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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.11.2019, RV/5100531/2017

Gleitzeitguthaben als fiktive Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache BF, Adresse1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Z. vom , betreffend Einkommensteuer 2015 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

  • Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

    Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
     

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. In der am eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2015 machte der Beschwerdeführer (in der Folge kurz BF) unter anderem Fort-, Aus- bzw. Umschulungskosten iHv EUR 5.853,07) geltend. Der Betrag von EUR 5.192,27 entfällt dabei auf den vom Arbeitgeber berechneten monetären Gegenwert des vom BF bei der Umschulung verwendeten Gleitzeitguthabens.
 

2. Nachdem das Finanzamt den BF mit Vorhalt vom zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert hatte, wurde er mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 2015 veranlagt, wobei die Werbungskosten nur in Höhe des Pauschbetrages von EUR 132,- berücksichtigt wurden.
Zur Abweichung von der eingereichten Einkommensteuererklärung führte das Finanzamt begründend aus, dass unter Wahrung des Parteiengehörs die geltend gemachten Aufwendungen hinterfragt worden seien. Da trotzdem die benötigten Unterlagen nicht beigebracht worden seien, hätten die Aufwendungen nur in Höhe der nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt werden könne. Die Topf-Sonderausgaben ab 1996 wurden nur zu einem Viertel berücksichtigt und werden bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von mehr als 36.400 € überdies nach der oben angeführten Formel eingeschliffen.

3. Die Beantwortung des Vorhalts vom langte bei der belangten Behörde erst am ein. Die Unterlagen umfassten:

  • Ein Schreiben der Energie****, in der das Dienstverhältnis mit dem BF und sein Aufgabengebiet bestätigt werden;

  • Eine Kostenaufstellung der Ausbildung zum Energietechniker, aus der Kilometergelder iHv EUR 257,04, Kosten für einen Computer iHv EUR 399,50, eine Abisolierzange für EUR 34,50 und Gleitzeitguthaben iHv EUR 5.192,27 hervorgehen;

  • Eine Rechnung über den Kauf eines PC iHv EUR 799,-;

  • Eine Teilnahmebestätigung des WIFI zur Ausbildung zum Elektrotechnik-Energietechniker (3. und 4. Semester), samt Zeugnis vom ;

  • Ein Zertifikat Europäischer Computer-Führerschein (ECDL) Base vom ;

4. In der über FinanzOnline am gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde beantragte der BF die Berücksichtigung der Werbungskosten unter Hinweis auf die oben angeführten Unterlagen der Vorhaltsbeantwortung.

5. Mit Vorhalt vom wurde der BF aufgefordert Unterlagen zum Gleitzeitguthaben beizubringen und die Anschrift der Arbeitsstätte bekanntzugeben.

6. Am langte bei der belangten Behörde ein Schreiben des Arbeitgebers des BF vom ein. Darin wurde ausgeführt, dass aufgrund einer Betriebsvereinbarung den von einer Kraftwerkschließung betroffenen Dienstnehmern die Teilnahme an einer Umschulung angeboten worden. Die Umschulung erfolge durch das WIFI, wobei für diese Zeit Zeitausgleich als Eigenbeitrag des Dienstnehmers zu vereinbaren gewesen sei. Vom Schulungsleiter des WIFI sei man darauf hingewiesen worden, die eingearbeitete Zeit (steuerlich) geltend zu machen.  Der Arbeitgeber bestätige, dass die für den Zeitraum von vier Wochen anfallenden Gehaltskosten EUR 5.192,27 betragen würden.

7. Mit Eingabe vom übermittelte der BF eine Bestätigung des Arbeitgebers über die Teilnahme des BF an der Umschulung „Elektrotechnik-Energietechnik“. Darin erklärte sich der BF gegenüber dem Arbeitgeber einverstanden, für die Teilnahme an Kurseinheiten, die während der Arbeitszeit anfallen, Zeitausgleich oder Urlaub im Ausmaß von 115,5 Stunden in Anspruch zu nehmen.

8. In der Beschwerdevorentscheidung vom anerkannte die belangte Behörde, neben Beiträgen zu Berufsverbänden von EUR 22,-, Werbungskosten iHv. EUR 144,64.
Begründend wurde ausgeführt:
„Werbungskosten sind gemäß § 16 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt der Begriff  der Werbungskosten ein Abfließen voraus, das sich wirtschaftlich in einer  Verminderung des Vermögens des Steuerpflichtigen auswirkt  (vgl. ).

Es muss sich folglich um Wertabgaben in Form von Geld oder geldwerten Gütern handeln. Die Dispositionsmöglichkeit über die Zeit stellt nach der  Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bestandteil des  Vermögens eines Steuerpflichtigen dar, da es sich bei der Verfügbarkeit der sogenannten Freizeit um kein Wirtschaftsgut handelt. Die Abgeltung Ihrer Fortbildungskosten durch nicht konsumierten Urlaub stellt daher keine Werbungskosten dar (vgl. ).

Die Fahrtstrecke Wohnung - Arbeitsstätte - Wohnung ist mit dem Verkehrsabsetzbetrag und bei Zutreffen der Voraussetzungen mit dem Pendlerpauschale (sowie dem Pendlereuro) abgegolten. Es  konnte daher das Kilometergeld nur für die Mehrkilometer zum Kursort steuerlich anerkannt werden.
Die Kosten des Computers/Laptops wurden nach Abzug eines 40%igen Privatanteils auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 3 Jahren aufgeteilt.“

9. Mit Schreiben vom , das von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet wurde, brachte der BF vor, dass ein Arbeitskollege für den gleichen Kurs Zeitausgleich als Werbungskosten geltend gemacht hätte und dies vom Finanzamt anerkannt worden sei.

10. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die AfA für den Computer in Höhe von EUR 159,80 anzuerkennen, das Begehren bezüglich des Zeitausgleichs bzw. Urlaubs jedoch abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

I. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt

Der BF machte im Rahmen des Beschwerdeverfahrens bezüglich der Arbeitnehmerveranlagung 2015 Umschulungskosten iHv EUR 5.833,31 geltend.
Der Betrag von EUR 5.192,27 entfällt dabei auf den vom Arbeitgeber berechneten monetären Gegenwert des vom BF bei der Umschulung verwendeten Gleitzeitguthabens. Weitere Aufwendungen betreffen Kilometergeld iHv EUR 257,04, Kosten einer Abisolierzange iHv EUR 34,50 und Kosten eines Computers iHv EUR 399,50 (50% der Anschaffungskosten).
 

II. Rechtslage

Nach § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Unter „Aufwendungen und Ausgaben“ sind grundsätzlich alle Güter zu verstehen, die in Geld oder Geldwert bestehen.

Nach § 15 Abs. 1 EStG 1988 liegen Einnahmen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 EStG 1988 zufließen.
Für die Ermittlung der außerbetrieblichen Einkünfte gilt der Grundsatz des § 19 EStG 1988, dass Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen werden, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, und Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen sind, in dem sie geleistet wurden (Abflussprinzip).

Ein Abfließen iSd § 19 Abs 2 EStG 1988 setzt eine tatsächliche wirtschaftliche Vermögensminderung des Steuerpflichtigen voraus und ist dann erfolgt, wenn der geleistete Betrag aus der Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ausgeschieden ist (; Doralt, EStG, § 16 Rz 22).
Entgangene oder entgehende Einnahmen können demnach nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden (; Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG- Kommentar, 62. Lfg 2016, § 16 EStG 1988 Rz 42f).

Weder nicht vergütete Dienstleistungen bzw. entgangene Einnahmen, noch die Dispositionsmöglichkeit über die Zeit stellen demnach einen Bestandteil des Vermögens dar und können daher zu keinen Werbungskosten führen ( und RV/5101951/2015).

§ 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 lautet:
(Werbungskosten sind auch:) „Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen. Aufwendungen für Nächtigungen sind jedoch höchstens im Ausmaß des den Bundesbediensteten zustehenden Nächtigungsgeldes der Höchststufe bei Anwendung des § 13 Abs. 7 der Reisegebührenvorschrift zu berücksichtigen.“

Als abzugsfähige Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen kommen in Betracht:

  •  unmittelbare Kosten der Bildungsmaßnahme (Kursgebühren, Kosten für Skripten und andere Lehrbehelfe);

  •  Fahrtkosten im tatsächlichen Ausmaß, soweit sie nicht durch Verkehrsabsetzbetrag und Pendlerpauschale abgegolten sind, also soweit zusätzliche Wegstrecken zum Weg Wohnung/Arbeitsstätte anfallen;

  •  Tagesgelder, sofern eine Reise vorliegt und unter den für Reisen geltenden Einschränkungen (insbesondere nur für die ersten fünf Tage im Bereich eines bestimmten Ortes; vgl ​ );

  • Nächtigungskosten. 

(Hofstätter/Reichel, EStG- Kommentar, 65. Lfg 2017, § 16 Abs 1 Z 10 EStG Rz 31)

III. Rechtliche Erwägungen

1. Gleitzeitguthaben als fiktive Werbungskosten

Strittig ist, ob der monetäre Gegenwert von vier Wochen an Urlaub oder Zeitausgleichanspruch als Eigenbeitrag zu einer Umschulung als Werbungskosten geltend gemacht werden kann.
Der Begriff der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs 1 EStG setzt ein "Abfließen" voraus, das sich wirtschaftlich tatsächlich in einer Verminderung des Vermögens des Steuerpflichtigen auswirkt (vgl zu geleisteten Überstunden, die vom Arbeitgeber nicht bezahlt werden; Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, 62. Lfg 2016, § 16 Rz 42).

Die Dispositionsmöglichkeit über die Zeit und nicht vergütete Dienstleistungen stellen nach der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bestandteil des Vermögens eines Steuerpflichtigen dar, da es sich bei der Verfügbarkeit der sogenannten Freizeit um kein Wirtschafts­gut handelt. Daher sind in Geldeswert umgerechnete Gleitzeitguthaben nicht als fiktive Werbungskosten abzugsfähig und das Beschwerdebegehren insoweit abzuweisen.

2. Kilometergeld
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Verkehrsabsetzbetrag sowie ein allenfalls zustehendes Pendlerpauschale abgegolten. Das Kilometergeld ist daher wie in der Beschwerdevorentscheidung nur für die Mehrkilometer zum Kursort iHv EUR 30,24 steuerlich anzuerkennen.

3. Computer
Bei den Anschaffungskosten des Computers iHv EUR 799,- ist wie in der Beschwerdevorentscheidung auf Grund der Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen, dass die private Nutzung ca. 40% beträgt (RV/0491-F/09). Bei einer geschätzten Nutzungsdauer von drei Jahren ergibt sich eine AfA iHv EUR 159,80 und nicht iHv EUR 79,90 wie in der Beschwerdevorentscheidung angenommen. Insoweit war der Bescheid abzuändern.

Zum Vorbringen des BF, dass die zuständige Abgabenbehörde bei einem Arbeitskollegen der monetäre Wert des Gleitzeitguthabens als Werbungskosten anerkannt worden sei, ist zu sagen, dass sich aus dem falschen Vorgehen jenes Finanzamtes für den BF kein Anspruch auf dieselbe Beurteilung ableiten lässt.

Übersicht über die Werbungskosten:


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 laut BF
laut BVE
Erkenntnis
Gleitzeitguthaben
5.192,27
0,00
0,00
Kilometergeld
257,04
30,24
30,24
Abisolierzange
34,50
34,50
34,50
Computer
399,50
79,90
159,80
Summe
5.883,31
144,64
224,54

IV. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen das gegenständliche Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da die entscheidenden Rechtsfragen bereits ausreichend durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vor allem VwGH 89/14/0288, geklärt sind und die vorliegende Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



RV/0491-F/09
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100531.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at