Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.06.2019, RV/4100064/2019

Zuschlag aus öffentlichen Geldern gemäß § 35 Bewertungsgesetz (BewG) 1955

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/4100064/2019-RS1
Dem Ansinnen der Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid, in der „Hoffnung bzw. Erwartung einer zeitnahen Änderung (Aufhebung) des § 35 BewG durch den Gesetzgeber“, in dem Sinne abzuändern, dass eine „Anpassung des Einheitwertes an die (zukünftige) gesetzliche Regelung“ erfolge und der Zuschlag aus öffentlichen Geldern nicht angesetzt werde, konnte nicht Folge geleistet werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes F. vom , betreffend Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und Grundsteuermessbetrag, jeweils zum , zu Recht erkannt: 

Den Beschwerden wird teilweise Folge gegeben.

Der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes mit Sitz in der KG N.N.  wird zum  mit Euro 1.900 Euro festgestellt.

Der Grundsteuermessbetrag zum wird mit Euro 3,04 Euro festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (im folgenden BF) ist Pächterin eines landwirtschaftlichen Betriebes in der Katastralgemeinde N.N.. Mit dem angefochtenen Einheitswertbescheid stellte das Finanzamt den Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes zum mit Euro 3.700 fest. Mit dem gleichzeitig ergangenen Grundsteuermessbescheid wurde der Grundsteuermessbetrag zum mit Euro 5,94 festgesetzt.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden führte die BF gleichlautend aus, dass vom Finanzamt zu Unrecht ein Zuschlag für überdurchschnittliche Tierhaltung gemäß § 40 BewG 1955 in Ansatz gebracht worden sei. Die Summe an gehaltenen bzw. erzeugten Vieheinheiten betrage 24,274 und nicht wie im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt 27,614. Gegenüber der normalen Unterstellung an Vieheinheiten ergebe dies lediglich eine Differenz von 2,954 Vieheinheiten und führe demnach bereits zu einer Verminderung des Zuschlages für überdurchschnittliche Tierhaltung von bisher Euro 1757,18 auf Euro 827,12. In Anbetracht bestehender Weiderechte auf fremdem Grund und Boden sowie eigener Almwiesen ergebe sich überhaupt kein Zuschlag zum Einheitswert wegen überhöhtem Viehbestand. Der Zuschlag sei bescheidmäßig mit Null festzusetzen.

Mit Beschwerdevorentscheidung entsprach das Finanzamt dem Vorbringen der BF und verminderte den Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes zum auf Euro 1.900, wobei sich dieser Einheitswert ausschließlich aus dem Ansatz von 33 % der empfangenen öffentlichen Gelder, auf Grundlage der Mitteilung der Agrarmarkt Austria (AMA), ergab. Ein Zuschlag für überdurchschnittliche Tierhaltung wurde nicht mehr festgesetzt. In der Begründung stellte das Finanzamt dar, dass neben der den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten selbstbewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Heimgutes von 10,66 ha noch 2,4224 ha an landwirtschaftlicher Nutzfläche aus dem Mitbesitz an der EZ KG sowie 18,2803 ha Alpe in die Berechnung einbezogen worden seien. Die in der Beschwerde angeführten Lämmer, Schafe und Rinder mit einem  Alter von 1,5 – 2 Jahren seien sowohl zum wie auch zum noch in der Tierliste vorhanden. Der Zuschlag gemäß § 40 BewG 1955 für überdurchschnittliche Tierhaltung sei neu berechnet worden und betrage nun Null. Gleichzeitig änderte das Finanzamt den ergangenen Grundsteuermessbescheid ab und setzte die Steuermesszahl gemäß § 19 GrStG mit Euro 3,04 fest.

In dem gegen diese Beschwerdevorentscheidung erhobenen Vorlageantrag führte die BF nunmehr aus, dass ihr bekannt sei, dass gemäß § 35 BewG die öffentlichen Gelder in Höhe von 33 % der dem jeweiligen Betriebsinhaber für das Antragsjahr gewährten Erstauszahlung und Berücksichtigung allfälliger Vorschusszahlungen festzustellen seien, und demzufolge die Abgabenverwaltung rechtlich keine andere Möglichkeit habe, als den Bescheid in der gegenständlichen Form mit der entsprechenden Einheitswerthöhe von Euro 1.900 festzustellen. In der jüngsten Vergangenheit seien jedoch immer wieder Informationen in Umlauf gebracht worden, wonach die Zuschläge aus öffentlichen Geldern in Zukunft wieder gesetzlich beseitigt werden sollten. Dies vor allem deshalb, da die Zahlungen keine Förderungen bzw. Sozialleistungen seien und daher grundsätzlich nicht mit der Wirtschaftskraft bzw. dem Haushaltseinkommen des jeweiligen Betriebes in Zusammenhang stehen (könnten). Sie dienten zur Abgeltung von Leistungen auf der jeweils bewirtschafteten Fläche und hätten daher grundsätzlich nichts mit (zusätzlichen) Einkommen oder Vermögen zu tun. Die Direktzahlungen wären als Ausgleich für die verminderten bzw. abgeschafften Marktordnungsmaßnahmen eingeführt worden und seien ausgehend von der Produktionsmenge auf den einzelnen Hektar berechnet. Dadurch solle ein Teil der Ausfälle kompensiert werden. Sie führten demnach einzelbetrieblich zu keinem höheren Ergebnis als die Marktordnungsmaßnahmen vor dem EU-Beitritt. Daher bestehe ein Widerspruch zur gesetzlichen Festschreibung im § 35 BewG, wonach aufgrund dieser Bestimmung ein Zuschlag zum Einheitswert festzustellen sei. § 32 BewG determiniere den Einheitswert als Ertragswert und könne aufgrund dieser Bestimmung ein Zuschlag zum Einheitswert für öffentliche Gelder (Gemeinsame Agrarpolitik - Zahlungen, erste Säule) nicht als gerechtfertigt angesehen werden, weshalb ein Widerspruch zwischen der Systematik der Einheitsbewertung an sich im Verhältnis zu § 35 BewG zu erblicken sei. In Anbetracht dieser Ausführungen und in der Hoffnung bzw. Erwartung einer zeitnahen Änderung (Aufhebung) des § 35 BewG durch den Gesetzgeber, nämlich, dass die zusätzliche Berücksichtigung von öffentlichen Geldern im Rahmen der Einheitsbewertung beseitigt aufgehoben werde, ersuche die BF um Anpassung ihres Einheitswertes an die (zukünftige) gesetzliche Regelung.

Im Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht führte das Finanzamt, unter Verweis auf die gesetzlichen Grundlagen sowie auf die Rechtsprechung aus, dass die Berücksichtigung der empfangenen öffentlichen Gelder, nämlich der sogenannten AMA-Zahlungen, zurecht erfolgt sei und sich dieses Vorgehen mit dem klaren Wortlaut des § 35 BewG 1955 decke. Der Einwand der BF, dass in Zukunft eine gesetzliche Änderung erfolgen könnte, überzeuge nicht. Es sei das im Zeitpunkt der Vollziehung geltende Recht anzuwenden. Es werde die teilweise Stattgabe der Beschwerden laut Beschwerdevorentscheidung beantragt.

Im Zuge eines Erörterungsgespräches gemäß § 269 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung wurde die Sach- und Rechtslage vor dem Bundesfinanzgericht erörtert. Die Verfahrensparteien wiederholten hierbei ihre bisherigen Standpunkte.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Vor dem Bundesfinanzgericht ist zwischen den Verfahrensparteien ausschließlich strittig, ob der Zuschlag aus öffentlichen Geldern in Höhe von Euro 1.900 vom Finanzamt zu Recht in Ansatz gebracht wurde.

Der diesbezügliche Sachverhalt, wonach öffentliche Gelder in Höhe Euro 5.904,56 bezogen wurden, ist nicht strittig und gründet sich auf die Mitteilung der Agrarmarkt Austria (AMA).

Wohl aber besteht Streit darüber, ob ein Zuschlag aus diesen öffentlichen Geldern in Höhe von 33 Prozent der gewährten Beträge in die Einheitsbewertung einzubeziehen ist. Neben ihrer Hoffnung auf eine gesetzliche Änderung brachte die BF in ihrem Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht auch Überlegungen vor, wonach mit den öffentlichen Geldern bloß die abgeschafften Marktordnungsmaßnahmen vor dem EU-Beitritt ausgeglichen würden und daher kein höheres Betriebsergebnis vorliege.

Rechtliche Grundlagen:

Die Bestimmung des § 32 Abs 1 Bewertungsgesetz (BewG) 1955 legt fest, dass für landwirtschaftliche Betriebe die Grundsätze über die Bewertung nach Ertragswerten gelten.

§ 32 Abs 2 bis 4 BewG 1955 lautet:

„(2) Ertragswert ist das Achtzehnfache des Reinertrages, den der Betrieb seiner wirtschaftlichen Bestimmung gemäß im Durchschnitt der Jahre nachhaltig erbringen kann. Dabei ist davon Seite 5 von 6 auszugehen, dass der Betrieb unter gewöhnlichen Verhältnissen, ordnungsmäßig, gemeinüblich und mit entlohnten fremden Arbeitskräften bewirtschaftet wird. Außerdem ist zu unterstellen, dass der Betrieb schuldenfrei ist und mit einem für die ordnungsgemäße, gemeinübliche Bewirtschaftung des Betriebes notwendigen Bestand an Wirtschaftsgebäuden ausgestattet ist.

(3) Bei der Beurteilung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit sind die wesentlichen Umstände zu berücksichtigen, die den Wirtschaftserfolg beeinflussen oder von denen die Verwertung der gewonnen Erzeugnisse abhängig ist. Demgemäß sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. Die natürlichen Ertragsbedingungen im Sinne des § 1 Abs 2 Z 2 des Bodenschätzungsgesetzes 1970 (Bodenbeschaffenheit, Geländegestaltung, klimatische Verhältnisse, Wasserverhältnisse);

2. die folgenden wirtschaftlichen Ertragsbedingungen:

a) regionalwirtschaftliche Verhältnisse des Standortes;

b) Entfernung der Betriebsfläche zum Hof;

c) Größe und Hangneigung der Betriebsflächen und

d) Betriebsgröße.“

(4) Die Gebäude, Betriebsmittel, Nebenbetriebe, Sonder- und Obstkulturen sowie Rechte und Nutzungen (§11), die zu dem Bereich gehören, werden unbeschadet der §§ 33 und 40 nicht besonders bewertet, sondern bei der Ermittlung des Ertragswertes berücksichtigt. Dabei sind Zuschläge gemäß § 40 für Sonder- und Obstkulturen, die keine Dauerkulturen sind, der wirtschaftlichen Einheit des Bewirtschafters zuzurechnen, während Zuschläge für Dauerkulturen beim Ertragswert des Eigentümers der wirtschaftlichen Einheit, auf der sie sich befinden, zu erfassen sind. Sofern der Bewirtschafter keinen land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz im Eigentum hat, bildet der Zuschlag einen landwirtschaftlichen Betrieb in jener Gemeinde, in der die Hofstelle des Pächters gelegen ist, oder bei Fehlen einer Hofstelle, in jener Gemeinde, in der sich der wertmäßig überwiegende Anteil der Sonder- und Obstkulturen befindet.“

§ 35 BewG hält zur Berücksichtigung von öffentlichen Geldern fest:

„Bei der Bewertung sind nur wiederkehrende Direktzahlungen im Sinne des Art. 1 lit. a der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009, ABl. Nr. L 347 vom S. 608, gesondert zu berücksichtigen. Diese öffentlichen Gelder sind in Höhe von 33 vH der dem jeweiligen Betriebsinhaber für das Antragsjahr gewährten Erstauszahlung unter Berücksichtigung allfälliger Vorschusszahlungen anzusetzen.“

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen erhellt ohne jeden Zweifel, dass ein Zuschlag von 33 Prozent der gewährten öffentlichen Gelder bei der Feststellung des Einheitswertes des landwirtschaftlichen Betriebes der BF in Ansatz zu bringen war. Wie schon von Finanzamt zutreffend ausgeführt, war die für den Stichtag des angefochtenen Bescheides geltende gesetzliche Regelung anzuwenden. Auch die BF hat dies in ihren Ausführungen im Vorlagenantrag ausdrücklich zugestanden.

Wenn die BF in ihrem Vorlageantrag ausführt, dass durch die streitgegenständlichen Direktzahlungen lediglich ein Teil der Ausfälle für abgeschaffte oder verminderte frühere Marktordnungsmaßnahmen kompensiert werden sollten und dass diese einzelbetrieblich zu keinem höheren Ergebnis führten, so ist dem wiederum der unmissverständliche Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung des § 35 BewG entgegenzuhalten. Solange die gesetzliche Bestimmung in Geltung ist, kann in der Vorgangsweise des Finanzamtes kein Fehler erblickt werden.

Aus dem Gesichtspunkt der verpflichtenden Anwendung der in Geltung stehenden gesetzlichen Bestimmung kann auch dem Ansinnen der BF nicht Folge geleistet werden, den angefochtenen Bescheid, in der „Hoffnung bzw. Erwartung einer zeitnahen Änderung (Aufhebung) des § 35 BewG durch den Gesetzgeber“, in dem Sinne abzuändern, dass  eine „Anpassung des Einheitwertes an die (zukünftige) gesetzliche Regelung“ erfolge und der Zuschlag aus öffentlichen Geldern nicht angesetzt werde.

Dem Antrag der BF, wonach kein Zuschlag für überdurchschnittliche Tierhaltung gemäß § 40 BewG in Ansatz zu bringen sei, wurde vom Finanzamt bereits in der Beschwerdevorentscheidung entsprochen. Die vom Finanzamt als Begründung ausführlich dargestellte Berechnung von Nutzflächen und Vieheinheiten war durch das Bundesfinanzgericht nicht zu beanstanden. Der Zuschlag gemäß § 40 BewG für überdurchschnittliche Tierhaltung beträgt Null.

Die Höhe des Grundsteuermessbetrages gründet sich auf § 19 Grundsteuergesetz (GrStG) und ist unmittelbar an die Höhe des festgestellten Einheitswertes geknüpft.

Gemäß § 264 Abs. 3 Bundesabgabenordnung (BAO) galten die von der BF erhobenen Beschwerden, gegen den Einheitswertbescheid sowie gegen den Grundsteuermessbescheid zum , beide datiert mit , von der Einbringung des Vorlageantrages an wiederum als unerledigt.

Im Lichte obiger Ausführungen war den Beschwerden durch dieses Erkenntnis daher im Ausmaß der Beschwerdevorentscheidung teilweise stattzugeben. Der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes zum war mit Euro 1.900 festzusetzen, der Grundsteuermessbetrag zum mit Euro 3,04.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Keiner dieser Voraussetzungen erschien im gegenständlichen Streitfall erfüllt.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Zuschlag aus öffentlichen Geldern
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100064.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at