einen Bedarf von 2 Dienstnehmern für 2007-2008 (1 Pizzeria) Für die Jahre 2009 - 2010, wo 2 Pizzerien betrieben wurden, ergibt sich ein Bedarf von 2,5 Dienstnehmern pro Pizzeria, somit insgesamt 5 Dienstnehmer für beide Pizzerien.
Weiters wurde die Angabe des Dienstgebers, dass der Betrieb 4 Wochen pro Jahr geschlossen wäre, berücksichtigt.
Die Erhöhung des notwendigen Personalbedarfs im Zuge der Eröffnung eines weiteren Standortes in [Ort2] erfolgte ab 2009.
• Pizzeria1/[Ort1] von 2007 - 2010
• Pizzeria2/[Ort2] von Ende 2008 - 2010
Berechnungsbasis pro Pizzeria:
• Pizzeria1:
Öffnungszeiten: Montag - Sonntag von 11:00 - 14:00 und von 17:00 - 23:00 = 9 Stunden pro Tag x 7 Tagen x 4,33 Wochen = 272,79 Stunden/Monat
• Pizzeria2:
Öffnungszeiten: Montag - Sonntag von 11:00 - 23:00 = 12 Stunden pro Tag x 7 Tagen x 4,33 Wochen = 363,72 Stunden/Monat
Berechnungsansatz 2007 + 2008:
272,79 Std. pro Monat x 12 Monate / 52 Wochen x 48 Wochen x 2 Mitarbeiter = 6.043,35 Stunden/Jahr
Berechnungsansatz 2009 +2010:
636,51 Std. pro Monat x 12 Monate / 52 Wochen x 48 Wochen x 2,5 Mitarbeiter = 17.626,43 Stunden/Jahr
Punkt 2:
In der Schätzung voll berücksichtigt, daher kein Unterschied in Hinblick auf die vorgeschriebenen Abgaben
Punkt 3:
Wie in Punkt 1 ausgeführt erfolgte die Schätzung nicht auf Basis der verkauften Pizzen, sondern den betriebsnotwendigen Personalstunden und Öffnungszeiten.
Der Bf beantwortete die Fragen im Vorhalt nicht und übersandte keine Antwort. Der Beschluss ging ihm nachweislich am durch Hinterlegung zu.
III. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages sowie über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2007 bis 2010 wurden von der Abgabenbehörde auf Grundlage von Schätzungen im Rahmen einer Außenprüfung erlassen, weil für die Abgabenbehörde der angegebene Personalbedarf nicht im Einklang mit den bei der Sozialversicherung gemeldeten Dienstnehmer stand. Eine Erklärung der Differenzen durch den Bf ist nicht erfolgt.
Im Gegenzug dazu wird vom Bf eine erhebliche Eigenleistung von 12 h täglich in dem Betrieb angegeben, die bei der Schätzung nicht berücksichtigt worden sei.
Bei diversen Kontrollen der KIAB/Finanzpolizei kam es immer wieder zu Aufgriffen von Ausländern iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes.
Der Bf führte keine Zeitaufzeichnungen und Dienstpläne.
Das Vorliegen der Schätzungsberechtigung wird seitens des Bf nicht bestritten.
Der Bf betrieb nach eigener Aussage neben dem Betrieb des gegenständlichen Lokals, das ab Ende 2008 über zwei Standorte verfügte, auch eine Imbissstube in [Ort2].
Der Bf verglich sich am mit einem ehemaligen Mitarbeiter in einem arbeitsgerichtlichen Prozess wegen offener Lohnzahlungen, die vom Bf für eine von diesem Mitarbeiter behauptete Tätigkeit als 40 Stunden Koch (nicht für Pizzen) eingeklagt wurden.
Die belangte Behörde legte eine Stellungnahme vor, in der sie darlegte, dass die Arbeitszeit des Bf im Rahmen der Öffnungszeiten bei der Schätzung berücksichtigt wurde.
IV. Beweiswürdigung
Der Verfahrensgang vor dem Finanzamt sowie dem Bundesfinanzgericht ist durch die Bescheide, die als Beschwerde zu behandelnde Berufung sowie die vorgelegten Aktenteile, insbesondere den Aussenprüfungsbericht, evident.
Zu den Sachverhaltsfeststellungen gelangte das Bundesfinanzgericht desweiteren auf Grund der angestellten Ermittlungen, insbesondere der Einsicht in anonyme Anzeigen gegen den Bf, die von bis zu 2000 täglich verkauften Pizzen sprechen. Einer der Anzeiger führte auch einen arbeitsgerichtlichen Prozess gegen den Bf unter der Aktenzahl Aktenzahl, im Zuge dessen er behauptete, 40 Stunden als Koch - nicht jedoch Pizzakoch - im gegenständlichen Lokal tätig gewesen zu sein. Diesen Akt forderte das Bundesfinanzgericht im Zuge seiner Ermittlungen an und nahm Einsicht. Er ist insofern beachtlich, als daraus hervorgeht, dass der Bf im Jahr 2009 neben dem gegenständlichen Lokalbetrieb an zwei Standorten auch eine Imbissstube in [Ort2] betrieb. Dies ist in Hinblick auf die vom Bf angegebene Arbeitszeit von 12 Stunden an den beiden Standorten von Relevanz.
Auch die Internetrecherche (Bewertungen auf ..., .... etc.) ergab Fakten betreffend den Betrieb am Standort [Ort1] in Hinblick auf ein gut besuchtes Lokal mit umfangreichem Speisenangebot neben Pizzen, das die Aussage des Klägers im arbeitsgerichtlichen Verfahren, dort als zusätzlicher Koch tätig gewesen zu sein, glaubhaft erscheinen lässt.
Ebenfalls wurden zwei Strafanträge vom und berücksichtigt, aus denen hervorging, dass es bei Kontrollen durch die KIAB (nunmehr Finanzpolizei) zu Aufgriffen illegal beschäftigter Ausländer iSd § 3 AuslBG gekommen sei.
Auch eingesehen wurde die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Aufzeichnungen im Zuge der Prüfungsfeststellungen, auf denen unter anderem Hinzurechnungen im Zuge der Schätzung basierten.
Darüber hinaus wurde dem Bf und der belangten Behörde ein Vorhalt übermittelt und ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt: Die Bf nutzte die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht, die belangte Behörde gab eine Stellungnahme ab, die keine neuen Sachverhaltselemente enthielt, aber die Schätzung und ihre Grundlagen sowie die Berücksichtigung der Arbeitszeit des Bf nachvollziehbar darlegte.
V. Rechtsgrundlagen
§ 184 BAO idF BGBl I Nr. 22/2012
(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.
(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
VI. Rechtliche Beurteilung
Ihrem Wesen nach ist die Schätzung ein Beweisverfahren, bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise (indirekte Beweisführung) ermittelt wird.
Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt – insbesondere durch fehlende Aufzeichnungen – und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen.
Da im gegenständlichen Fall die belangte Behörde keine zureichenden Angaben erhalten hat und darüber hinaus der Bf weder Bücher und Aufzeichnungen noch Belege vorgelegt hat, war die belangte Behörde zur Vornahme einer Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung berechtigt.
Das Vorliegen der Schätzungsberechtigung wird seitens des Bf auch in keiner Weise bestritten. Der Bf wendet sich ausschließlich gegen die Höhe der Schätzung. Er erachtet diese insbesondere deshalb zu hoch, weil der durchschnittliche Stundenlohn in den Jahren 2007 und 2008 hochgerechnet worden wäre und seine Arbeitskraft nicht mitberücksichtigt worden sei, wobei er behauptete, immer 12 Stunden pro Tag mitgearbeitet zu haben.
Im Falle der Vornahme einer Schätzung nach § 184 BAO ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verpflichtung der Behörde zur Wahl jener (gegebenenfalls auch mit anderen Methoden kombinierten) Schätzungsmethode, die im konkreten Einzelfall das Ziel der größtmöglichen Annäherung an die Wirklichkeit am besten erreichen kann, die Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit allen für die Schätzung relevanten Behauptungen des Steuerpflichtigen, zur Wahrung des Parteiengehörs und zur ausreichenden Begründung aller Schätzungsergebnisse, zu beachten (vgl zB , mwN; ; ; ; ).
Die Begründung einer Schätzung hat dabei die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen. Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl zB und 0017; ; ).
Zu beachten ist daher, dass die Schätzung keinesfalls den Charakter einer Strafbesteuerung haben darf (siehe Ritz, BAO6, § 184 Tz 3 mwN). Dies ist im gegenständlichen Fall auch nicht gegeben - die Schätzung auf Basis der Öffnungszeiten ist systemlogisch und nicht überhöht, zumal es vor und nach den Öffnungszeiten nach der allgemeinen Lebenserfahrung in Lokalitäten ebenfalls zu Arbeitszeiten kommt (Vorbereiten, Aufräumen, Saubermachen etc.).
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 115 Abs 1 erster Satz BAO, wonach die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln hat, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.
Im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht auf Grund der Behauptungen der anonymen Anzeiger und in der Folge auf Grund der Einsichtnahme in das arbeitsgerichtliche Verfahren eines ehemaligen Mitarbeiters des Bf ermittelt hat, dass der Bf neben der Pizzeria/Lieferdienst mit zwei Standorten (ab Ende 2008) auch nach eigener Aussage noch zusätzlich einen Imbissstube in [Ort2] betrieben hat, die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.
Eine von ihm behauptete Mitarbeit von 12 Stunden pro Tag ist daher von der Tageskapazität her eher im oberen möglichen Bereich angesiedelt und anzunehmen, dass davon auch die Imbissstube mitumfasst gewesen sein kann.
Betreffend der Mitarbeit des Bf im gegenständlichen Lokal ist festzuhalten, dass die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme darlegt, dass sie - entgegen der Behauptung des Bf, dass seine Mitarbeit nicht mitberücksichtigt worden sei - diese tatsächlich im Rahmen der Öffnungszeiten mitberücksichtigt hat.
Betreffend des Personalbedarfs im gegenständlichen Lokal erscheint die Annahme des Finanzamtes von drei Personen pro Pizzeria/Lieferservice als nicht zu hoch gegriffen. Untermauert wird dies auch noch von der Tatsache, dass drei Mal illegal beschäftigte Personen der KIAB (nunmehr Finanzpolizei) im Zuge ihrer Kontrollen im gegenständlichen Lokal aufgegriffen wurden. Dem Finanzamt ist daher zu folgen, dass dies beweist, dass bei der Berechnung nicht von einem überzogenen Ansatz ausgegangen werden kann. Die Berechnungen der belangten Behörde berücksichtigten einen erhöhten Personalbedarf ab der Eröffnung des zweiten Standortes 2009.
Auch die Tatsache, dass der Bf weiteres Personal im Beschäftigungsausmaß von 40 Stunden pro Woche im Jahr 2010 aktiv gesucht hat, zeigt den vermehrten Personalbedarf. Dieser ist besonders vor dem vielfältigen Angebot des Lokals, das nach den Bewertungen im Internet (...) gut florierte und eine umfangreiche Karte mit Mittagsmenüs, Nudelgerichten, Fischgerichten und Nachspeisen aufwies, nachvollziehbar. Auch die Tatsache, dass der Kläger im arbeitsgerichtlichen Prozess angab, eigens als Koch - wohlgemerkt nicht als Pizzakoch - 40 Stunden angestellt gewesen zu sein, ist auf Grund des umfangreichen Speisenangebotes glaubhaft und spräche für eine Lokalität größeren Umfangs.
Auf Grund dieser Fakten erscheint die Schätzung des Finanzamtes im gegenständlichen Fall nachvollziehbar und glaubwürdig.
Festzuhalten ist, dass sowohl der belangten Behörde als auch dem Bf vom Bundesfinanzgericht unter Wahrung des Parteiengehörs ausreichend Gelegenheit geboten wurde, zu dem gegenständlichen Fall Stellung zu nehmen bzw. um Beantwortung konkreter Fragen ersucht wurde. Die belangte Behörde kam diesem Ersuchen nach und begründete glaubwürdig die Grundlagen der Schätzung und die Berücksichtigung der Mitarbeit des Bf.
Der Bf gab keine Stellungnahme ab, obwohl ihm der Beschluss des Gerichtes nachweislich durch Hinterlegung zuging und ausreichend Frist von einem Monat ab Zustellung gegeben wurde.
In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass der Bf in seiner als Beschwerde zu behandelnden Berufung 2012 einen bedingten Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat. Bedingt war der Antrag auf mündliche Verhandlung für den Fall der Erledigung der Berufung durch einen Berufungssenat iSd § 284 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 22/2012.
Allerdings sind bedingte Prozesshandlungen grundsätzlich unzulässig (Ritz, BAO6 zu § 85, Tz 3) – man spricht im Allgemeinen von der Bedingungsfeindlichkeit des Prozessrechtes. Grund dafür ist, dass von einem an Überlegungen der Rechtssicherheit orientierten, dem Verfahrensrecht allgemein innewohnenden Grundsatz der Unzulässigkeit bedingter Prozesshandlungen auszugehen ist (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 853 sowie Zorn, SWK 2001, S 570). Das bedeutet, wenn einem Antrag einen Bedingung beigefügt ist, gilt er als nicht gestellt (siehe Zorn, SWK 2001, S 570 mit Hinweis auf den , ÖStZB 1998, 284). Auch der VwGH vertritt diese Auffassung (; , 2003/16/0030; , 2002/15/0081, 2003/15/0081;, 2004/16/0115; , 2007/17/0068; , 2006/16/0129).
Das Bundesfinanzgericht führte aus diesen Gründen keine mündliche Verhandlung durch. Dies vor dem Hintergrund, dass zum einen die Bedingung nicht eingetreten ist, da die Entscheidung nicht durch einen Senat getroffen wurde (weil dieser nicht beantragt worden ist) und zum anderen, dass dem Bf ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde und somit das Parteiengehör ausreichend gewahrt wurde.
Dazu ist anzumerken, dass die Abgabenbehörde gemäß § 115 Abs. 1 BAO die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln hat, die für die Abgabepflicht und die Erhebung von Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Äußerung zu behördlichen Sachverhaltsannahmen sowie zur Kenntnisnahme der Ergebnisse des Beweisverfahrens und zu Stellungnahme hierzu zu geben (siehe Ritz, BAO6, § 115 Tz 14).
Darüberhinaus ist das Parteiengehör gemäß § 115 Abs. 2 BAO zu wahren. Das Parteiengehör besteht vor allem darin, der Partei Gelegenheit zu geben, sich äußern zu können zB zu Sachverhaltsannahmen der Behörde, nicht jedoch zu Rechtsansichten ().
Zu beachten ist dabei, dass unter „Partei“ nicht nur der Bf sondern auch die Amtspartei, also die belangte Behörde zu verstehen ist (siehe dazu Ritz, BAO6 zu § 115, Tz 14ff).
Das Parteiengehör wurde im gegenständlichen Fall, wie schon erwähnt, beiden Parteien gegenüber, ausreichend gewahrt.
Auf Grund der rechtlichen Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
VII. Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gem. Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Daher ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103432.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at